Ansichten eines Informatikers

Calliope Mini

Hadmut
16.4.2017 2:39

Ich habe mir mal die technische Webseite angesehen. [Update/Änderung: Lob war wohl verfrüht]

Also schlecht ist das Ding nicht. Sie haben eine graphische „Programmiersprache“ gebaut, die den Struktogrammen ähnlich ist, mit denen wir vor 40 Jahren Pascal gelernt haben, und dazu eine regelrechte kleine Entwicklungsumgebung samt Simulator in Javascript. Anscheinend meldet sich Calliope beim Rechner per USB als Speicher an, weil man die „compilierten“ Programme direkt da reinspeichern und laufen lassen kann.

Das muss man schon sagen, damit haben sie schon eine komplette Entwicklungsumgebung für „Große“ in eine Weise übersetzt, mit der auch Kinder klarkommen können. Da steckt schon einiges an Mühe und Arbeit drin, das kann man nicht bestreiten. Schön gemacht ist das schon.

Trotzdem wirkt das auf mich wie ein Spielzeug (was es ja auch sein soll), das schnell in der Ecke liegt (was es nicht soll). Und 35 Euro für so ein Ding finde ich happig, dafür bekomme ich auch einen Raspberry.

Ich lasse mich da gerne positiv überraschen, aber ich glaube nicht, dass die Kinder da signifikant zu Programmierern werden.

Drollig ist natürlich, dass die Ding schon Bluetooth drauf haben und mit Handys Daten austauschen können. Läuft darauf hinaus, dass dann jeder Drittklässler ein Smartphone haben muss.

Update: Ein Leser schreibt, das Lob sei unverdient, denn die Produkte Microsoft MakeCode* (PXT Programming eXperience Toolkit) und Google/Fraunhofer
Open Roberta Lab** sind ja bereits für den BBC micro:bit entwickelt, auf dem der Calliope basiert, also quasi ein Schmücken mit fremden Federn.

Er schreibt zum Calliope und BBC micro:bit:

(Gleiche Hardware (Nordic nRF51822+NXP/Freescale KL26Z+LEDs+Knöpfe etc), anderes Platinenlayout, alte Beschleunigungs und Magnet Sensoren durch einen günstigeren von Bosch ersetzt, eine RGB-LED, einen Lautsprecher/Mikrofon und eine günstige H-Brücke mehr und dann natürlich den Preis verdoppelt (micro:bit kostet bei Amazon und Elektor ~15€ ohne Gehäuse, 20€ mit Gehäuse (oder 20€ ohne Gehäuse beim Apotheker))), für die Hardware angepasst.

Während der Startnext Crowdfunding Kampagne wurde noch damit geworben, dass es eine Weiterentwicklung des micro:bit wird. Jetzt ist der Marketingspruch versteckt in der FAQ:

“Wir haben aber grossen Wert auf maximale Kompatibilität zum britischen Vorbild gelegt – so ist es derzeit möglich, bestehenden Code von der micro:bit-Plattform mit dem mini zu nutzen.”

Das Cornelsen an den Schulbüchern und SAP an der Lehrerfortbildung verdient freut diese sicherlich nicht minder.

Alles in Allem schreit das alles nach profilieren/profitieren mit minimalem Aufwand.

Abkassieren mit fremden Entwicklungen?

*MakeCode inspiriert von Google Blockly, das wiederum von MIT OpenBlocks für Java / AppInventor für Android inspiriert wurde, was wiederum auf die Lego Mindstorms (spricht (MIT) LOGO, mit den LOGO Turtle Graphics “lernten” auch DeutschKunstMusik Schüler in NRW in den 90ern programmieren während die Informatik Schüler Basic, Pascal/Delphi hatten) Umgebungen LEGOsheets (basierend auf AgentSheets) Ende der 90er und ROBOVIEW/Labview (in den darauffolgenden Generationen) zurückgeht, bzw (MIT) Scratch (das LOGO in den Schulen in den 2000ern ablöste und auch ab der 3. Klasse einsetzbar ist und vereinzelt in Grundschulen auch als Förder/Belohnungsangebot für diejenigen die mit dem Wochenplan fertig sind eingesetzt wird).

**Open Roberta Lab wurde als Mindstorm Programmierumgebung inspiriert von Google Blockly entwickelt und wird nun auch von Google gesponsort.

Mmh, mit diesen ganzen Lern-Systemen habe ich mich zuvor nicht befasst. Das relativiert die Leistung natürlich ganz enorm. Ein anderes Platinenlayout und ein paar andere Chips ist jetzt keine erwähnenswerte Leistung.

Da stellt sich dann wirklich die Frage, ob die SPD-Meschpoke hier mit fremden Leistungen kassieren will.