Ansichten eines Informatikers

Kinderpornosperren gegen Castor-Schottern ?

Hadmut
7.11.2010 21:58

Eine interessante hypothetische Frage aus aktuellem Anlaß.

Vor dem Erlaß des Gesetzes zur Kinderpornosperre – dem Zugangserschwerungsgesetz – hieß es, solche Sperren seien keinesfalls gegen etwas anderes als Kinderpornos gedacht. Schon damals haben aber einige Politiker gefordert, sie gegen illegale Glücksspielseiten einzusetzen.

Die aktuellen Proteste und Aktionen gegen die Castortransporte werfen nun eine interessante, wenn auch rein hypothetische, Frage auf:

Castor Schottern, also das Sabotieren der Bahngleise durch Untergraben des Schotterbettes mit der Gefahr des Entgleisens des Zuges ist eine sehr gefährliche und schwere Straftat. Dazu gibt es unter castor-schottern.org eine Webseite, die – nach meinem Verständnis – der Organisation dieser Straftaten und der Anstiftung hierzu dient. Ein reguläres Impressum, wie es vorgeschrieben ist, gibt es nicht. Auch der Whois-Eintrag ist hinter einem Tarnunternehmen in Panama verborgen. Die IP-Adresse ist zwar auf das Unternehmen in Panama angemeldet, scheint aber bei den Russen zu stehen. Mit Provider-Webseite in Deutsch. Das riecht so richtig nach Kriminalität. Womit man dann auch gleich mal ein Aroma dafür bekommt, welche Sorte Leute hinter diesen Webseiten steht. Was der hypothetischen Überlegung gerade sachdienlich ist.

Wobei man ja durchaus mal über die angegebene Handy-Nummer und das Spendenkonto nach den Drahtziehern von Castor Schottern fahnden könnte. Nehmen wir aber mal an, die hätten das nicht angegeben, es gäbe keinen Fahndungsansatz. Da gibt es eine Webseite, die zu erheblichen und die öffentliche Sicherheit massiv gefährdenden Straftaten aufruft. Nehmen wir auch mal an, bei dem Brandanschlag auf ein Polizeifahrzeug wäre die Besatzung ungekommen. Also so richtig derb, und trotzdem ganz dicht an der Realität. Nichts an den Haaren herbeigezogen.

Und Mord oder Mordversuch, und das Unterfangen einen Zug mit stark radioaktivem Müll zum Entgleisen zu bringen, sind – so objektiv muß man schon sein – so erhebliche und schwere Straftaten, daß da rechtlich schon einiges geboten, gerechtfertigt, notwendig wäre, um Gefahr abzuwenden. In diesem Fall erwarte ich vom Staat, die Öffentlichkeit wirksam vor solchen Leuten zu schützen. (Kleines hypothetisch-moralisches Dilemma zum Nachdenken am Rande: Wie würde man jemanden beurteilen, der im Dritten Reich die Bahnstrecken sabotiert hätte, über die die Menschen in die Konzentrationslager gebracht wurden? Gar nicht so einfach, einen universellen und übertragbaren Maßstab dafür zu finden.)

Und nehmen wir jetzt weiter mal an, die Kinderpornosperre wäre so in Kraft, wie vom Gesetz eigentlich vorgesehen, und würde, egal wie, Kinderpornos nach einer vom BKA herausgegebenen Liste sperren, die die Provider selbst nicht zur Kenntnis nehmen und nicht veröffentlichen dürften.

  • Würde man – unter dem Vorwand oder dem objektiv gegebenen Grund der Gefahr im Verzuge und der erheblich bedrohten öffentlichen Sicherheit – von Seiten der Politik oder der Polizei eine solche Webseite, die Straftaten organisiert, dazu anleitet und anstiftet, akut sperren, und sei es auch nur für 24 oder 48 Stunden?
  • Wie würde man es beurteilen? Wäre es, bei angenommener höchster Gefahr, gerechtfertigt, diese Seite zu sperren, obwohl die Zweckbindung des Gesetzes dies nur für Kinderpornographie zulässt?
  • Nehmen wir hypothetisch an, es wären da Menschen zu Tode gekommen. Oder ein Zug würde entgleisen, ein paar Castoren platzen und die Gegend radioaktiv verseucht. Könnte man dann Politik und Polizei Vorwürfe machen, weil sie die Seite nicht gesperrt haben?

