Ansichten eines Informatikers

Über “Kiez-Deutsch”, Germanisten und Neo-Rassismus

Hadmut
30.6.2014 20:47

Da hatte ich gestern gerade das Thema angesprochen, und dabei auf einen Artikel in der WELT verwiesen, da erscheint heute eine lesenswerte Replik dazu in der WELT.

Seltsam. In der Replik wird auf die Potsdamer Germanistik-Professorin (Warum sind eigentlich so viele Politschwätzer von Beruf Professorin?) Heike Wiese und darauf abgehoben, dass dahinter ein ganz gewaltiger Rassismus gegenüber Türken steht. Der Artikel gestern berichtete über ihre Aussagen, aber dabei habe ich das völlig überlesen, dass dahinter eine Germanistik-Professorin stand. Man muss aber auch nur die Vielzahl der Leserkommentare lesen, um zu bemerken, dass die Aussagen darin auch ganz ohne Hinweis auf Professorinnen-Ursprung keine Zustimmung fanden.

Dazu hat heute in der Welt einer zurückgehauen. Schon der Begriff „Kiez-Deutsch” sei eben eine Erfindung der Germanisten um etwas gutzureden, was nicht gut ist. Die Professorin meint, das sei eben eine unter vielen akzeptablen Deutsch-Varianten. (Anscheinend sind die Deutsch-Anforderungen für Germanistik-Professorinnen nicht sehr hoch.) Worin der Autor des zweiten Artikels nicht zustimmen mag (allerdings habe ich die angebliche Aussage Wieses im zitierten ersten Artikel auch nicht gefunden, vielleicht haben sie einen falschen Link angegeben).

Offenbar dämmert es Heike Wiese keine Sekunde, dass der wahre Rassismus darin bestehen könnte, Jugendlichen mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund die Fähigkeit abzusprechen, korrektes Standarddeutsch zu lernen. Aber wenn die Professorin Sätze wie “Machst du rote Ampel?” für “innovativ” erklärt und nahelegt, solche Konstruktionen, die auf Präpositionen und Artikel verzichten, stünden gleichwertig neben schulgrammatisch korrekten Formulierungen, dann verfolgt sie damit eine klassische linke Onkel-Tom-Strategie. Im Bildungsbereich besteht in diesem politischen Lager nämlich immer die Tendenz, alles, was für ihre marginalisierte Klientel zu schwierig sein könnte, als überflüssiges Herrschaftswissen zu diffamieren, dessen geheimer Zweck darin besteht, die Klassenunterschiede auch sprachlich zu zementieren.

Dem kann ich nur zustimmen. Ich hatte im Laufe meines Studenten- und Berufslebens eine Menge (männlicher und weiblicher) türkischer/türkischstämmiger Kommilitonen, Kollegen und auch Freunde. Und die haben alle perfekt und tadellos reines Deutsch gesprochen. Hat sogar dazu geführt, dass im Studentenwohnheim der Witz dazu rumging: Was ist der Unterschied zwischen Türken und Bayern? Die Türken sprechen besser Deutsch. Auch hier in Berlin habe ich schon ne ganze Menge Türken erlebt (gibt ja genug hier), auch jugendliche, die völlig normales, muttersprachlich-qualitatives, absolut tadelloses und meist auch akzentfreies Deutsch gesprochen haben. Bei Arabern und Russen sieht es vielleicht etwas schlechter aus, aber auch da gibt es genügend viele Leute, die fehlerfreies, vollumfängliches Deutsch sprechen, und nur an der Klangfarbe, einem Akzent und manchmal der Aussprache erkennbar sind, aber semantisch und grammatikalisch völlig korrekt, vollständig und flüssig sprechen.

Der Beweis ist wohl mehr als erbracht, dass Türken durchaus in der Lage sind, innerhalb weniger Jahre oder auch innerhalb einer Generation perfektes Deutsch zu lernen. Die sind nicht doof. Jedenfalls nicht alle. Und das heißt was, denn Deutsch gehört zu den schwierigsten Sprachen der Welt. (Zum Vergleich: gibt auch genug Deutsche, die mit dem Erlernen deutscher Sprache hoffnungslos überfordert sind.)

Die zentrale Aussage im neueren WELT-Artikel ist nun, dass es rassistisch ist, wenn man es so hinstellt, als wäre Kanak-Sprak eine normale Variante, so in dem Stil, dass es ausgrenzend und ungerecht wäre, von Türken mehr zu verlangen. Als wäre es unvertretbar, von Türken zu erwarten, schon in vierter Generation in Deutschland halbwegs deutsch zu können.

Kein Zweifel. Das ist ziemlich eindeutig eine deftige und rassistische Beleidigung all derer Türken, die Deutsch (und obendrein noch viele weitere Sprachen) beherrschen.

Eigentlich erstaunlich, dass die das so ruhig hinnehmen.

Recht treffend auch der Vergleich am Ende des Artikels mit dem „Turkfacing”. Es geht nicht nur darum, wie man sich in den 20er Jahren für Jazzmusik die Gesichter schwarz anmalte. Ich musste da spontan an Fasching zu meiner Kinderzeit denken. Cowboy und Indianer. Wie verkleidet man sich als Cowboy? Hut auf, Weste um, Bart angemalt, Spielzeugpistole. Wie verkleidet man sich als Indianer? Rot anmalen, Leder-Anzug an, Federschmuck auf den Kopf, Pfeil und Bogen, und dazu mit der Hand auf den Mund zum Kriegsgeheul. Wie verkleidet man sich als Türke? Schwarze Perücke und sprechen wie Depp. Das ist das Klischee, dass diese Germanisten da als normal und gesellschaftlich zu akzeptierende Norm hinstellen wollen. Massiv rassistisch. (Und hat verblüffende Parallele zu dem, was gerade so über Schweden berichtet wird, wo auch alles als normal gepredigt wird, was nicht kritisiert werden darf.)

Paradoxerweise machen einem diese (offenbar aus dem Gender-Umfeld stammenden, Weise hat ja sehr dichte Verbindungen zur Humboldt-Universität und deren geistig-ideologischer Sondermülldeponie) Germanisten sogar noch den Vorwurf des Rassismus, wenn man unterstellt, dass Türken normales fehlerfreies Deutsch reden könnten. Erstaunliche Inversion. Mit der Denkweise, dass jegliche Forderung/Erwartung nach ordentlichem Deutsch ja nur eine ausgrenzende Herrschaftsdemonstration sein könnte. Nach der Sichtweise, wer ordentliches Deutsch erwartet, will Türken nur ausgrenzen und ihnen zeigen, wie wenig sie wert sind.

Was ich für völlig bescheuert halte. Denn meines Erachtens ist es gerade andersherum. Wer von jemandem ordentliches Deutsch erwartet und unterstellt, dass der es lernen könnte, gerade der sieht denjenigen ja als gleichwertig an, weil er ihm gleiche geistige Fähigkeiten unterstellt, und geht integrativ vor. Wer aber von jemandem nicht erwartet, halbwegs sprechen zu können, der behandelt ihn von oben herab wie ein kleines Kind oder einen geistig Behinderten. Gerade weil (die meisten) Türken eben nicht doof sind, kann man auch völlig selbstverständlich von ihnen erwarten und verlangen, dass sie reden wie ein intelligenter Mensch. Hat auch was mit Menschenwürde zu tun, dass man jemanden nicht von vornherein aufgrund Herkunft für zu doof hält, richtig zu sprechen.

Die Situation gleicht sich exakt der im Feminismus und deren Sichtweise Frau – Wissenschaft.

Da wird auch immer behauptet, dass jegliche Erwartung an Frauen, irgendetwas zu können oder gleiche Anforderungen zu stellen, ja nur patriarchalisch wäre und der Ausgrenzung von Frauen diente, damit man zeigen könne, dass Männer besser wären. Also quasi eine erzwungende Rücksichtnahme auf die als general-dämlich hingestellte Frau, die man integrieren müsse wie geistig Behinderte. Und auch die Sichtweise, dass der Gender-Schwafel ja auch nur eine gleichberechtigte Variante von Wissenschaft unter vielen sei, und der Qualitätsanspruch (Truth Regime) nur der Selbstüberhöhung der Männer und der Ausgrenzung von Frauen diene. Deshalb sei jede Forderung sexistisch-ausgrenzend.

Und mein Standpunkt hierzu ist exakt derselbe wie zur Kanak-Sprak: Gerade weil ich (die meisten) Frauen für gleich intelligent und leistungsfähig und denkfähige Menschen halte, bin ich der Meinung, dass man an sie auch die gleichen Leistungsanforderungen und -maßstäbe anlegen muss, gerade um nicht sexistisch zu sein. Frauen diesen Gender-Schwachsinn als normal durchgehen zu lassen ist wie allen Türken zu unterstellen, dass sie zu blöd zum Sprechen wären.

