Ansichten eines Informatikers

Die Pfändung ausgewählter Immaterial-Güterrechte

Hadmut
25.1.2018 17:16

Es geht tiefer.

Ein anderer Anwalt unter meinen Lesern schreibt mir, diese Publikation von Marina Engelberg von der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin gehe mit juristisch angemessener Tiefe und zugehöriger Erleuchtung einher.

Das wohl vielleicht schon, aber jedenfalls nicht uneingeschränkt. Wenn ich nämlich so’n Schrott lese wie

Eine Internet-Domain ist die Adresse für eine bestimmte Internet-Seite, über die ein Rechner, dem die Domain zugeordnet worden ist, angesteuert werden kann. […]

Der Domain kommt eine Adresskennzeichnungsfunktion in Bezug auf einen bestimmten Computer zu. […]

und das mit Quellenangabe Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 850a, und Birner, Internet-Domain, S. 22; Stöber, Forderungspfändung, Rn. 1645a; krieg ich Sodbrennen. Das ist so typisch für die Leute, die Internet und World Wide Web gleichsetzen und nicht merken, dass da noch viel mehr dahintersteckt, wie eben das E-Mail-System oder viele andere Dienste, und eben nicht nur „Internet-Seiten”, zumal das Internet keine Seiten hat. Autobahnen geben ja auch keine Milch, nur weil Milchlaster drüber fahren. Vor allem geben Autobahnen nicht nur Milch, die machen auch anderes. Wenn man schon nicht verstanden hat, wie Telekommunikation und Domains zusammenhängen, kann das eigentlich nicht mehr wirklich gelingen (so wie damals die Kinderpornosperre), und nein, Domains können auch nicht Rechnern zugeordnet werden. A-, AAAA-, SRV- und MX-Records innerhalb einer Domain können Rechnern zugeordnet werden.

Deshalb können hinter einer Domain auch beliebig viele Rechner stecken. Und übrigens umgekehrt, die Rückrichtung gibt es nämlich auch.

Oder um es mal einfach zu sagen: Eine Domain ist eine Verwaltungs- und Organisationseinheit, unter der man Referenzen auf beliebig viele Rechner zu beliebigen Zwecken und auch weitere Informationen verwalten und über ein standardisiertes Abfrageprotokoll weltweit publizieren kann. Es dient hauptsächlich, aber nicht nur, der Umsetzung symbolischer (DNS-)Namen in IP-Adressen. Diese Funktion wird von einer Vielzahl verschiedener Dienste genutzt, von denen das World Wide Web (Webserver sind die Dinger mit den Webseiten) nur der augenscheinlichste und bekannteste Dienst ist. Auch das E-Mail-System, verschiedene Chat-Systeme und teilweise Voice-over-IP-Telefonie beruhen auf Domains und deren Auskunftssystem.

Gnade und Nachsicht sind aber angebracht, weil das Buch von 2007 stammt, und sich die Fehler im Weiteren auch nicht so schlimm auswirken.

Letztlich zeigt der Text, den man zu lesen versuchen sollte, sehr schön, wie Juristen daran schlicht abrutschen, ein neues Gebilde, was sich weder in das Sachenrecht, noch in das Bild der Immaterialgüter einfügen will und lässt, rechtlich zu bewerten. Man versucht, das irgendwie in oder Zwischen Sachen und Rechte einzuordnen, weil für den, der nur den Hammer kennt, sich alles wie ein Nagel zu benehmen hat, kommt aber nicht so auf die Idee, dass das bestehende Instrumentarium vielleicht unvollständig sein könnte. Vielleicht hapert’s in Deutschland auch deshalb so mit der Innovation. Dafür kann die Autorin freilich nichts, sie stellt ja nur da, wie die juristische Diskussion ist. Im Ergebnis bleibt, dass Juristen (Stand 2007, Besserung wäre mir nicht bekannt) schlicht nicht wissen, was eine Domain juristisch ist.

2. Pfändbarkeit

Nach § 6 I der DENIC-Registrierungsbedingungen ist die Domain übertragbar, so dass sie auch grundsätzlich nach §§ 857 I iVm 851 I ZPO pfändbar sein muss. Die Pfändbarkeit der Internet-Domain war vor der Entscheidung des BGH größtenteils jedoch streitig und ist auch nach der Entscheidung des BGH noch hinterfragbar.