Ich will da jetzt gar nicht mal in eine Richtung plädieren, weil ich noch nicht weiß, welche Meinung ich dazu habe. Ich muß nämlich erst einmal selbst darüber nachdenken, was ich da für richtig halte. Noch weiß ich es nicht. Aber es ist eine Frage, über die ich gerade nachdenke.

15 Kommentare (RSS-Feed)

Mathias B.
8.11.2010 10:09
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Ich will jetzt das Anzünden des Panzerwagens der Polizei zwar nicht gut-reden, aber ich finde es persönlich okay. Es ist vor allem Verhältnismäßig. Die Polizei geht mit Schlagstöcken (ist es nicht auch ein Mordversuch??) und Wasserwerfern auf Demonstranten los. Diese Wehren sich. Und Schlagstock auf ungeschützten Kopf oder Feuer auf einem Panzerwagen…. Das ist das gleiche….

Und die Websites mit dem Entschottern? Es gibt Seiten über den Bau von Bomben, über die Herstellung von Chemischen und Biologischen Waffen, über vieles. Nur gibt es dazu auch jede Menge Bücher in den Bibliotheken. Neben dem Internet müssten wir dann auch in den Bibliotheken zensieren. Und was bringt es dann? Dann könnten Studenten nicht mehr so ausgebildet werden, wie man es sich wünscht.

Ob ein Thema gut oder schlecht ist, liegt immer im Auge des Lesers. Die Web-Sperren würden aber nur eine Seite der Medaillen beleuchten.


Hadmut
8.11.2010 11:02
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@Mathias B: Absolut und völlig inakzeptable.

Das Anzünden eines Panzerwagens mittels Teer mit dem Einsatz eines Schlagstockes gleichzusetzen, ist so ziemlich der dämlichste Blödsinn, den ich in diesem Bereich je gehört habe.

Da kann man mal sehen, zu welchen kaputten Denkvorgängen es führt, wenn man sich Gewalt schönreden und rechtfertigen will.

Man zündet keine Autos an, in denen Menschen sitzen. (Von sehr extremen Fällen äußerster Notwehr/Notstand/Nothilfe oder des Krieges mal abgesehen. Säßen da Terroristen mit Bomben auf dem Weg zum Anschlag drin, könnte man die Umstände prüfen, aber das ist ja hier absolut nicht der Fall.)

Eine solche Argumentationsweise, wie Du sie hier bringst, ist für mich eine Mischung aus Dummheit, Ignoranz, Selbstbetrug und Aggressivität, die ich in jeder, aber auch wirklich jeder Hinsicht ablehne und verachte.

Und gegenüber der Polizei – was auch immer die gemacht haben – die Logik anzuführen, schlägt der mich, dann schlag ich stärker zurück, das ist nicht nur krank, das ist eine Ablehnung der Staatsform schlechthin, und damit zutiefst undemokratisch und verfassungsfeindlich. Denn hinter dieser Polizei steht – bei allen Mängeln und Kritik – ein zumindest in Ansätzen immer noch demokratischer Apparat.

Für Leute mit Deiner Denkweise habe ich kein Verständnis. Gar keines.


nullplan
8.11.2010 10:29
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“Das riecht so richtig nach Kriminalität.”

Ja. Auf der Seite gibts auch nen Link namens “E-Mail”, über den man herausfindet, dass deren E-Mail-Server den schönen Namen “riseup.net” hat. Noch Fragen? Ach ja, ein WhoIs darauf gibt einem eine Adresse – ein Postfach in Seatle.