Oder anders gesagt: Feministischer Genderismus ist gegenüber Wissenschaft genau das, was Kanak-Sprach gegenüber Hochdeutsch ist. Symptom der Dummheit, Unfähigkeit und weitreichender Untauglichkeit einer aggressiven Minderheit, die zur Bequemlichkeit dieser Minderheit unzulässig auf die Mehrheit verallgemeinert wird. Und ebenso wie auf einem Berliner Schulhof bekommt jeder aufs Maul gehauen, der sich nicht absichtlich dumm stellt und mitmacht. Professoren, die auf Genderismus machen, sind im Prinzip wie deutsche Kinder, die Kanak-Sprak sprechen, um nicht gemobbt und verkloppt zu werden. Und ebenso, wie man hier Verständnis für Leute aufbringen soll, die nicht sprechen können, werden auch an den Universitäten solche Dumm-Taschen für Leute gebaut, die nicht Wissenschaft können. Die machen dann Gender. Gender ist die Kanak-Sprak der Universitäten.

Genau das gleiche in grün. Die Dummerklärung der Gesellschaft.

Und ich krieg jedesmal zuviel, wenn ich drüber nachdenke, was für Idioten ich mit meinen Steuergeldern als Professoren lebenslang und unkündbar durchbezahlen muss.

53 Kommentare (RSS-Feed)

Ronald.Z
30.6.2014 21:07
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Den Witz oben kenne ich als Ossi aus der Zeit Anfang ’90 ein bisschen anders:
F: Was ist der Unterschied zwischen einem Türken und einem Sachsen?
A: Der Türke kann deutsch und hat Arbeit.

Das waren noch Zeiten….

Ansonsten Zustimmung zum Artikel, gefällt mir gut.


flippah
30.6.2014 21:32
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ich kenne den so:

Kommt ein Deutscher an einem Türken vorbei und fragt “wo geht’s denn hier nach Aldi?”
Der Türke korrigiert: “zu Aldi!”
Daraufhin der Deutsche: “Scheiße, schon zu”


splitcells
30.6.2014 21:41
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“Machst du rote Ampel?”

Welche Bedeutung hat dieser Satz?


The Man Machine
30.6.2014 21:50
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> denn Deutsch gehört zu den schwierigsten Sprachen der Welt.

Sorry, Hadmut, aber diese Aussage ist ja wohl kompletter Unsinn!

Um die “Schwierigkeit” einer Sprache einzustufen (also eigentlich, wie schwierig es ist, diese zu erlernen), braucht man erst einmal eine Ausgangssprache, also die Muttersprache des Lernenden und nur relativ dazu lassen sich dann solche Aussagen treffen.

Ich weiß aber, dass die Deutschen das gerne behaupten. Hab ich jedenfalls auch schon oft gehört, dass Deutsch ja eine der schwierigsten Sprachen der Welt, wenn nicht gar DIE schwierigste sei. Allein, es ist nicht wahr. Vielleicht hat Goebbels das ja “damals” in die Welt gesetzt? Hehe…

Auch wenn man die Komplexität der Sprachen objektiv vergleicht, ist Deutsch gar nicht so besonders schwierig. Abgesehen von den ostasiatischen, wie Chinesisch, Japanisch, die für Europäer am schwierigsten zu lernen sind, gibt es da einige Sprachen mit sehr viel komplizierterer Grammatik und Aussprache (die ist im Dt. sogar sehr nah an der Schriftsprache; keine Nasallaute o.ä. etc.), dazu haben wir nur das lateinische Alphabet mit 26 Buchstaben und ein paar Umlaute + Eszett. Ein Witz im Vergleich zum kyrillischen oder griechischen Alphabet, hm?

> Zum Vergleich: gibt auch genug Deutsche, die mit dem Erlernen deutscher Sprache hoffnungslos überfordert sind.

Das ist wohl wahr, aber hat das wirklich was mit der deutschen Sprache zutun? Die meisten Muttersprachler einer beliebigen Sprache beherrschen diese nur in eingeschränktem Umfang, behaupte ich mal 😉


Hadmut
30.6.2014 21:58
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> Sorry, Hadmut, aber diese Aussage ist ja wohl kompletter Unsinn!
> Um die “Schwierigkeit” einer Sprache einzustufen (also eigentlich, wie schwierig es ist, diese zu erlernen), braucht man erst einmal eine Ausgangssprache, also die Muttersprache des Lernenden und nur relativ dazu lassen sich dann solche Aussagen treffen.

Falsch. Die Komplexität der Grammatik lässt sich durchaus vergleichen. Und Deutsch hat sehr komplizierte Satzstrukturen.

Dagegen wurde mir wiederholt berichtet, dass beispielsweise Chinesisch – von den Schriftzeichen und dem Heraushören der Tonhöhen abgesehen – eine vergleichsweise leicht lernende Sprache sei. Ein Dekan einer Informatik-Fakultät in Peking sagte, dass die meisten Leute innerhalb von 1-2 Semestern genug lernen, um Vorlesungen hören zu können.

Und mit dem Alphabet hat das auch wenig zu tun. Warum soll das kyrillische oder griechische schwieriger sein als das Deutsche? Im Gegenteil, das griechische Alphabet ist einfacher als das deutsche, weil es weniger Zeichen gibt und die eindeutiger sind. Man muss nicht zwischen sch, ch vorne, und ch hinten unterscheiden, hat viel weniger Probleme bei der Rechtsschreibung, weil weniger Verdoppelungen usw. Das griechische Alphabet haben wir im Griechisch-Unterricht damals am ersten Tag abgehandelt, und dann war’s erledigt. Altgriechisch und Latein sind beide strukturell und grammatikalisch deutlich einfacher als Deutsch und schneller zu erlernen. Sehr viel Ahnung scheinst Du jetzt nicht zu haben.


Hustenstorch
30.6.2014 22:50
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Hm, die deutsche Sprache mag evtl. schwierig sein.
Aber verglichen mit Finnisch oder ungarisch wahrscheinlich noch sehr einfach.
Aber das ist wahrscheinlich alles auch sehr subjektiv. Der eine lernt diese Sprache leicht, der andere jene. Und der Dritte hat Schwierigkeiten mit jeder Sprache.
Durch meinen Job hab ich mit vielen Leuten zu tun, die mehrsprachig aufgewachsen sind. Teilweise nicht nur zwei- sondern dreisprachig. Die haben ziemliche Probleme, in einer der Sprachen so richtig gut zu sein. Vor allem schriftlich. Das sagen die oft sogar selbst von sich. Allerdings hat von denen keiner Probleme mit (ich nenn es mal so:) einfachen Sprache ohne zig-fach verschachtelte Sätze.

Wenn ich mir aber mal so in der Bahn (“RMV”, wie Josh_ 😉 ) unsere Zukunft anschaue…. Da kann keiner nur halbwegs zivilisiert sprechen. Egal ob Deutsche oder mit Migrationshintergrund.


The Man Machine
30.6.2014 22:51
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> Und Deutsch hat sehr komplizierte Satzstrukturen.

Jo, z.B. “Ich geh auf’s Klo.”, deswegen muss das ja von den Kiez-Kids vereinfacht werden… Ernsthaft: wo kommen diese in der Alltagssprache vor? Schonmal gehobene franz. Literatur versucht zu lesen? Oder auch englische?

> Chinesisch – von den Schriftzeichen und dem Heraushören der Tonhöhen abgesehen

Ja klar, die Schriftzeichen muss man ja auch nicht können und die Tonhöhen herauszuhören ist ja auch egal, was?

> Ein Dekan einer Informatik-Fakultät in Peking sagte, dass die meisten Leute innerhalb von 1-2 Semestern genug lernen, um Vorlesungen hören zu können.

Dann muss das natürlich stimmen. Dass es die Vorlesungen auch auf z.B. Englisch zum Download gibt, kann nicht sein?

> Warum soll das kyrillische oder griechische schwieriger sein als das Deutsche?

Naja, damit meinte ich eigentlich nur, wie man die Buchstaben “malt”. Griechische und kyrillische Zeichen sind nicht so leicht zu schreiben wie die lateinischen, würde ich sagen. Kyrillisch natürlich mehr als Griechisch und es gibt auch mehr Buchstaben.

> Altgriechisch und Latein sind beide strukturell und grammatikalisch deutlich einfacher als Deutsch und schneller zu erlernen.

Was soll jetzt der Vergleich mit zwei toten Sprachen?

> Sehr viel Ahnung scheinst Du jetzt nicht zu haben.

Aber du… 😉


Hadmut
30.6.2014 22:56
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> Naja, damit meinte ich eigentlich nur, wie man die Buchstaben “malt”. Griechische und kyrillische Zeichen sind nicht so leicht zu schreiben wie die lateinischen, würde ich sagen.

So’n Quatsch.

Guck mal Griechen und Russen beim Schreiben zu. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass man bei Griechisch keine Schreib- sondern Druckschrift lernt, aber die hatten wir im Griechisch-Unterricht auch nach einer Woche völlig flüssig drauf. Keinesfalls schwerer als Deutsch.

