Ansichten eines Informatikers

Als der Idiot auszog, die Dummen Deppen zu schimpfen

Hadmut
21.1.2016 0:50

Irgendwie drängt sich mir das Gefühl auf, als träte der Journalismus gerade in die Agonie-Phase der letzten Zuckungen.

Ich habe ja noch nie einen Hehl draus gemacht, dass ich Sascha Lobo für einen Windbeutel, einen ideologisierten Dummschwätzer, einen dresierten Propagandisten halte. Von dem findet man da ja nichts anderes als parteimäßige Phrasendrescherei, wie so oft im linken Lager getarnt hinter vorgetäuschtem Digitalexpertentum.

Lest mal das da, streicht alle Beschimpfungen heraus, und sagt mir, was dann noch übrig bleibt.

Da ist fast überhaupt keine Substanz mehr drin (und das bisschen ist auch noch falsch). Da ist überhaupt nichts mehr greifbar, nichts mehr nachvollziehbar, kein Gedankengang mehr zu finden. Nur noch ausfällig. Nach höstrichterlicher ständiger Rechtsprechung ist genau das dann nämlich nicht mehr von Meinungsfreiheit gedeckt, sondern eine unzulässige Schmähkritik. Man darf zwar derbe draufhauen, aber es muss immer einen greifbaren Zusammenhang mit einer nachvollziehbaren, prüfbaren Sachkritik geben (die nicht einmal richtig sein muss, der Leser muss aber die Möglichkeit haben, sie als falsch einzustufen und damit irgendwie nachzuvollziehen). Vereinfacht gesagt: Wenn man sagt, dass X ein Idiot sei, weil er bla bla bla Y getan hat, dann kann der Leser sich denken, dass das nicht stimmt, weil X nämlich nicht Y getan hätte, oder umgekehrt der Leser Y für richtig hält, somit also auch die Schlussfolgerung, dass X ein Idiot sei, nicht teilt.

Behauptet man aber einfach nur, dass X ein Idiot sei, ohne das irgendwie sachlich nachprüfbar zu machen oder zu motivieren, somit zu einer Überprüfung durch den Leser zu stellen, ist das keine Meinung mehr, weil es keinen Meinungsinhalt mehr hat und damit eine unzulässige, strafbare oder dem Unterlassungsanspruch zugängliche, und nicht geschützte Schmähung. Bockmist.

Und was bringen Lobo und der SPIEGEL hier?

Sucht da drin mal nach einem Sachkritik.

Eine Winzigkeit von Sachkritik gibt es:

Eine der simpelsten gedanklichen Verknüpfungen, die Kausalität, misslingt regelmäßig. “Es regnet, weil die Straße nass ist”, in den digitalen Fußgängerzonen fände man Aberhunderttausende, die diesen Satz nicht nur unterschreiben, sondern gleich zur Bundestagspetition ausformulieren würden, inklusive der Forderung, Regen zu verbieten und die Straße abzuschieben. Wie soll man mit Leuten, die mit dem Wörtchen “weil” unzusammenhängenden Quark zur Pauschalbehauptung verbinden, über komplexere Themen diskutieren? Die Antwort macht mich fertig, denn sie lautet: gar nicht. Es geht nicht.

Mal abgesehen davon, dass es hilflos-emotional formuliert ist, stimmt es in der Sache. Aber: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

Wieviele Blog-Artikel habe ich schon darüber geschrieben, dass Leute Korrelation und Kausalität nicht auseinanderhalten können? Hunderte? Das Thema ist bei mir doch seit Jahren running gag. Und die allermeisten dieser Artikel handelten vom Journalismus. Denn Journalisten können gerade das meistens nicht, Koinzidenz, Korrelation und Kausalität unterscheiden. Weil sie das nicht nur nie lernten, sondern meist sogar aus geisteswissenschaftlichen Studiengängen kommen, deren ideologische Demagogie es als eines der wichtigsten und häufigsten Mittel einsetzt, Korrelationen als Kausalitäten auszugeben.