Ansonsten: Berechtigte Fragen, die du da aufgeworfen hast. Wobei ich mich frage, ob es nicht die falschen sind…

Im Prinzip ist diese Anti-Castor-Bewegung sehr nahe an der Anti-S21-Bewegung dran: In beiden Fällen wird versucht, die Tatsachen zu verhindern, anstatt deren Rechtsgrundlage – notfalls auch mit illegalen Mitteln (Zitat castor-schottern.org: “Wir wissen, dass unsere bewusste Veränderung der Castortransportstrecke nicht vom bürgerlichen Gesetzbuch gedeckt ist. Aber wir sind uns sicher, dass unsere Aktion eine notwendige und legitime Handlung darstellt, […]”

IOW: Wir scheißen auf Recht und Gesetz und hoffen, der Richter möge ein Einsehen haben. Mit solchen Leuten will man, glaube ich, nichts zu tun haben.

Zu deinen drei Abschlussfragen:
1. Schwer zu sagen. Manche ja, manche nein. Es würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen. Natürlich ist die zeitliche Befristung eine gute Idee, aber ansonsten haben wir wieder die Stoppschild-Situation: Der Staat könnte beliebige Seiten sperren, und dem Bürger wäre es verboten, den Staat in seinem Tun zu überwachen. Und es ist natürlich ein Eingriff in die Meinungs- und Pressefreiheit, von dem die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall zu klären ist.

2. Das ist eine ethische Frage. Äußerst schwer. Ich halte es mit Bonhoeffer: Der Täter soll tun, was er für richtig hält, aber für sein Tun auch die _volle_ Verantwortung tragen müssen. Darum halte ich ein Gesetz, dass den Abschuss von Flugzeugen legalisiert auch für unethisch: Der Verantwortliche sollte so eine Entscheidung ganz allein für sich treffen müssen, ohne dass ihm die Verantwortung abgenommen wird. Aber wie gesagt: Schwere Frage. Darüber zerbrechen sich Philosophen schon ein paar Jahrhunderte dran den Kopf, das werden wir hier nicht allgemeingültig aufklären.

3. Das ist ne fiese Frage. Im Prinzip einfach mit “Hinterher lässt sich trefflich prophezeien” zu beantworten. Es handelt sich um einen ethischen Konflikt (kein Dilemma!), denn die Verantwortlichen stehen vor der Wahl, entweder das Recht auf Meinungsfreiheit eines Anonymlings (kurzzeitig) stark zu beschneiden, oder das Recht auf Leben _sehr_vieler_ Menschen aufs Spiel zu setzen. Die dazukommend noch alle öffentliche Personen mit Gesicht sind. So betrachtet fällt die Wahl doch ziemlich leicht, oder?


Auto anzünden ist Sachbeschädigung. Knüppel auf Kopf ist Körperverletzung.

Carsten

“Das Gegenteil von Gut ist nicht Böse, sondern gut gemeint.”
Kurt Tucholsky


Hadmut
8.11.2010 12:46
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@Carsten: Kommt drauf an, ob in dem Auto einer drinsitzt.

Auto anzünden, in dem keiner sitzt, ist Sachbeschädigung/Brandstiftung.

Auto anzünden, in dem einer sitzt, ist versuchter Mord.

Und Knüppel auf den Kopf ist auch erst dann Körperverletzung, wenn es kein Recht dazu gab. Wenn beispielsweise jemand unbefugt in meine Wohnung eindringt, habe ich das sogenannte Faustrecht, und darf den gewaltsam rausbefördern. Und wenn jemand Straftaten begeht, darf ich den nach § 127 StPO festnehmen, selbst mit Hilfe eines Knüppels. Notwehr, Nothilfe usw. So einfach ist die Welt also nicht.


Hadmut
8.11.2010 13:01
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@Carsten: Nachtrag. Brandstiftung (§ 306 StGB) gehört zu den gemeingefährlichen Straftaten und ist schon deshalb nicht mit dem Einsatz eines Schlagstockes vergleichbar. Und wenn Menschen in gesundheitliche Gefahr gebracht werden, ist es sogar schwere Brandstiftung ( § 306a).


