Ansichten eines Informatikers

683 Tage Haft

Hadmut
3.2.2015 19:52

wegen eines Gerichtsgutachtes, das „wissenschaftlichen Standards” nicht genügt.

Frage dazu: Wieviel Prozent der Professoren (oder anderer „Wissenschaftler”) müssen eigentlich wissenschaftliche Grundfähigkeiten beherrschen, bis man von einem „Standard“ sprechen kann?

20 Kommentare (RSS-Feed)

Emil
3.2.2015 21:48
Kommentarlink

Die Richter, die aufgrund solcher Gutachten Urteile fällen, kommen leider ungeschoren davon. Die können die Schuld immer auf die Gutachter schieben, selbst wenn von ihrer Seite Skepsis angebracht gewesen wäre.


Jens
3.2.2015 21:49
Kommentarlink

Und wie hat es das Gericht geschafft, dieses nicht nur falsch, sondern auch wissenschaftliche Standards verfehlende Urteil wertend nachzuvollziehen? Müssten die nicht genauso dran sein?


thogo
3.2.2015 21:51
Kommentarlink

Warum sollen die Entstehung von Gutachten besser sein als die Entstehung/Änderung von Gesetzen?
Hier ein schönes Beispiel (aktuellen Verschärfung des Sexualstrafrechts) wie so etwas gehandhabt wird. Passt wie Faust aufs Auge:

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-02/sexuelle-gewalt-sexualstrafrecht/komplettansicht


Andy
3.2.2015 23:09
Kommentarlink

Wo keine harte Wissenschaft ist, kann man auch keinen wissenschaftlichen Standard anlegen. Das Nachvollziehen von psychologischen oder psychiatrischen Gutachten dürfte sich somit regulär auf der Schiene rhetorischer Fähigkeiten seitens des Gutachters bewegen…


petpanther
3.2.2015 23:13
Kommentarlink

Das häuft sich mittlerweile. Zum Kotzen.

Und wenn ich da noch unsere feministisch speichelleckenden Justizminister denke, noch mehr.


petpanther
3.2.2015 23:15
Kommentarlink

Korrektur: … an unseren …


Emil
3.2.2015 23:50
Kommentarlink

@thogo
Lesenswerter Artikel, sowas hätte ich in der ZEIT gar nicht mehr erwartet.

Am 28. Januar trugen dem Rechtsausschuss mindestens zwei Sachverständige (Rechtsanwältin Barbara Clemm aus Berlin, Mitglied von “Nebenklage e.V.”, und Katja Krieger, Geschäftsführerin des Bundesverbands Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, Frauen gegen Gewalt e.V.), Folgendes vor: In der Vergangenheit seien in einer außerordentlich großen Zahl von “Vergewaltigungsfällen” die Täter aufgrund hanebüchener Entscheidungen von Gerichten oder Staatsanwaltschaften straffrei davongekommen. Das beruhe auf einer verfehlten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welche ihrerseits auf der unzureichenden Gesetzeslage seit 1997 beruhe.

Im Klartext: das grüne FeministInnenpack, das diese SachverständigInnen eingeladen hat, will also das Sexualstrafrecht verschärfen, damit kein Täter (= Mann) mehr straffrei davonkommt. Dann haben wir hier bald amerikanische Verhältnisse.


Henry Barson
4.2.2015 6:52
Kommentarlink

Dirk S
4.2.2015 9:01
Kommentarlink

@ Emil

> Die Richter, die aufgrund solcher Gutachten Urteile fällen, kommen leider ungeschoren davon.

