Ansichten eines Informatikers

Volkszählung 2011

Hadmut
29.6.2011 21:13

Herrje, warum passiert sowas eigentlich immer mir? (Nachtrag)

Ich dachte eigentlich, dieser Elch würde an mir vorrüber gehen. Es hieß doch, nur jeder Zehnte würde befragt. Und wo ich doch schon bei Lotterien nie was gewinne, würde mir das auch nicht widerfahren. Nun habe ich gerade einen Brief im Briefkasten gefunden, wonach mich irgendwer für den Zensus ausgewählt hat und ich bitteschön am nächsten Montag zwischen 17.00 und 19.00 samt aller Familienmitglieder zu Hause sein möge.

Nichts wirklich amtliches, so ein Laserdrucker-Schrieb auf Umweltschutzpapier, meine Anschrift, Termin und Kontaktnummer mit Kugelschreiber eingetragen und dazu so ein selbstgedruckter Kontaktaufkleber des Erhebers. Sieht zwar schon leicht amtlich aus, ist aber definitiv von Hand zusammengebastelt, und sowas kann wirklich jeder drucken, Recycling-Papier und -Umschläge gibt’s überall.

Woher weiß ich überhaupt, daß der Knabe echt ist? Man hört so viel von Trickbetrügern, die im Raum München die Leute ausnehmen. So die übliche Nummer, der Enkel braucht Geld oder sowas. Immer sagen sie alle, man solle so vorsichtigt sein und keinem trauen. Und dann soll ich plötzlich irgendwen reinlassen, nur weil er mir vorher einen Schrieb geschickt hat? Das ist doch eindeutig die Vorbereitung zu einem Trickbetrug. Da bin ich ganz sicher. Warte, wenn der sich hier blicken läßt, dem werde ich helfen.

Und wenn ich mir dann auf dem beigefügten Zettel anschaue, was die hier vorhaben, krieg ich ne Krise. Mein Geschlecht wollen die erheben. Jemand schickt mir einen Brief an Herrn Hadmut Danisch, und schreibt da rein, daß er mein Geschlecht erheben will. Hoffentlich hat der sich vorher die Hände gewaschen.

Und meine Religion wollen sie wissen. Ob sie wieder vergessen haben, ein Feld für die zu machen, die an gar nichts glauben? Oder geben ich das große grüne Spaghetti-Monster als meine Gottheit an?

Wenn ich es allerdings genau lese, dann bin ich nur auskunfts- aber nicht einlasspflichtig. Dafür sollte die Türsprechanlage eigentlich völlig ausreichen.

Mir steckt nämlich noch der Ärger von der letzten Volkszählung in den Knochen. Und die war 1987. Da habe ich noch im Studentenwohnheim in Karlsruhe gewohnt. Dem Onkel, der mich damals befragte, bin ich später in der Stadt mindestens zehnmal begegnet, von wegen Anonymität. Der kam um den Bogen zu erklären, ich habe ihn ausgefüllt und weggeschickt.

Eine Weile darauf bekam ich so ne höllische Strafandrohung, weil ich die Auskunft verweigert hätte. Also bin ich damals direkt zur Erhebungsstelle in die Stadt, um dagegen zu protestieren. Sie meinten damals, das läge doch auf der Hand, daß jemand aus einem solchen Studentenwohnheim wie dem HaDiKo die Volkszählung boykottiert, deshalb gäb’s auch gleich eine Strafandrohung. Es wäre doch auffällig und würde die abgestimmte Boykottaktion beweisen, daß sämtliche Fragebögen vom HaDiKo fehlten, nicht einer sei eingegangen. Sie drückten mir einen neuen Fragebogen mit neuem Kuvert in die Hand, und kündigten mir ernsthaften Ärger an, wenn ich den wieder nicht zurückschicken würde. Ich habe ihnen damals erklärt, daß ich das für eine absolute Frechheit halte, und bin gegen deren Verbot einfach gleich dort geblieben um den Bogen dort auszufüllen und mir das gleich quittieren zu lassen. Sie wußten nicht, was sie davon jetzt halten sollten.

Und weil ich so sauer war und das Polizeipräsidium gleich gegenüber, bin ich schnurstracks dahin und habe Strafanzeige wegen Diebstahls erstattet, weil jemand – offenbar zum Zwecke der Sabotage der Volkszählung – meinen Brief aus dem Postverkehr gemopst hat.

