Ansichten eines Informatikers

Rechtszersetzung: Neues zu Hate Speech

Hadmut
15.10.2016 11:14

Es galoppiert förmlich.

Es gab mal eine Zeit, da bedurfte eine Hausdurchsuchung

  • einer richtig schweren Straftat, denn die Wohnung ist nach Art. 13 GG eigentlich nicht nur geschützt, sondern unverletzlich,
  • einem Durchsuchungszweck (was wird gesucht: Täter, Tatwaffe, Beute,…), sie durfte nicht einfach zur Umschau usw. stattfinden
  • der Verhältnismäßigkeit
  • der Berücksichtigung von Berufsgeheimnissen, insbesondere bei geschützten Berufen wie eben Ärzten, Anwälten usw.
  • eines triftigen Grundes, etwa Gefahr im Verzuge, Verdunklung, Beschlagnahmung von Tatwaffen, Tatvorteilen usw.

Das scheint heute nicht mehr so zu sein.

Der SPIEGEL berichtet über eine Wohnungs- und Kanzleidurchsuchung bei einem AfD-Politiker (und Juristen), der der wohl in seinen Äußerungen nicht gerade zurückhaltend ist. Der Hammer daran: Es passiert – vordergründig – wegen einer Anzeige wegen Beleidigung. Also eine der geringsten Straftaten, die das Strafgesetzbuch überhaupt kennt, so gering, dass sie normalerweise auch nur auf Antrag (und in der Regel wegen fehlendem öffentlichen Interesse nicht mal dann) verfolgt wird.

Was war passiert? Der hatte in ein Bild von den Nürnberger Prozessen Politiker wie Merkel, Gauck, Maas und eine ganze Riege der Grünen reinmontiert. Anscheinend die Köpfe ausgetauscht, die Körper scheinen aus dem Originalfoto zu stammen. Qualitativ so, dass es einem vielleicht gar nicht gleich auffällt, aber eben auch nicht fehlerfrei. Witzig oder irgendwie treffend finde ich es nicht, aber für echt halten kann man es auch nicht, denn soviel Bildung sollte jeder haben, um sofort zu erkennen, dass die abgebildeten Personen – sofern man sie denn überhaupt identifiziert – da gar nicht gesessen haben können. Für rechtswidriger als die „Satire” von Böhmermann gegen Erdogan halte ich das auf keinen Fall, eher deutlich weniger, weil eben nicht ordinär ausfällig und nicht in den Intimbereich eingreifend (Schafe ficken…). Zudem besteht nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein umso größerer Meinungsspielraum, je mehr sich die betreffende Person selbst exponiert. Das heißt, dass führende Politiker und Minister durchaus sehr viel mehr aushalten müssen als andere. Und auch wenn’s nicht witzig ist: Es ist definitiv keine reine Schmähschrift, sondern es liegt unbetreitbar eine inhaltlich-politische Aussage darin. Die muss man nicht für richtig halten, aber sie ist nunmal da (sonst wäre es ja auch nicht beleidigend, denn die Fotos an sich sind ja nicht irgendwie herabwürdigend, sondern erst der Kontext, in den sie gestellt werden).

Insbesondere im Kontext der political correctness und der Treibjagd auf Andersdenkende aus dem Genderismus heraus, halte ich dieses Foto zwar nicht für gut – ich hätte sowas weder gemacht noch publiziert – aber durchaus noch von der Meinungsfreiheit und dem politischen Disput abgedeckt. Denn dass die derzeitige links-grüne Politik deutliche faschistische Züge trägt, ist ja nicht neu und auch keine Einzelmeinung. Und ständig sagen wir ja, Satire darf und muss überzeichnen. Mohammedkarrikaturen sollen ja bitteschön auch drin sein.

Nun hatten aber einige Strafanzeige erstattet:

Die Staatsanwaltschaft in Karlsruhe bestätigte eine Durchsuchungsaktion, ohne dabei jedoch den Namen von Mandic zu nennen. Hintergrund der Durchsuchung seien fünf Strafanträge, unter anderem der Grünen-Politiker Claudia Roth, Cem Özdemir und Anton Hofreiter gewesen. Dabei gehe es um den Vorwurf der Beleidigung, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Das finde ich jetzt dreist, denn ausgerechnet die Grünen sind ja auch immer sehr schnell dabei, Andersdenkende als Nazis, Idioten oder sonstwas abzustempeln, und gerade Claudia Roth teilt massiv aus, ist selbst aber dauerbeleidigt.

Faktisch muss man das dann aber als eine klare Positionierung der Grünen gegenüber Meinungsfreiheit und Unverletzlichkeit der Wohnung sehen.

Und es zeigt natürlich, dass die Zersetzung von Grundrechten (da habe ich ja auch schon vieles geschrieben) vorrangig auch von der Justiz selbst ausgeht. Denn es liegt auf der Hand, dass hier die Beleidigung nur der Vorwand war. Was sollte eine Hausdurchsuchung denn bezwecken? Beweise finden? Unnötig, der hat ja gar nicht bestritten, der Täter zu sein. Beute? Gab’s nicht. Würde mich mal sehr interessieren, wie man diese Hausdurchsuchung begründet haben will.