Deutsche Richter folgen fast immer den Gutachtern, weil die vom Gericht als unparteiisch un kompetent angenommen werden. Richter können magels Fachkenntnis die Qualität eines Gutachtens nicht beurteilen, müssen also glauben, dass das Gutachten korrekt ist. Deshalb ist es überaus wichtig, immer einen eigenen Gutachter zu beauftragen, der ein weiteres Gutachten erstellt. Dann muss der Richter wählen, welchem Gutachten er folgt (oder einen weitren Gutachter beauftragen) und das bringt Verhandlungsspielraum für den eigenen Anwalt.
Gutachter neigen nämlich (weil Menschen) dazu, ihr Gutachten immer ein wenig in die (vermutete) Richtung des Auftraggebers zu gestalten. Da kann eine vergewaltigte Jungfrau immer noch ein intaktes Hymen haben, das ist für so manchen Gutachter kein Problem und infolge dessen für Richter auch nicht. Vermutlich, weil viele Richer nicht wissen, was ein Hymen ist.
Und im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich sind Richter, wie eigentlich (fast) alle Juristen, Gutachtern praktisch ausgeliefert, da das für Juristen völlig andere und unverständliche Welten sind. Dafür sollten eigentlich Gutachter da sein, Fachkenntnisse, die bei Richtern nicht vorhanden sind, in den Gerichtssaal zu bekommen. Leider klappt das erwiesener Maßen nicht so gut, wie es eigentlich alle Beteiligten gerne hätten.
Auch wenn ich mich wiederhole, es gilt für jeden Betroffenen: Immer ein eigenes Gutachten erstellen lassen! Freiheit ist nicht mit Geld aufzuwiegen.

Gutachtenfreie Grüße,

Euer Dirk


Zaphod B
4.2.2015 14:17
Kommentarlink

“Die Richter, die aufgrund solcher Gutachten Urteile fällen, kommen leider ungeschoren davon.”

Einen Richter selbst für hanebüchene Fehlurteile zur Verantwortung zu ziehen ist hierzulande so gut wie ausgeschlossen. Die bekommen allenfalls eine Rüge und werden, evtl. wenn es mal ganz Dicke kommen sollte, ein Zeit lang nicht befördert.
Einzige Ausnahme:
Dem Richter kann strafbares/kriminelles Verhalten (z.B. Korruption) nachgewiesen werden. Der einzige Richter, der mir diesbezüglich in Erinnerung ist, war der koksende Hamburger “Richter Gnadenlos” Roland Schill.

Dass gerichtlich bestellte Gutachter Gefälligkeitsgutachten erstellen, welche den Vorstellungen der Richter entsprechen ist schon seit längerem bekannt und auch z.T. nachvollziehbar. Letztendlich wollen die ja auch weiterhin Aufträge erhalten.

Deswegen kann ich der Empfehlung von Dirk S nur zustimmen: Sobald ein Gereicht ein Gutachten bestellt sollte, man sich als Angeklagter um ein eigenes Gutachten kümmern.


Claus Thaler
4.2.2015 14:20
Kommentarlink

@Dirk S
> Richter können magels Fachkenntnis die Qualität eines Gutachtens nicht beurteilen,
> müssen also glauben, dass das Gutachten korrekt ist.

Das mag auf technischem Gebiet stimmen. Hier ging es aber wohl in erster Linie um die Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Zeugin (die Frau, die ihren Pflegevater des sexuellen Missbrauchs beschuldigt hatte). Und eine solche Beurteilung ist eigentlich Tagesgeschäft für einen Richter. Auch sollte er zumindest fähig sein, ein nicht dem Standard genügendes Gutachten zu erkennen, wenn er es denn gelesen hat.


Claus Thaler
4.2.2015 14:46
Kommentarlink

Ich habe hier noch was dazu gefunden:

http://www.welt.de/vermischtes/article136922165/Unschuldig-in-Haft-wegen-erfundenen-Missbrauchs.html

Wie fast zehn Jahre später in einem Wiederaufnahmeverfahren herausgearbeitet wurde, ignorierte die vom Gericht beauftragte Psychologin in ihrem Glaubwürdigkeitsgutachten reihenweise Fakten, als sie die Vorwürfe der 13-Jährigen “mit hoher Wahrscheinlichkeit” als wahrheitsgetreu einstufte.

