Ansichten eines Informatikers

Ein Literaturwissenschaftler beklagt die Verweiblichung der Geisteswissenschaften

Hadmut
11.11.2015 21:04

Und locker-flockig geht es weiter mit dem Geisteswissenschafter-Bashing: Verweiblichung führt zu Versinnlosung.

Haha. Zwar schon ein halbes Jahr halt, hat aber erst jetzt den Weg zu mir gefunden: In der NZZ beklagte ein Literaturwissenschaftler, dass die Geisteswissenschaften verweiblichen und da seither nichts mehr los ist:

Wechselt die Beobachtung von den grammatischen zu den natürlichen Geschlechtern, so zeigt sich, dass jener Geist, der die Geisteswissenschaften unserer Zeit trägt, längst weiblich geworden ist. Weiblich ist dort die Mehrzahl der Studierenden, weiblich ist die Mehrzahl der Lehrer und bald auch die der Professoren. Das gilt ebenso für die geistige Welt des Rechts. In die Kanzleien der Anwälte sowie in die gerichtlichen und akademischen Ämter ziehen immer mehr Juristinnen ein. Hat diese Beobachtung in irgendeiner Hinsicht mehr als politische und statistische Bedeutung? […]

Es ergeben sich aber Fragen. Verändert sich der Geist durch die neue Dominanz der Frauen? Vermutlich sind Wissenschaften wie Mathematik oder Maschinenbau gleichsam geschlechtsneutral, während in die Disziplinen Kunst, Recht oder auch Philosophie mit Frauen auch ein anderer Geist einkehrt. Kann man diese Veränderung beschreiben, ohne Geschlechterklischees zu bemühen? Tatsächlich löst sich die Debatte über dieses Thema nur sehr langsam von Mythen und Gemeinplätzen, so dass jede Wortmeldung unter Verdacht steht.

Gute Frage.

Meine Antwort wäre:

Freilich verändern sich die Geisteswissenschaften. Weil sie keine Wissenschaften sind, sondern Glaubens- und Orientierungsbekenntnisse, die stark von der Person abhängen. Wären sie Wissenschaften, wäre das nicht so.

Er beantwortet sie selbst:

Natürlich wünscht sich niemand in den Universitäten und Gerichten die alten Hahnenkämpfe zurück, noch weniger bekümmert es irgendjemanden, dass sich heute kein Wissenschafter mehr mit seinem Kontrahenten duelliert, wie es noch im 19. Jahrhundert bisweilen geschah.

Aber es ist in den Geisteswissenschaften nichts mehr von den alten agonalen Leidenschaften und Affekten zu spüren. Kaum ein Professor oder eine Professorin glaubt noch daran, dass von der eigenen Tätigkeit ein Fünkchen auf das Heil der Welt überspringen könnte; allenfalls auf das Heil der Drittmittelquoten, wo die Entscheidung von «bewilligt» und «nicht bewilligt» inzwischen die Unterscheidung von «wahr» und «falsch» abgelöst hat. Nur wenn man glaubt, dass der Geist als laues Lüftchen weht, dann tragen die Geisteswissenschaften ihren Namen zu Recht.

Niemand erweckt dort den Eindruck, dass es um etwas geht. Ein Potpourri aus Pop, Gender, Medien und Theoriescharmützeln bestimmt gegenwärtig die Agenda in den Kulturwissenschaften, und wenn man in die philosophischen Seminare blickt, dann sitzen dort die einstigen Verwalter des Logos auf dem Schoss der Neurowissenschafter und hoffen, mit der Übersetzung philosophischer Begriffe wie Geist und Bewusstsein in Neuro-Speech an den prall gefüllten Geldtöpfen der Hirnforscher lecken zu dürfen.

Die völlige Reduzierung der Geisteswissenschaften auf die Finanzierung, kein Inhalt, kein Nutzen, kein Wissen mehr. Wie ich schon so oft schrieb: Frauenquote ist nur Versorgungsbetrieb. Wozu soll das überhaupt noch gut sein, wenn es nur noch darum geht, ob man Geld bekommt oder nicht, sonst nichts?