Und Chinesen können am Computer schneller chinesisch als Amerikaner denn sinngleichen Text auf Englisch schreiben.

> Aber du…

Naja, ein Graecum und ein großes Latinum habe ich mal gemacht. Deshalb auch der Vergleich mit diesen Sprachen.


Knut
30.6.2014 23:22
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Ich muss hier mal “The man machine” unterstützen.
Latein und altgriechisch mögen regelmäßiger sein als das Deutsche, wenn man aber mal russisch mit vielen verschiedenen Zahlwortzuordnungen ansieht, merkt man, dass es auch andere Sprachen mit mehr Tücken als der Aussprache gibt. Der arabische Dual macht gerne Schwierigkeiten. Im Portugisieschen heisst Danke Obrigado oder Obrigada je nach Geschlecht des Sprechers. Im Japanischen bestimmt die Art der Objekte die Zahlwörter.

Aber selbst im Englisch/Amerikanischen sind die Tücken bei weitem nicht so gering, wie gerne dargestellt wird. Ohne viele feststehende Ausdrücke, ist man leicht als Fremder zu erkennen. Da fällt man schneller auf, als im Deutschen durch seltsame Wortkonstruktionen.

Es gibt sicher Sprachen, die einfacher sind als das Deutsche. Ob das aber die meisten sind vermag ich nicht zu beurteilen. Letztendlich kommt man hier mit relativ wenig ziemlich weit, wie auch im Englischen. Der Weg zum Gespräch oder zum Gespräch mit geringem Stirnrunzeln ist aber bei beiden Sprachen weit. Selbst wenn man die Aussprache ausschaltet und sich nur per Char unterhält.


Hadmut
30.6.2014 23:28
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@Knut/Man Machine:

Denkt doch mal ein bisschen darüber nach, was Ihr da sagt. Einfach nur opponieren ohne jedes Hirn bringt es nicht.

Wenn ich sage, dass Deutsch zu den schwierigsten Sprachen gehört (ich habe nicht gesagt die „Schwierigste”, nur dann würden Eure Beispiele überhaupt von Belang sein), dann war das eigentlich als Anerkennung für Türken gedacht, die gut deutsch sprechen.

Wenn Ihr hingegen meint, Deutsch wäre leicht, dann heißt das, dass es keine so heraushebenswerte Leistung ist, deutsch zu sprechen, und dass die, die es nicht lernen können, nur umso dümmer sind.

Kann man so sehen, muss man aber nicht.

Sprachverständnis heißt übrigens auch, dass man nicht nur lokal einzelne Aussagen versteht, sondern auch die Einordnung in den geäußerten Kontext. Und da scheint’s gerade zu hapern. Ist wohl doch nicht so einfach.


kokko
1.7.2014 0:14
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Als wäre es unvertretbar, von Türken zu erwarten, schon in vierter Generation in Deutschland halbwegs deutsch zu können.

Zum Vergleich: gibt auch genug Deutsche, die mit dem Erlernen deutscher Sprache hoffnungslos überfordert sind.

Ich glaube darin liegt viel Wahrheit und vielleicht auch der Knackpunkt der Sache “geringer Integrationswille”. Meiner Meinung nach hängt da nämlich auch viel an der Schicht um die es geht.

Man hat doch damals zum Großteil Handlanger für den Bau und ähnliches rangekarrt (=Leute aus den ärmsten Gebieten der Türkei mit entsprechend sehr niedrigem Bildungsniveau). Diese hat man hergeholt und gemeint die bleiben ja sowieso nur nen paar Jahre und müssen deswegen nicht extra toll Deutsch lernen. Aus den paar Jahren wurden dann doch nen paar mehr – man musste also erlauben, dass sie ihre Frauen & Kinder hier her holen (=Leute die bisher mit Deutsch keinen Kontakt hatten). Die Kinder hatten dementsprechend Probleme in der Schule – wer Deutsch nicht gut versteht kann auch in anderen Fächern nicht gut mitkommen/Fragen auf Klausuren nicht lesen/verstehen -> schlechte Noten überall (Lehrerfazit: es ist ein schlechter Schüler) -> Motivation gering und Langeweile groß dh man macht alles außer das was man soll (=Ärger) und grenzt sich von denen, die können was verlangt wird, ab

Diese eher schlecht als recht durch die Schule gekommene 2.Generation holt sich dann teilweise Frauen aus der Türkei, die sowieso auch nur Hausfrau und Mutter sind und arbeitet am Band wie der Vater. Die 3.Generation wächst also bei Eltern + mit Freunden auf, die selbst nicht gut Deutsch können und zuhause Mischmasch oder sogar Türkisch sprechen. Konfrontation mit dem Zwang gutes Deutsch können zu müssen kommt in der Familie nicht (man ist vielleicht sogar noch stolz auf die eigenen Wurzeln und Deutsch spielt nur 2.Geige) sondern dann erst in der Grundschule inkl schlechte Noten (siehe oben). Alle Welt wundert sich, warum sie Deutsch bis dahin nicht von sich aus gelernt haben aber bei deutscher 3.Generation Hauptschule+Hartz4 wundert sich ja auch keiner warum die ihren PC nur zum zocken und nicht zum lernen nutzt…

Ändern tut sich da von alleine nicht viel sondern nur mit Zwang von inne oder außen. Sicher hat man auch Familien, die aus anderen Verhältnissen kamen oder eben hohen Wert auf bessere schulische Bildung ihrer Kinder legten und sich dementsprechend auch besser integriert haben/integrieren konnten. Einen nicht geringen Teil der Leute sehe ich aber eher als Fortsetzung von Familiengeschichte, wo in der 1.+2.Generation Bildung+deutsche Sprache lernen sowieso keine große Rolle spielte bzw notwendig war und sich diese Einstellung jetzt nicht schlagartig ändert (außer vielleicht bei den Mädels, die die Bildung als Chance sehen).


vortex
1.7.2014 0:58
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@splitcells

Offensichtlich wird hier erfragt ob der Angesprochene für einen Nischenmarkt Straßenverkehrsleuchten ( rot ) produziert.

Immer diese Bigotterie.


Hm, ich (DE, EN, (RU)) war letztes Jahr im Oktober zwei Wochen in Frankreich an der Cote d’Azur. Und zwar nicht in einem Hotel, ‘nem Touristenquartier oder sowas, sondern mittendrin. Und vorher hatte ich ab und an für ein paar Tage im Jahr schon Kontakt mit FR. Meine Schwester (DE, EN, FR, (RU)) wohnt da unten bei ihrem Kerl (FR, IT, EN). Meistens kommunizieren wir – wenn ich mitrede – da auf EN, ansonsten sprechen beide FR miteinander.
Und was soll ich sagen: Obwohl ich kein FR in der Schule hatte, wird mir FR immer vertrauter. Mittlerweile verstehe ich einzelne Sätze, kann mich im z.B. im Supermarkt auch ohne die Bilder auf der Verpackung zurechtfinden. Einiges kann ich von EN herleiten, ein paar Wörter Latein, Wissen um Lehnwörter* im DE – schon klappt’s. Ich hab’ mir das auch nicht irgendwie vorgenommen. Das kommt ganz von alleine. Einfach so…

* Beispiel: Kinder auf FR = enfants – infantil – Fremdwort für kindlich (-e, kinderhaftes Verhalten) in DE


Heinz
1.7.2014 6:46
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> Professoren, die auf Genderismus machen, sind im Prinzip wie deutsche Kinder, die Kanak-Sprak sprechen, um nicht gemobbt und verkloppt zu werden.

Professoren und Politiker…


Heinz
1.7.2014 7:05
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@The Man Machine

als ob die paar mehr Buchstaben – die sowieso nur die Zischlautschreibweisen verkürzen – es machen, oder die (regelmäßige!) Zuordung nach Anzahl wie bei tschas / tschasa / tschasow. Dafür wird ein Buchstabe immer gleich ausgesprochen, es gibt kein Vogel/Vase-Problem. Es gibt außer bei einer Handvoll Hilfsverben nur regelmäßige Konjugation, auch in indirekter Rede wird der Indikativ verwendet, die Vergangenheitsform ist sehr einfach zu bilden… einzig die Aspekte der Verben sind bei Russisch schwieriger als im Deutschen.

Wer Russisch allein wegen seiner Schrift für “schwierig” hält, zeigt nur seinen eigenen begrenzten Horizont.


yasar
1.7.2014 9:02
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Das ist ein Blogpost, bei dem mir sehr vieles einfällt, was man dazu schreiben kann. Das könnte ich in einem “riesigen” Kommentar schreiben, in dem alle mir einfallen Aspekte beleuchte oder in vielen Kommentaren, in denen ich nur einzeln Punkte anspreche. Ich habe mich für letzteres entschieden, weil das vermutlich der Diskussion vermutlich zuträglicher ist und auch der Lesbarkeit der Kommentare zugutekommt:

Ich fange man zu einem Kommentar zu dem Artikel:

http://www.welt.de/vermischtes/article129589372/Gehst-du-Bus-Kiezdeutsch-gibts-bald-ohne-Kiez.html

an, auf den in dem von Hadmut verlinken Artikel weiterverlinkt wird.