Ein Freiburger Experte überprüfte ihr Gutachten und stellte fest: Die Psychologin beachtete nicht, dass das Mädchen schon mit zehn Jahren ersten Geschlechtsverkehr hatte, dass es auch seiner Pflegemutter Gewalt androhte, sich partout nicht in die Familie oder in den Klassenverband einfinden wollte und zudem in einer Traumatherapie behandelt wurde, die Experten als wissenschaftlich fragwürdig beurteilen.

Das Gericht ließ zudem ein Alibi K.s für einen der benannten Tatzeitpunkte außer Acht, weil es dem Mädchen und dem Gutachten mehr Glauben schenkte als dem Angeklagten.

So wie’s aussieht hat hier auch der damalige Richter versagt.


ghj@kdkd.de
4.2.2015 16:37
Kommentarlink

Wer prüft eigentlich die Gutachter? Wie wird man Gutachter?


Hadmut
4.2.2015 19:02
Kommentarlink

> Wie wird man Gutachter?

Indem ein das Gericht einfach dazu beruft. Man muss da nichts besonderes haben oder können.


Emil
4.2.2015 20:16
Kommentarlink

@ghj@kdkd.de
Die Gutachterin kam in diesem Fall von der lokalen Uni:

http://www.sol.de/neo/nachrichten/saarbruecken/Gutachten-Justizopfer;art34275,4518586

Eine frühere Pflegetochter hatte ihn des sexuellen Missbrauchs beschuldigt und eine Gerichtssachverständige des Homburger Institutes für gerichtliche Psychologie stufte im Mai 2004 vor dem Landgericht Saarbrücken deren Aussage als glaubwürdig ein. Ein fataler Fehler, wie sich später herausstellte.

Institut für Gerichtliche Psychologie und Psychatrieder der Universität des Saarlandes
http://www.forensik-homburg.de/sitedata/begutachtungen/


Dirk S
5.2.2015 8:44
Kommentarlink

@ Claus Thaler

> Hier ging es aber wohl in erster Linie um die Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Zeugin (die Frau, die ihren Pflegevater des sexuellen Missbrauchs beschuldigt hatte). Und eine solche Beurteilung ist eigentlich Tagesgeschäft für einen Richter.

Ich vermute, der Richter war sich selbst nicht so ganz sicher, ob die Zeugin glaubwürdig war oder nicht. Und um sich selbst die Arbeit zu erleichtern und die eigenen Karriere zu sichern (ging schließlich um sexuellen Missbrauch, auch für Richter ein Minenfeld), hat er einfach ein Gutachten in Auftrag gegeben, den er folgen konnte (und so die Verantwortung los wurde).

> Auch sollte er zumindest fähig sein, ein nicht dem Standard genügendes Gutachten zu erkennen, wenn er es denn gelesen hat.

Glaubst du wirklich, Richter lesen die Gutachten bzw. mehr als die Zusammenfassung? Wann sollen die das machen? Morgens unter der Dusche? Wenn schon Anträge auf Hausdurchsuchung (immerhin die Aufhebung eines Grundrechtes) nicht gelesen sondern blind abgezeichnet werden, was glaubst du, wieviele der mehrere zehn bis hunderte Seiten langen Gutachten gelesen werden? So ziemlich keine.

Richterkritische Grüße,

Euer Dirk


Hustenstorch
5.2.2015 15:33
Kommentarlink

Auch wenn es hart klingen mag, so gab es hier immerhin noch ein Gutachten und sowas wie eine Verhandlung.

Bei den Plänen die so bestimmte Personengruppen haben, soll es ja in Zukunft ausreichen, auf einen beliebigen Mann (vorzugsweise weiß, heterosexuell) zu zeigen, um ihn wegen sexueller Nötigung bzw. Mißbrauchs wegschließen zu lassen.


derdiebuchstabenzählt
5.2.2015 16:14
Kommentarlink

@ Hadmut

>> Wie wird man Gutachter?