Das Ergebnis dessen war, daß die mich für verdächtig und einen Lügner hielten. Denn dort hatte ich das Kuvert, das ich gerade in der Erhebungsstelle bekommen und nicht benötigt hatte, noch in der Hand und denen gezeigt. Sie wußten aber nicht, daß ich ein zweites bekommen hatte und dachten sich, wenn er das Kuvert noch hat, kann er es nicht abgeschickt haben, also lügt er. Und ermittelten gegen mich. Irgendwie wurde es dann aber doch einem flau, und ein paar Tage später rief einer vom Staatsschutz an, die Sache läge bei ihm, und er ginge der Sache nach, daß die Polizei in die Akte geschrieben habe, daß ich entgegen meiner Behauptung noch im Besitz des Kuverts gewesen sei, also gelogen hätte. Ich habe ihm das erklärt und mittels meiner Quittung bewiesen, daß ich den zweiten Bogen persönlich dort abgegeben habe. Weil bei jedem Bogen damals zwangsläufig ein Kuvert dabei war, mußte ich damit plausiblerweise eines über haben, und weil ich direkt zur Polizei gegangen war, hatte ich es eben noch in der Hand.

Das leuchtete denen ein. Also haben sie mal andersherum ermittelt und die Erhebungsstelle auf den Kopf gestellt, ob die einen Saboteur da drinnen haben.

Und, welche Überraschung, es stellte sich heraus, daß sämtliche – angeblich fehlenden – Fragebögen aus dem HaDiKo dort gesammelt, gebündelt und dann falsch abgelegt (vulgo: verschlampt) worden waren.

Ach, und neulich habe ich bei einem Kunden einen bemerkenswerten Bleistift bekommen. Keine Ahnung, woher die die hatten.

Was mache ich nun am Montag? Seine Beauftragung anzweifeln und nach einem Dienstausweis fragen, von dem ich nicht mal weiß, wie er aussehen müßte? Camping-Tisch und -Stühle im Treppenhaus aufstellen?

Mal nachdenken…

Nachtrag: Das Landratsamt München hat mir inzwischen bestätigt, daß sie einen Erhebungsbeauftragten dieses Namens haben, und mitgeteilt, daß man hier sehen kann, wie der Ausweis aussieht und wie man ihn überprüft.

28 Kommentare (RSS-Feed)

Turtle
29.6.2011 22:14
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Hatte im Mai auch sowas im Briefkasten.
Meine Lösung war einen Anwalt einen Brief an meine Stadtverwaltung schreiben zu lassen, dass ich gegen dieses Ding klagen werde und sie doch bitte schön mal nachweisen sollen, dass der Erhebungsbeauftragte geeignet ist (Vereidigung, Schulung mit Test, etc). Habe nie wieder was gehört. Klappt vermutlich nicht ueberall, aber wenn man nicht befragt wird, kann man auch nicht klagen. Ist der einfachste Weg für die Stadt.


Michael Puff
29.6.2011 22:19
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> Seine Beauftragung anzweifeln und nach einem Dienstausweis fragen, von dem ich nicht mal weiß, wie er aussehen müßte?
Dienstausweis und Personalausweis fordern und dann bei der Stadt anrufen, ob der Typ wirklich dazu berechtigt ist.

> Camping-Tisch und -Stühle im Treppenhaus aufstellen?
Nö, nur einen Stuhl für dich. Er kann stehen und selber zu sehen, wie deine Antworten aufschreibt. So nach der Szene bei “Men in Black” wo sie in diesen kugelförmigen Sesseln sitzen und die Tests ausfüllen sollen. Und u stellst dir dann noch ein schönes kühles Bier dahin und bietest ihm natürlich nichts an.

Und bei jeder Frage erst mal so sagen: “Ja weiß nicht. Was würden sie denn da antworten?” Und wenn er es dann eingetragen hat: “Ach nee, Moment, entschuldigen sie, ich habe mich geirrt, das war falsch.” Und das bei jeder Frage machen.

Ach und dann noch eine Videokamera aufbauen zur Dokumentation.


Hadmut
29.6.2011 22:27
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Wie meinen? Ich soll auf die Frage nach meinem Geschlecht oder meinem Geburtstag antworten „Ja weiß nicht. Was würden sie denn da antworten?”

Ich will mich ja nicht lächerlich und selbst zum Affen machen.

Im Prinzip habe ich auch nichts gegen die Fragen, dann sind alles Informationen, die den Behörden sowieso bekannt sind.

Aber daß die mir da einfach so irgendeinen in die Wohnung schicken, das finde ich schräg.


cbx
29.6.2011 22:38
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Das mit dem Campingtisch im Treppenhaus halte ich für eine sehr elegante Lösung bezüglich der Einlasspflicht. Die Frage nach der Authentifizierung der Volkszähler wurde meines Wissens bisher viel zu selten gestellt, insofern wäre ein bissl Kasperletheater diesbezüglich sicher nicht verkehrt.