Mathias B.
8.11.2010 14:41
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Okay, dann ein etwas anderer Vergleich:

Schlagstöcke und Pfefferspray gegen Demonstranten, die herumsitzen. Und Feuer gegen ein PANZERfahrzeug der Polizei.

Ich habe gerade noch die Bilder gesehen, wo ein Polizist seelenruhig das Feuer mit dem Feuerlöscher löscht. Drei mal sprühen und schon ist es aus. Nix gesundheitliche Gefahr.

Aber es gibt auch andere Bilder, wo den sitzenden Demonstranten einfach so Pfefferspray direkt ins Gesicht gesprüht wird, wo man an der Seite den Leuten die Augen auswäscht.

Und wenn sich die Leute gegen das Vorgehen der Polizei wehrt, ist durchaus nachvollziehbar. Und wie kann man sich gegen einen Panzerwagen wehren?


Hadmut
8.11.2010 19:59
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@Mathias: Sorry, aber das ist und bleibt dummes Gebabbel und Selbstbetrug.

Das Fahrzeug kann noch so gepanzert sein, Feuer bringt immer Menschen in Gefahr, weil ein gepanzertes Fahrzeug noch lange nicht feuerfest ist, und man sich auch nicht sicher sein kann, ob es so dicht und gerade geschlossen ist, daß nichts reinläuft. Außerdem sind an einem Feuer Rauch und Brandgase sehr gefährlich, und die können eben zu schweren Schäden oder zum Tod führen. Das Anzünden eines Fahrzeuges ist eine durch nichts – schon gar nicht durch Schlagstöcke und Pfefferspray – gerechtfertigte, gemeingefährliche, schwer kriminelle Handlung.

Schon das Gegenüberstellen von Schlagstöcken und Pfefferspray einerseits und dem Anzünden eines besetzten Fahrzeugs andererseits, und mehr noch der Rechtfertigungsversuch, erscheinen mir als unglaublich dreist und charakterlich kaputt. Was muß man sich für einen Charakterschaden eingefangen haben, um so über das Anzünden von Fahrzeugen zu denken, in denen Menschen sitzen. Für mich ist das richtig krank und gestört. Wie gesagt, ich halte so etwas für versuchten Mord.

Und selbst wenn Schlagstöcke und Pfefferspray ungerechtfertigt oder rechtswidrig eingesetzt wurden: Das rechtfertigt doch nicht das Begehen von schweren Straftaten. In welcher Welt lebst Du eigentlich?

Wie man sich gegen die Polizei und deren Panzerwagen wehrt? Schon die Frage ist dumm, richtig dumm. Die Polizei ist kein gegnerischer Fußballverein, mit dem man sich mal eine Schlacht liefert. Oder ethnische Schlägereien ausficht. So problematisch und daneben das Auftreten der Polizei oft ist, es sind immer noch – wenigstens ansatzweise demokratisch legitimierte – Repräsentanten des Staates. Und gegen die wendet man keine Gewalt an. Und wenn das nicht in Deine Birne geht, dann hast Du entweder zu wenig oder zu viel mit dem Schlagstock auf selbige bekommen. Es geht einfach nicht, daß man Fahrzeuge anzündet, in denen Menschen sitzen. Absolutes No Go, solange nicht gerade völkerrechtlich offener Krieg oder Bürgerkrieg gegen eine Diktatur ausgebrochen ist. Und das ist hier eben nicht der Fall. Ich sehe hier nur einen kriminellen, aus der Zivilisation gerutschten, kriminellen Prügelmob.

Gegen Polizei wehrt man sich durch Wahlen, durch Presse, durch Veröffentlichen, durch Verwaltungsgerichte, aber nicht durch Selbstjustiz. Einen Lynchmob darf es nicht geben, und weder Hexen- noch Polizistenverbrennungen. Das geht einfach nicht an.