Wenn ich die Informationen, die in dem Artikel gegeben werden interpretieren müßte, würde ich nciht wie frau Wiese die Schlußfolgerung ziehen, daß Kiez-Sprech ganz normale Sprache ist. mein Interpretation der Untersuchungsergebnisse wäre viel nüchterner: “Die (meisten) Berliner können kein Deutsch”, egal ob sie deutschen oder ausländischen Migrationshintergrund haben.


Emil
1.7.2014 9:07
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Professoren, die auf Genderismus machen, sind im Prinzip wie deutsche Kinder, die Kanak-Sprak sprechen, um nicht gemobbt und verkloppt zu werden.

Das ist eine Gruppe, für die man sogar noch halbwegs Verständnis aufbringen kann. Mut und Selbstbewusstsein sind nicht jedem gegeben und der Kampf gegen Windmühlen kann zermürbend sein.

Viel schlimmer sind jedoch diejenigen, die Genderismus/Kanak-Sprak wider besseres Wissen propagieren, weil sie selbst davon profitieren, wie gewisse Professorinnen für Genderstudien oder “Deutsche Sprache der Gegenwart”.


yasar
1.7.2014 9:13
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Sehe gerade, daß Hadmut den Link auch schon in seinem vorhergehenden Blogpost verhackstückt hat. Also den obigen Kommentar einfach zu dem Post https://www.danisch.de/blog/2014/06/30/kommst-du-mit-klo/ dazudenken.


Erkenntnisgewinner
1.7.2014 9:16
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Mir fällt gerade auf, dass dieser Slang sich wieder dem Ur-Indogermanischen annähert.

Dort stand auch “Schaf auf Berg” oder sogar “Schaf Berg”.


Knut
1.7.2014 9:26
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@kokko

Gute Anmerkung ! Die inzwischen fast obligatorische Kita hilft den Sprachrückstand schon früh abzubauen.
Ich sehe die unterschiedlichen Wege derzeit im Bekanntenkreis. Einmal ein Deutsch-Chinesisches Paar mit Kind. Der deutsche Vater ist nicht so der kommunikative Typ und die Mutter spricht nicht gern Deutsch, obwohl sie es für den Hotelberuf in China gelernt hat. Das Mädel wäre beinahe durch die Aufnahmeprüfung für die Grundschule gerasselt, weil sie nicht wusste, was Fersen sind. Die Kinder sollen rückwärts auf den Fersen laufen und die hat nicht verstanden um was es ging. Wahrscheinlich etwas nervös.

Das andere Paar ist deutsch-türkisch/koreanisch. Das Mädel ist im Karnevalsverein, Kindergarten und Tanzstunde und Papas Liebling. Die sagt dem Opa das er einfach türkisch sprechen soll, weil er ja nicht so gut deutsch kann. Die Aufnahmeprüfung für die Grundschule war da natürlich ein Klacks. Bei der Oma in Korea war das Fehlen des Papas und der Freundinnen aus dem Kindergarten das Hauptproblem. Das die wenigsten Leute deutsch sprechen eher nicht so.


User
1.7.2014 9:33
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Also ich fand Deutsch nicht so schwer zu erlernen – zumindest hoffe ich, ich hätte es auf ein akzeptables Niveau gebracht :).

Das Schöne an Deutsch ist ja, dass es so vergleichsweise rational ist – oder zumindest war, also vor der Neusprechreform. Als ich es lernte, hatte ich immer wieder das Gefühl, ich würde eine Legosteinmauer als Buchstaben/Wörtern/Sätzen errichten 😉


Johanna
1.7.2014 9:33
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> Sehr viel Ahnung scheinst Du jetzt nicht zu haben.

Ad-Hominem-Argumente schwächen das vorher gesagte qualitativ ziemlich ab. Vor allem gefährden sie die Diskussion, die deswegen leicht entgleiten kann. Schließlich haben wir hier nur geschriebene und nicht gesprochene Sprache, so dass ein evtl. leicht humoristischer Gesichtsausdruck im Geschriebenen nicht mehr zu erkennen ist…

Hab ich in der Vergangenheit schon öfter geschrieben, Hadmut: Vor dem Posten mindestens einmal tief durchatmen.


Johanna
1.7.2014 9:37
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@The Man Machine

> Ja klar, die Schriftzeichen muss man ja auch nicht können
> und die Tonhöhen herauszuhören ist ja auch egal, was?

Sie sollten sich den Unterschied zwischen geschriebener und gesprochener Sprache in Erinnerung rufen.

Erstens ist das nicht das gleiche, im Deutschen kann man es an der Verwendung des Genitivs deutlich erkennen: “Das Auto von meinem Mann ist in der Werkstatt” ist ein durch alle Gesellschaftlichen Schichten oft gesprochener und durchaus akzeptierter Satz. Geschrieben sieht die Verwendung des Dativs aber doch ziemlich inakzeptabel aus.

Zweitens zeigt die Existenz von Analphabeten, dass man das Alphabet einer (geschriebenen) Sprache nicht beherrschen muss, um diese Sprache sprechen zu können. Analphabeten existieren auch in China…


michael
1.7.2014 9:45
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@kokko

Man hat doch damals zum Großteil Handlanger für den Bau und ähnliches rangekarrt (=Leute aus den ärmsten Gebieten der Türkei mit entsprechend sehr niedrigem Bildungsniveau). Diese hat man hergeholt und gemeint die bleiben ja sowieso nur nen paar Jahre und müssen deswegen nicht extra toll Deutsch lernen.

Als ich in den siebzigern die Grundschule besuchte (Landgemeinde <2000 Einwohner), hatten wir eine Türkin, einen Spanier und einen Italiener in der Klasse. Und die konnten alle Deutsch – sie hatten ja auch keine andere Wahl.


User
1.7.2014 9:46
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ja war ja klar nicht “als”, solndern “aus” *hihi


User
1.7.2014 9:47
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haha nicht “solndern”, sondern “sondern” OMG


yasar
1.7.2014 11:33
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zum Thema Diskriminierung, weil man den Leuten nciht zutraut, gutes Deutsch zu sprechen:

Ich war in den 70ern der erste “Türke”, der es auf das Gynasium schaffte. Zu dieser zeit “gehörten” Gastarbeiterkinder auf die Hauptschule udn nur ganz wenige durften auf die Realschule. Alelrdigns war das auch eine Zeit, in der sehr viele deutsche Schüler auch auf die Hauptschule und auf die Realschule gingen. Bei den Gastarbeiterkindern war das hauptsächlich der Tatsache geschuldet, daß diese mangelnde Deutschkenntnisse hatten und nicht weil sie zu doof waren. Ich keine einige von damals, die dann über viele Umwege dann doch zu Ihrem Abitur und Studium kamen (Hauptschule, Berufsschule, Abendgymnasium, Studium). Aber bevor ich weiter abweiche:

Als ich damals auf das Gymnasium kam, wurde mir von vielen Lehrern die mir völlig unverständliche Frage gestellt, wie ich denn bewertet werden wolle? So wie die anderen, oder ob man auf mich als Gastarbeiterkind Rücksicht nehmen solle udn bei den Bewertungen flexibler sein soll (den genauen Wortlaut bekomme ich nach 40 Jahren nicht mehr hin). Ich als frisch gebackener Sextaner war völlig baff und habe ehrlich geantwortet, daß ich wie die anderen bewertet werden will. Wenn ich damals geahnt hätte, daß es in manchen Fächern einem doch deutliche Vorteile gebracht hätte, hätte man schon in Versuchung kommen können. Das war im Rückblick schon eine Diskriminierung, weil man meinte von einem Gastarbeiterkind nicht sovil erwarten zu dürfen, wie von einem (ur-)deutschen kind. Ich halte es aber heutzutage meinen damaligen Lehrern zugute, daß die einfach keine Erfahrung mit gymnasialtauglichen Gastarbeiterkindern hatten, sondern nur die variante haupt- und sonderschultaugliche ausländische Schüler zu kennen (damals waren übrigens auch keine Italiener, Spanier, Jugoslawen, etc. auf diesem Gymnasium).

Später habe ich es dann auch den Auspruch “Der kann ja Deutsch” und je nach Gegebenheit, “sogar hochdeutsch” oder “sogar badisch” (ja ich spreche u.a. beide Sprachen :-)) , oft gehört, meist nicht zu mir, sondern zu jemand anderem gesagt und nicht für meine Ohren bestimmt. Klar habe ich mich zu der Zeit von den meisten Gastarbeiterkindern, also nicht nur Türken, sondern auch Italienern, Spaniern, Griechen und Jugoslawen abgehoben. Aber allein von meinem Aussehen darauf zu schließen, daß ich kein ordentliche Deutsch können kann, war schon diskriminierend.


