Ansichten eines Informatikers

BND-Affäre um “Curveball”: Polizei verbietet Filmaufnahmen und löscht Daten

Hadmut
3.12.2010 15:49

Gestern abend kam in der ARD die Sendung „Die Lügen vom Dienst” über einen dubiosen BND-Informantent mit Decknamen „Curveball”, der den BND über die Bewaffnung des Irak belogen haben und damit indirekt den Irak-Krieg ausgelöst haben soll und dafür vom BND noch lange Zeit viel Geld bekommen hat.

Leider ist die Sendung in der Mediathek nicht abrufbar (schon gestern stand da was von rechtlichen Gründen, anscheinend haben sie die Rechte nur für die Fernsehausstrahlung, was mir unsinnig vorkommt, aber wir leben in unsinnigen Zeiten), aber zumindest hier werden die für mich hier wichtigen Stellen auch erwähnt.

Mir geht es dabei gar nicht mal um den BND oder diesen Curveball, sondern eine ganz kurze Szene, die ich sehr bedenklich finde. Curveball wohnte in der Karlsruher Weststadt (in diesem Stadtteil habe ich auch rund 10 Jahre gewohnt) und wurde dort von einem Journalistenteam aufgesucht, darunter einem dänischen, der auch im Film auftaucht und erkennbar nicht gut Deutsch spricht, und noch irgendwelchen deutschen, die aber nicht so in Erscheinung treten. Ob die Kamera von einem deutschen oder dänischen geführt wurde, ist mir unklar. Man sieht, wie sie Curveball auf der Straße auf den Pelz rücken.

Kurz darauf sieht man zwei Streifenwagen der Polizei und Polizisten. Curveball hatte die Polizei gerufen. Man sieht, wie ein Polizist die behandschuhte Hand vor die Kamera hält und man hört seine Anweisung „Machen Sie die Kamera aus!”. Der Sprecher sagt dazu, daß die Polizisten dazu auch das vorher gedrehte Material gelöscht hätten.

Das ist mir sofort aufgefallen, unabhängig von BND und Curveball. Daß unsere Polizei jetzt kommt und Filmaufnahmen verbietet oder löscht, halte ich für einen Oberhammer. Zumal man sich – im Gegensatz zu einer Beschlagnahme – dagegen ja nicht wehren kann, man kann die Daten ja nicht per Klage wiederherstellen lassen, sondern nur per Fortsetzungsfeststellungsklage für die Zukunft klären lassen, daß es so nicht geht. In einer ähnlichen Situation stand ich mal mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht, wo man den Schaden auch nicht mehr abwenden sondern nur noch für die Zukunft klären konnte, daß es so nicht geht. Kommentar des Richters dazu: „Wenn der Hund erst mal tot ist, kann der Richter da auch nichts mehr machen…”

