Ansichten eines Informatikers

Merkel und das Internet

Hadmut
18.6.2016 13:30

Warum muss man sich eigentlich von solchen Leuten regieren lassen?

Neues aus dem Neuland:

Ich hatte ja neulich schon berichtet, dass sich unsere Bundes-Mutti Angela Merkel um das finanzielle Wohlergehen der Presse sorgt und meint, es sei Aufgabe der Bundesregierung, sich darum zu kümmern. Möglicherweise hängt das aber weniger mit Verfassungssorge zusammen als damit, dass Merkel mit Friede Springer eng befreundet ist und Merkels kleiner Gatte bei Springers auf der Lohnliste steht. Und so ein Zufall aber auch, dass ausgerechnet der Springer-Verlag als der Hauptprotagonist gegen Adblocker gilt. Küsschen Angela. Küsschen Friede.

Golem berichtet mit Verweis auf diesen Bericht, dass Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder sich nun in die Debatte um Werbeblocker eingeschaltet hätten.

Ist ja auch klar: In einer Demokratie wäre die Politik ja eigentlich froh, wenn die Presse eingeht, weil in einer Demokratie die Presse die Politik überwacht, eine ständige pain in the ass der Politiker wäre. Bei uns ist das genau umgekehrt, die Politik will ihre System- und Propagandapresse mit allen Mitteln am Leben halten, weil Politik vom Schlage der Merkel-SPD ja nur auf Einheitspropaganda und sonst gar nichts beruht. Wie sollten diese Politiker ihre Politik noch verkaufen können, wenn nicht die Presse deren Hintergrundchor gibt? Bei uns besteht eine feste Kooperation zwischen Regierung und Presse, deshalb werden die auch zwangsweise durchgefüttert. Gab ja schon Gespräche über Zwangsgebühren, und die Rundfunkabgabe wurde ja auch schon durch die Hintertür der Presse zugeleitet.

Dafür schreibt die Presse, was die Regierung will, und jeder abtrünnige Redakteur wird sofort geschasst, gefeuert, verdammt. (Oder gleich an Ort und Stelle von anderen Journalisten niedergemacht, wie ich das bei „Netzwerk Recherche” schon mitangesehen habe.)

Nun geht’s der Presse dreckig, aus Gründen, die ich hier schon ausgiebig beleuchtet habe. Auch, weil man mit Webseiten nichts verdient, wenn man Werbung schaltet. Ich habe hier ja gerade selbst Werbung eingeschaltet, aber nicht mal ein Zehntel der Webseitenabrufe wird für die Werbung erfasst. Obwohl ich sicherlich eines der stärksten deutschen Blogs habe, kommen gerade mal so zwischen 6 und 25 Euro pro Tag an Werbeeinnahmen rein. Das reicht gerade für technische Ausgaben. Zeitung auf Papier kauft auch kaum einer mehr, sogar die Fluglinien fliegen die Gratisausgaben nicht mehr durch die Gegend.

Die Medien argumentierten damit, dass durch die Adblocker ihr journalistisches Angebot “faktisch entbündelt” werde. Es bestehe ihrer Ansicht nach “kein Anspruch auf unentgeltliche Information, weshalb entweder für ein Medienprodukt gezahlt oder die Werbung geduldet werden müsse”. Die Medien wiederholen damit eine Argumentation, mit der sie vor Gericht bislang regelmäßig gescheitert sind.

Natürlich besteht kein Anspruch auf unentgeltliche Information. Aber es zwingt sie ja auch niemand dazu, Webseiten anzubieten. Kein Mensch erhebt einen Anspruch gegen sie, sie können’s jederzeit bleiben lassen. Es besteht aber eben auch kein Rechtsanspruch gegen die Öffentlichkeit, dass jedes Geschäftsmodell selbst bei extremem Überangebot noch profitabel funktioniert.

Aber genau das wollen Merkel & Co. anscheinend durchsetzen.

Dabei weist Golem auf einen netten Widerspruch hin, denn im Bericht heißt es:

In der Anhörung wurden Ad-Blocker als rechtswidrig angesehen. Die vertretenen Stakeholder sahen einen rechts- und medienpolitischen Bedarf für ein gesetzliches Verbot von Ad-Blockern.

Bemerkenswerter Fall von Temporal-Logik: Weil Ad-Blocker rechtswidrig seien, bräuchte man dringend ein Verbot, damit sie endlich rechtswidrig werden.

Ja, klar, mit solcher Argumentationsweise rennt man bei unserer Gender-gestählten Regierungstruppe natürlich offene Türen ein. Genau das richtige für Angela „alternativlos” Merkel: Ein Ad-Blocker-Verbot wird durch solche Zirkelschluss-Logik natürlich auch „alternativlos”. Klingt bescheuert, isses auch, für die Merkel reicht’s aber.

Die entsprechende Arbeitsgruppe der Kommission schloss sich der Kritik offensichtlich an. Sie sieht das Geschäftsmodell von Adblockern “als rechtlich und mit Blick auf die Refinanzierung journalistisch-redaktioneller Angebote auch medienpolitisch als problematisch an”. Die Arbeitsgruppe hält daher “die Prüfung gesetzlicher Regelungen für erforderlich”.

Uuuuuh, ganz doof. Wo doch das Verwaltungsgericht Berlin gerade entschieden hat, dass Presse nur auf Papier und nicht auf Webseiten stattfindet. Solange wir also nicht von Adblockern für gedruckte Zeitungen reden (hey, wäre mal ne geile Idee…), finden Presse und Adblocker einfach in getrennten Universen statt.

