Ansichten eines Informatikers

Korrelation, Kausalität und magisches Reiben

Hadmut
7.8.2017 19:49

Eben im Supermarkt. [Schreibfehler in Zahl korrigiert]

(Ich staune manchmal, wieviele Blog-Artikel aus dem Besuch im Supermarkt um die Ecke entstehen.)

Kennt Ihr die Marotte vieler Leute, an Automaten mit Münzeinwurf die Münze am Automaten zu reiben, wenn sie beim ersten Mal nicht angenommen wird? Diverse Automaten- und Münzzähler-Hersteller haben schonnachdrücklich bestätigt, dass das gar nichts bringt. Die Münze muss nicht magisch entladen werden, und auch nicht „entgratet“. Das ist einfach Zufall unter einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Neuer Versuch, neues Glück. Weil’s die Leute aber partout nicht einsehen und die Automaten damit kaputt machen und den Lack runterscheuern, machen manche Hersteller extra unlackierte Reibeplatten aus Edelstahl neben den Einwurfschlitz. Die Leute reiben dann da dran und verschonen den Lack. Wenn die Münze beim zweiten Mal dann akzeptiert wird, ist das eine Bestätigung für die Wirksamkeit des Reibens, und wenn sie nicht akzeptiert wird, hat man nicht genug gerieben.

Sowas habe ich eben im Supermarkt erlebt.

War gerade etwas einkaufen. Fast immer im selben Supermarkt, fast immer an derselben Kasse. Nur das Personal an der Kasse wechselt.

„…das macht dann 11,47!“ – „Mit Karte bitte!“ – „Karte einstecke, PIN eingeben,…“

Wie immer.

Fast.

Diesmal nicht.

Drei oder vier Mal im Jahr klappt’s nicht beim ersten Mal. Das Gerät zeit „Karte entnehmen“ und dann „Karte nicht lesbar“ an. Normalerweise klappt’s dann im zweiten Versuch. Ich wollte die Karte gerade rausziehen, da ist die Kassiererin schneller, schnappt sich vor meinen Augen die Karte, mit dem Magnetstreifen zu sich hin, und fängt an, an einer bestimmten Stelle so hexenmäßig-magisch mit dem Daumen herumzureiben. „Das brauchen die manchmal…“ meint sie. Und steckt das Ding wieder rein.

Aus meiner Perspektive stellte sich die Sache ganz anders dar. Ich habe ihr nämlich gegenüberg gestanden und deshalb die Karte von der anderen Seite, also nicht den Streifen, sondern den Chip gesehen, Und auf dem hat sie direkt rumgefingert, mit den beim Kassieren im Supermarkt unvermeidlich schmierig-klebrigen Fingern.

Ich merke ruhig, aber in etwas missbilligendem Ton an, dass das Gerät den Chip auslesen muss, und das ganz sicher nicht besser geht, wenn man da noch Fingerabdrücke und Fettflecken drauf macht. Man sollte die Kontakte eigentlich nicht berühren.

Nein, wischt sie das weg und schaut mich belehrend an, „das Gerät liest den Magnetstreifen“. Der Chip sei nicht wichtig.

Jetzt bin ich kein Zahlungskartenexperte, eigentlich kenne ich mich da ziemlich wenig aus. Aber Magnetstreifenkarten zu kopieren und zu fälschen war vor 20 Jahren schon in Mode, und genau deshalb hat man den Chip ja eingeführt. Meines Wissens nämlich wird in Europa nur noch der Chip gelesen, der Magnetstreifen ist nur noch außerhalb Europas in Verwendung. (Ich kann mich aber so dumpf entsinnen, dass irgendwelche Hersteller dann, wenn der Chip nicht funktioniert, auf den Magnetstreifen zurückgriffen, die gesamte Sicherheit also konterkarierten, weil die kopierte Karte ja dann doch wieder funktioniert. Aktuelle Überprüfung beim Bloggen: Ja. der Magnetstreifen wurde Anfang 2013 abgeschafft. Auch der Fallback – Magnetstreifen, wenn Chip nicht funktioniert. Das ist zwar ein Supermarkt und kein Geldautomat, aber das läuft ja aufs Gleiche raus und in manchen Supermärkten bekommt man ja sogar Bargeld. Das Bundeskriminalamt habe die Banken sogar aufgefordert, Karten ohne Magnetstreifen auszugeben, wenn der Kunde das nicht ausdrücklich für außereuropäische Zahlungen anfragt. Ich glaube sogar mich ganz trübe erinnern zu können, dass mich die Bank vor Jahren bei einem Kartenwechsel mal gefragt hat und ich sagte, dass ich gerne weit reise. Vielleicht hätte ich sonst keinen Magnetstreifen.

Rein technisch kann ich mir aber auch vorstellen, dass sie den Magnetstreifen tatsächlich lesen, denn im Supermarkt-Massengeschäft könnte es sich betriebswirtschaflich als günstiger darstellen, hin und wieder einen Betrug hinzunehmen, als ehrliche Kunden mit defektem Chip an der Kasse abzuweisen. Vielleicht sagt sie ja, dass der Streifen gelesen wird, weil sie ihr das so gesagt haben. Wäre interessant, das mal nachzuprüfen.)

Sie guckt mich so richtig hasserfüllt-herablassend an, der Gesichtsausdruck „Schon wieder ein Mann, der mir meinen Job erklären will“. Hat sie zwar nicht gesagt, aber eben so geguckt. Und besteht darauf, dass das Gerät den Magnetstreifen lesen würde. Ich werfe ein, dass ich sie trotzdem bitten würde, nicht mit den Fingern auf meinem Chip herumzureiben, es sei schließlich meine Karte. (Was nicht ganz stimmt, denn wenn man es genau nimmt, gehört sie der Bank.)

Sie trötet, dass wenn es jetzt geht, sie natürlich Recht habe.

Sie schiebt die Karte ein zweites Mal herein, und es geht.

Wie beim Münzautomaten. Wenn das Ding in – beispielsweise – 97% der Fälle funktioniert, dann liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es zweimal hintereinander nicht funktioniert, falls es unabhängig voneinander zufällig passiert, bei 0,09%. Es ist völlig egal, ob man zwischendurch den Magnetstreifen streichelt. Und selbst wenn das Ding wirklich den Magnetstreifen liest: Was sollte sich daran ändern, wenn man ihn zwischen den Fingern reibt? Sicherlich könnte Schmutz irgendwie stören oder vielleicht dielektrischen Einfluss haben, aber die Karte war ja sauber. Durch Herumreiben wird sie nicht sauberer. Meiner Erfahrung nach ist es wahrscheinlicher, dass die Kontakte oxidiert oder sonst dünn verschmutzt waren und die Kontaktiereinrichtung einfach zweimal drüberschrubbern musste, um richtig Kontakt zu bekommen. Die Kontakte sind nämlich stramm eingestellt, damit sie sich immer so ein bisschen reinfressen. Sieht man ja auch an den Gebrauchsspuren auf der Karte.

Aber: Sie fühlt sich voll bestätigt und fertigt mich da so als Schwätzer ab, und wieder mal hat sich für die Frau an der Kasse bestätigt, dass Männer nur Mansplainer und Besserwisser sind, keine Ahnung haben, und man EC-Karten einfach an der richtigen Stelle streicheln und reiben muss, damit sie mitspielen.

Das BKA hatte Recht. Man sollte die Karten ohne Magnetstreifen ausgeben.