Ich habe hier schon mehrfach über die zunehmenden Fotografieverbote geschrieben und bin auch selbst schon viermal, davon dreimal in Deutschland, beim Fotografieren attackiert worden:Kürzlich in Berlin. Neulich ging ich mal hier in Unterföhring auf dem Weg zur Arbeit am Sitz eines großen Versicherungsunternehmens vorbei, mit dickem Zaun und ganz vielen Überwachungskameras außenrum, die gerade den LKW eines Dienstleisters in der Einfahrt hatten, der mich beruflich auch interessiert hat. Weil ich gerade nichts zu schreiben in der Tasche hatte, zog ich mein Handy heraus, um den Werbeaufdruck des LKWs mit URL usw. zu fotografieren. Wohlgemerkt, von einem öffentlichen Fußweg aus. Sofort kam da einer vom Werksschutz angeschossen und motzte mich aggressiv an, was mir einfiele, die [Firmenname] zu fotografieren, das sei nicht gestattet, das erlaube man nicht, ich hätte das sofort wieder zu löschen. Er bestand darauf und wollte nicht wieder weggehen, bevor ich die Bilder gelöscht hätte. So mit der Einschüchterungmethode kraft Uniform und amtlichem Auftreten. Ich habe ihm cool gesagt, daß ich das darf, Panoramafreiheit und so, daß wir hier auf öffentlichem Grund sind und er hier draußen gar nichts zu bestimmen hat, daß er mich nicht weiter belästigen und stören möge, und ihn dann einfach so stehen lassen. Er war sichtlich verdutzt und überrumpelt, und es offenbar gewohnt, so aufzutreten und damit durchzukommen. Und ich bin mal – allerdings schon vor über 20 Jahren und damit lange vor der Digital- und Internet-Ära – über die Autobahn gefahren und hatte mir zum Austesten eines Auto-Stativs eine Kamera im Auto dahin montiert, wo sonst der Kopf des Beifahrers ist, und mir den Fernauslöser dazu ans Lenkrad geklebt. Das hatte mir nicht nur viele beleidigende Gesten und zugerufene Schimpfwörter eingebracht, sondern ein Fahrer eines vollbesetzten Autos versuchte auch ernsthaft, mich durch Karambolage von der Autobahn zu drängen oder zum Anhalten zu bringen. Ich bin dem damals nur entkommen, weil zufällig eine Raststätte kam, auf die ich rausgefahren bin, wohin die nicht mitkamen. Die Google-Street-View-Debatte ist bekannt. Da reißt gerade so eine Unsitte ein, daß jeder, der da rumläuft, glaubt, daß er anderen das Fotografieren nicht nur verbieten, sondern das auch gleich tätlich durchsetzen kann.

Dann kam kürzlich eine Reportage im Fernsehen über eine Gruppe aggressiver Islamisten, die da von einem fies grinsenden konvertierten Deutschen eingepeitscht werden, und einen öffentlichen Auflauf veranstalteten. Journalisten filmten das, völlig zu Recht, und sie durften das auch rechtmäßig veröffentlichen (§ 23 Abs. 1 Nr. 3 KunstUrhG). Trotzdem sah man, wie die Kameraleute von einigen dieser Islamisten bedrängt, behindert und angegriffen wurden, weil sie ihnen das Filmen verbieten und es verhindern wollten. (Später sah man noch, wie die Journalisten auf dem Nach-Hause-Weg von einem anderen Islamisten mit einer kleinen Amateurvideokamera bedrängt wurden, der ihnen die Kamera ständig direkt vor das Gesicht hielt, sie damit nötigte, und das mit „Gleiches Recht für alle” rechtfertigte.)

Was mir daran allergrößte Sorge bereitet ist, wie man solchen Leuten – oder dem Typen, der mich in Berlin angegangen ist – noch klarmachen kann, daß es in Deutschland eine Presse- eine Panoramafreiheit und auch sonst einige urheberrechtliche Ausnahmen von der Notwendigkeit des Einverständnisses gibt, und daß man solche Vorgänge auch filmen und fotografieren – vielleicht nicht ohne weiteres veröffentlichen, aber zunächst mal aufnehmen – darf, wenn im Fernsehen kommt, daß die Polizei da erst mal die Hand vor die Linse hält, daß die Filmaufnahmen löscht, oder wenn unsere Politiker (die ja der Pressefreiheit auch nicht so positiv gegenüberstehen) da die Google-Street-View-Hysterie nutzen, um Fotoverbote zu etablieren. Da wird gerade schleichend das Fotoverbot gesellschaftlich implantiert, und es wird immer schwieriger, dagegen anzugehen. Besonders, wenn die Polizei selbst es vormacht.

Deshalb habe ich noch gestern abend während der Sendung eine Mail an die Pressestelle der Karlsruher Polizei gesandt und angefragt, auf welcher Rechtsgrundlage diese Anweisung, die Kamera auszuschalten, und die Löschung der Daten erfolgte.

