Ansichten eines Informatikers

Mädchen vorn?

Hadmut
26.9.2010 20:21

Wißt Ihr, was mir in letzter Zeit immer wieder auffällt?

Mädchen haben die Jungs überholt.

Als ich Kind/Jugendlicher war, war die Rollenverteilung eindeutig: Die Jungs raufen, klettern, springen ins Wasser, sind körperlich aktiv, treiben jeden Unfug, haben den Mut, machen alles vor. Die Mädchen stehen beisammen, kichern, sind schüchtern, machen dies nicht, machen jenes nicht, aber kreischen (hauptsächlich aus Erwartungsdruck) wie am Spieß, wenn man sie mal naßspritzt oder sonsthin wo mitnimmt. Schlimme Dinge wie Achterbahnfahren oder sowas höchstens mal mit Jungen zum dran festhalten.

Das hat sich gedreht. Inzwischen habe ich immer öfter den Eindruck, daß inzwischen die Mädchen agiler, mutiger, neugieriger, selbstbewußter, vorne dran sind.

Kürzlich war ich in diesem Riesenwellnessbad, der Therme in Erding mit deren Wasserrutschentempel. So als alter begeisterter Wasserrutscher mit internationaler Rutscherfahrung auf auf vier Kontinenten mußte ich natürlich in dieses Sinnbild aktiven Bubentums. Um zu sehen daß in der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen viel mehr Mädchen in den Schlagen standen als Jungen.

Kürzlich war hier in München ein Straßenfest. Bei den ganzen Straßenworkshop – viel mehr Mädchen als Jungens beim Handwerken. Eine Percussion-Gruppe mit Rhytmus-Musik. Wer war an den größten Trommeln? Dreiviertel Frauen.

Ich hab dann dort eine Weile an der Greenpeace-Ausstellung gestanden. Deren Klettertruppe hatte in einem großen Baum Seile angebracht, und Kindern konten dort mit Anleitung mal ausprobieren, wie man mit Kletterzeug und Sitzgurt an einem frei hängenden Seil hochkraxelt. Zu meiner Zeit wäre das eine reine Jungendomäne gewesen. Aber jetzt: Viel mehr Mädchen als Jungs. Mutig, entschlossen, neugierig, nicht lang gefackelt, hoch am Seil. Und haben sich auch noch besser angestellt als die Jungs. (Und besser ausgesehen haben sie auch noch, wenn ich das mal so sagen darf.) Die wenigen Jungs standen da, guckten blöde, waren unschlüssig (oder feige), war nix.

Je öfter ich solche Beobachtungen mache, desto mehr bin ich überzeugt, daß da gerade eine Mädchengeneration heranwächst, die nicht mehr um Gleichberechtigung kämpft oder auch mitmachen will, die nicht einmal mehr danach fragt, sondern die von vornherein besser ist und die Jungens eiskalt und wie selbstverständlich überholt. Der Mann, das abgehängte Wesen, das Auslaufmodell. Strukturell veraltet.

Ich habe kürzlich mal irgendwo eine Theorie gelesen, wonach der Mensch nur durch das Garen und den Gebrauch von Werkzeug und Kleidung Mensch werden konnte, weil er nur so durch Nahrung soviel Energie zuführen konnte, daß er sich den Aufbau eines energieaufwändigen Gehirns und den Rückbau des Raubtier- oder Pflanzenfresserkiefers leisten konnte. Daraus hätte sich zwangsweise eine Arbeitsteilung und damit die Aufteilung in Jäger und Einzelgänger einerseits und Hauswirtschafterin und Sozialwesen auf der anderen Seite erheben, weil nur so der – in der Tierwelt so nicht existierende – Arbeitsablauf für Jagen, Kochen, Verwalten usw. möglich sei. Daraus ergebe sich die Rolle des Mannes als Draufgänger und der Frau am Herd, die mit der Technisierung obsolet geworden sind. Bis vor 50 oder 100 Jahren sei das notwendig gewesen, während neue Technologie diese Arbeitsteilung und die Großfamilie überflüssig gemacht habe.

Ob das stimmt, weiß ich nicht. Aber es trägt zumindest einen interessanten Argumentationsweg in sich.