H. K. Heller
1.7.2014 11:41
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Als Linguist möchte ich mich kurz zur Debatte hier äußern; im Blog wird ja Wert auf Wissenschaftlichkeit gelegt, und manches, was hier über Sprache gesagt wird, sind so “gefühlte Wahrheiten”
Zunächst: es gibt kein anerkanntes, objektives Maß, wie schwierig eine Sprache ist. Das hat, wie Man Machine schon meinte, immer mit der Ausgangssprache zu tun. Davon zu trennen ist die Komplexität des Schriftsystems. Verglichen mit dem extrem komplexen Schriftsystem des Japanischen, oder dem ziemlich umfangreichen des Chinesischen, sind Alphabet-Schriften wie Lateinisch (damit auch Deutsch), Kyrillisch, Griechisch etc. ein Klacks. Auch Silbenschriften (Devanagari und Derivate) oder auf Ligaturen basierende (Koreanisches Hangeul) sind schon deutlich umfangreicher. Die Schnelligkeit, mit der man einen muttersprachlichen Text darin tippen kann, ist leider kein Maß für Komplexität.

Komplexitätsmaße für Einzelsprachen gibt es auch mehrere; Formenreichtum in der Morphologie, Umfang der Kongruenzphänomene (z.B. zwischen Verb und Subjekt/Objekt, zwischen Nomen und Adjektiv etc.), Syntheseindex nach Greenberg, Umfang von Nominal/Verbal-Kategorien (bspw. deutsches Genus-System) und und und. Nach all diesen Maßen ist das Deutsche *keine* besonders komplexe Sprache! Was aber nichts damit zu tun hat, wie leicht es erlernbar ist.

Noch kurz zum Originalartikel: wissenschaftlich ist der auch nicht, eher Entertainment. Bei den Textbeispielen ist noch nicht mal angegeben, ob die so original aufgezeichnet oder konstruiert wurden. Über das dahinterstehende Phänomen (Soziolekt) erfährt man nichts, ist in der Linguistik auch nicht das allerneuste. Und zu dem dämlichen Rassismusvorwurf: der Original-Artikel sagt explizit “Schüler wüssten dabei meist genau, wie ein Satz im Standard-Deutsch laute.”

Viel Wirbel um einen einfachen Soziolekt also; das Unlautere ist hier, von Einzelerscheinungen auf eine Gruppe zu generalisieren. Das geben die Daten nun wirklich nicht her.


yasar
1.7.2014 11:53
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@kokko

Man hat doch damals zum Großteil Handlanger für den Bau und ähnliches rangekarrt (=Leute aus den ärmsten Gebieten der Türkei mit entsprechend sehr niedrigem Bildungsniveau). Diese hat man hergeholt und gemeint die bleiben ja sowieso nur nen paar Jahre und müssen deswegen nicht extra toll Deutsch lernen.

Das stimmt so nicht ganz.

Damals war in den entsprechenden Ländern wirtschiaftlich so, daß die Arbeit als Gastarbeiter attraktiver war, auch für ausgebildete Leute die keineswegs dumm waren. Auch die Bauern waren nicht immer dumm, sie haben nur nicht die Gelegenheit gehabt sich zu bilden. ich kenne viele Leute der ältren ersten generation, die ausgebildete Handwerker waren oder auch Journalisten. Aber man brauchte damals ja nur stumpfe Malocher und keine “Fachkräfte”, Stichworte Informatikermangel und greencard, wie heutzutage. Außerdem konnten die kein Deutsch und man mußte ihnen ja alles umständlich erklären. Die meisten wurden in Wohnheime gesteckt und hatten keinen Kontakt zu den Deutschen, so daß sie unter sich blieben. Einige wie mein Vater haben es dann trotzdem geschafft, Kontakt zu Deutschen aufzunehmen und Freundschaften zu schließen und ein einigermaßen verträgliches Deutsch zu lernen. Vielen blieb aber der Zugang zu den Deutschen verwehrt, sei es, weil die Deutschen das nicht wollten, sei es, weil die Ausländer kein Sinn darin sahen, wegen einem “Gastspiel” für ein paar wenige Jahre die Mühen aus sich zu nehmen. Heute erwartet ja auch keiner von den Erntehelfern aus den osteuropäischen Ländern, daß sie für die paar Monate hier sich Deutsch aneignen udn diese machen sich ja auch nicht unbedingt die Mühe (was ich sogar verstehen, aber nicht gutheißen kann).


yasar
1.7.2014 11:59
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@User

(Manche) Tippfehler zählen nicht. Hadmut hat diesen Thema ja schon in “das Schreibfehlersyndrom” https://www.danisch.de/blog/2013/04/07/das-schreibfehlersyndrom/ angesprochen.

PS: ich mache selbst auch genügend “automatische” Schreibfehler, zumindest beim Tippen an Tastaturen. Interessanterweise passiert das beim Schreiben “mit Papier und Stift” nicht. Wenn die doofen Tablets mein Sauklaue entziffern könnten, würde ich vermutlich mehr mit Stift auf Tablet schreiben. Aber jetzt wird es doch zu offtopic.


beeblebrox
1.7.2014 12:26
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@kokko

Auch wenn ich mangelnden Integrationswillen nicht ausschließe, denke ich dass dies eine sehr starke Vereinfachung ist und nicht immer zutrifft.

Sicherlich kam der überwiegende Teil der in den 60er und 70er hier eingewanderten Türken aus ärmlichen, unterentwickelten Regionen der Türkei. Viele von denen hatten aber auch den Ehrgeiz hier weiterzukommen und etwas aus ihrem Leben zu machen. Nicht alle waren damit erfolgreich, einige scheiterten oder kehrten wieder zurück.

Ein nicht unerheblicher Teil lebt aber inzwischen hier ähnlich unauffällig wie Spanier, Portugiesen, Italiener oder Griechen. Deren Kinder sprechen inzwischen fließend Deutsch, studieren hier und machen z.T. Karriere.

Ich denke es hängt inzwischen viel mehr an dem jeweiligen Umfeld in dem jemand aufwächst als an der ursprünglichen Herkunft. Kinder und Jugendliche orientieren sich an Vorbilder. Wenn die schon in mehr oder weniger verwahrlosten Verhältnissen groß werden, so ist die Wahrscheinlichkeit einer positiven Entwicklung nun mal geringer als z.B. dort wo auf die Einhaltung von Regeln geachtet wird.

Was die Schwierigkeit des Lernens vom Fremdsprachen anbelangt, so hängt dies ebenfalls stark von der jeweiligen Situation und dem Umfeld ab. Ein Kollege war sehr früh (ich meine in der 6. oder 7. Klasse) als Austauschschüler in Frankreich. Er meinte die erste Zeit wäre wohl sehr hart gewesen – danach hätte es aber großen Spaß gemacht.

Ist Deutsch unbedingt schwerer zu erlernen ist als andere Sprachen?
Schon Mark Twain (der des deutschen durchaus mächtig war) spottete seinerzeit über “the awful german language”, wobei er sich jedoch hauptsächlich auf verschachtelte Satz-konstruktionen wie die eines Hermann Hesse bezog.

Ich denke es kommt immer stark auf den Kontext an. Wer z.B. ein Schreiben einer Behörde vor sich hat wird auch als Native-Speaker erst mal genauer hinsehen müssen, wenn man mit dem entsprechendem Duktus nicht vertraut ist.

Für jemanden, der als Erwachsener in ein Land einwandert stellt das Erlernen einer neuen Sprache sicherlich eine größere Herausforderung dar, als für ein Kind, welches bereits mit einer entsprechenden Sprachumgebung aufwächst.

Englisch wird meiner Ansicht auch deshalb als so einfach zu erlernen angesehen, weil wir (inzwischen geht es ja schon in der Grundschule los) es bereits seit der 5. Klasse über einen Zeitraum von 5 bis 8 Jahren lernten. Wer aber nach seiner Schulzeit keinerlei Sprachpraxis sammeln kann, der klingt dann irgendwann auch so putzig wie der EU-Kommissar Oettinger.

Was das “Kiez-Deutsch” anbelangt, so stimme ich der Replik weitestgehend zu. Dies als akzeptables Deutsch oder als Variante im Sinne eines Dialekts oder Mundart anzusehen ist nichts weiteres als eine bequeme Kapitulation vor den bestehenden schlechten Verhältnissen. Frei nach dem Motto “Der Ali kommt halt aus eine türkischen Familie – der kann nur Kanak-Sprak – damit der sich nicht ausgegrenzt fühlt reden wir jetzt alle so!”


Hadmut
1.7.2014 12:39
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> Frei nach dem Motto “Der Ali kommt halt aus eine türkischen Familie – der kann nur Kanak-Sprak – damit der sich nicht ausgegrenzt fühlt reden wir jetzt alle so!”