Ich gebe nur eines zu bedenken: Viele der Volkszähler dürften arme Schweine sein, die dazu verpflichtet wurden.


Hadmut
29.6.2011 22:42
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Stimmt, so wie auch die Studenten in Dresden.

Insofern halte ich nichts davon, den persönlich mit blöden Antworten zu schikanieren. Aber dieses zwangsweise Eindringen in die (verfassungsrechtlich geschützte und unverletztliche) Wohnung stinkt mir.


Maik Rodenbeck
29.6.2011 22:41
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Simple:
Kommen lassen, Ausweis und Perso zeigen lassen, und jeden Amtsschritt quittieren lassen, hat ja anscheinend bei der letzten zählung auch geholfen. Dann Wegschicken, Bogen in ruhe ausfüllen und per Einschreiben, auch wenn das nicht gern gesehen ist 🙂 zurück an die Erhebungsstelle.


Battleaxe
29.6.2011 23:08
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Ich hatte bisher nicht das “Glück” persönlich gefragt zu werden, trotzdem habe ich mir die “Taktik” überlegt.

Der “Hausbesitzerbogen” habe ich bekommen. Den habe ich wahrheitsgetreu (ich hab mir voher auf der offiziellen Seite die Fragen angeschaut) beantwortet. Dann habe ich Sand ins Getriebe gestreut:

Natürlich habe ich nicht per Internet geantwortet, so wären die Antworten schon perfekt maschinell lesbar.
Die Bogen sind für automatische Leser vorbereitet, deshalb auch der große Umschlag der beiliegt, damit sie nicht gefaltet werden.

Ich habe also die Bogen massiv gefaltet und geknittert. Ich habe alle Ids die per perforation abtrennbar waren abgetrennt und nur die ‘puren’ Bögen zurückgeschickt. Ich habe alle Barcodes dadurch dass ich einen “weißen” Bar geschwärzt habe unleserlich gemacht (maschinell) und die Klarschriftangaben mit Edding geschwärzt.

Dann das Ganze in einen kleinen Briefumschlag und den mit dem Tacker verschlossen (mehrfach) und per Einwurf-Einschreiben zurück, so habe ich den Nachweis dass ich geantwortet habe.

Das war der Besitzerbogen.

Wenn sie jetzt persönlich kommen:
Ich muss antworten aber nicht vor ihnen (kann sein, dass die Fragen nach der Identität persönlich beantwortet werden müssen). Daher werde ich den Bogen entgegen nehmen und in Ruhe ausfüllen (ebenso bearbeiten). Und dann siehe oben.
Man muss die Fragen definitiv nicht dem Interviewer beantworten. Das will der so, erstens weil er geschult wurde, zweitens weil er mehr Geld dafür bekommt als wenn man selbst zurückschickt.

Mein Hauptantrieb war/ist: Es wird eine riesengroße Datei aufgemacht die erst nach Jahren anonymisiert wird. Bis da hin ist jeder mit eineindeutiger Identifikation drin – und nicht nur die Befragten – nein, sie haben im Vorfeld die behördenbekannten Daten zusammengeführt.

Das Hauptargument dagegen ist für mich die Zählung ’87.
——offizielle Argumente—-
Sie war unbedingt nötig. Jetzt ist seither so viel Zeit vergangen dass man da unbedingt die Daten klarziehen muss (kann ich als Datenbankler eigentlich verstehen).
——-end—–

Nur: ’87 war die Zählung. ’89 war sie noch nicht mal fertig ausgewertet. ’89 war Maueröffnung und nichts, absolut nichts an den erhobenen ’87er Daten hatte mehr Relevanz da innerhalb weniger Jahre alles, absolut alles sich änderte.
Wenn diese Daten wirklich benötigt würden hätte man spätestens ’95 zählen müssen. Die sind, da die ’87er Zählung für die Katz war also mehr als 20 Jahre “Blindflug” gefahren und hatten keine großen Probleme!

…eigentlich nicht weiter verwunderlich, da wir keine Planwirtschaft haben und der Staat nur den Rahmen schafft in dem jeder einzelne sein Optimum sucht.

Nur meine Meinung – BA


Stefan W.
29.6.2011 23:08
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Jetzt müsste man noch 4-6 Schauspieler unabhängig voneinander beauftragen, als Volkszähler bei Hr. Danisch aufzutreten, um sein Geschlecht anzuheben, und dann sollen die sich mal streiten, wer der echte ist.

Und 2 falsche Polizeibeamte, die kommen, um den Spaß zu beenden – vielleicht sind das ja auch bald 4, und dann den großen Presserummel.