Möglicherweise wurde die Emanzipation der Frau falsch interpretiert, wurden Ursache und Wirkung verwechselt. Man unterstellt immer, daß die Emanzipation durch Feministinnen wie Alice Schwarzer & Co. vorangetrieben wurde. Vielleicht war es andersherum.

Vielleicht sind Gleichberechtigung und Emanzipation eine Konsequenz des Technikfortschrittes und des völligen Umbaus des Arbeitsteilungssystems in Richtung Dienstleistungsgesellschaft. Weit überspitzt gesagt, vielleicht zogen die Waschmaschine und die Tiefkühlkost zwangsläufig über die Entlastung der Hauswirtschaft die Angleichung der Rollen mit sich, und die Feministinnen sind darauf nur publizistische mitgeritten. Zu dieser Entlastung kommt, daß es heute immer mehr Berufe gibt, bei denen es nicht mehr auf köperliche Kraft, sondern auf Intelligenz, Auffassungsgabe, Kommunikationsfähigkeiten ankommt, also die Domäne des Sozialwesens, nicht des einsamen Jägers und Sammlers.

Ein ganz plattes (eigentlich dummes, aber deutliches) Beispiel dazu, an das sich viele nicht mehr erinnern: In den sechziger und siebziger Jahren sind Frauen noch ziemlich ungern Auto gefahren, aus mehreren Gründen. Ein Grund war, daß die Fahrzeuge damals keine Servolenkung, keinen Bremskraftverstärker hatten, deshalb auch die auffällig großen Lenkräder. Ein Auto einzuparken war etwas, wofür man richtig Kraft brauchte. Es gab damals mal eine Anleitung aus den Sechzigern für Fahrlehrer zur Ausbildung von Frauen, denen man erst einmal beibringen müßte, daß man das Lenkrad bis zum Anschlag nutzen könne und nicht nur so ein bisschen. Autos waren damals noch nicht so zuverlässig, man hatte häufig Pannen und Platten, und ohne Handy stand man dann irgendwo da und war auf sich selbst gestellt. Früher war bei einem Auto noch ein umfangreicher Werkzeugsatz dabei. Heute ist das völlig anders. Autofahren braucht heute keine Kraft und keine handwerklichen Fähigkeiten mehr. Dafür ist der Verkehr heute viel anspruchsvoller, es werden fast nur noch kognitive Fähigkeiten verlangt. Damit verändern sich die Geschlechterrollen zwangsläufig zugunsten der Frau. Und so sieht es auch in vielen Berufen aus.

Die Technologisierung führt damit im Endeffekt für das Prinzip Mann irgendwo aufs Abstellgleis. Wird nicht mehr gebraucht. Und das, was ich eingangs beschrieb, was ich so ab und zu beobachte, könnte eine Folge dessen sein, daß diese Generation nicht nur von vornherein in dieser Technologie aufwächst und den Bedarf an klassischer Rollenteilung gar nicht mehr kennt, sondern auch von einer Elterngeneration erzogen wird, die da schon heraus- oder selbst nicht mehr hereingewachsen ist. Der Bruch mit der jahrtausendelaten Rollenteilung ist vollzogen. Man könnte es auch Evolution nennen.

Denkt man das weiter, dann könnten Männer mehr und mehr überflüssig werden.

Würde man jetzt noch eine Technologie finden, zwei Eizellen unterschiedlicher Spenderinnen so miteinander zu verschmelzen, daß dabei wieder ein vollständiger Chromosomensatz entsteht (und wenn ich mich recht erinnere, hat eine Eizelle im Gegensatz zur Samenzelle alles, was eine lebensfähige Zelle braucht, da war doch irgendwas asymmetrisch verteilt, die Sache mit der mitochondrialen DNS oder sowas, nur eben in nur einer und nicht doppelter Ausführung), könnten zwei Frauen ohne Beteiligung eines Mannes eine Tochter bekommen. Tochter deshalb, weil es dabei zwei X- aber kein Y-Chromosom mehr gibt. Damit wäre der Mann auch als Samenspender überflüssig geworden. Und beim Stand der Technik kann das auch nicht mehr lange dauern, ich denke mal dieses oder spätestens nächstes Jahrhundert könnte das in Mode kommen. Zumal eine Gesellschaft, in der jedes Individuum und nicht nur die Hälfte davon Nachwuchs generieren kann, klar im Vorteil ist – nicht nur rententechnisch.