Ich halte es weder für verantwortbar, einen Zug mit radioaktivem Müll aufzuhalten oder zu gefährden, noch halte ich es für sinnvoll, auf Bahngleisen zu demonstrieren. Man demonstriert da, wo Entscheidungen getroffen werden.


| Auto anzünden, in dem einer sitzt, ist versuchter Mord.

Nicht, wenn die nur zu faul sind auszusteigen.

Körperverletzung ist Körperverletzung. Daß der Staat das zu erlauben dürfen glaubt ist großer Rechtsmist, genau so wie ein bißchen foltern. Wenn man keine klaren Grenzen zieht gibts genau diesen Schlamassel.

Es gibt die Möglichkeit, die Demonstranten dort ohne Körperverletzung wegzubringen. Will man sie wegbringen oder will man knüppeln?

Carsten

Prost
http://www.youtube.com/watch?v=j4xZZENNMf8


Mikkel
10.11.2010 14:31
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Hallo zusammen, Hallo Danisch!

Wenn ich so die Medien und Presseberichte zum Thema Castortransport oder auch S21 verfolge, werde diese nach meiner Meinung immer nur sehr einseitig beleuchtet. Der Einsatz von Gewalt der Polizei gegen das eigene Volk wird zwar kritisiert, aber schnell für notwendig und angebracht gehalten. Was aber genau sind die Beweggründe für die Demonstrierenden und wie wird nun genau die Verhältnismäßigkeit bestimmt. Fakt ist doch, dass niemand Atommüll in seinem eigenen Vorgarten vergraben haben möchte. Dagegen wird immer davon geredet, dass WIR den Atommüll produzieren und WIR ihn auch entsorgen müssen.
Ich meine, dass ein Atomkonzern den Müll erzeugt und somit diesen auch zu entsorgen hat. Inklusiver aller dafür notwendigen Kosten und Aufwendungen.
Eine der als erstes zu nennenden Gefahren ist und bleibt die jahrhunderte lange radioaktive Strahlung. Diese kann unter anderem zu Krebserkrankungen führen. Wieso wird das nicht mal bei der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt. Da wird über eine gutgemachte und wirkungsvolle Webseite gesprochen und über deren Sperrung? Lächerlich, so meine ich. Es gibt im Internet Anleitungen zum Bombenbau, Menschenfolter, Mord und Suizid. Da sind doch diese Schienenbuddler doch keine Gefahr für Demokratie und Rechtstaat.

Wenn ich als Vater die akute Gefahr sehe, dass radioaktiver Abfall der reichen Atomindustrie das Leben meiner Frau und Kinder gefährdet, dann soll mir mal einer mit Verhältnismäßigkeit kommen. Brandbomben werde ich werfen und mit Äxten und Steinen werde ich kämpfen, die Gefahr von meiner Familie abzuwenden. Wenn einer gute Argumente dagegen hat, dann höre ich gern zu, aber den Müll möchte ich trotzdem nicht in meiner Nähe haben, egal welche Argumente eines Unbetroffenen dagegen sprechen.
Die Regierung wird eine Neubewertung der Endlagerfrage nicht lostreten. Das kann eine der nächsten Regierungen tun. Da “Oben” werden Kollateralschäden, Risiken und wirtschaftliche Interessen weit weg von den Betroffenen verhandelt. Die “arme” Polizei Vorort darf die aufständische Meute (im Notfall auch “Terroristen” genannt) niederprügeln und die Medien werden schön politische Korrektnis bei der Berichterstattung üben.

Wenn ich aber mal die Gefahren dieser radioaktiven Bedrohung zu spüren bekomme, dann wird es ganz schön anstrengend. Da ich bereits eine Chemotherapie (Morbus Hodgkin – Stadium 4B) hinter mir habe, weiß ich also wovon ich da rede. Woher ich es habe, habe ich meinen Arzt einmal gefragt. Er hat mich mit ein paar Stichworten in die Bibliothek geschickt. (an dieser Stelle sollte sich der über-mich-grinsende Leser einmal mit den globalen Auswirkungen der durch Menschenhand hervorgerufenen radioaktiven Verseuchung ala Tschernobyl oder jahrelangen Atombombentests auseinander setzen. Einer von 1000 Menschen im Alter von 15-35 erkrankt an Krebs, durch bereits heute existenter radioaktiver Umweltverschmutzung.)