Erinnert mich spontan an einen Bericht über eine Schulklasse, den ich mal gelesen habe.

Da war ein Kind an Krebs erkrankt, hatte wegen der Chemotherapie keine Haare und schämte sich, mit Glatze herumlaufen zu müssen. Aus Solidarität hat sich die ganze Klasse samt Klassenlehrer eine Glatze schneiden lassen und dann ein Klassenfoto gemacht.

Sowas ist mal lustig und ein netter Zug, aber man sollte nicht in den Fehler des Aus-Solidarität-sind-wir-jetzt-auch-dumm verfallen.


thogo
1.7.2014 12:42
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Zur Komplexität von Deutsch: Da streiten sich die Linguisten schon länger, bzw. haben da verschiedene Erklärungsansätze. Ist ja auch wichtig für Spracherkennung / Übersetzung (BTW der Legende nach beschäftigt wohl die NSA sehr viele Linguisten, warum wohl…).

Es scheint auch einen Zusammenhang (nicht nur Korrelation 😉 )zu geben zwischen der Komplexität einer Sprache und deren Verbreitung: (http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0008559)

Daraus schließe ich mal frei: Deutsch ist sicherlich nicht die schwierigste Sprache, aber sicher eine etwas schwerer zu erlernende Sprache als z.B. Englisch oder Chinesisch. speziell wenn man sich die Verbreitung anschaut: http://www.weltsprachen.net/

Wenn man jetzt noch den Quotienten von Muttersprachlern und Sprechern berechnet kann man auch sicherlich abschätzen welche Sprache schwieriger zu erlernen ist.


thogo
1.7.2014 12:59
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Nachtrag, hab mir mal den Spaß gemacht und die Weltsprachen-Liste nach dem Quotienten Sprecher / Mutterspracherl sortiert [Angaben in Mio):

Sprache Nativ Sprecher Nativ/Sprecher
Französisch 79 370 4.68
Englisch 375 1500 4.00
Deutsch 105 185 1.76
Russisch 165 275 1.67
Arabisch 206 300 1.46
Hindi 460 650 1.41
Spanisch 330 420 1.27
Chinesisch 982 1100 1.12
Portugiesisch 216 235 1.09
Bengalisch 215 233 1.08
Japanisch 127 128 1.01
Koreanisch 78 78 1.00

Demnach ist Deutsch wesentlich einfacher zu erlernen als z.B. Chinesisch oder aber auch Portugiesisch.


yasar
1.7.2014 13:05
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> Ich war in den 70ern der erste “Türke”, der es auf das Gynasium schaffte.

Muß ich relativieren. Muß natürlich heißen: Auf eines der hiesigen Gymnasien in der Nähe. Es gab natürlich schon vor mir welche die es auf andere, weiter entfernte Gymnasien schafften, aber von denen wußte man damals noch nicht.


Masi
1.7.2014 13:11
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Ich habe mal in einem Wochenendkurs das russiche Alphabet gelernt (und das Meiste leider wieder vergessen) und konnte nach den zwei Tagen die meisten russichen Wörter nahezu korrekt aussprechen (eine russiche Freundin war begeistert von meiner Aussprache). Besonders schwierig finde ich die Buchstaben, die wir auch haben, dort aber anders gesprochen werden.
Es ist also kein Hexenwerk ein neues Alphabet in ein paar Tagen zu lernen. Die Sprache an sich dauert etwas länger, aber wie “Meine Gedanken sind Brei” bereits schrieb, wenn man sich in dem Land aufhält und ein paar Basics kann, dann geht das schon. Ich persönlich spreche Deutsch als Muttersprache und habe EN und FR in der Schule gelernt. In FR kann ich mitlerweile keinen vernünftigen Satz mehr bilden, aber wenn ich es höre, oder eine Weile in Frankreich bin, dann geht es wieder ganz gut.
Aber auch mit SP und IT habe ich kaum Probleme. Wenn mir jemand etwas langsam und deutlich sagt, kann ich meistens den Sinn des Satzes raushören. Nur Antworten geht halt nicht. Ich präge mir vor dem Urlaub dann ein paar wichtige Vokabeln ein und dann komme ich meistens ganz gut zurecht. Würde ich dort leben, würde ich allerdings Kurse besuchen um die richtige Verwendung und Aussprache zu lernen. Da hätte ich auch ein Anspruchsdenken an mich selbst, man will ja vor seinen Mitmenschen eben nicht als sprachlicher “Hottentotte” dastehen.
Meine russiche Freundin bittet mich auch immer, Fehler, die sie im Deutschen noch macht, zu korrigieren, damit sie sich verbessern kann. Im Schriftdeutschen ist sie sogar manchmal besser als ich, da würde ich sagen, so gehört sich das.
Ich war letztens auch erstaunt, als ich in FFM an einer U-Bahnhaltestelle von einer Frau mit offensichtlich ausländischen Wurzeln (Kopftuch, osmanisches Aussehen) in reinstem Hochdeutsch nach dem Weg gefragt wurde. Und auch mit ihren Kindern sprach sie reinstes Hochdeutsch. Die Begegnung hat mich sehr beeindruckt, vorallem, weil es hier in FFM eher die Ausnahme ist. Die meisten Personen dieser Gruppe hört man nur Grunzlaute oder maximal deutsche Satzfragmente alla “bin ich Konsti” absondern. Und dann wundern die sich, dass sie gesellschaftlich nicht akzeptiert bzw. integriert werden werden. Zu Integration muss man aber nun mal auch willig sein.


euchrid eucrow
1.7.2014 13:40
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meine theorie zur entstehung “kanak-sprak” ist folgende: es gibt in der entwicklung der sprache die meilensteine kindlicher sprachentwicklung. für die einzelnen etappen existieren gewisse zeitfenster (entwicklungsfenster). werden einzelne entwicklungsschritte innerhalb eines entwicklungsfensters nicht gefördert, vernachlässigt oder gar ausgelassen, bspw. duch soziale verwahrlosung und vernachlässigung oder mangelnde sprachkenntnisse des sozialen umfelds, schließt sich das fenster, ohne das die entwicklung abgeschlossen ist. das ist auch keine frage der sozialen herkunft. auch in wohlstandsfamilien tritt das auf, wenn die eltern wenig zeit haben und sich dementsprechend wenig mit ihren kindern unterhalten und beschäftigen. die logopäden freut es und die verhaltenstherapeuten auch. die daraus resultierenden sprachlichen defizite können später nur über die kognition aufgeholt werden, die natürlich auch vorhanden sein muß. die sprachliche entwicklung ist etwa mit dem erreichen der ersten klasse abgeschlossen und bildet den grundstock für das weitere lernen der sprache. lesen, schreiben, grammatik.
nimmt man nun an dass die ersten generationen der migrantenfamilien in der neuen heimat ihre muttersprache bei der erziehung der kinder vernachlässigt haben und statt dessen schlechtes und falsches deutsch vorgesprochen haben oder, dass zu hause nur muttersprache gesprochen wurde und das kind beim erlernen von deutsch auf sich allein gestellt war, kann nur dieses grausame kauderwelsch dabei herauskommen. hinzu kommt mangelnder integrationswillen bzw. der beiderseitige seperationswillen. stichwort parallelgesellschaft.

kanak in der jugendsprache ist ok und auch wichtig. allerdings sollte man, dem anlass und der situation entsprechend, wieder ins hochdeutsch switchen können.

@hadmut
ich hatte ab der fünften klasse russisch und zwar in schreibschrift. lehren die russen anders?


Johanna
1.7.2014 14:51
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@H. K. Heller:

Verglichen mit dem extrem komplexen Schriftsystem des Japanischen

Das ist eine sehr interessante Aussage. Japanisch ist keine einfache Sprache, wenn man sie als Deutscher zu erlernen hat. Aber im Schriftsystem ist es eigentlich nur dann komplex, wenn es um das Erlernen von Kanji-Zeichen geht.

Ansonsten besteht Japanisch im Kern aus Hiragana und Katakana. Das sind zwei Alphabete, welche exakt die gleichen Laute beschreiben, nur in unterschiedlichem Kontext verwendet werden. Beide Alphabete basieren auf den fünf Vokalen a, i, u, e und o und bilden dann zusammen mit Konsonanten verschiedene Reihen, z.B. ka, ki, ku, ke, ko oder ma, mi, mu, me, mo etc. Dabei gibt es nur sehr wenige Ausnahmen (d.h. in einigen Reihen fehlen bestimmte Diphtonge).

Das moderne Hiragana- oder Katakana-Alphabet kommt mit 45 Zeichen aus: Fünf Vokale und neun Konsonanten. Die können dann nach dem Muster “Konsonant(en) – Vokal” zu den 45 Lauten zusammengesetzt werden. Komplex ist es eigentlich nur, die japanischen Zeichen zu erlernen und zu erkennen. Ansonsten sind Hiragana und Katakana sehr viel klarer, logischer und einfacher strukturiert als unser lateinisches Alphabet.