Aber wieder zurück in die Realität: Berücksichtigt man noch, daß Mädchen die besseren Schulleistungen haben, mehr Frauen studieren, der Fachkräftemangel zum Aufgaben alter Gewohnheiten zwingt, dürfte in allernächster Zeit ein fundamentaler Rollenwechsel bevorstehen.

9 Kommentare (RSS-Feed)

Mike
26.9.2010 21:29
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Wie siehts mit Frauen in Ingineursdiziplinen aus?


Chris
26.9.2010 23:24
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Jede Ei- und Samenzelle hat genau einen halben Chromosomensatz, die sich beim verschmelzen der beiden miteinander vervollständigen. Rein theoretisch könnte man dann auch eine Hälfte von einer Frau und die andere Hälfte von einer anderen Frau nehmen. Das funktioniert aber nicht, das es nicht nur auf die genetische Information selber (also die DNA/Chromosomen) ankommt, sondern noch auf eine Informationsebene darüber: Das sog. genetische Imprinting (siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Imprinting). Dabei werden Modifikationen an der DNA (beispielsweise zusätzlich angehängte Methylgruppen) geschlechtsspezifisch vererbt und eines der beiden Allele wird dadurch rezessiv. Es werden interessanterweise Merkmale beider Eltern benötigt, ansonsten kann sich kein Embryo bilden. Wenn ich mich an die Vorlesung jetzt richtig erinnere, dann werden Gene, die für die Ausbildung der Plazenta vom Embryo benötigt werden in der Mehrheit von “mütterlichen” Chromosomen abgelesen. Das ist insoweit eigentlich unverständlich, da die Erbinformation von beiden Eltern gleich ist (in erster Näherung). Es gibt auch Krankheiten (Prader-Willi-Syndrom bzw. Angelman-Syndrom) bei denen entweder ein Teil desselben Chromosoms beschädigt ist. Je nachdem, von welchem Elternteil er kommt, kommt es zur einen oder zur anderen Krankheit, mit durchaus unterschiedlichem Krankheitsbild.
Und es gab auch in Mäusen bereits Versuche, die Chromosomensätze gleichgeschlechtlich zu komplementieren (also weiblich-weiblich und männlich-männlich) was in beiden Fällen dazu führte, das die so entstandenen frühen Zellstadien sehr schnell abstarben.


yasar
27.9.2010 7:50
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Ich kann mich erinnern, auch in meienr Kindheit mit vielen Mädchen gespielt zu haben, die in den Punkten Rauflust, Klettern, Fußballspielen und anderem was “nur Jungen machen” den Jungs in nichts nachstanden. Nur als ich und die in die Pubertät kamen wurden die dann irgendwann “komisch”. 🙂

Übrigens mußte ich bei deinem Artikel an die alte Serie “Planet der Frauen” oder so ähnlich denken (u.a. mit Pierre Brice).


Manuel
28.9.2010 23:48
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Also dein ständiger Wechsel zwischen kulturellen Phänomenen und genetischer Disposition ist ein wenig grausig.
Kulturelle Veränderungen, wie eine zunehmende technische Entlastung, kann die genetische Disposition der Menschen nicht ändern und insofern ein möglicherweise genetisch begünstigte Rollenverteilung nicht abändern.

Ich meine damit vor allem diesen Absatz von dir:

“Ich habe kürzlich mal irgendwo eine Theorie gelesen, wonach der Mensch nur durch das Garen und den Gebrauch von Werkzeug und Kleidung Mensch werden konnte, weil er nur so durch Nahrung soviel Energie zuführen konnte, daß er sich den Aufbau eines energieaufwändigen Gehirns und den Rückbau des Raubtier- oder Pflanzenfresserkiefers leisten konnte. Daraus hätte sich zwangsweise eine Arbeitsteilung und damit die Aufteilung in Jäger und Einzelgänger einerseits und Hauswirtschafterin und Sozialwesen auf der anderen Seite erheben, weil nur so der – in der Tierwelt so nicht existierende – Arbeitsablauf für Jagen, Kochen, Verwalten usw. möglich sei. Daraus ergebe sich die Rolle des Mannes als Draufgänger und der Frau am Herd, die mit der Technisierung obsolet geworden sind. Bis vor 50 oder 100 Jahren sei das notwendig gewesen, während neue Technologie diese Arbeitsteilung und die Großfamilie überflüssig gemacht habe. ”

Dies ist von Anfang bis Ende nahezu völliger Quatsch. Solltest du einen Prof finden, der sowas behauptet, dann nun ja, ein Fall für die Forschungsmafia.