Die Pressestelle meldete sich auch sehr schnell bei mir, wollte aber schriftlich nichts dazu sagen, sondern bat mich um Rückruf. Ich habe eben gerade ein Telefonat mit einem (oder dem) Pressesprecher dazu gehabt, was mich veranlasst, darüber diesen Blog-Artikel zu schreiben. Im Nachgang zum Telefonat erhielt ich per E-Mail noch die ergänzende Information, daß im Internet wie auch bei der Ausstrahlung des Filmes “Der Mann, der die Welt in den Krieg log” in Dänemark ohne Verpixelung der Gesichter der Polizeibeamten erfolgt sei. Weder kann ich das jetzt nachprüfen, noch halte ich es für sonderlich relevant. Die Verpixelung der Gesichter der Polizisten bei der Veröffentlichung halte ich (jedenfalls wenn Polizisten nicht gerade selbst Straf- oder Gewalttaten begehen) für in Ordnung. Die – möglicherweise rechtswidrige – Nicht-Verpixelung für keine Rechtfertigung, a priori Filmaufnahmen zu untersagen oder zu löschen.

Aus dem Gedächtnis und ein paar handschriftlichen Notizen, die ich mir während des Gespräches gemacht habe, will ich folgendes dazu festhalten:

  • Ich hatte zunächst den Gedanken, daß das, was das Fernsehteam da zeigt, so vielleicht gar nicht stimmt. Man soll nicht alles glauben, was in der Zeitung steht und im Fernsehen kommt, und immer erst einmal die andere Seite anhören, was die dazu sagt. Gerade im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg wurde so viel gelogen und im Fernsehen desinformiert, daß es schon fahrlässig wäre, nunmehr einfach so was zu glauben.

    Der Pressesprecher war über den Vorgang Curveball aber sehr genau im Bilde, und der Vorgang hatte offensichtlich schon zu irgendwelchen dienstrechtlichen Untersuchungen, Befragungen und Diskussionen mit den Fernsehproduzenten geführt. Man hatte die Sache schon näher beleuchtet. Ich war eher erstaunt darüber, wie präsent und bekannt der Vorgang dort ist. Ich hatte eher damit gerechnet, daß man mir sagt, der Vorgang sei nicht bekannt und könne nicht mehr herausfinden, wer und wann das war.

    Der Pressesprecher schilderte mir diesen Vorgang in einer Weise, die mit dem, was im Fernsehen kam, im wesentlichen deckungsgleich war und das bestätigte, aber darüber hinaus ging. Der Vorfall hat tatsächlich im September 2009 in der Karlsruher Weststadt stattgefunden, und es waren auch tatsächlich zwei Streifenwagenbesatzungen involviert. Was im Fernsehen allerdings nicht zu sehen war, und nicht erwähnt wurde, daß die Polizei bei ihrem Eintreffen die Journalisten in der Wohnung von Curveball angetroffen habe, und es nicht zu klären war, wie und mit wessen Erlaubnis sie da eingedrungen waren. Die Polizei hat also erst einmal dafür gesorgt, daß die die Wohnung wieder verlassen. Das hört sich für mich bis dahin völlig richtig und plausibel an. Fernsehteams können nicht einfach in Privatwohnungen eindringen. Geht so nicht. Es ist Aufgabe der Polizei, sie rauszuschmeißen.

    Das was man im Fernsehen sieht – was auf der Straße passiert – ist laut Pressesprecher nicht – wie ich den Eindruck nach der Fernsehsendung hatte – direkt nach dem Eintreffen der Polizei passiert, sondern nachdem die Polizei die Journalisten dazu gebracht hatte, die Wohnung zu verlassen. Was aus der Fernsehsendung nicht hervorging war, daß aus Sicht der handelnden Polizisten es nicht um den Bundesnachrichtendienst und die Aufklärung des Irak-Krieges, sondern nur darum ging, daß irgendwelche seltsamen Leute, die sich wichtig tun, mit einer Kamera unbefugt in eine Privatwohnung eingedrungen waren, und diese da wieder rauszuwerfen. Das wirft ein deutlich anderes Licht auf die Sache, als es im Fernsehen so erschien. Das wurde ja so in einen Kontext gestellt, als wolle die Polizei da Filmaufnahmen verbieten, weil man dem BND zu nahe gekommen wäre. Was im Fersehen kommt, ist halt auch nicht immer die reine Wahrheit. Und wer die Kamera hat, hat auch nicht automatisch Recht.