Und das halte ich nun für groben Unfug.

Nur weil man selbst über etwas verfügen kann, heißt das noch lange nicht, dass man dazu auch gezwungen werden kann. Da können nämlich Grundrechte entgegenstehen. Ich kann ohne weiteres jemandem eine Niere oder Knochenmark spenden, und es steht mir auch frei meine Nase und meine Ohren abschneiden zu lassen, deshalb kann man sie noch lange nicht pfänden.

Prostitution ist beispielsweise auch erlaubt. Kaufe ich mir aber eine 10er-Karte im Bordell, dann hat die auch einen Wert, aber deshalb kann man noch lange keinen Beischlaf-Anspruch pfänden und versteigern.

Auch ein Kind kann man auf- und zur Adoption freigeben, deshalb ist es noch lange nicht pfändbar.

Der zentrale Denkfehler ist, dass unser Recht dem Individuum Verfügungsrechte einräumt und zugesteht, an deren zwangsweiser Ausübung – etwa durch ein Pfändungsverfahren – der Staat selbst aber durch Grundrechte gehindert ist. Und wie ich in dem früheren Artikel gezeigt habe, haben Domains oft ziemlich viel mit solchen Grundrechten zu tun.

Vor der Entscheidung des BGH wurden unterschiedliche Ansichten zur Pfändbarkeit der Internet-Domain vertreten.

Zum einen wurde die Internet-Domain als pfändbares anderes Vermögensrecht iSd § 857 I ZPO angesehen. Die Begründungen hierzu fielen dann aber unterschiedlich aus. Einige Landgerichte leiten die Pfändbarkeit bereits aus der Tatsache ab, dass die Internet-Domain gem. § 6 I der Denic-Registrierungsbedingung
en übertragbar wäre und gehandelt, vermietet und abgetreten werden könnte. Das LG Essen sah die Internet-Domain darüber hinaus als eine Rechtsinstitut sui generis an, dass mit einer Lizenz vergleichbar sei. Viefhues bejaht ebenfalls die Pfändbarkeit der Domain Names nach § 857 I ZPO. […usw. usw. …]

Und nicht einer hat mal für 20 Pfennig über Grundrechte nachgedacht, die dem entgegenstehen könnten?

Sie reden ja immer gerne vom Volljuristen, der alles kann, kraft Befähigung zum Richteramt. Faktisch liest sich das aber nach Fachidiotentum mit einer Reichweite kaum über 50 Paragraphen hinaus.

Immerhin gibt es Überlegungen zum Namensrecht:

Die Pfändung einer Internet-Domain wird daher vom LG München I aus Gründen des Namensschutzes nach § 12 BGB als unzulässig angesehen, wenn es sich bei dem Domainnamen um einen Familiennamen sprich Nachnamen handelt. Dieser Ansicht schließt sich auch Brandi-Dohrn an, da eine Pfändung
einer Namensdomain durch einen nicht namensberechtigten Gläubiger auf Grund rechtswidriger Namensanmaßung nicht zulässig sei.
Nach Schmittmann wäre der Fall allerdings anders zu beurteilen, wenn der Gläubiger denselben bürgerlichen Namen trüge wie der Schuldner.

Hinge also die Pfändbarkeit meiner Domain hier davon ab, ob der Gläubiger selbst auch Danisch heißt? Na wie gut, dass ich nicht Schmidt oder Meier heiße.

Des Weiteren hält er eine Unpfändbarkeit der Internet-Domain für nicht tragbar, da bei einer fehlenden Pfändbarkeit die Internet-Domain auch gem. § 36 I InsO nicht in die Insolvenzmasse zur Gläubigerbefriedigung fällt, wo doch der Schuldner
doch selbst die Internet-Domain gegen Entgelt übertragen könnte.

Könnte. Aber eben nicht müsste. Man kann auf ein Grundrecht verzichten oder Eingriffe gestatten, man muss es aber nicht. Das ist so der Witz an Abwehrrechten gegen den Staat und die Staatsgewalten. Seltsam, dass ausgerechnet Verfassungsrecht in der gesamten Diskussion überhaupt nicht vorkommt.