Seit Jahren, Jahrzehnten wird damit der Feminismus betrieben, und auch Lobo selbst war da oft genug mit dabei, und ich habe den ja auch schon live zu solchen Themen erlebt. Feminismus beruht letztlich auf gar nichts anderem, als Behauptungen mit »weil« zu verbinden, die nichts miteinander zu tun haben. Ich beschäftige mich seit 2012 intensiv mit Feminismus, habe ein eigenes Bücherregal voll Zeugs dazu, und könnte mich darin nicht an eine einzige stichhaltige und haltbare Kausalitätskette („weil”) erinnern. Jahrelang hat die links-rot-grün-feministische Presse auf geistige Zusammenhänge gepfiffen und sich ständig solcher Pseudo-Zusammenhänge bedient. Und der Presse war’s immer recht.

Es fehlt auch jedes Gespür für Verhältnismäßigkeit. Wie kann man ernsthaft von “Merkel-Diktatur” sprechen, weil einem zwei Regierungsentscheidungen nicht passen?

Wie konnte man von Patriarchat sprechen, weil… apropos »weil«: Gerade eben hat Lobo anderen vorgeworfen, Dinge, die inhaltlich nicht auseinander folgen, einfach durch »weil« zu verbinden und als Kausalität hinzustellen. Genau das macht er hier selbst. Er unterstellt einfach so ins Blaue, dass denen, die Merkels Diktatur nicht mögen, dies nur wegen zweier Regierungsentscheidungen nicht gefielen.

Wer gebildeter als Lobo ist, der weiß, dass genau dieses Gebaren Merkels schon seit Jahren, lange vor und völlig unabhängig von der Flüchtlingskrise kritisiert wurde. Schon der Zeitverlauf schließt die von ihm mal so mit »weil« suggerierte Kausalität aus.

Wer solche absurden Fantastereien ohne jeden ernsthaften Beleg rausknötert, katapultiert sich selbst aus der Sphäre, in der politische Diskussionen stattfinden.

Dem könnte man zustimmen. Aber haben wir nicht gerade jahrelang Feminismus als absurde Fantastereien ohne jeden ernsthaften Beleg über uns ergehen lassen müssen? Auch von Lobo? Gilt da zweierlei Maß oder müssten man diese Anforderung nicht auch an das Pressegeschreibsel einschließlich seines eigenen der letzten 5 bis 10 Jahre anwenden?

Oder anders gefragt: Haben wir hier das Insider-Outsider-Syndrom? In den Strafverfahren nach Ende des Dritten Reiches hat man eine einfache Bäuerin, die Leute an die Nazis denunziert hatte, schwer bestraft, weil man ihr vorhielt, dass sie das offensichtliche Unrecht hätte erkennen müssen. Die Richter als ausgebildete Juristen, die jahrelang für die Nazis verbrecherische Urteile sprachen, die sprach man frei, weil man sagte, die waren so tief drin, dass sie das Unrecht nicht erkennen konnten.

Haben wir sowas auch bei Lobo? Stellt er hier an Laien in den Social Media höhere Anforderungen, als sie deutsche Journalisten selbst erfüllen? Denn das gesamte feministische Geschreibsel der Presse der letzten Jahre erfüllt komplett nicht die Anforderungen, die er hier an Laien stellt.

Sollen an Laien wirklich deutlich höhere Qualitätsanforderungen als an ausgebildete Berufsjournalisten gestellt werden?

Oder umgekehrt gefragt: Müsste man von der Presse inhaltlich nicht wenigstens mal das fordern, was man von Laien in Social Media verlangt?

Hinein in das Donald-Trump-Universum, in dem ein dumpf bauchgefühlter Halbsatz mehr gilt als 3000 Jahre Zivilisationsaufbau.

Was hat Donald Trump mit unseren Social Media zu tun?

Und wieder das Temporalargument: Wie kann er damit etwas zu tun haben, wenn das in unseren Social Media schon da war, bevor der politisch in Erscheinung getreten ist?

Wieder so ein willkürliches »weil«, so ein Bewerfen mit Negativ-Buzz-Wörtern als Argumentationstechnik.

Und leider betrifft die Abwesenheit jeder Argumentation nicht nur die rechtspopulistischen Horden im Netz, bei denen es mir gut in mein politisches Konzept passt. Zwar sind die beiden auf Facebook meistgeliketen Parteien (wenn man wie ich die “PARTEI” ignoriert) die AfD und die NPD. Aber es hat sich – eher unabhängig von politischen Überzeugungen – insgesamt eine Netzöffentlichkeit erhoben, die in irritierend großen Teilen eine Fratze ist.

Was für eine Frage. Sagt das nun was über AfD und NPD? Oder sagt es etwas über CDU, SPD und Grüne?