>Indem ein das Gericht einfach dazu beruft. Man muss da nichts >besonderes haben oder können.

Das kann doch nicht wahr sein. Es muss doch etwas geben, was einen zum Gutachter befähigt! Immer!


Hadmut
5.2.2015 20:44
Kommentarlink

> Das kann doch nicht wahr sein. Es muss doch etwas geben, was einen zum Gutachter befähigt! Immer!

Der Glaube des Gerichts.

Steht irgendwo in der ZPO zum Thema Sachverständigenbeweis.


I. Vetter
6.2.2015 8:55
Kommentarlink

ZPO

§ 404 ZPO – Sachverständigenauswahl
(1) Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgt durch das Prozessgericht. Es kann sich auf die Ernennung eines einzigen Sachverständigen beschränken. An Stelle der zuerst ernannten Sachverständigen kann es andere ernennen.
(2) Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände es erfordern.
(3) Das Gericht kann die Parteien auffordern, Personen zu bezeichnen, die geeignet sind, als Sachverständige vernommen zu werden.
(4) Einigen sich die Parteien über bestimmte Personen als Sachverständige, so hat das Gericht dieser Einigung Folge zu geben; das Gericht kann jedoch die Wahl der Parteien auf eine bestimmte Anzahl beschränken.

§ 404a ZPO – Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen
(1) Das Gericht hat die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und kann ihm für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen erteilen.
(2) Soweit es die Besonderheit des Falles erfordert, soll das Gericht den Sachverständigen vor Abfassung der Beweisfrage hören, ihn in seine Aufgabe einweisen und ihm auf Verlangen den Auftrag erläutern.
(3) Bei streitigem Sachverhalt bestimmt das Gericht, welche Tatsachen der Sachverständige der Begutachtung zugrunde legen soll.
(4) Soweit es erforderlich ist, bestimmt das Gericht, in welchem Umfang der Sachverständige zur Aufklärung der Beweisfrage befugt ist, inwieweit er mit den Parteien in Verbindung treten darf und wann er ihnen die Teilnahme an seinen Ermittlungen zu gestatten hat.
(5) Weisungen an den Sachverständigen sind den Parteien mitzuteilen. Findet ein besonderer Termin zur Einweisung des Sachverständigen statt, so ist den Parteien die Teilnahme zu gestatten.

§ 407 ZPO – Pflicht zur Erstattung des Gutachtens
(1) Der zum Sachverständigen Ernannte hat der Ernennung Folge zu leisten, wenn er zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist oder wenn er die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis Voraussetzung der Begutachtung ist, öffentlich zum Erwerb ausübt oder wenn er zur Ausübung derselben öffentlich bestellt oder ermächtigt ist.
(2) Zur Erstattung des Gutachtens ist auch derjenige verpflichtet, der sich hierzu vor Gericht bereit erklärt hat.

§ 286 ZPO – Freie Beweiswürdigung

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

StPO

§ 73 StPO
(1) Die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgt durch den Richter. Er soll mit diesen eine Absprache treffen, innerhalb welcher Frist die Gutachten erstattet werden können.
(2) Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände es fordern.

§ 75 StPO
(1) Der zum Sachverständigen Ernannte hat der Ernennung Folge zu leisten, wenn er zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist oder wenn er die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis Voraussetzung der Begutachtung ist, öffentlich zum Erwerb ausübt oder wenn er zu ihrer Ausübung öffentlich bestellt oder ermächtigt ist.
(2) Zur Erstattung des Gutachtens ist auch der verpflichtet, welcher sich hierzu vor Gericht bereit erklärt hat.

§ 78 StPO
Der Richter hat, soweit ihm dies erforderlich erscheint, die Tätigkeit der Sachverständigen zu leiten.

§ 261 StPO
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.