Ich bin gegen jede Form der Zensur. Denn Freiheit ist noch immer die Freiheit der anders Denkenden. Ich bin gegen die Laufzeitverlängerung der AKWs. Ich finde die Demonstrationen gegen Castor für mehr als Gerechtfertigt. Der nächste Transport kann ruhig 180h dauern und sollte 40 Mio. EUR kosten.

Gruß
Mikkel

PS: @Danisch ich lese deinen Blog echt gern, auch wenn ich nicht immer deiner Meinung bin. 🙂


Hadmut
10.11.2010 15:03
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@Mikkel: (Nur so als Anmerkung: Danisch ist mein Nachname. Mit Vorname heiße ich Hadmut.)

Im Prinzip alles richtig, was Du da schreibst.

Rechtfertigt aber alles keine Gewalt.

Mir geht das gewaltig auf den Wecker, wie man da auf die immer selbe Leier die eigene Gewaltbereitschaft, Gewalttätigkeit, Gewaltfreude rechfertigt. Durch grenzenlose Selbstgerechtigkeit und immer wieder durch den Verweis, daß irgendwer anderes was irgendwie schlimmeres macht.

Mit der gleichen Logik, die die Gegner anwenden, könnte die Bundesregierung den Atommüll einfach auf die Müllkippe werfen, weil die Russen machen es ja noch viel schlimmer.

Noch einmal: Die Fehler der Bundesregierung und die Fehler der Polizeiführung – die unstrittig vorliegen – rechtfertigen meines Erachtens in überhaupt keiner Weise, Leute zu verletzen, Autos anzuzünden, Gleise zu beschädigen. Überhaupt nicht.

Und wenn mir einer daherkommt und erklärt, er müsse als „Familienvater” seine Familie schützen, indem er Brandbomben wirft, dann ist das, sorry, der allergrößte Schwachsinn, den ich je gehört habe. Erstens schützt man sich und seine Familie nicht, indem man radioaktive Transporte behindert und damit die Dauer der Strahlung verlängert.

Zweitens, und das ist das viel wichtigere, sollte jemand, der Familienvater ist, daran denken, daß die Familie auf ihn angewiesen ist. Und er ruiniert seine Familie, wenn er riskiert, daß er ins Gefängnis muß oder sich durch Schadensersatzansprüche finanziell ruiniert. Und für solche Taten wie Brandbomben halte ich mehrjährige Haftstrafen für angemessen. Das für sich selbst zu riskieren ist das eine. Wer aber seine Familie aber dafür riskiert, der hat in meinen Augen die Bezeichnung „Vater” nicht verdient.

Sorry, aber ich habe dafür überhaupt kein Verständnis. Gar keins.


5zjunge
13.11.2010 12:46
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Knüppel auf den Kopf ist immer Körperverletzung. Allerdings nicht immer strafbar (Notwehr, Einwilligung). Ärzte macht den ganzen Tag nur Körperverletzungen, mit Einverständnis der Patienten, also völlig OK. Körperverletzung ist also nicht immer einfach Körperverletzung. Es stellt sich immer die Frage, ob das so gerechtfertigt und angemessen ist.

Demos sind auch da sinnvoll, wo falsche Entscheidungen umgesetzt werden. Gegen Nazi-Aufmärsche demonstriert man ja auch nicht vor dem Landgericht.

Die Gefahr der Schotteraktion betrifft auch weniger den Castor. Den kann man vermutlich gefahrlos aus 50 m Höhe fallen lassen und umkippen ist da gar nichts. Die Gefahr betrifft die Menschen in den Zügen, die die Strecke befahren. Und da erschrickt mich die Haltung, die finden die Schäden schon oder die können doch aus dem brennenden Auto aussteigen.