Immerhin aber, und deshalb schickte mir der Leser den Link:

Die Internet-Domain kann nach § 811 I Nr. 5 ZPO analog unpfändbar sein, wenn sie als Arbeitsmittel zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit
des Schuldners unabkömmlich ist. [ Mit Quellenangabe Musielak/Becker Rn. 13a zu § 857 ZPO; Birner, Internet-Domain, S. 212; Stöber, Forderungspfändung, Rn. 1645e; Berger Rpfleger 2002, 181, 185; Völzmann-Stickelbrock MarkenR 2006, 2, 6; Welzel MMR 2001, 131, 135; LG Mönchengladbach Rpfleger 2005, 38, 39

Genau das hatte ich ja im Nachtrag zum Artikel schon angesprochen.

Dies käme unter anderem bei einem Betreiber eines reinen Onlinedienstes oder Anbieter eines E-mail-Dienstes in Betracht, aber nicht für Unternehmer mit realen Geschäften, die im Internet lediglich allgemeine Informationen zu ihrem Geschäft oder zusätzliche Waren vertreiben.

Erstaunlich. Sie sprechen schon von E-Mail-Diensten, aber keiner kommt auf die Idee, mal über das Telekommunikationsgeheimnis nachzudenken.

Entscheidung des BGH 2005

Nach der Rechtsprechung des BGH ist nun die Internet-Domain als solche kein anderes Vermögensrecht iSv § 857 I ZPO. Gegenstand einer Pfändung nach § 857 I ZPO sei dagegen die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle aus dem der Domainregistrierung zugrundeliegenden Vertragsverhältnis zustehen. Mit Abschluss des Registrierungsvertrages einer Internet-Domain erhielte der Anmelder der Domain einen Registrierungsanspruch, der mit der Eintragung zwar nach § 362 I BGB erlösche, aber das Vertragsverhältnis sei gem. § 7 I der DENIC-
Registrierungsbedingungen auf Dauer geschlossen. Aus diesem Dauerschuldverhältnis schulde die DENIC nach der erfolgten Konnektierung weiterhin die Aufrechterhaltung der Eintragung im Primary Nameserver sowie Anpassungs- und Änderungsansprüche hinsichtlich der persönlichen Daten oder der Zuordnung zu einem anderen Rechner.

Der BGH hat – jedenfalls 2005 – auch nicht verstanden, was eine Domain ist. Obwohl ich einräumen muss, dass es zumindest früher (keine Ahnung, ob die das heute noch machen) tatsächlich eine vereinfachte Eintragung gab, in der anstelle der Glue-Records (Normalerweise enthält ein Domaineintrag bei einer TLD-Registry nämlich keine Rechnerzuordnungen in Form von A- oder AAAA-Records, sondern nur den Zonenauszug in Form der NS-Records als Glue-Records, heißt: Verweis zum nächsten, selbstverwalteten Nameserver) direkt Host-Records eingetragen werden. Ich war sogar damals in der Firma tätig (Xlink, Projekt Strato), die diese Records so beantragt hat.

Aber auch wenn es diesen Sonderfall tatsächlich gab, es hindert einen doch daran, zu verstehen, was eine Domain ist.

Fazit:

Der BGH ist (oder war 2005) mit Verständnis und Beurteilung massiv überfordert und hat falsch entschieden.

Und weil sowas bei Juristen ohne weitere Nachdenken bis in alle Ewigkeit gilt, solange sich nicht jemand durch die bestehende Meinung durch alle Instanzen kämpft, halten sie unbeirrbar an dem Unfug fest. Ist mir schon öfters begegnet. Und den BGH habe ich auch schon öfters überfordert erlebt. Ich weiß von einem Bankenrechtsstreit, wo der BGH nicht mal in der Lage war, die Gesetzeslage im BGB zu einem bestimmten Zeitpunkt richtig zu bestimmen. Die sind da öfters hoffnungslos überfordert.

Und wenn die Leute sich erst mal auf irgendeinen Spezialbereich des Zivilrechts eingeschossen haben, hier Pfändbarkeit, Sachen, Rechte, verstehen die sowas die Grundrechte, Telekommunikationsgeheimnis nicht mehr.