J.
29.6.2011 23:16
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Welches zwangsweise Eindringen denn nu schon wieder? Du bist nicht verpflichtet, den reinzulassen, das steht auch in sämtlichen behördlichen FAQs dazu.

Und dem Erhebungsbeauftragten selbst musst Du nur ganz wenige Fragen beantworten.


Jens der Andere
29.6.2011 23:26
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Da dachte ich, das Thema wäre längst erledigt…

“Wenn Sie die Hilfe des Interviewers oder der Interviewerin nicht wünschen, können Sie sich den Fragebogen auch übergeben lassen und selbst ausfüllen. Bitte senden Sie in diesem Fall den Fragebogen an die zuständige Erhebungsstelle zurück oder geben Sie ihn dort ab.

Oder melden Sie online.”

Fragebogen aushändigen lassen, online ausfüllen. Oder einschicken.
Oder online ausfüllen und den ausgefüllten Fragebogen sicherheitshalber noch einmal per Post. Gründlichkeit macht beliebt.
Vielleicht auch eine Kopie des Originals einschicken, um dann zwei Wochen später das Original persönlich abzuliefern.

Wir hatten mal einen Zensus hier in Schleswig-Holstein, mit einer wirklich widerwärtigen Zählerin. Problem: Mehrere Jahre hintereinander – das ist hier so. Sichtliche Enttäuschung, nachdem sie NICHT zum Schnüffeln in die Wohnung durfte – und wundersamerweise wurden wir nach der Aktion (“Das kann ich auch alleine. Werfen Sie mir den Fragebogen bitte in den Briefkasten!”) auch recht schnell aus dem Zensus entlassen.


Carsten Grün
30.6.2011 3:43
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Hallo Herr Danisch,

Zuerst einmal eine tiefe virtuelle Verbeugung vor ihnen und ihrem Blog,
seit einer Weile lese ich mit, und das DNS und ich sind dank ihnen und nslookup schon fast Freunde geworden.
“Adele und die Fledermaus” ist nicht einfach mal so nebenher weggelesen, aber mein Durchhaltevermögen hat sich ausgezahlt.
Und ihre Schilderungen in ihren Texten zur VDS und zum “Zugangserschwerungsgesetz” (oder gibts dafür einen neuen Namen?) sind auch nicht besser zu verstehen, denn hier und da erreicht der interessierte Laie Punkte, an welchen er Pause machen muss, einfach erstmal nachschlagen geht und nachdenkt. Auch mancher “Experte” tut das, wenn er mit ihren Texten konfrontiert wird.
Aber das ist normal, wenn man ihnen und damit dem Gedanken der Aufklärung folgen will, eine hervorstechende Leistung. Nein, ich will Sie nicht einwickeln, falls Sie das jetzt vermuten.
Da ist die Leistung. Punkt.

Und Da kommt die Kritik:

Sie machen es einem mitunter sehr schwer, im Angesicht eines “hochgradig fachidiotischen” Informatikers, der sie nunmal sind, den Argumentationen zu folgen, und ihre Meinung zu kritisieren.
Das ist nicht polemisch gemeint, und ich möchte Sie auch nicht angreifen, ich kenne die Richtlinien ihres Blogs, ich habe sie gelesen. Ist keine Demokratie hier, das verdeutlichen sie sehr verständlich, das will ich auch nicht anzweifeln.
Ich mag ihre Art und ihre Texte. Sie üben auf beeindruckende Art und Weise das Recht des “Hausherren” aus, wenn der Vergleich gestattet ist. Wer es nicht mag oder neben dem Thema argumentiert, fliegt raus.
Oder soll seine Meinung im eigenen Blog schreiben.
Vollkommen in Ordnung. Und auch ein toller Fluchtweg.
Sie sind der Meinung, die Öffentlichkeit verdient ihre Ansichten. Dann schreiben Sie es auf.
Sie machen es sich wirklich sehr leicht, in ihrem Blog.

Dennoch wird es immer Menschen geben, die anderer Meinung sind und die immer auf ihre Blogtexte antworten werden.
Und oft wird jemand auch provozierende Kommentare schreiben, vielleicht polemisch werden oder manchmal beleidigend.

Dennoch: Es scheint mir so, dass es ihnen sehr wichtig ist, die Welt von den Dingen, die sie erlebten und erleben, in Kenntnis zu setzen. Sonst würden sie kein Blog unterhalten.

Somit sind sie gewiss auch interessiert, was man von ihnen und ihren Meinungen, ihren Erlebnissen, hält. Ob andere genauso empört sind, wie Sie.
Sie WOLLEN ein Feedback, sonst würden sie kein BLOG schreiben und unterhalten. Oder bin ich da vollkommen nebendran?
Und jeder verdammte Satz, den Sie schreiben, wird öffentlich und damit auch untersucht werden. Sie selbst sollten es wissen, nachdem, was Sie selbst schreiben.
Und angesichts dessen, was ihnen geantwortet wird, sehen Sie selbst, wie die Diskussion zu formen ist.