  • Dann allerdings wurde es in meinen Augen fragwürdig. Denn der Pressesprecher hob mehrfach darauf ab, daß der dänische Journalist sich nicht ordnungsgemäß ausweisen konnte. Als die Polizei seine Personalien feststellen wollte (was ich in dieser Situation übrigens für richtig, gerechtfertigt und notwendig halte), konnte er sich nicht richtig ausweisen. Und er verfügte nur über einen dänischen Presseausweis, der seit eineinhalb Jahren abgelaufen war. Auch von den beteiligten Deutschen habe keiner einen gültigen Presseausweis gehabt. Damit, und das betonte der Pressesprecher der Polizei mir gegenüber, habe keiner der Journalisten mehr unter dem Schutz des Presserechts gestanden.

    Ich halte diese Sichtweise für sehr bedenklich und für unrichtig, auch wenn ich zugeben muß, daß das vor dem Hintergrund des unbefugten Eindringens in eine Privatwohnung bei einem Polizisten den subjektiven Eindruck hinterlassen muß, es mit irgendwelchen zwielichtigen Gestalten zu tun zu haben. Wenn ich ehrlich bin, hätte mich das in der Rolle des Polizisten auch mehr als argwöhnisch gestimmt.

    Es gibt aber im Urheberrecht keine zwei Rechtspositionen, die dem durch Presseausweis ausgewiesenen Journalisten mehr Rechte einräumen würden als dem normalen Bürger. Daß es für die polizeiliche Beurteilung einer solchen Tätigkeit wesentlich auf einen gültigen Presseausweis unter dem Unterliegen unter das Presserecht ankäme, halte ich für Humbug.

    Es ist auch nicht so, daß ein Presseausweis eine notwendige Voraussetzung einer journalistischen Tätigkeit ist. Wer hauptberuflich bei einem der großen Verlagshäuser tätig ist, der bekommt ihn. Wer freiberuflich unterwegs ist, hat schon größere Probleme, an so einen Ausweis zu bekommen. Zwar kann man sich auch über Berufsverbände einen Ausweis ausstellen lassen, aber daran sind harte Bedingungen geknüpft (siehe z. B. bei Freelens), nämlich daß man die Tätigkeit hauptberuflich ausübt. Die wollen den Nachweis haben, daß man mindestens die Hälfte seines Jahreseinkommens journalistisch verdient.

    Deshalb bekomme beispielsweise ich keinen Presseausweis, obwohl ich rechtlich gesehen eindeutig journalistisch tätig bin. Ich bin freiberuflich fotografisch (also sog. fotojournalistisch, weil Fotograf eine geschützte Berufsbezeichnung ist, für die man eine Ausbildung braucht) unterwegs, und schreibe meine Blogs aus Lust und Laune, bzw. als Hobby, was rechtlich völlig ausreicht, um journalistisch und insbesondere meinungsbildend tätig zu sein. Mein Blog unterliegt auch ohne weiteres der Pressefreiheit, da es sich ja nicht nur an einen kleinen Personenkreis richtet und nicht nur meine Privatangelegenheiten abbildet. Rechtlich bin ich Journalist, aber solange ich mit anderen Tätigkeiten wie der Informatik mehr verdiene (was selbst dann noch der Fall wäre, wenn ich weniger als die Hälfte meiner Jahresarbeitszeit damit verbrächte), gelte ich nicht als hauptberuflicher Journalist und bekomme auch keinen Presseausweis. Wofür ich gewisses Verständnis aufbringe, weil man die Gelegenheiten, wofür man den Presseausweis tatsächlich braucht (kostenloser Eintritt, Pressekonferenzen usw.) zunächst mal denen lassen sollte, die das immer und ständig machen, und die damit ihre Brötchen verdienen müssen. Auf diesen Berufsstand ist die Öffentlichkeit ja auch angewiesen.

    Aber vom Fehlen eines Presseausweises darauf zu schließen, daß jemand nicht dem Presserecht unterläge, und daraus zu schließen, daß er dort nicht filmen dürfe, halte ich für doppelt falsch und doppelt unvertretbar.