Schon der Anfang. Zuerst war das große Gehirn, dann der Gebrauch von Technik. Eine chronologische Umkehrung des Ganzen ist falsch.
Die Umweltfaktoren, die zu einer Vergrößerung des Gehirns geführt haben, sind umstritten, aber eigenen sich natürlich dennoch zum darüber nachdenken.
In Frage kommen dabei vor allem die veränderten Fortpflanzungsstrategien, verursacht durch den aufrechten Gang.
Wie du bei anderen Primaten sehen kannst werden dort die Babys von den Mutteraffen auf dem Rücken getragen. Dies geht mit so gut wie keinen Einschränkungen für die Mutter einher. Durch den aufrechten Gang war dies nicht mehr möglich. Um nun ein Kind erfolgreich aufzuziehen war also eine viel größere Investition in das Kind nötig. Die Eltern mussten deutlich mehr in ein Kind investieren.
Die Mutter war nun auf andere Personen angewiesen, die ihr bei der Aufzucht halfen. Evolutionstheoretisch kommen dafür nur genetisch Verwandte des Kindes in Frage, wovon der Vater den höchsten Verwandheitsgrad aufweist und zudem am häufigsten verfügbar ist im Vergleich zu anderen genetisch Verwandten des Kindes.
Es bestand also ein evolutionärer Druck aus Sicht der Mutter, den Vater in die Aufzucht miteinzubeziehen.
Gleichzeitig bestand ein ähnlicher Druck auch für den Vater, auch er brauchte erwachsene Kinder, sonst wären seine Gene nicht mehr weitergegeben worden.
Aber für den Vater ergeben sich andere umweltbedingte Problemstellungen als für die Mutter.
Die Mutter muss ihre Umwelt, dabei kommt vor allem der Vater in Frage, dazu bringen, ihr bei der Aufzucht eines Kindes zu helfen. Den Vater für gewisse Zeit an sich zu binden scheint dabei erfolgsversprechend zu sein.
Der Vater musste vor allem sicher sein, dass er wirklich der Vater des Kindes ist. Seine Energie in ein genetisch nicht-verwandtes Kind zu stecken wäre ein evolutionstheoretischer Supergau.
Gleichzeitig gab es für Männer aber auch die Strategie Kinder zu zeugen, um die sie sich nicht kümmern, sofern sie oft genug zum Zug kommen, denn dann kann der Erfolg größer sein, denn einige Frauen werden sich schon zu helfen wissen.
Für Frauen gab es auch die Möglichkeit, einem Mann mit als besser erkannten Genen zur Zeugung heranzuziehen und einen anderen Mann als “Vater” auszugeben.
Aus all diesen möglichen Fortpflanzungsstrategien (und diese Aufzählung war nicht abschließend) ergab sich wie eine Art Wettrüsten. Die gegensitigen Manipulationsmöglichkeiten mussten irgendwie durchschaut werden bzw. man musste selbst erfolgreich manipulieren.
Daraus entwickelte sich ein größeres Gehirn. Intelligenz entstand. Dumm nur, dass dadurch auch der Kopf der Embryos größer werden musste, die dadurch wiederum in einem früheren Entwicklungsstadium geboren werden mussten, wodurch sich die nötigen Investitionen in die Aufzucht eines Kinder noch mehr erhöhten. Ein Teufelskreis.

Das ist eine der Theorien. Es ist auch nicht mehr, als eine Theorie.

In deiner Theorie taucht dann noch die Rückbildung des Pflanzen- oder Fleischfressergebisses auf. Was hat das mit der Intelligenz zu tun? Warum sollten Menschen vor ihrer Intelligenzbilung ein anderes Gebiss gehabt haben? Völliger Quatsch in meinen Augen.

Warum sich ausgerechnet aus der Intelligenz eine Arbeitsteilung bzgl. Hausarbeit und Jagen ergeben sollte, ist auch nicht schlüssig. Oder wie auch immer die von dir gemalten kausalen Zusammenhänge gewesen sein sollen.