Das ist Kritik, wie Sie sie haben möchten.
Sie schreiben an vielen Stellen sehr verständlich.


Hadmut
30.6.2011 10:35
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@Carsten Grün: Danke für das Lob.

Das Problem mit dem Schwierigkeitsgrad sehe ich natürlich schon, aber keine praktikable Lösung dazu.

Das Leserfeld ist natürlich in so einem Blog sehr, sehr heterogen und unvorhersehbar. Wenn man einen Workshop oder eine Vorlesung hält, weiß man vorher, wer kommt und kann sich darauf einstellen. Hier geht das nicht, zumal ich überhaupt nicht damit gerechnet hatte, daß der Artikel über die Kinderpornosperre auf so breites Interesse stößt, denn eigentlich war das Thema ja schon lange durch.

Mir wird häufig vorgeworfen (und auch bei den Verlinkungen auf den Kinderpornosperrenartikel standen fast immer Warnungen vor der Länge dabei), daß meine Artikel zu lang sind. Sind sie auch. Aber würde ich das noch weiter vertiefen und erläutern, würden sie ja noch viel länger und damit doppelt Leute abstoßen, wegen der Länge und weil sich dann auch viele langweilen. Lasse ich aber umgekehrt die fachlichen Aspekte weg, führt das zu dem Vorwurf, ich hätte es nicht begründet, würde das falsch sehen, es wäre nicht nachvollziehbar oder so. Daher schreibe ich so, daß ich glaube, daß es im Mittel die beste Verständlichkeit hat, denn allen kann man es mit einem einzelnen Text nicht passend machen. Man müßte dann zwei oder drei Versionen davon schreiben.

Ein wesentlicher Punkt ist, daß ich das gewissermaßen nur als Hobby betreibe, und deshalb nur begrenzt Zeit investieren kann. Häufig kostet dann die Herumdiskutiererei aber viel mehr Zeit als das Schreiben des Artikels. Zeit, die ich eigentlich nicht habe. Zumal man in Deutschland auch sehr stark merkt, daß wir eine degenerierte Streitkultur haben, viele können einfach nicht an der Sache argumentieren. Und wie ich auch schon öfters geschrieben habe, leiden wir hier in Deutschland unter einer Art gesellschaftlicher Zensur. Manche Leute haben sich angewöhnt, jede Meinung, die ihnen nicht paßt, sofort mit Beschimpfungen, mit Bestreiten, Polemik oder Desinformation zuzukleistern, so wie Graffiti-Schmierereien an Wänden und U-Bahnen. Gegen solche Leute muß man sich einfach wehren, sonst funktioniert das Blog nicht mehr. Zeitungen drucken auch nicht jeden Leserbrief. Nur im Online-Bereich glaubt plötzlich jeder, ich müsse als Betreiber einer Webseite auf meinen Namen, meine Verantwortung und meine Kosten alles veröffentlichen, was mir jemand hinwirft. Das werde ich aber nicht, und das ist nunmal so. Ich habe überhaupt nicht den Anspruch, das in jeder Hinsicht perfekte Blog zu machen. Everybody’s Darling is everbody’s Depp.

Was sind die Alternativen? Man könnte es so machen, wie das Heise-Forum, das erstmal alles durchläßt. Die haben aber erstens Anwälte und Finanzpolster, um sich mit jedem vor Gericht darüber zu streiten. Zweitens sind sie ein Verlag und keine Privatperson, und werden nicht als solcher persönlich angegriffen oder beleidigt. Oder man macht es wie Fefes Blog und läßt gar keine Kommentare zu. Auch nicht schön, denn häufig bringen Kommentare äußerst nützliche Informationen oder weisen auch mal auf echte Fehler hin.

Ein anderes Problem ist das der Social Media. Viele Leute haben sich angewöhnt, zum Selbstzweck zu diskutieren und das Thema dabei aus den Augen zu verlieren. Wenn irgendwo eine Kommentarfunktion ist, schreiben sie schon aus Selbstverständlichkeit und betreiben so ein fast schon zwanghaftes Wort-Pingpong, bei dem sie einerseits das letzte Wort haben müssen, andererseits eingeschnappt sind, wenn man ihnen nicht antwortet. (Das terminiert nicht.) Man muß auch irgendwo darauf achten, daß die Kommentare für die Leser lesbar bleiben und die Kommentarfunktion nicht durch zumüllen sabotiert wird.