Sperren ist aber in keinem Fall eine Lösung. Dann kann man auch alle Berichte darüber sperren, auch die, die sich kritisch dazu äußern (und schon betrifft’s dich). Praktisch würde die Seite massiv gespiegelt und die Information gestreisandet. Nutzeffekt Null.


VODAN
16.11.2010 11:27
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Mahlzeit!

Ich denke, das Thema “Ethik und Moral” ist grundsätzlich ein bereits verlorenes Feld im Bereich Internet, dafür ist es zu anarchisch und hat schon in Frühzeiten auf eine grundlegende Meinungsfreiheit gepocht. Man kann sich darüber unterhalten, aber es würde sich so lange nichts daran ändern, so lange nicht Sites geblockt werden.

Was zu dem Punkt führt, ob eine Kinderpornografie-Sperre auch auf andere Bereiche ausdehnbar wäre und zu der Frage kommt, wie weit wir zu unserem eigenen Schutz von anderen zensiert werden müssen. Und es ist bestimmt eine unbezweifelte Aussage wenn man sagt, dass sich das Internet nichts gefallen lässt und wenn ABC verboten wird, automatisch DEF auf dem Plan steht…

Ich persönlich bin der Ansicht, dass man beispielsweise nicht vom hören rechtsradikaler Musik automatisch rechts wird – Ich werde auch kein Veganer, nur weil ich ein veganisches Kochbuch gelesen habe. Wenn ich linker oder politisch neutraler Gesinnung bin, werd ich mein Weltbild nicht durch das hören einer NPD-Schulhof-CD über den Haufen werfen und um 180° umschwenken. Dito beim lesen einer Site wie “Castor schottern”. Und sollte ich ohnehin die notwendige Geisteshaltung teilen, würde ich auch problemlos andere Informationsmaterialien finden, als ausgerechnet eine derartige Site. Es gibt ja auch noch sowas wie Bücher u.ä.

Was den Angriff gegen Polizisten angeht, bin ich durchaus im Zwiespalt. Einerseits kann ich grundsätzlich Polizeiaggressionen nachvollziehen, wenn sie zweckgemäß sind, immerhin hat die Polizei die Aufgabe, Bevölkerung und Staat vor Aggresoren zu schützen. Dafür haben sie auch zu recht Befugnisse, die über den Rechten der Normalbevölkerung stehen.
Andererseits sehe ich auch Angriffe gegen die Polizei schlicht als eine Art Berufsrisiko. Jeder, der sich zum Polizeidienst bewirbt, weis der “negativen” Seiten seines Berufes, andererseits dürfen sie auch mit zusätzlichen Befugnissen und einer Knarre im Holster in der Öffentlichkeit rumlaufen.
Ich kann mich doch heutzutage nicht ernsthaft zum Polizeidienst melden und mich wundern, dass mich die, die ich jage/suche/verhöre oder was auch immer, nicht mögen…das ist albern! Und man muss heutzutage auch wissen – man muss nur in den letzten Jahren TV geschaut haben, dass einem Polizisten auch in Deutschland Aggression entgegen kommt. Sorry, aber für diesen Job erhalten sie Staatsgelder! Und wem es nicht gefällt, kann jederzeit seinen Beruf ändern, ist in der freien Wirtschaft Gang und Gäbe!

Interessanter finde ich vielmehr, ob das reine entgleisen-lassen eines Zuges, unabhängig von der Ladung, wirklich ein Terrorakt ist, oder “nur” eine schwere Sachbeschädigung. Denn theoretisch dürfte nach Angaben des Herstellers (als damals der Castorbehälter als unkaputtbar angepriesen wurde) ein Castorbehälter auch durch einen solchen Anschlag nicht kaputt gehen, womit die Herstellerhaftung für eine mögliche radioaktive Verseuchung herhalten müsste, wenn sein Produktversprechen nicht stimmt…hierzu Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Castor_%28Kerntechnik%29):