Und dass eine Veränderung der Umweltbedingungen in den letzten 50 Jahren die genetischen Dispositionen nicht geändert haben, sollte sowieso klar sein.

Wenn man deine Alltagsbeobachtung als allgemeingültiges Phänomen erkennen und erklären möchte, dann sollte man lieber den kulturellen Hintergrund unserer Zeit unter Berücksichtigung möglicher genetischer Dispositionen untersuchen. Damit wird man weiter kommen.


Hadmut
29.9.2010 0:20
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Ich hab irgendwie den Eindruck, daß Du Aussagen, die Dir nicht gefallen, auch bewußt falsch verstehen willst, um sie leichter anzugreifen.

Davon ganz abgesehen darf ich daran erinnern, daß Blog-Artikel nicht die Tiefe und den Ausarbeitungsstand eines (guten) wissenschaftlichen Papers haben können und müssen, sondern auch Gedankengänge wiederspiegeln sollen und damit natürlich auch Wechseln zwischen Themen.

Schon Deinen Ansatz zu fragen, ob erst das Hirn oder erst das Werkzeug da war, ist falsch, denn es hat ja nicht Plopp gemacht und das Hirn war da, das hat sich ja über tausende von Jahren entwickelt, also entwickelten sich Hirn und Werkzeug parallel und in vielen Schritten. Und daß das Gehirn des Menschen im Vergleich zu anderen Säuge- oder Wirbeltieren viel mehr Energie verbraucht und diese Energie erst einmal aufgebracht werden muß, ist auch bekannt und zutreffend. Insofern ist diese Theorie jedenfalls nicht völliger Quatsch.

Davon abgesehen geht Deine Darstellung letztlich in die gleiche Richtung, nämlich in ein evolutionär bedingtes geschlechterspezifisches Verhalten, das durch die moderne Technologie und die Veränderung in der Arbeitsteilung und Rollenteilung inzwischen obsolet geworden ist. An der wesentlichen Stelle unterscheidet sich Dein Modell gar nicht von dieser Theorie.

Die Rückbildung des Gebisses hat sehr viel mit Intelligenz zu tun, denn das ermöglichte das Sprechen. Ohne Sprache hätte es diesen Intelligenzsprung nicht gegeben und umgekehrt.

Und daß sich die Arbeitsteilung aus der Intelligenz ergab, habe ich auch nicht gesagt. Die Intelligenz setzte eine erhöhte Nährstoffzufuhr voraus, und deren Beschaffung setzt Arbeitsteilung voraus.

Und das mit der Genetik in 50 Jahren, die sich durch geänderte Umweltbedingungen nicht geändert haben soll, ist schon deshalb falsch, weil durch die Reisemöglichkeiten eine viel stärkere Durchmischung des Genpools und damit eine höhere Mutationsrate einhergeht. Schon aus diesem Grund hat es in den letzten 50 Jahren enorme Änderungen im menschlichen Genpool gegeben, die vorher nie möglich waren. Bei irgendwelchen Viechern (ich glaub, es waren Vögel) hat man kürzlich festgestellt, daß die sich in nur 3 Generationen an veränderte Temperaturen angepasst haben.

Außerdem habe ich so nicht behauptet, daß das schon so passiert wäre, sondern daß gerade der Evolutionsdruck zu diesem typischen Rollenverhalten wegfällt und Leute mit verändertem Verhalten nicht mehr wie früher automatisch benachteiligt sind und wieder aussterben. Durch den technischen Fortschritt haben wir die Situation, daß Frauen, die nicht Herd-affin sind – die es auch früher schon gegeben hat – auch nicht mehr benachteiligt sind, was die Fortpflanzungsaussichten betrifft. Und damit fällt der Evolutionsdruck bezüglich dieser Eigenschaft weg. Und dann ändert sich das auch ziemlich schnell.

Es ist nicht schon deshalb falsch, weil es Dir nicht gefällt. Und in Deiner Argumentation sind zu viele Fehler.


Manuel
29.9.2010 1:51
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“Ich hab irgendwie den Eindruck, daß Du Aussagen, die Dir nicht gefallen, auch bewußt falsch verstehen willst, um sie leichter anzugreifen. ”

Das habe ich nicht bewusst gemacht. Aber nach deiner jetzigen Klarstellung muss ich erkennen, dass ich vielleicht zuviele kausale Zusammenhänge in deine Ausführung hineingedacht habe.