Ja, ich will Feedback. Aber das ist nicht der Hauptgrund für das Blog. Der Hauptgrund ist ein Leseangebot. Und daß ich Feedback möchte, heißt noch lange nicht, daß ich jedes Feedback für gut halte und daß ich mich irgendwem gegenüber verpflichtet hätte, jedes Feedback auch auf meine Verantwortung zu veröffentlichen. So, wie ich meine Blog-Artikel für ein Angebot halte, das jeder nach Lust und Laune lesen oder es bleiben lassen kann, betrachte ich auch Kommentare als ein Angebot der Leser an mich, dies an den Text anzuhängen, wenn ich es für zuträglich halte. Und das Angebot nehme ich eben nur dann an, wenn ich glaube, daß die Webseite mit Artikel und Kommentar dadurch besser oder zumindest nicht wesentlich schlechter wird. Und diese Anforderung erfüllen einfach nicht alle Kommentare.

Welchen auch nur ansatzweise vernünftigen Grund sollte ich haben, einen Kommentar zur Veröffentlichung freizuschalten, wenn ich der Meinung bin, daß damit die Gesamtwebseite aus Artikel und Kommentaren schlechter wird?


John Atkins
30.6.2011 6:59
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Ich glaube, Ihr seid nicht ganz informiert. Oder ich bin es nicht, weil die direkte mir vorliegende Information aus dem Ländlichen kommt, die sich womöglich vom städtischen Verwaltungsgehabe unterscheidet.

Meine Schwiegermutter – Rentnerin – hat sich beworben die Haustürbefragungen durchzuführen. Das machen dort tatsächlich keine Beamten oder öffentlich Angestellten. Die bekommen dafür EUR 400,– und müssen (MÜSSEN!) innerhalb von 4 Wochen diese Befragungen durchbekommen, sonst gibt es nur anteilig Geld.

Um zu gewährleisten, daß die Befragten auch angetroffen werden, werfen sie die Schreiben ein, die selbstgebastelt aussehen, so wie Herr Danisch eines für Montag erhalten hat. Danach machen sie zu Besuchszwecken die gleiche Runde noch einmal – auf eigene Kosten, bezahlt von den zu erwartenden EUR 400,–.

Im Klartext, ja, die machen das freiwillig und ja, die machen das, um hoffentlich anteilig Geld zu erhalten, um den Lebensunterhalt etwas aufzuwerten. Nicht mehr und nicht weniger.

Im übrigen, was nutzt der Protest gegen diese Aktion? Füttert die Staatssimulation BRD doch mit Informationen ohne Ende. Ihr wißt doch, was passiert, nichts. Die verwalten sich nur selbst.

Alle Haus-, Grundstücks- und Immobilienbesitzer erhielten direkt einen Befragungsbogen. Eine Verwandte von mir hat eine Gewerbeimmobilie. Als der Bogen ausgefüllt wurde, wurde die Frage nach der Vermietung einer Wohnung innerhalb der Immobilie mit Nein beantwortet. Am nächsten Tag zog einer ein und schon ist die Information für den Arm.
Und habt Ihr als Hausbesitzer eine Badewanne? Ich habe eine und habe mit Nein geantwortet, wer soll das prüfen, vor allem, ob die Badewanne vor oder nach der Befragung installiert wurde…

Gebt ihnen Futter, laßt den Server überlaufen.


anton bibersberg
30.6.2011 7:17
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da ich schon befragt wurde. es geht im wesentlichen darum, wer k e i n deutscher ist. und in welcher generation man k e i n deutscher ist. und ob man als k e i n deutscher arbeit hat.

der rest? das greisenalter.
lohnt es sich in ihrem umfeld zu investieren oder kann man warten, bis sie in der horizontalen sind.


euchrid eucrow
30.6.2011 9:05
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ich hab einen freund, der arbeitet momentan befristet in einem eigens dafür eingerichteten callcenter des statistischen bundesamts, welches für rückfragen, besonders von haus- und wohnungseigentümern, zuständig ist. dort gibt es den wettbewerb “leiche des tages”. ein adressat der befragung war schon über 20 jahre tot. =) soviel zu der aktualität der datensätze in unseren einwohnermeldeämtern.