Daher meine Frage: Beziehen Sie die Komplexität des Schriftsystems allein auf die Anzahl der Zeichen?


Jan
1.7.2014 14:58
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@Hadmut: Dass du die angebliche Aussage Wieses nicht gefunden hast, hat einen viel einfacheren Grund als ein falsch gesetzter Link: So eine Aussage hat sie nämlich nie gemacht.
Ich finde es aber immer wieder faszinierend, wie Journalisten es mit geschickten Satzkonstruktionen schaffen, sogar sprachlich begabten Menschen wie dir zu suggerieren, sie hätte das gesagt.

Der Satz aus dem Artikel lautet wie folgt: “Offenbar dämmert es Heike Wiese keine Sekunde, dass der wahre Rassismus darin bestehen könnte, Jugendlichen mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund die Fähigkeit abzusprechen, korrektes Standarddeutsch zu lernen.”

Schaut man sich den Satz im Detail an, wird deutlich, dass auf der reinen Aussagen-Ebene nirgendwo gesagt wird, dass sie Jugendlichen diese Fähigkeit abgesprochen hat. Stattdessen wird der Leser durch einen massiven Angriff auf Wiese (und zwar sowohl auf sachlicher als auch persönlicher Ebene) gezielt abgelenkt.


Hadmut
1.7.2014 18:36
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@Jan: ich meinte einen anderen, vorhergehenden Satz, nämlich denn, dass alle rassistisch wären, die Kiezdeutsch nicht als Deutsch ansehen. Das, was Du zitierst, war die Antwort des WELT-Autors hierauf.


RBMK-1000
1.7.2014 16:50
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Zum einen (wie im WELT-Artikel auch erwähnt) ist die Sache schon älter, z.B. http://www.sueddeutsche.de/leben/jugenddialekt-kiezdeutsch-ich-bin-alexanderplatz-1.1278128
Zum anderen liegt da ein Mißverständnis über die Rolle von Sprachwissenschaft vor; die ist – wie m.E. jede Wissenschaft – deskriptiv. Damit ist Kiezdeutsch, da es tatsächlich zur Kommunikation genutzt wird und neu entstanden ist, ein völlig legitimer Untersuchungsgegenstand.

Weshalb man sich nun darüber so aufregt, verstehe ich eigentlich nicht (wenn es mich auch nicht wundert, das Jammern über die Sprachverhunzung ist ja auch uralt): Dieses Beschreiben ist nicht normativ, niemand ist aufgefordert, das zu übernehmen und auch so zu sprechen.


Hadmut
1.7.2014 18:34
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> Zum anderen liegt da ein Mißverständnis über die Rolle von Sprachwissenschaft vor; die ist – wie m.E. jede Wissenschaft – deskriptiv.

Eigentlich nicht, nein. Jedenfalls stimmt der Umkehrschluss nicht, dass nur weil Wissenschaft deskriptiv ist, Deskriptives auch immer Wissenschaft wäre.

Denn Wissenschaft liegt nur dann vor, wenn das, was beschrieben wird, auch nachprüfbar, anwendbar und für Vorhersagen tauglich ist. Einfach nur irgendwas zu erzählen ist damit noch keine Wissenschaft.


Alexander Roslin
1.7.2014 17:34
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Was aber, wenn der Anteil derer, die korrektes Deutsch lernen können, unter türkischen/arabischen Einwanderer tatsächlich niedriger wäre als unter eingebornen Deutschen?

Dann wäre es doch sinnvoll, genau das zu verschleiern, indem man Kanaksprach als akzeptabel definiert und zu hohe Anforderungen als “rassistisch”.

So kann man an der Illusion festhalten, dass alle Menschen/Menschengruppen eigentlich gleichartig seien und alle Unterschiede, die sich ergeben, Folge von Unterdrückung/Benachteiligung, Folge von zu bekämpfendem bösen Willen der Herrschenden.

So behaupten die Fürsprecher der “Unterprivilegierten” ihre Ideologie, die nicht falsifiziert werden kann – denn Kanaksprach ist ja gleichwertig – und ihre Posten als Gleichstellungsbeauftragte, Unterprivilegiertenfürsprecher etc.

In der Tat, das ist vergleichbar dem Feminismus: Frauen sind für dies und das nicht weniger begabt als Männer oder haben andere Motivationsschwerpunkte, nein, böse Männer unterdrücken sie.

Nicht die Frauen und ihr Verhalten/Können hält sie zurück, sondern böse Männer.

Frauen sind völlig in Ordnung, mit den Männern stimmt etwas nicht > herrliche Zeiten für Frauenfürsprecher, Gleichstellungsbeauftragte, Frauenförderer, Männerbekämpfer und die wenigen Frauen, die in “Männerdomänen” Karriere machen wollen.

Sie müssen sich weniger anstrengen.

So sorgt linke Ideologie und Politik häufig für Dummenprivilegien.

Damit die falschen Grundlagen des Egalitarismus nicht auffallen.

Denn leider sind Menschen nicht gleichartig, nicht als Individuen, nicht als Gruppen.


Alexander Roslin
1.7.2014 17:41
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Korrektur:

In der Tat, das ist vergleichbar dem Feminismus: Frauen sind für dies und das nicht etwa weniger begabt als Männer oder haben andere Motivationsschwerpunkte, im Schnitt, nein, böse Männer unterdrücken sie.

Würden sie nicht unterdrückt, erreichten sie überall dasselbe wie Männer, überall in der Gesellschaft ergäbe sich eine 50/50-Verteilung, weil Männer und Frauen ja von Natur aus eigentlich gleichartig sind, dasselbe können, dasselbe wollen, in genau gleicher Intensität.

Zeigen sich also Ungleichverteilungen, können die nur Folge von bösem Willen sein, der Menschen ausschließt/unterdrückt, nie aber Folge unterschiedlicher Begabungen innerhalb verschiedener Menschengruppen.


Alexander Kohl
1.7.2014 19:49
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@Johanna
Ich denke, das, was er meint sind die Kanji und in dem Fall ist seine Aussage auch komplett richtig. Ich lernen zur Zeit Japanisch, allerdings bin ich noch nicht gut genug, um mir ein abschliessendes Urteil über die Schwierigkeit der Sprache zu erlauben. Allerdings kann ich Chinesisch, das erleichtert mir das Lernen der Kanji-Lesungen ungemein, da das Schreibenlernen komplett wegfällt, deshalb kommt es mir zur Zeit noch recht einfach vor.

Das Chinesische ist übrigens nicht ganz so einfach, wie viele Leute gerne behaupte. Das Gerücht hält sich ja vor allem wegen der einfachen Grammatik. Aber eine Frage: wer denkt beim Sprechen bitte über Grammatik nach? Und genau da liegt das Problem. Die einfache Grammatik bringt einem beim Sprechen nicht wirklich etwas, beim Zuhören ist sie sogar echt gefährlich, weil man unbekannte Wörter nur schwer in ein bekanntes Muster einordnen kann (man hört die Grenzen nicht, und es wird ja kaum grammatisch markiert). Dafür hat das Chinesisch eine ganze Menge relativ starrer Verbindung aus Verben und Objekten, die einen recht spezifischen Kontext haben. Und die Schriftzeichen sind nicht ganz so trivial. Denn dass man mit 3000 Schriftzeichen 99% eines Textes lesen kann ist … zu wenig. Wie viele Schriftzeichen hat eine Seite in einem Buch? 300? Das sind immerhin 3 Schriftzeichen pro Seite, die man nicht kennt. Das kann einen echt nerven.


Stephan Fleischhauer
1.7.2014 22:31
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>>Schwarze Perücke und sprechen wie Depp.

Ich nix verstehen

Die Replik von Matthias Heine ist aber wirklich dumm wie Brot.

Die Beherrschung eines Soziolekts und des Standarddeuschen schließen sich doch nicht aus. Man müsste erstmal zeigen, dass es ein Problem beim Standarddeutschen gibt. Da Heine er ja mal recherchieren können, dann wäre vielleicht auch etwas Substantielles rausgekommen.

>>Die Potsdamer Germanistin Heike Wiese hat Menschen, die Kiezdeutsch für eine defizitäre Sprache halten, als Rassisten bezeichnet. “Kiezdeutsch” ist ein Begriff, den Frau Wiese erfunden hat, um den die deutsche Standardgrammatik ignorierenden Jargon von Migrantenkindern aufzuwerten. Für die Wissenschaftlerin ist diese Sprechweise ein akzeptables Deutsch unter vielen möglichen Varianten.

Jeder Satz falsch. Der Rassismusvorwurf war sehr vage und nicht pauschal gegen jeden Kritiker gerichtet. Es ging auch gar nicht um Auf- oder Abwertung. Wiese hat sich im Artikel einer Wertung enthalten, es ging auch nicht um einen Sprachvergleich. Sie hat auch nicht behauptet, dass “Kiezdeutsch” bloß eine Variante von vielen sei.