Natürlich hat sich letztendlich der Gebrauch von Technik und Vergrößerung des Gehirns irgendwie parallel entwickelt. In deinem Blog-Artikel hast du wie folgt argumentiert:

“Ich habe kürzlich mal irgendwo eine Theorie gelesen, wonach der Mensch nur durch das Garen und den Gebrauch von Werkzeug und Kleidung Mensch werden konnte, weil er nur so durch Nahrung soviel Energie zuführen konnte, daß er sich den Aufbau eines energieaufwändigen Gehirns … leisten konnte”

Durch den Gebrauch der Technik wird das große Hirn “erzeugt”, da habe ich dir unzutreffend einen kausalen Schluss unterstellt. Deine Formulierung mit “leisten konnte” ist indes natürlich völlig korrekt und impliziert keine konditionale Beziehung im Sinn: Aus Technik wird Hirn. Ich habe dir dort zu unrecht etwas unterstellt, aber nicht bewusst. Mir wird das erst jetzt klar.

Aber ein grobes Missverständnis konntest du noch nicht ausräumen. Ich versuche mal, das klar herauszuarbeiten.

Du schreibst, dass es “ein evolutionär bedingtes geschlechterspezifisches Verhalten [gibt], das durch die moderne Technologie und die Veränderung in der Arbeitsteilung und Rollenteilung inzwischen obsolet geworden ist.”

Weiter schreibst du, “daß gerade der Evolutionsdruck zu diesem typischen Rollenverhalten wegfällt und Leute mit verändertem Verhalten nicht mehr wie früher automatisch benachteiligt sind und wieder aussterben. Durch den technischen Fortschritt haben wir die Situation, daß Frauen, die nicht Herd-affin sind – die es auch früher schon gegeben hat – auch nicht mehr benachteiligt sind, was die Fortpflanzungsaussichten betrifft. Und damit fällt der Evolutionsdruck bezüglich dieser Eigenschaft weg. Und dann ändert sich das auch ziemlich schnell.”

Ich tu mir insgesamt recht schwer mit dem, was du dort schreibst. Aus mehreren Gründen.
Zum einen ist nicht ganz klar, wie weit denn nun die Rollenverteilung selbst genetisch bedingt sein soll?

Ich selbst würde dem Menschen nur bei der Fortpflanzung im weiten Sinne eine genetische bedingte Rollenverteilung unterstellen.
Dazu gehört letztenlich auch für den Mann die Motivation, sich materiellen Wohlstand anzueigenen oder Persönlichkeitseigenschaften zu entwickeln, die auf eine Fähigkeit dazu hindeuten. Also im Großen und Ganzen eine Art Wettbewerbsbereitschaft. Zum einen um ein potentieller Versorger zu sein, aber auch um Status aus Selbstzweck zu erlangen. Gerade die Sache mit dem Selbstzweck ist bei Fortpflanzungsstrategien wichtig zu beachten.

[Nehmen wir als Beispiel den Pfau: Der Pfauschwanz beim männlichen Pfau bietet keinerlei direkt erkennbarer Überlebens- oder Fortpflanzungsvorteile. Er ist auf einer Art Meta-Ebene entstanden, er erfüllte Erwartungen von weiblichen Pfaus, die diese ursprünglich wegen ganz anderer Dinge hatten. Oder nimm Hirschgeweihe. Es gibt soviele Fortpflanzungsstrategien die irgendwie Selbstzweck und auf einer Meta-Ebene ablaufen, auch im genetisch begünstigten Bereich des Verhaltens.]

Nun bestand natürlich auch für Frauen eine Motivation sich materiellen Wohlstand anzueigenen, möglicherweise auch genetisch bedingt. Aber materieller Wohlstand hatte für Frauen nicht diese starken Vorteile bei der Fortpflanzung und entsprechend kleiner ist die Motivation dazu. Wie groß die Unterschiede sind, ich weiß es nicht. Dass sie vorhanden sind halte ich für wahrscheinlich.

Das war jetzt ein Beispiel aus einem gut sichtbaren Bereich.