@hadmut
der vorschlag von battleaxe klingt doch gut, oder!?


lofi
30.6.2011 9:25
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Die Vögel haben einen Ausweis dabei, der so aussehen sollte http://www.antennethueringen.de/at_www/images/service/themen_II/Zensus_Ausweis_700_neu.jpg

Natürlich mit dem richtigen Bundesland und Stempel.
(Namen und so dann natürlich gegen Perso abgleichen, und ich würde noch eine Kopie machen:)

Soweit ich weiss, kann man sich den Fragebogen auch einfach geben lassen und dann selbst ausfüllen. Dann bekommt der schonmal keine Kohle, dass er dich befragt hat. (Pro befragung bekommen die scheinbar Geld)

Ich würde mich erstmal mit einem Stuhl an die Wohnungstür hocken und ihn/sie drausen stehen lassen und mich befragen lassen. Wenn der dann zur hälfte fertig ist bei irgend einer Frage einfach stocken und sagen, dass du das doch lieber selbst ausfüllen willst, da dir die Frage zu privat ist. (Resultat: Er hat Zeit verschwendet und bekommt keine Geld für die befragung 🙂

Und immer schön lieb sein 🙂


Hadmut
30.6.2011 10:15
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@lofi: Nee, sowas mach ich dann gar nicht. Es geht mir ja nicht darum, einen Menschen, der sich mühsam ein paar Kröten dazuverdienen will oder muß, noch vorsätzlich und sittenwidrig zu schädigen oder zu veralbern.

Das ist nicht mein Stil und das finde ich auch nicht gut.


deos
30.6.2011 12:05
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ich hatte auch so ein briefchen vor ein paar wochen, allerdings für privatpersonen und nicht hausbesitzer (bin also in die 10% gefallen, lol, das is mal wieder typisch…)
hab mir den bogen geben lassen, hab ihn kurz überflogen, konnte nichts anderes als den kopf schütteln, bin schnell online und hab das auf die schnelle ausgefüllt

ich bin eigentlich ein zensus-gegner, aber die fragen sind ein witz… sind in etwa so:
– ist man deutscher?
– sind die eltern deutsche?
– welchen schulabschluss hat man?
– arbeitet man? welchen beruf?
dazu noch ein paar fragen wenn man nicht arbeitet bzw. nicht deutscher abstammung ist

wenn man deutscher abstammung ist und normal arbeitet hat man hier ehrlich gesagt nix zu verbergen, die haben die infos doch eh irgendwo alle schon
wie gesagt, bin eigentlich zensus-gegner aber da lohnt es sich halt nichr rumzutun, zumindest für mich


J.
30.6.2011 12:48
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“welches für rückfragen, besonders von haus- und wohnungseigentümern, zuständig ist. dort gibt es den wettbewerb “leiche des tages”. ein adressat der befragung war schon über 20 jahre tot. =) soviel zu der aktualität der datensätze in unseren einwohnermeldeämtern.”

Was haben Einwohnermeldeämter mit Haus- und Wohnungseigentümern zu tun?


Michael
30.6.2011 12:52
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War es nicht so, das man sich von diesen Beauftragten einfach nur den Bogen übergeben lassen und ihn dann nach Hause schicken kann? Und man die Bögen selber (und unfrankiert) zurückschickt?


euchrid eucrow
30.6.2011 14:23
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Was haben Einwohnermeldeämter mit Haus- und Wohnungseigentümern zu tun?

warum fasst man nicht alle datensätze der einwohnermeldeämter zu einer datei zusammen und ergänzt diese mit den datensätzen der grundbuchämter?
ich habe keine ahnung, nach welchen methoden das statistische bundesamt die befragung auswertet, wie sie die daten aufbereitet und in welche richtung die ergebnisanalyse gehen soll. der statistische fehler wäre bei der, wenn auch redundanten grundgesamtheit, bestimmt geringer als bei einer stichprobenartigen grundgesamtheit von 10% bei der dann auf über 80 mio hochgerechnet wird. die erheben nur einen groben schätzwert. da frag ich mich, was die damit wollen?


Michael
30.6.2011 14:28
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@Deos: Dazu dienen diese 10% ja auch: Um die Daten, die ohnehin vorhanden sind, mit den realen Daten abzugleichen. Und um abschätzen zu können, inwiefern man danebenliegt.


Jan
30.6.2011 15:16
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In Singapur kommen Leute regelmaessig (alle 1-2 Monate) in die Wohnung, um zu schauen, ob man “Moskitos zuechtet”. D.h. die suchen nach offenen, gefuellten Wasserbehaeltern aller Art.


