Ansichten eines Informatikers

Afrizentrische Mathematik

Hadmut
8.4.2018 11:27

Ich bin mir nicht sicher, ob das nicht eher kontraproduktiv ist.

In Kanada überlegen sie, wie man schwarzen Schülern Mathematik bei- und näherbringen könnte. Scheint wohl nicht so einfach zu sein, wenn man den Aussagen folgt:

In a bid to bring black students to science, this high school will offer Africentric math

‘We need to try to do something different,’ says Auburn Drive High School principal Karen Hudson. […]

Teachers will incorporate discussions about the students’ cultural backgrounds, history and their lived experiences while teaching them about everything from measurements, surface area and linear equations through an Africentric lens. […]

The aim is to encourage Grade 10 black students to take advanced math and to consider careers in science, technology, engineering and math.

The school will work with local universities and specifically with Imhotep’s Legacy Academy, an outreach program at Dalhousie that Hewitt helped start and which encourages black junior high and high school students to consider careers in the STEM fields.

“It’s academic math but we want to build their self-confidence, their self-awareness so they can feel that they’re capable of doing the math,” Auburn principal Karen Hudson said in an interview.

Und was machen sie jetzt, um das zu erreichen?

School curriculum needs to better reflect the positive contributions of black communities, Hudson said, and part of the course will be to expose students to black professionals in the various STEM fields.

An example in the Imhotep’s program of bringing African culture into math is using the Egyptian pyramids to teach trigonometry.

Sie erklären Trigonometrie am Beispiel Ägyptischer Pyramiden.

Wenn’s hilft.

Es erinnert mich an meine frühe Kindheit. Damals, so Ende Sechziger, Anfang Siebziger, gab es in jedem Haushalt mit Kindern diese dunkelblaue große Tube mit der Orangenscheibe drauf, mit diesem Vitamingel drin, an dessen Namen ich mich nicht (per Googeln auf Mulgatol gekommen), an dessen süßen Orangen-Frucht-Geschmack ich mich umso besser erinnern kann, von dem man annahm, dass Kinder besser gedeihen, wenn man ihnen einen Löffel davon zu essen gibt, ich davon aber gern direkt an der Tube gesaugt habe, es letztlich völlig nutzlos und nur eine apotheken-überteuerte Süßigkeit war, und es damals so üblich war, Kindern schlecht schmeckende Tabletten in diesem Zeug zu verstecken, damit sie es auf einmal runterschlucken.

Seltsam finde ich jedoch, dass gerade so kultur-, herkunfts-, ethno- und geschichtszentrierte und -orientierte Jugendliche auf den Käse reinfallen. Denn kulturell hat Ägypten mit der Herkunft der Afroamerikaner eigentlich gar nichts zu tun. Man geht zwar davon aus, dass die Ägypter eine Mischung aus nordafrikanischen Nomaden und arabischen Einwanderern sind, die sich beim Wechsel der letzten Eiszeit zu einer Wärmeperiode mit der Bildung von Wüsten in Afrika und Ostasien konfrontiert sahen und deshalb um den Nil herum sesshaft werden mussten, weil es nur noch da Wasser gab, aber afrikanische Mathematik haben die da nicht mitgebracht. Die hatten das erst mal nur mit Viehzucht und Landwirtschaft. Anhand von Mumien glauben sie herausgefunden zu haben, dass die damals genetisch weniger mit dem Rest von Afrika zu tun hatten als heute. Das Problem ist halt, dass sich im Rest von Afrika nicht viel Beitrag zu Mathematik oder anderer Wissenschaft finden lässt. Die frühen Motivationsgeber zur Mathematik waren Handel, Astronomie, Navigation – vor allem in der Nautik – und Architektur. Nur findet man gerade davon in Afrika – außer eben in Ägypten – nach meinem Wissensstand eigentlich nichts. Es gibt keine nennenswerte afrikanische Mathematik, jedenfalls hat man mir noch keine genannt, und meines Wissens in den urafrikanischen Sprachen nicht mal die notwendigen Worte dazu. Die hatten schlicht andere Probleme und andere Lösungen dafür.

Insofern hätte ich da erhebliche Zweifel, ob die Pyramiden überhaupt für das Afrika stehen, aus dem diese Schüler zu kommen glauben, aber wenn es ihnen hilft, ihnen was vorzugaukeln…

Seltsam finde ich daran übrigens auch, dass sie ja nach dem Stand der Wissenschaft vor einigen Jahren alle davon überzeugt sind, dass alle Menschen in Afrika entstanden und von dort ausgewandert sind, weshalb man schon die Frage stellen müsste, warum die Pyramiden für Schwarze bekömmlich sein sollen, der Eiffelturm aber nicht. Neulich haben sie aber irgendwo in einer Grube was gefunden, was sie daran zweifeln lässt, die Menschheit demnach doch nicht allein in Afrika entstanden sei. Solche herkunftsorientierte Mathematik kann böse nach hinten losgehen, wenn die irgendwann mal alle davon überzeugt sind, dass man die Mathematik betreibt, die der eigenen Herkunft zu entsprechen habe. Wir hatten das ja neulich in Kapstadt, dass Studenten an einer Uni den ganzen westlichen Wissenschaftskram ablehnen und wieder zu traditioneller Hexerei zurückkehren wollen.

Für die angegebenen Ziele der Integration, des Antirassismus, der Gleichheit und Gleichwertigkeit halte ich diese Taktik für sehr kontraproduktiv. Aber bitte, des Menschen Wille ist sein Himmelreich.

Ich stelle mir das gerade so in einem Bewerbungsgespräch vor, wenn der Kandidat sagt, dass er afrikzentrische Mathematik gelernt hat. Ich gehe aber generell mit kanadischer Politik nicht so konform.