Auch das ist mal wieder so ein völlig substanzlose emotionalisierende Aussage, die einem Laien, aber nicht einem Journalisten unterlaufen darf. Denselben Sachverhalt könnte man auch so ausdrücken: CDU, SPD und Grüne haben noch weniger Likes als die NPD. Selbe Aussage, völlig anderer Geschmack.

Und diese Rhetorik: Obwohl er selbst zugibt, dass die Mehrheit mit AfD und NPD nichts zu tun hat, stellt er sie rhetorisch in deren Ecke. Und beschimpft sie als „Fratze”.

Leute, von denen man es nie gedacht hätte, sind plötzlich in der Lage, Chemtrails nahtlos in ihr Weltbild einzufügen.

Gemerkt? Wer die Flüchtlingspolitik kritisiert glaubt auch an Chemtrails. Das die suggestiv unterschobene Aussage. So ein getarntes »weil«.

Also die Überzeugung, dass Kondensstreifen von Flugzeugen in Wahrheit gefährliche, bewusstseinsverändernde Chemikalien enthalten. Groteskstmögliche Gerüchte und Verschwörungstheorien fallen auf einen überraschend weitverbreiteten Nährboden der Dämlichkeit.

Was hat das mit Merkel und Flüchtlingen zu tun? Gar nichts. Es wird aber rhetorisch (wie beim »weil«) miteinander verbunden, als ob das zusammengehöre, um den Eindruck zu erwecken, man müsse Spinner sein, um die Politik zu kritisieren.

Eine der schlimmsten Folgen der Flächenidiotie in den sozialen Medien ist, dass sie zugleich die Beschäftigung mit den eigenen Aspekten der Dämlichkeit und Beklopptheit erschwert, mit den Splittern der Unzurechnungsfähigkeit, die in jedem Gehirn stecken, in meinem natürlich auch, und nicht zu wenige, in Form von dumpfen Irrationalitäten, schnellgeschossenen Fehlschlüssen und falschen Selbstverständlichkeiten. Aber über die eigenen geistigen Unzulänglichkeiten zu diskutieren neben jemandem, der voller Inbrunst gegen die Herrschaft der Echsenmenschen anschreit – das wirkt, als würde man neben Idi Amin stehen und voller Scham über diese Ohrfeige sprechen, die man dem kleinen Peter in der Grundschule verpasst hat.

Alles Schlampen außer Mutti?

Alles Echsenmenschenspinner, die nicht unserer Meinung sind?

Lest Euch diesen Absatz nochmal durch, und versucht, darin eine greifbare Aussage zu finden. Da wird rein rhetorisch mit willkürlichen Analogien gearbeitet, nichts greifbar, nichts entnehmbar. Nur Beschimpfung.

Es gibt diesen uraltklugen, schwer erträglichen, lateinischen Spruch: “Wenn du geschwiegen hättest, wärest du Philosoph geblieben.” Mit den sozialen Medien ist dabei eine nationale Größenordnung erreicht: Hättet ihr geschwiegen, wäret ihr weiter für potenziell zurechnungsfähig gehalten worden. Vielen Leuten bekommt das Internet einfach nicht.

Das ist der Brüller. Ein Journalist, der vom Schreiben lebt, empfiehlt anderen, die Klappe zu halten. Letztlich nur ein Alleinredeanspruch. Motto: Ich rede, jeder andere hat das Maul zu halten. Hält sich für was Besseres, Rede-Privilegiertes.

Die OECD hat herausgefunden, dass in allen Ländern die Social-Media-Nutzer gebildeter sind als der Bevölkerungsdurchschnitt. Außer in Deutschland. Ausgerechnet hier ist es andersherum: je dümmer, desto Social Media.

Jo.

Und wisst Ihr, was mir aufgefallen ist, nämlich auf den Journalistenkonferenzen, bei denen ich auch Lobo live erlebt habe? Dass wir überschwemmt werden von einer Jungjournalistengeneration, die überhaupt nichts mehr denken und recherchieren kann und sich nur noch in den Social Media bewegt und aus Twitter abschreibt.

Was mag das wohl heißen?