Werner
30.6.2011 16:57
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Auswertung der Daten (betr. vor allem battleaxe weiter oben)
Ein Freund von mir hat verpennt den Gebäudefragebogen zurückzuschicken, prompt kam eine Erinnerung, dies doch zu machen. Jetzt kommts: Datum des Schreibens: 24.06., postalische Eingänge berücksichtigt bis 20.06., elektronische Eingänge berücksichtigt bis 09.06. Kein Witz oder Schreibfehler. Wie werten die die Internetrückläufer aus? Schreibt die jemand ab auf Originalfragebögen, scannt die ein und gelten die dann erst als eingegangen? Muß wohl so sein. Für alle Internetausdrucker ein dreifaches Hurra!
Den Gebäudefragebogen hätte man sich auf jeden Fall sparen können, alles was da gefragt wird, das weiß auch das Grundbuchamt. Total bizarr das Ganze.


euchrid eucrow
30.6.2011 17:05
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Battleaxe
30.6.2011 17:11
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@euchrid eucrow

Genau das ist es was sie machen: Alle verfügbaren amtlichen Quellen zusammenführen und jedem der in dieser Summendatei drin ist, ob Wohnung oder Person bekommt eine eindeutige Nummer.

Das ist schon passiert – woher meist Du kommen die Briefe an die Wohnungseigentümer?
Mit diesen Briefen bekommt man die Daten sauberer und die Daten vieler illegaler. Aber auch wer gerade in der Klapse oder im Knast ist.

Dann möchte man das Ganze noch “sauberer” bekommen und schickt bei 10% der schon erfassten Personen den Interviever vorbei. Damit sind die Daten noch sauberer.

Dann kommt der Nachziehteil – Es wird bei einzelnen noch nachbefragt.

…. und die ganze Zeit besteht eine Datei aller Einwohner mit einer eindeutigen Nummerzuordnung.
…. und wozu? Der Offizielle Grund kann es kaum sein (siehe meine Einlassung weiter oben zu Zählung ’87).

Gruß BA

PS: Badesalz hat sich des Themas auch angenommen:
http://www.youtube.com/watch?v=t_5o2b7X49w


euchrid eucrow
1.7.2011 9:25
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@Battleaxe

naja, deine befürchtungen sind absolut berechtigt. dem staat kann man nun mal nicht trauen und mit recht kann man ihm vorwerfen böses vorzuhaben. nur traue ich unserem staatsapparat wohl überlegtes innovatives und effizientes arbeiten bei dieser sache nicht zu. der beamten liebstes kind ist eben das papier und das arbeiten in absolut eingeschliffenen denk- und verfahrenswegen. ich hatte mal das glück als junger u30 für kurze zeit in einem umweltamt arbeiten zu können. die hatten gute technik, wenn auch nicht auf dem allerneusten stand, und waren beeindruckt zu sehen, wie einfach und vor allem effizient die vorhandene technik einzusetzten ist. wirklich interessiert aber war keiner, sich neues wissen anzueignen. ich bin mir sicher, das die ohnehin ungenutzten datenbanken mit denen ich damals beschäftigt war, weiter unbeobachtet auf deren servern verschimmeln. diese arbeitsweise habe ich mit dann schnell angenommen: ich machte aus meiner arbeit “zauberei” die eben dauert. verstanden hat es ja eh niemand, was ich da mache und es wollte auch keiner wissen. hauptsache, ich hatte beim rauchen einen dicken ordner unterm arm, weils beschäftigt aussah. ich bin mir auch sicher, dass im rahmen einer allgemeinen umstellung beispielsweise der, auch heute noch teure a3-scsi-scanner, mangels schnittstelle gegen einen mit usb ausgetauscht wurde der bis heute dort verstaubt. wenn es um das ausgeben von öffentlichen geld geht, ist das steuerscheckbuch schnell gezückt. und so wird es auch beim zensus2011 sein: die kaufen lieber mit öffentlichen geldern ein paar neue server und stellen leute ein um den datensalat zu verwalten und mehr oder weniger aufzubereiten. von daher stimme ich mit dem kommentar von john atkis überein, die server überlaufen zu lassen. ein nutzbares zentralregister aller bundesbürger werden die damit wohl kaum erstellen können. das liegt auch daran, das beispielsweise bei einstellung in behörden viel mehr wert auf die absolvierte laufbahnprüfung gelegt wird, als auf fähigkeiten und kenntnisse auf einem gebiet. wir werden eben von unterem mittelmass regiert und verwaltet. ein gutes beispiel dafür ist hadmuts kinderpornostopschildartikel.
das ist manchmal segen und manchmal fluch. =)


Thomas
19.7.2011 2:01
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Gibt es eigentlich inzwischen eine Reaktion bezüglich der Probleme mit den Druckfarben. Wahrscheinlich gibt es ja größere Risiken als die Zensus-Fragebögen, aber interessieren würde es mich ja schon. Bei dem Freiburger Institut (http://www.youtube.com/watch?v=uixh2zdULzM)sieht es ja schon so aus, als würde neben den datenschutzrechtlichen Fragen auch die radioaktive Kontamination das Ausfüllen der Volkszählungsbögen riskant machen.