  • Als Grund für das ausgesprochene Kameraverbot und die Löschung der Aufnahmen wurden mir auch keine polizeilichen Sonderrechte oder irgendwelche hoheitlichen Aufgaben genannt, sondern schlicht das Persönlichkeitsrecht der Beamten. Was ja letztlich auf die Rechtsauffassung hinausläuft, daß jeder jedem auf der Straße das Filmen verbieten, die Hand vor die Kamera halten und die Filmaufnahmen löschen könnte.

    Allerdings hörte man sehr deutlich heraus, daß die Karlsruher Polizei an dieser Auffassung nicht so festhalten wollte, und daß sie sich damit auch nicht wohlfühlen, aber halt auch ihre Beamten schützen und nicht bloßstellen wollen. Verständlich, und keine leichte Situation für einen Pressesprecher. Bis zu einem gewissen Grad habe ich ja auch Verständnis dafür, daß Polizisten eben Polizisten und keine Juristen sind (die es ja erfahrungsgemäß meistens nicht mal selbst wissen) und aus der Situation heraus spontan und ohne Zeit zum Nachdenken, Nachlesen oder Nachfragen handeln müssen.

    Das Gespräch kam auch kurz auf relative und absoluten Personen der Zeitgeschichte. Ich für meinen Teil glaube schon, daß man jemanden, der einen Krieg angezettelt hat, für eine relative Person der Zeitgeschichte halten könnte.

    Bedenklich daran erschien mir auch der Rechtfertigungsversuch, daß der dänische Journalist nur radebrechend Deutsch konnte (hört man ja im Fernsehen, ich fands aber nicht so schlimm, als daß man nicht verstehen könnte, worauf er hinauswill). Deshalb währen ja auch nur einige Sekunden der Filmaufnahmen gelöscht worden. Der Polizist habe sich halt die Kamera genommen und mit dem Löschen angefangen, und bis man den dänischen Journalisten mit seinem schlechten Deutsch verstanden habe, daß er damit nicht einverstanden ist, währe halt schon etwas von der Aufnahme gelöscht worden. Als man verstanden habe, daß der das nicht will, hätte man sofort damit aufgehört.

    Diese Art der Argumentation halte ich nun für völlig bescheuert. Als ob man einfach mal hingehen könnte und irgendwelche Daten löschen, bis der Inhaber es schafft, in schönem Deutsch klarzustellen, daß er damit nicht einverstanden ist. Würde mich interessieren wie die Karlsruher Polizei mit einem Bankräuber umgeht, der sagt, er habe das Geld ja auch nur so lange eingepackt, bis ihm jemand in schönem Deutsch sagte, daß die Bank damit nicht einverstanden ist. Oder mit einem, der eine Frau so lange vergewaltigt, bis die endlich mal in gutem und verständlichem Deutsch sagt, daß sie damit eigentlich nicht einverstanden ist.

  • Was mir der Pressesprecher aber auch – mehr oder weniger durch die Blume – sagte, ist, daß er die Handlung des Polizisten in keiner Weise rechtlich beurteilen oder kommentieren will. Er erwähnte, daß dies bereits diskutiert wurde und die Produktionsfirma als Geschädigte auf rechtliche Schritte und eine Strafanzeige verzichtet hätte.

    Er sagt auch, daß man davon ausgeht, daß das nicht wieder vorkommt.

    Für mich hörte sich das so an, als ob man mir mündlich – nicht schriftlich – sagen wollte, ja, der Polizist hat halt einen Fehler gemacht, so und so ist es eben dazu gekommen, aber es war nicht so schlimm, und wir haben’s intern geklärt, es kommt nicht wieder vor. Sache erledigt.

Was macht man nun damit?

Ich bin (derzeit, ohne das näher untersucht zu haben) der Auffassung, daß der Polizist eine Straftat begangen hat. Datenveränderung nach § 303a StGB.