Und vor allem: Warum hat man Wohnung und Kanzlei durchsucht?

Nur mal so als Gegenstück: Gab es eine Hausdurchsuchung bei Volker Beck, nachdem der mit Drogen erwischt worden war? Und falls ja: Stand was davon in der Presse?

Für mich sieht das so aus, als hätten da ganz andere Ziele im Vordergrund gestanden:

  • Hausdurchsuchung in der Presse ist natürlich immer ein schöner politischer Hammer.
  • Das ist natürlich auch Einschüchterung und vorgezogene Strafe.
  • Und was sich geradezu aufdrängt, ist natürlich der Aspekt der Umschau. Hausdurchsuchungen zum Zweck der Umschau sind unrechtmäßig. Es drängt sich aber einfach auf, dass die da an PCs und in die Kanzlei wollten, um nach mehr zu suchen, vielleicht auch noch mehr zu finden. Das aber ist illegal.

Dazu passt übrigens, was die Hamburger Morgenpost über den Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) berichtet:

Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne) will die lasche Löschpraxis von Hetzkommentaren durch Facebook nicht länger hinnehmen. In einem Beschlussvorschlag an seine Länderkollegen fordert Steffen nun, dass Internetplattformen Schadenersatz zahlen sollen, wenn sie gemeldete Hasskommentare nicht löschen.

Außerdem sollen Shitstorm-Hetzer härter bestraft werden. Till Steffen zur MOPO: „Die Zeit des Nachdenkens ist vorbei. Wir müssen dem Recht auch im Internet Geltung verschaffen.“ […]

Shitstorms mit illegalen Inhalten sollen als „bandenmäßige Straftat“ gelten.

Das ist ein interessanter Punkt: Denn danach hätte man #Aufschrei als bandenmäßige Straftat verfolgen müssen (anstatt es mit dem Grimme-Preis auszustatten) und man hätte Rainer Brüderle Schadensersatz zahlen müssen.

Till Steffen zur MOPO: „,Hate Speech’ wirkt vor allem, wenn sich viele beteiligen, und das wissen die Schreiber ganz genau. Diesen Effekt lässt das Strafrecht bisher unberücksichtigt. Hier sehe ich Handlungsbedarf, ähnlich der bandenmäßigen Begehung von Straftaten im realen Leben. So wie die Situation aktuell ist, darf sie nicht bleiben.“

War das nicht genau das, wie #Aufschrei funktioniert hat und wofür man #Aufschrei ausgezeichnet hat?

Dass auch dieser Grüne keine Leuchte ist, zeigt sich daran:

Im Ausland ansässige Internetunternehmen sollen einen „Zustellungsbevollmächtigten im Inland benennen, an den Schriftstücke zugestellt und E-Mails gesendet werden können.“ Bisher scheitern Klagen daran, dass etwa die deutsche Facebook-Zentrale in Hamburg „juristisch nicht zuständig“ ist. Und auch sonst niemand.

Hähä. Die „sollen” also extra einen im Inland benennen, damit man sie bestrafen und zu Zahlungen verurteilen kann. Wie blöd müssten die sein, um das zu tun?

Wie sehr man da wieder mal zweierlei Maß anlegt und das Recht politisiert und zum politischen Werkzeug reduziert, zeigt sich an der völlig einseitigen Strafverfolgung. Sowas wie das da wird beispielsweise gar nicht verfolgt:

Kategorie Bomber Harris, Verherrlichung des Tötens, Aufforderung dazu. Warum zählt sowas eigentlich nicht auch unter Volksverhetzung? Weil’s in die andere politische Richtung läuft. Die, die gerade genehm und vorgegeben ist. Der Autor ist Journalist.

Und die Parallele ist ja erstaunlich: Denn auch das Foto, das zur Hausdurchsuchung veranlasste, enthält die gleiche Aussage, da die Nürnberger Prozesse ja auch das Handeln der Allierten war. Tweet und Foto enthalten die gleiche Aussage: Den politischen Gegner auf die Ebene der Nationalsozialisten zu stellen und der Gerichtsbarkeit der Alliierten zu überstellen. Aber in einem Fall (von rechts nach links) gilt das als schwere Beleidigung mit Haus- und Kanzleidurchsuchung, im anderen Fall (links nach rechts) gilt es als politisch korrekt und völlig legal. Wenn zwei das gleiche tun…

Wenn aber das Recht nach politischer Opportunität ausgelegt und zum Werkzeug der Regierenden gegen Oppositionelle missbraucht wird, wenn es darum geht, Stimmverluste für die Regierungsparteien zu verhindern, dann ist man – wieder – in einer totalitären Diktatur angelangt. Und dass ausgerechnet das von den Juristen in Karlsruhe ausgeht – ist auch nicht das erste Mal.