>>solche Konstruktionen, die auf Präpositionen und Artikel verzichten, stünden gleichwertig neben schulgrammatisch korrekten Formulierungen

Wurde ebenfalls nicht behauptet. Wäre auch totaler Unsinn.

>>Offenbar dämmert es Heike Wiese keine Sekunde, dass der wahre Rassismus darin bestehen könnte, Jugendlichen mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund die Fähigkeit abzusprechen, korrektes Standarddeutsch zu lernen.

Diesen Vorwurf könnte man allenfalls Diana Marossek machen, im Artikel stand schließlich:

>>Schüler wüssten dabei meist genau, wie ein Satz im Standard-Deutsch laute. Das glaubt Diana Marossek nicht. “Am Gymnasium ja, aber an anderen Schulen war ich mir da nicht immer sicher”, sagt sie.

Was anderes als Ad-personam-Argumentation fällt Matthias Heine nicht ein:

>>Im Grunde ihres Herzens hält Frau Wiese offenbar Migranten für zu dumm und zu verweichlicht, um die Härte eines traditionellen Deutschunterrichts aushalten zu können.

Ach ja, “im Grunde ihres Herzens”, da spricht offenbar der Tiefenpsychologe.

>>Weil Kiezdeutsch in Wirklichkeit kein Dialekt ist, sondern ein Soziolekt, die Sprache einer bestimmten Schicht.

Das wurde ja gerade widerlegt. Es wurden sämtliche Gebiete Berlins untersucht und keine relevanten Unterschiede gefunden.

>>Bundestagsabgeordnete, Professoren oder Architekten mit Migrationshintergrund kämen aber nie auf die Idee, ein breites Publikum in Kiezdeutsch anzusprechen.

Was hat das mit der Sprache von Jugendlichen zu tun? Sollte man denen vielleicht Politikersprech beibringen?

>>Nur weil es mittlerweile auch deutschstämmige Deutsche gibt, die Kiezdeutsch sprechen, heißt das noch lange nicht, dass wir in einigen Jahrzehnten alle so reden.

Dieser ausgemachte Blödsinn steht zwar im Teaser (eingeleitet durch “Sprachforscher glauben”), wird aber im Artikel gar nicht erwähnt.

Am Schluss noch ein Schuss Moralin:

>>Aber zuallererst imitieren deutsche Gymnasiasten oder Studenten doch den (echten oder vermeintlichen) Jargon türkischer Altersgenossen, um sich darüber zu belustigen.

Hier muss Heine natürlich noch den Bogen zu seinem Getöne am Anfang schlagen: Die Jugendlichen, die diesen Soziolekt sprechen, sind die wahren Rassisten. Alda, binnisch Rassist, du Opfa, mach isch disch Messer.


H. K. Heller
1.7.2014 22:51
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@Johanna: ich habe mich auf die Gesamtkomplexität des Systems bezogen, nicht nur auf die schiere Anzahl an Zeichen. Dabei dachte ich v.a. daran, dass
– japanische Schrift grob gesagt 3 unterschiedliche Zeichensysteme (Kanji, Hiragana, Katakana) benutzt, mit festen Regeln wann und wofür welches benutzt wird
– japanische Kanji unterschiedlich gelesen werden können (On- / Kun-Lesung), was ebenfalls mitgelernt werden muss.
Chinesische Schrift hingegen benutzt “nur” die Kanji-Zeichen, und diese kennen in der Regel “nur” eine Lesung (als Silbe oder Lexem).
Ich muss aber gestehen, dass ich keine der beiden Schriften wirklich im Detail gelernt habe, über die konkreten Schwierigkeiten beim Erlernen kann ich also nicht aus Erfahrung sprechen.


Stephan Fleischhauer
1.7.2014 22:53
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@Hadmut
>>Und ebenso wie auf einem Berliner Schulhof bekommt jeder aufs Maul gehauen, der sich nicht absichtlich dumm stellt und mitmacht.

Au weia, jetzt hat’s bei dir auch schon abgefärbt.

http://www.redensarten-index.de/suche.php?suchbegriff=aufs+Maul&bool=and&suchspalte%5B%5D=rart_ou&suchspalte%5B%5D=rart_varianten_ou&suchspalte%5B%5D=erl_ou


yasar
2.7.2014 9:12
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@Alexander Roslin

Was aber, wenn der Anteil derer, die korrektes Deutsch lernen können, unter türkischen/arabischen Einwanderer tatsächlich niedriger wäre als @Alexander unter eingebornen Deutschen?

Das das halte ich für ein Gerücht. Nach meinen Erfahrungen könnten die alle ordentliches Deutsch lernen, sofern man ihnen die Gelegenheit gibt und sie anleitet. Ist wie so oft vom Elternhaus und vom Umfeld abhängig, genauso wie bei den deutschen “Schantalls”, “Schackelines” und “Kevins”.

Wenn im Elternhaus kein vernünftiges Deutsch gesprochen wird, sind die Kinder darauf angewiesen, das aus Ihrem Umfeld (Kindergarten, Schule, Freundeskreis, Vereine) zu lernen. In ländlichen Gegenden, wie hier, wo die “Durchmischung” einigermaßen gegeben ist, daß praktisch keine Ghettos entstehen können, können die Jgendlichen spätestens in der Grundschule einigermaßen ordentliches Deutsch, auch wenn das Elternhaus Defizite hat. Die Kanak-Sprak hört man hier zwar auch, aber meist ziehen sich damit die Jugendlichen (auch Deutsche) untereinender auf und können auch “normales Deutsch”, je nach Bildungsstand.

Wenn nun aber weder im Elternhaus, noch im Umfeld (Ghettos in Großstädten) ordentliches Deutsch erlernt werden kann, beginnt ein Teufelskreis, aus dem die Kinder nur schwer ausbrechen können und es kommt zu Vorurteilen, daß ihnen die Fähigkeit abgesprochen wird, deutsch lernen zu können.


jo
2.7.2014 15:15
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@Johanna
Wenn man jemandem sagt, dass er keine Ahnung hat, ist das kein Argumentum ad personam, ad hominem kannte ich nich gar nicht, sondern ad rem. Es geht nicht um die Person, sondern um das fehlende Wissen. Wird gern und oft umgedeutet, um das sachliche Argument der fehlenden Ahnung vom Tisch zu bringen.


C
3.7.2014 13:15
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>[…]sind die Kinder darauf angewiesen, das aus Ihrem Umfeld
>(Kindergarten, Schule, Freundeskreis, Vereine) zu lernen

Wie ich bereits in dem vorigen Blogpost angesprochen habe, stellt sich die Frage, warum man überhaupt jegliche Anforderungen bezüglich Schrift und Sprache in den Schulen abschafft, so dass weder Motivation zum lehren noch zum lernen korrekter Sprache gibt.

Leicht offtopic:
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article121899613/Deutsche-Rechtschreibung-Ein-Truemmerhaufen.html

Zitat: “In Wahrheit war sie das Anliegen einer kleinen Gruppe von Linguisten um den Siegener Germanisten Gerhard Augst, die im “elaborierten Code” der geltenden Rechtschreibung ein Instrument zur “Unterdrückung” breiter Volksschichten sahen und die Sprachgemeinschaft aus solcher Regelknechtschaft “befreien” wollten.”

Ohne hier auf die neue Rechtschreibreform einzugehen, aber das kommt ein doch bekannt vor ;).


dirty_mind
3.7.2014 14:34
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@thogo

dieser Quotient kann nicht als Indikator für die Komplexität einer Sprache verwendet werden, auch wenn es eine gewisse Korrelation geben mag.

Entscheidend dafür wieviele Fremdsprachler eine Sprache erlernen ist die Motivation, der zu erwartende Nutzen.

Dabei werden Sprachen bevorzugt, die den Lernenden in die Lage versetzen, mit möglichst vielen Menschen zu kommunizieren, bzw. die international Standard sind.


Michael
9.7.2014 0:17
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Öhm, da hört der Spass aber auch für mich auf. Es ist eben nicht gleichwertig, sondern nur auch eine Methode, Laute zu erzeugen. Auch eine Sprache, wenn auch eine eingeschränkte. Pidgin zu einer imperialen Sprache ist wie ein Hammer zu einer Baustelle.

Wer dieser Unterschicht bestätigt, eine vollständige Sprache zu sprechen, beraubt sie des gedanklichen Ausdrucks.

Diese Frau arbeitet für den Status Quo mit praktischem Heer mit Mindestlohn.

Mir macht es nicht aus, wenn die auf der Gasse Türkendeutsch radebrechen und sobald sie zu einer fremden Türe reingehen normal sprechen oder mindestens die korrekte Grammatik wählen. Aber wenn man so tut, als ob das Zukunft hat, dann muss man echt, echt verblendet sein. Oder einen an der Waffel haben.