Ich bin aber (auf die Gefahr hin, mich unbeliebt zu machen) auch der Meinung, daß auch Polizisten Menschen sind, und man es daher einfach akzeptieren muß, daß sie auch Fehler machen, insbesondere wenn sie ohne juristisch vertiefte Ausbildung jeden Tag in unvorhersehbare Situationen kommen, in denen sie sofort handeln müssen ohne vorher nachfragen, nachdenken, nachlesen zu können. Hinterher in Ruhe am warmen und ungefährlichen Schreibtisch mit Bücherregal und Google zu sitzen und sich zum Kritisieren die Stellen rauszusuchen, mit denen man sich auskennt, oder dann im Gerichtssaal mehrmonatig zu urteilen (und viele Meinungen und Urteile von Juristen sind ja dann trotzdem noch Schrott und Blödsinn) ist leicht, billig und manchmal auch unredlich. Der Polizist muß in Sekunden die Situation einschätzen, sich entscheiden und dabei auch noch ständig damit rechnen, daß jemand auf ihn schießt oder ihm das Messer in den Rücken rammt. Und das zu einem eher bescheidenen Gehalt und mit lausigen Arbeitsbedingungen. Man muß zwar sehen, daß es schon viele Polizisten gibt, die sich danebenbenehmen oder ihre Tätigkeit mißbrauchen (ich habe selbst schon einige dabei erwischt), aber daß es andererseits inzwischen in unserer Gesellschaft eine Breite Strömung von hauptberuflichen Dagegenseiern, Hinterher-besser-Wissern, Was-wäre-gewesen-wenn-Strategen und Risikovermeidungs-Heckenschützen gibt. Eine immer größere Menge von Feiglingen, die selbst für sich jedes Risiko, jede Verantwortung, jede Entscheidung ablehnen, zieht sich daran hoch, anderen Vorwürfe zu machen, weil das halt immer so viel leichter ist, als selbst in der Situation richtig zu handeln. Es gibt inzwischen ganze Parteien, die aus nichts anderem mehr bestehen.

Insofern muß man halt auch aufpassen, daß man anderen Leuten – auch Polizisten – keine ungerechtfertigten Vorwürfe macht. So sehr ich das Verhalten des Polizisten mißbillige, muß ich einräumen, daß ich mich vorher schon mit der Thematik beschäftigt habe, daß ich die Sendung auf Video aufgenommen habe, das nochmal zurückgespult und mir nochmal angesehen habe, und dann erstmal im Internet nachgelesen habe, um mir eine Meinung zu bilden. Dabei habe ich ganz alleine und in Ruhe an meinem Schreibtisch gesessen. Niemand hat auf mich eingeredet, ich mußte niemanden aus einer fremden Wohnung schaffen, und ich war in keiner Gefahr, irgendwie angegriffen zu werden. Weder brauchte ich eine kugelsichere Weste, noch mußte ich dazu eine Pistole mitführen. Diese Zeit, diese Mittel, diese Ruhe hatte der Mann nicht. Kann ich ihm daraus also Vorwürfe machen, daß er in einer Zeitspanne nicht richtig gehandelt hat, die mir selbst nicht mal vor dem Fernseher gereicht hat, die richtige Entscheidung zu treffen? Sehr fair käme es mir jedenfalls nicht vor. Ich habe daher eigentlich überhaupt keine Lust, diesem Polizisten irgendwelchen Ärger zu bereiten. Sie haben es intern besprochen und geklärt, was in meinem Augen – bezogen auf diesen Einzelfall – völlig ausreicht. Shit happens. Wer könnte von sich behaupten, keine Fehler zu machen? Unser Rechtsdickicht ist so verworren, daß man sich gar nicht mehr fehlerfrei bewegen kann, nicht mal Richter und Anwälte blicken beim Urheberrecht noch durch. Wie sollen es dann der Bürger und der Polizist noch können? Der mehr als verdiente Tritt in den Hintern gebührt hier dem Gesetzgeber und den Politikern, die durch Korruption und Inkompetenz immer schlechtere und verwirrendere IT-Gesetze machen, wie das Urheberrecht, das TK-Recht oder zuletzt den JMStV.