Damit geht natürlich auch eine Verwillkürlichung einher: Einfach behaupten, was politisch Geld bringt, völlig egal ob es stimmt oder nicht. Neu? Nein. Exakt die Definition einer „Feministischen Theorie”. Da ging’s auch nicht darum, ob sie stimmt oder irgendwie beweisbar wäre, sondern allein und die Frage, was man behaupten muss, um möglichst viel Geld zu bekommen.

Faktisch sind die Geisteswissenschaften damit tot. Nur noch Versorgungsanstalt für Unkündbare. Hartz IV für Fortgeschritte und geistig Arbeitslose.

Wer braucht sowas? Wozu soll sowas noch gut sein? Warum soll man als Steuerzahler sowas noch finanzieren?

Man gewinnt den Eindruck, dass unsere Welt, die an vielen Ecken in Flammen steht und bedroht ist, den Geist der Geisteswissenschaften nicht berührt. Den Geisteswissenschaften ist nicht der Geist ausgetrieben, wie vor Jahrzehnten Friedrich Kittler meinte, sondern das Agonale, nämlich der Sinn dafür, dass auch in diesen Wissenschaften etwas auf dem Spiele steht.

Was besagt das? Es erklärt vielleicht das Unbehagen und die unbestreitbare Tatsache, dass Männer nicht in frauendominierte Tätigkeitsfelder streben. Sie machen einen Bogen um Kindergärten, Elementarschulen und zunehmend auch um Gymnasien oder Kliniken, nicht weil sie Kinder oder gar Frauen nicht mögen, sondern weil sie ihr schwer erarbeitetes Verhalten zum kultivierten Zwist, zur Auseinandersetzung, aber auch zum Ausgleich dort weniger gut entfalten können. Der Untergang der «Männerkultur» scheint unaufhaltsam. Sie wird nicht von der Unesco gerettet werden. So gibt es, nach Freud, ein Unbehagen des Männergeistes in der Kultur.

Die Verweiblichung der Geisteswissenschaft als Ursache selbstgewählter Bedeutungslosigkeit. Eine Selbstmarginalisierung, nach der man sich über Marginalisierung beschwert. Der Gender Performance Gap in Reinkultur.

Ist auch nicht reparabel, da will ja kein Mann mehr hin zurück.

Immerhin fand sich das links-feministische Kampfblatt „Der Freitag” bemüßigt, dagegen zu wettern, allerdings substanzloses Geschwafel: Strickliesel besiegt Gockelhahn

Hat Schneider da einen Punkt getroffen? Hat er, aber vermutlich den falschen. Natürlich kann man befürchten, dass die gesamte geistes- und kulturwissenschaftliche Akademie zum Stricklieselverein verkommt, statt in hehrem Säbelklirren zu erklingen. Die Frage ist nur, ob bei den alten akademischen „Hahnenkämpfen“, die Schneider selbst erwähnt, so viel mehr herausgekommen ist. Nach Hegel, dem Idealisten, führt die „Dialektik des Widerstreits“ zwar immer fein säuberlich auf eine höhere historische Stufe, in der Realität lässt sie die Kontrahenten aber oft nur erschöpft zurück und die wesentlichen Inhalte unberührt. Spaß macht das Gefecht, keine Frage, aber geschätzt kommen da fünf Prozent Output auf 95 Prozent Pulverdampf. Es könnte sein, dass die Strickliesel effektiver arbeiten.

Tja, das ist aber Wissenschaft. Immerhin fünf Prozent Output. Mittlerweile kommt da aber gar nichts mehr raus, Null Prozent Output auf 120 Prozent Kosten.

Könnte sein, dass die Strickliesel effektiver arbeitet? Hat sie bisher nicht. Wie lange müsste man noch testen, bis man weiß, dass sie es nicht tut?

Sagen wir’s mal anders:

Die Geisteswissenschaften waren noch nie der Brüller, aber nun haben sie auf ihrem Absturz den Point of no Return überschritten. Das war’s. Könnte man abhaken, wenn sie nicht verbeamtet und unkündbar wären.

Die wichtige Reaktion ist nun, genug politischen Einfluss aufzubauen, dass es immer häufiger »nicht bewilligt« heißt. Man muss sich endlich mal dagegen wehren, wie die Politik da unsere Steuergelder verschleudert.