Ansichten eines Informatikers

Brüderles Rache: War der #Aufschrei ein Eigentor?

Hadmut
10.5.2016 21:40

Interessante Überlegung.

Leser wissen, dass ich gerne und immer wieder mal das Verhalten der Presse heute ihrem Verhalten in der Dirndl-Affäre mit Rainer Brüderle gegenüberstelle.

Leser wissen auch, dass ich mal das Presse-Personal, das für die #Aufschrei-Kampagne zentral verantwortlich war, letztlich nur hochverlogen war, denn während sie sich einerseits über ein Kompliment aufregten, suhlten sie sich wie die Schweine darin (Pro Quote bei der Konferenz von Netzwerk Recherche), ihn immer wieder als „alten Sack” zu bezeichnen. Wie immer, zweierlei Maß. Da hat man so richtig gesehen, was für ein widerliches Gesindel da in der Presse die Steuerung übernommen hat, wie Presse gemacht wird, wie sich das mit dummen und charakterlosen Leuten angereichert hat.

Nun kommt Fleischhauer um die Ecke und meint, die Affäre Brüderle sei der Auslöser der Gegenbewegung gewesen, sei der Punkt gewesen, an dem ein großer Teil der Bevölkerung gemerkt hat, von Politik und Presse für dumm verkauft zu werden. Im Prinzip sehe ich das ja auch so, aber die Gewichtigung ist die Frage. War das wirklich der Punkt, der die breite Öffentlichkeit aufgerüttelt hat?

Es gibt nach meiner Beobachtung einen engen Zusammenhang zwischen zunehmender Empfindlichkeit, was Abwertung angeht, und dem Versuch, jede Kränkung schon im Keim zu ersticken. Das ist wie bei Kindern, die von ihren Eltern so gründlich von allem ferngehalten werden, was dreckig oder ungesund sein könnte, dass sie irgendwann auf jeden Pollen mit einem Niesanfall reagieren, weil das Immunsystem nie richtig trainiert wurde.

Selbstabkapselung gegen fremdes Gedankengut ist in der Welt der Empfindlichkeitsathleten weit fortgeschritten. Schon der Auftritt eines Redners, von dem man erwarten muss, dass er gegen die eigene Denkungsart verstößt, kann zu einem kleinen Volksaufstand führen. Auf “jetzt.de” berichtete vor ein paar Tagen eine Autorin, welchen Aufruhr bei der Internetkonferenz “re:publica” die Idee ausgelöst hatte, den Bundesrichter Thomas Fischer einzuladen.

Seit Fischer sich in einer seiner Rechtskolumnen gegen eine Verschärfung des Sexualstrafrechts ausgesprochen hat, gilt er als reaktionäre Type, mit dem man besser kein Wort wechselt. Vom “widerwärtigen Thomas Fischer, der die re:publica entwertet”, war auf Twitter zu lesen, immer wieder mussten sich die Programmplaner für die Einladung rechtfertigen oder gegen den Vorschlag ankämpfen, Fischer nur zusammen mit einem Gegenredner auftreten zu lassen.

Es sehe so aus, als ob eine ganz grundlegende Feststellung unterzugehen drohe, resümierte die “jetzt”-Autorin, dass nämlich jeder eine Meinung haben, und die sogar öffentlich äußern dürfe.

Dass die re:publica ein Idioten-Kongress, ein Stelldichein derer ist, die sich entweder einbilden, wichtig zu sein, oder gerne wichtig wären, ist bekannt. Die institutionalisierte Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und Relevanz. Eine Rednerpodium für Redner, die nichts zu sagen haben, vor einem dazu passenden Publikum, das sich nicht darum schwert und auch nicht versteht, was einer sagt, aber darüber jubelt, wie man es sagt.

Und die Schlussfolgerung Fleischhauers

So schnell konnte man gar nicht gucken, wie Brüderle in den Sielen der Talkshow-Arena verendet war.

Wenn es einen Moment gibt, an dem die neue soziale Bewegung ihren Ausgang nahm, deren sichtbarster Ausdruck die AfD ist, dann in der Brüderle-Affäre. Hier liegt die Geburtsstunde des Rechtsrucks, der nun allenthalben für Aufsehen sorgt, nicht in der Eurokrise oder dem Kampf gegen Minarette über deutschen Städten. Das sind Programmpunkte, die morgen schon wieder anders aussehen können, falls es die Parteistrategie erfordert. Dass die Welt aus den Fugen ist, das ist ein Gefühl, das eine Menge Menschen teilen, wie sich zeigt.

Da wäre ich mir nicht so sicher, ob die Affäre wirklich dieses Gewicht hatte.

Aber ein Lacher wäre es schon, wenn ausgerechnet selbsternannte unfähige „Medienberaterinnen” den Rechtsruck ausgelöst hätten.

Wobei ich den „Rechtsruck” ja schon lange nur für eine Art Notwehr gegen linke Diktatur halte, nicht für Ausdruck rechter Positionen. Würde aber meine These stützen, dass das Anwachsen des rechten Flügels keineswegs von Rechten oder dem vielbeschworenen „Rechtspopulismus” verursacht wird, sondern eine schiere Abstoßungs- oder Abwehrreaktion gegen die überkochende linke totalitäre Meinungsdiktatur und Hetzjagd ist.