Deppenmagnet deutsches Facebook. Das erklärt nicht nur einiges, es gibt auch Anlass zu hoffen. Und zu bitten. Nämlich die zurechnungsfähigen Teile der Bevölkerung dort draußen, die es ja offenbar gibt: Bitte, mindestens durchschnittlich Begabte, kommt zu uns ins Netz! Diskutiert mit, redet mit, zeigt euch! Lasst uns nicht allein mit den stumpfen Horden. Kommt! Wir halten nicht mehr lange durch im digitalen Stalingrad der Vollidiotie.

Hahahaha.

Jahrelang unterdrücken sie jegliche Kritik, jegliche abweichenden Kommentare. Gnadenlos haben sie alles an Kommentaren gesperrt, was nicht der political correctness huldigte, die Kommentarbereiche ausgeschaltet, und auch außerhalb des Internet jedem das Maul gestopft, der etwas anderes sagte, als sie hören wollten. Ich habe das auf den Konferenzen erlebt, wie sie schon aufeinander losgegangen und Abweichler zusammengetreten haben. Jahrelang gab es die Schweigekartelle, jahrelang durften nur die sich äußern, deren Fahne exakt im Wind flatterte.

Und jetzt jammern und betteln sie plötzlich, man möge zu ihnen ins Netz kommen und mit ihnen diskutieren und reden.

Jahrelang stopfen sie den Leuten das Maul und jetzt kommen sie plötzlich und maulen, dass man nicht mit ihnen redet. Wozu? Damit die Kommentare wieder weggedrückt werden?

Wisst Ihr, was ich glaube, wenn ich das so lese?

Die haben sich jahrelang für die großen Meinungssteuerer gehalten, und waren es ja auch. Politisch beeinflusst, politisch massiv gesteuert. Sieht man ja auch am Fernsehen immer wieder. Reiner Propagandajournalismus.

Nebenbei hat sich da aber ein Biotop aus privaten Webseiten und Social Media außerhalb dieser Kontrolle entwickelt, das man nicht mehr zu steuern vermag. Man hat das ja schon bei Maas und Facebook gemerkt, wie der da plötzlich ruderte.

Köln dürfte den Medien gezeigt haben, dass ihnen die Kontrolle über die veröffentlichte Meinung entglitten ist, dass sie plötzlich hinterher rennen statt den Weg zu diktieren, und sich prompt die Richtung ändert. Und plötzlich zeigt sich, dass wir diese Medien eigentlich nicht mehr brauchen, höchstens noch zur Unterhaltung.

Es ist immer die Rede davon, dass durch Internet und Digitalisierung so wahnsinnig viele Arbeitsplätze wegfielen. Scheint, als würde genau das gerade die Journalisten treffen.

Das liest sich für mich, als machten sich da gerade Panik und Fassungslosigkeit breit. Man hielt sich für völlig unangreifbar und unverrückbar im Sattel, habe die alleinige Lufthoheit über die öffentliche Meinung (die ja schon seit Jahren von der realen meilenweit abweicht). Und plötzlich wird man da einfach so überholt und sieht nur noch die Rücklichter. Vermutlich sind die Auflagen noch weiter gesunken. Der Vorwurf der „Lügenpresse” ist wohl übermächtig geworden.

Das würde erklären, warum der da auf alles schimpft, was mit social media zu tun hat, und auf diese Likes. Hört sich an, als hätten die gerade Redaktionskonferenz gehabt und festgestellt, dass sie keine Meinung mehr vorgeben können, sondern nun plötzlich selbst der gedrehten Meinung folgen und kritisch schreiben müssen, um überhaupt noch eine Chance zu haben, ernst genommen zu werden und sich nicht noch lächerlicher zu machen. Merkt man ja an einigen Blättern, dass die ganz eilig den Kahn gewendet und den Kurs an eine andere Windrichtung angepasst haben. Plötzlich fahren sie nicht mehr voraus und bestimmen den Kurs, plötzlich müssen sie hinterher fahren und schreiben, was die Mehrheit denkt. Das wird man ihm vielleicht gesagt haben, und ihm wird das Kotzen gekommen sein. Das ideologische Propaganda-Geschreibsel funktioniert nicht mehr. Und er kann doch nichts anderes.

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[…] jeden Tag bin ich wieder meine Favoriten durchgegangen und bei Hadmut Danisch dabei an https://www.danisch.de/blog/2016/01/21/als-der-idiot-auszog-die-dummen-deppen-zu-schimpfen/ hängen geblieben und diesen Blogeintrag muss ich einfach kommentieren. Der Beitrag bezieht sich […]


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