Dass die Bundesregierung enorme Verständnisprobleme mit dem Internet und überhaupt hat, wissen wir ja spätestens seit von der Leyens Kinderpornosperre und Merkels Neuland-Bekenntnis. Wir wollen gerne die Digitalrepublik werden, besetzen aber unsere Politik mit den inkompetentesten Laien, die wir finden können. Und als Krönung die Strickjacken- und Fellhandy-Designerin Gesche Joost als Digitalbotschafterin obendrauf. Die bekommt demnächst für 50 Millionen das Bundes-Internet-Institut, das herausfinden soll, was das Internet eigentlich ist.

Was für eine Dilettantenkomödie.

Ist eigentlich schon jemandem aufgefallen, dass ich diesem Artikel hier bisher nur Frauen vorkommen? (Naja, fast, am Verwaltungsgericht gab’s auch Männer. Und Merkels kleinen Gatten hatte ich erwähnt, aber der zählt nicht, der hat ja nichts zu sagen und auch nichts gesagt.)

Kann man schon so sagen: Das Scheitern der Bundesrepublik am Internet ist eindeutig weiblich. Sicherlich reiner Zufall, dass dieser komische Bericht von Staatsministerin Prof. Monika Grütters, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (nie gehört…) und Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Vorsitzende der Rundfunkkommission unterschrieben wurde.

Eigentlich wäre die Erwartung, dass man als Beauftragte für Medien und als Vorsitzende der Rundfunkkommission zumindest so ein kleines bisschen verstanden hat, wie Internet funktioniert. Aber so eine Erwartungshaltung gilt heute ja als frauenausgrenzend. Frauenförderung heißt heute, dass sie gar nichts mehr können müssen.

Aber lassen wir das. Gehen wir mal zum technischen Teil über.

Eine mögliche Regelungsoption könnte ein Integritätsschutz für journalistisch-redaktionelle digitale Produkte vergleichbar dem Gedanken des Signalschutzes im Rundfunkrecht sein.

Ist halt schon wieder mal doof, wenn man nicht weiß, wovon man redet.

Auch im Jahre 7 nach der Kinderpornosperre haben sie nicht kapiert, dass Webseiten keine monolitischen fertigen Blöcke sind, sondern aus vielen Einzelteilen bestehen, die der Browser beim Empfönger einzeln holt und zusammensetzt. Deshalb haben Werbeblocker mit Integritätsschutz nichts zu tun.

Es ist aber eine dubiose Überlegung, den Benutzer zwingen zu wollen, ungeprüft alles reinzuladen, worauf eine Webseite verweist. Könnte ja auch Kinderpornos, Bombenanleitungen, oder noch schlimmer, Hate Speech sein.

Das muss man sich mal klarmachen: Die wollen einen verpflichten, nach dem Download einer Webseite auch noch alles andere runterzuladen, worauf die verweist. Man darf quasi gar nicht aufhören, mit dem Internet-Download. Was, wenn die heruntergeladene Werbung ihrerseits wieder weiterverweist? Das dann auch? Bis zu welcher Rekursionstiefe?

Warum sollte jemand verpflichtet sein, Inhalte herunterzuladen und anzuschauen? Warum sollte jemand nicht mehr das Recht haben, von irgendeiner anderen Webseite nichts herunterzuladen?

Müsste man nicht jemanden, der eine kostenlose Zeitung auf Papier bekommt, nicht genauso dazu verpflichten, sie dann sofort und Seite-für-Seite bis zum Ende durchzulesen?

Und dann kommt ja immer wieder auch das blöde Argument, dass die Redaktion ja ein Urheberrecht an der Erscheinung der Seite hätte und man das Werk unzulässig verändern würde, wenn man die Werbung ausblendet.

Was’n Quatsch.

Denn der Redakteur sieht ja beim Schreiben und Publizieren der Webseite im Normalfall gar nicht, welche Werbung da eingeblendet werden wird, das bestimmt ja der Anzeigenlieferant nachträglich und selbst. Wie könnte er dann ein Urheberrecht an der Gesamtseite haben, wenn er sie nicht geschaffen und nicht mal gesehen hat?

Und wie könnten Verlage ein Urheberrecht daran haben, wenn nur natürliche Personen Urheber sein können? Freilich können sie sich die Nutzungsrechte übertragen lassen, aber dazu müsste erst mal eine natürliche Person da sein, die ein Urheberrecht an der Gesamtseite hätte. Und die müsste dann erst mal erklären, warum es überhaupt ein Werk mit Schöpfungstiefe sein solle, wenn ein Computer algorithmisch aussucht, welche Werbung geschaltet wird.

Alles so dämlich.

Apropos dämlich: Bevor hier der falsche Eindruck entsteht, dass da zum Internet nur dumme Frauen unterwegs sind, müssen wir natürlich zum Ausgleich auch den dummen Mann betrachten.

Heiko Maas.

Lasst Euch das mal so ganz langsam und genüsslich auf der Zunge zergehen und denkt dabei milde an „Schokolade-Pfefferminze”:

Maas will, dass das Internet von Hate Speech gereinigt wird, dass Firmen wie Facebook und Organisationen wie diese Amadeu-Antonio-Stiftung die Inhalte filtern, zensieren, sperren. Und gerade die Presse selbst ist ja super dabei, inhaltlich alles auszufiltern, was nicht mainstream ist. Ursula von der Leyen und breite Teile der Politik wollten gar komplette Inhaltsfilter, Sperren, „Stopp-Server”. Gerichte ordnen bei uns Sperren von Webseiten an. Mobilfunkfirmen modifizieren Webseiten beim Durchleiten. Provider betreiben Deep Inspection.

Kommt aber die Presse und mault, dass sie nicht genug Geld kassiert, dann werden sofort „Integritätsschutz” und „Signalschutz” gefordert.

Und von sowas muss man sich in diesem Land regieren lassen.