Zwar reizt es mich dann schon, einfach mal Strafanzeige wegen § 303a StGB zu erstatten, damit man wenigstens mal eine zitierfähige Rechtsmeinung dazu hat (Leser meines Blogs wissen ja, daß ich da immer wieder gerne mal das IT-Strafrecht untersuche oder in Frage stelle, wie bei der E-Mail-Unterdrückung oder wen Angriffen auf meine Webserver, da würde das sehr gut reinpassen), aber mit er Staatsanwaltschaft Karlsruhe habe ich ja nun auch so meine Erfahrungen – und die sind denkbar schlecht. Von denen kam auf eine Strafanzeige noch nie was anderes als eine dumme, nichtssagende Antwort. Wenn überhaupt, bekommt man einen Hauch oder einen Ansatz einer Begründung frühestens auf eine Beschwerde hin von der Generalstaatsanwaltschaft. Und da ich hier nicht Geschädigter bin, könnte ich keine Beschwerde erheben. Sich an die Staatsanwaltschaft Karlsruhe zu wenden, hat sich bisher als Zeit- und Papierverschwendung herausgestellt. Die wirken auf mich, wie ein politisches Marionettentheater und ein Karrieredurchgangserhitzer. Allerdings – vielleicht liegt ja gerade der Reiz darin. Bei meiner Anzeige gegen einen Darmstädter Professor, der sich sein Buch von einem Mitarbeiter hatte schreiben lassen, lag die größte Komik ja auch in der Antwort der Staatsanwaltschaft, daß das inzwischen üblich und von den Verlagen geduldet sei.

Auf der andere Seite drängt mich der Gedanke, daß man das so nicht stehen lassen kann.

Wie ich oben und in meinem früheren Blog-Artikeln mehrfach zum Ausdruck gebracht habe, halte ich es für gesellschaftlich hoch gefährlich und sehr schädlich, wenn sich diese Auffassung, daß man jedem das Filmen und Fotografieren verbieten dürfte, der klassische Griff vor die Kamera, oder gar noch das Entreißen der Kamera und Löschen der Daten, durchsetzt oder in immer mehr Köpfen breitmacht.

Die Street-View-Hysterie war in meinen Augen ein Symptom dessen, daß wir Deutschen ein richtig dummes, ungebildetes, technisch rückständiges, egozentrisches, eigenbrötlerisches und verwöhntes Volk sind, daß zwar gerne in Nachbars Garten guckt, aber schwer beleidigt ist, wenn der auch guckt, und das man schon durch leichte Demagogie in jede beliebige Richtung treiben kann wie dummes Vieh auf der Weide, und daß die Politik das auch oft und gerne ausnutzt.

Dazu kommt eben mein Erlebnis in Berlin (und daß derjenige türkischer oder arabischer Herkunft war, ist sicherlich kein Zufall, sondern schien mir der – vielleicht religiöse, vielleicht gesellschaftliche – Hintergrund seiner Erregung zu sein) und die Beobachtung der oben erwähnten aggressiven Islamisten, die ebenfalls meinen, hier bestimmen zu können, wer auf der Straße was filmen darf. Solche Leute werden durch ein solches Auftreten der Polizei auch noch in ihrem Handeln bestätigt.

Was also kann man tun, um dieser Verfestigung der öffentlichen Meinung, daß man anderen das Filmen und Fotografieren verbieten – oder analog dem Hausrecht gleich vor Ort durch Faustrecht durchsetzen – könnte, entgegenzuwirken?

3 Kommentare (RSS-Feed)

Seit 2004 berichte ich laufend über CURVEBALL & Co, außerdem hatte ich zu diesem Thema über die Bundesregierung und direkt an den PUA “BND” – Affäre Papiere dazu geliefert und darin besonders Steinmeiers, Schröders und Doris Schröder Köpfs Positionen im Zusammenhang mit StA Ermittlungen in Berlin Moabit und CURVEBALL beschrieben. Ströbele, ein alter RAF Anwalt wie Schröder, Steinmeier und Schily, spielt aber heute den völlig Ahnungslosen.


Hadmut
3.12.2010 16:57
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Was hat denn Schröders Doris damit zu tun?


Einfach im Net nachlesen oder bei der StA Berlin Moabit nachfragen – das muss genügen! 76 Js 456/04