Ansichten eines Informatikers

Özdemir, der Staat und die Kehrtwende

Hadmut
8.3.2018 1:08

Schon der zweite Grünen-Promi mit Kehrtwende?

Wie schon gesagt, ich halte nicht allzu viel von Cem Özdemirs und dem was er sagt, aber ich halte ihn in der grünen Führungsriege als einzigen für halbwegs kontrolliert, stubenrein und gesprächsfähig.

Die WELT hat nun einen Artikel und ein Video über seine aktuellen Aussagen, darunter

„Ansehen des Staates erodiert in breiten Schichten der Bevölkerung“

Ganz ehrlich ist es freilich nicht, trifft aber den Punkt. Die Bürger sehen den Staat immer kritischer, haben immer weniger Vertrauen. Er will das CDU und SPD in die Schuhe schieben. Hört man aber mal genau hin, findet man darin – ähnlich wie gerade bei Joschka Fischer – eine Abkehr von der Politik der Grünen, geradezu eine Umkehr, in der das, was man bisher gefordert hat, als falsch hingestellt wird.

„Beide Volksparteien sind in einem dramatisch schlechten Zustand“

Stimmt. Aber anscheinend immer noch in einem besseren als die Grünen. Zumindest aktuell haben SPD und CDU noch deutlich mehr Stimmen, und zumindest bisher mussten SPD und CDU auch nicht um die 5%-Hürde bangen.

Auch von der neuen großen Koalition fordert Özdemir mehr Investitionen in die innere Sicherheit. […] „Mehr Polizisten auf der Straße, schnellere Gerichtsentscheidungen. All das brauchen wir. Das haben die Parteien der GroKo über Jahre sträflich vernachlässigt“, sagte er. Die Bürger hätten den Eindruck „umfassenden Kontrollverlusts.“

In der Sache hat er recht. Aber: Ein Grüner, der mehr Polizisten auf der Straße fordert. Was geht da vor sich?

Im Umgang mit der AfD sprach sich Özdemir für einen harten Kurs aus. „Da halte ich nichts von Wattebäuschchenweitwurf. Man muss mit der AfD die Sprache sprechen, die sie versteht“, sagte er. „Das sind keine Patrioten, das sind Deutschlandhasser.“

Bis neulich schimpfte man noch auf Nationalisten. Jetzt heißt es, die AfD würde „Deutschland hassen” – und (siehe Video) seine Werte.

Eben noch wollten die Grünen den Staat bekämpfen, hin zu einem sozialistischen Einheitseuropa, wollten alles nationalstaatliche bekämpfen. Und es gibt eine radikale linke Strömung der „Antideutschen”, die auch bei den Grünen vorkommen. Die alles an Deutschland zerstören wollen. Eben war man noch auf deren Seite. Und jetzt hält man plötzlich anderen vor, Deutschenhasser zu sein? Woher kommt diese Wende?

Ändern die gerade ihre Polarität?

Kann das sein, dass die – auch durch Trump und dessen Europadistanziertheit – gerade vor irgendwas enorme Angst bekommen?

Warum rufen die auf einmal nach Werten, Recht und Ordnung? Das tun die doch sonst nicht?

Der Schlüssel liegt vielleicht hier drin:

Für CDU und CSU sieht es der frühere Grünen-Chef als entscheidend an, dass die Schwesterparteien ihre Kompetenz in der inneren Sicherheit zurückgewännen. „Man wünscht sich ja zuweilen fast den guten alten Edmund Stoiber zurück mit ‚Laptop und Lederhose‘ und einen Beckstein als Innenminister, der rechts nichts anbrennen ließ“, sagte er.

Auch von der neuen großen Koalition fordert Özdemir mehr Investitionen in die innere Sicherheit. „Das Ansehen des Staates erodiert in breiten Schichten der Bevölkerung“, sagte er. Verantwortlich dafür seien insbesondere die Union und die SPD.

Das hört sich für mich an, als ob die gerade ein grundlegendes Problem haben. Als ob die immer nur so getan haben, als wären sie pazifistisch und gegen Polizei und sich in Wirklichkeit drauf verlassen haben, dass innenpolitisch SPD und CDU und außenpolitisch die USA für Recht und Ordnung sorgen und für sie dann die Rolle des Anarchisten und Radikalliberalen bleibe, sich also für ihre Klientel als Ökofuzzis darstellten und das, was nötig ist, aber womit man nicht in Verbindung gebracht werden wollte, dem Gegner anhängen und vom dem erledigen lassen.

Jetzt funktioniert das nicht mehr. Die SPD ist schwindsüchtig und die CDU merkelig. Die USA werden von Trump regiert, der auch nicht mehr Europapi sein will.

Brechen denen also plötzlich die Gegner weg, denen sie alles zugeschoben und sich darauf verlassen haben, dass die machen, was insgeheim notwendig, aber der eigenen Klientel nicht zu verkaufen ist?

Mir scheint, die haben gerade ganz große Angst, dass das Land erst etwas nach links in Chaos und Kriminalität kippt und dann als Gegenreaktion nach rechts abschmiert. Deshalb wollen die auf einmal Parteien, die den rechten Rand abdecken und für Recht und Ordnung sorgen, weil sie es selbst aus ihrer Position nicht können, sie aber merken, dass es böse kracht, wenn es keiner macht.