“Sicherheitsbestimmungen für Castor-Behälter

Castor-Behälter sind so genannte Typ-B-Verpackungen. Die Anforderungen an die Castorbehälter entsprechen in Deutschland den Empfehlungen der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO). Behälter müssten danach folgenden Unfallszenarien widerstehen[4]:

1. Aufprall aus 9 m Höhe auf ein unnachgiebiges, stahlbewehrtes Betonfundament
2. Aufprall aus 1 m Höhe auf einen 15 cm dicken Stahldorn
3. Feuer (30 Minuten bei 800 °C)
4. Druck von 20 m Wassertiefe über acht Stunden
5. Druck von 200 m Wassertiefe über eine Stunde (nach IAEO-Empfehlungen ergänzend)

Zum Nachweis genügt die rechnerische Beweisführung oder der Test eines (maßstäblichen) Modells. Die ersten drei Unfallszenarien könnten nacheinander am selben (maßstäblichen) Modell durchgeführt werden. Der Behälter muss nicht völlig unbeschädigt bleiben, sondern die abschirmende Wirkung des Behälters darf sich durch die Belastung maximal um den Faktor 100 verschlechtern (auf 10 mSv/h (Millisievert pro Stunde in 1 m Entfernung)). Der Fall aus 9 m Höhe führt dazu, dass die Geschwindigkeit der Behälter beim Auftreffen auf die Oberfläche etwa 48 km/h beträgt.

Zusätzlich werden zu den vorgeschriebenen Tests weitere durchgeführt. So zum Beispiel:

* Sturz eines Behälters von einer Autobahnbrücke aus 40 m Höhe,
* Sturz eines auf ?40 °C durchgekühlten Behälters aus 9 m Höhe,
* Explosion eines Flüssiggastankwagens mit 5 t Propan direkt neben einem Behälter,
* Feuertest mit 1200 °C für 30 min,
* Abwurf eines maßstabsgetreuen Behälters von einem Bundeswehrhubschrauber aus 800 m Höhe,
* direkter Anprall eines Personenzuges mit 130 km/h an die Längsseite eines Behälters,
* Beschuss eines Behälters mit einer 1000 kg schweren Nachbildung einer Flugzeugturbinenwelle mit 292 m/s (1050 km/h).

Der Hersteller gibt an, dass die Behälter durch diese Tests keine Beeinträchtigungen der Sicherheitsfunktionen erlitten hätten und druckdicht geblieben seien.”

Also sollte man bei einem “harmlosen” Zugentgleisen eigentlich keine Befürchtungen haben und erklärt auch nicht dieses immense Polizeiaufgebot. Ich finde es allerdings auch amüsant, wenn NRW eine Rechnung für den Polizeieinsatz eröffnet…die Polizei wird doch ohnehin aus Steuergeldern bezahlt…wenn sie nicht den Castor vor Bürgern beschützen müssten, dann säßen sie in der Dienststube rum oder müssten Streifendienst o.ä. machen, jedenfalls würden sie doch auch ihr Gehalt bekommen….wo kommen diese immensen Zusatzkosten her!?!?!??!


5zjunge
17.11.2010 21:39
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@VODAN
Das Problem hat weniger der Castor als die Fahrgäste der 10 Regionalbahnen, die seit letzter Woche wieder auf der Strecke verkehren.


VODAN
19.11.2010 2:51
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@5zjunge
Ich denke, das Problem wäre eine mindestens regionale Strahlenverseuchung, da wäre die Einhaltung des Fahrplans von 10 Regionalzügen durchaus zu vernachlässigen….ausserdem gibt es entweder Ausweichstrecken, oder auch noch so öffentliche Verkehrsmittel wie Busse…und nicht jedes Loch unter einer Schiene führt zu einer Zugentgleisung….nur weil jetzt gerade hunderte Kameras und tausende Polizisten vor Ort waren, die das gesehen haben, heisst es nicht, dass nicht anderswo, wo es kein Schwein mitbekommt, auch Gleise unterbuddelt werden, und da passiert nix bis es zufällig mal ein Gleisarbeiter sieht…