Versuchen wir mal eine Eigenschaft der Fortpflanzungsstrategie zu beschreiben, die weniger offensichtlich und viel “psychologischer” ist.
Nehmen wir das Selbstwertgefühl bei Frauen. Es gibt das niedrige Selbstwertgefühl (LSE low self esteem) und das hohe Selbstwertgefühl (HSE). Woher das kommt, warum wir sowas überhaupt haben (wir könnten uns ja alle gut finden), so wirklich bekannt ist das noch nicht und wird es vielleicht nie sein. Ist es genetisch bedingt? Nun, es ist auf jeden Fall durch unsere Biologie ermöglicht, verschiedene Niveaus des Selbstwertgefühls zu haben, wobei es in der Alltagsbeobachtung fast nach einer polaren Verteilung aussieht. Entweder man ist HSE oder LSE, ein dazwischen gibt es nicht so wirklich.
Der Evolution war es egal, ob sich ein Mensch gut oder schlecht fühlt, solange er sich damit erfolgreich fortpflanzt.
Frauen mit LSE sind sexuell leichter zugänglich und versuchen öfter Männer zu manipulieren im Vergleich zu HSE-Frauen. Und das ist schon wieder eine unzulässige Verallgemeinerung, aber was soll man auch tun?
Und was ist mit LSE-Männer? Gibt es LSE und HSE-Männer überhaupt in dieser polarisierten Verteilung wie bei Frauen?
Im männlichen Fortpflanzungsverhalten spielt die Hierarchie eine sehr große Rolle, wobei die Art der Hierarchie, die Männer ausbilden, sich von der, die Frauen ausbilden, deutlich unterscheidet.
Die Ranghöchsten bekommen bei Männer die besten (und meisten?) Frauen ab, während rangniedere Männer auch mal eher gar keine Frau abbekommen.

Und jetzt wird der Bogen recht groß den ich versuche zu schlagen:
Jungen, die ohne Vater aufwachsen, siedeln sich in der Hierarchie eher unten an. Warum? Keine Ahnung, da könnte vieles in Frage kommen.
Jungs, die mit gebücktem Kopf herumlaufen, wir kennen sie alle. Jeder hatte solche in der Klasse. Die Jungs, auf die jeder mal eintreten durfte. Die werden sicherlich nicht am Kletterseil bei Greenpeace zu finden sein.
Es gibt viele dieser Jungs, die ohne Vater aufwachsen. Es werden wohl auch immer mehr. Aber wo finden wir die? Eher seltener in der Wasserrutsche. Bloß nicht auffallen, anderen Menschen aus dem Weg gehen, Augenkontakt vermeiden, sich Nischen suchen.
Wo sind die selbstbewussten jungen Männer heute? Werden das weniger? Sind fehlende Väter wirklich ein Grund davon?
Vielleicht fehlt aber auch vielen Männern heute der wirkliche Plan beim Umgang mit Frauen? Durch die gesellschaftliche Umwälzung der letzten 40 Jahre mit dem Feminismus ist es so schwer als Mann den richtigen Umgang mit Frauen zu finden. Zumindest haben viele Männer damit Schwierigkeiten. Was will Frau eigentlich? Wieviele Männer werden als ewige Jungfrau sterben? Und wieviele Frauen im Vergleich dazu?

Aber ist diese ganze Umwälzung wirklich eine Veränderung der genetischen Disposition, resultierend aus anderen Umwelteinflüssen durch die Evolution?
Wie kann kann das überhaupt sein, wenn sich Karriere-Akademikerinnen weniger fortpflanzen als die “traditionellen” Frauen?
Warum sollten zwei Generationen schon das genetisch bedingte Sexuelverhalten ändern, das sich die letzten 2000 Jahre schon nicht verändert hat? Oder können wir das gar nicht feststellen?
Eine Vogelart, die in 3 Generationen sich einer Temeraturveränderung genetisch anpasst, taugt die wirklich als Vergleich? Wie groß war die natürliche Auslese bei diesen Vögeln?
Wie hoch ist die natürliche Auslese beim Menschen? Welche Frauen sollen in den letzten Generationen weniger zur Fortpflanzung gekommen sein als welche anderen? Wodurch soll hier eine evolutionsbedingt Veränderung eingetreten sein? Es pflanzt sich doch jede Frau fort die das möchte, egal welche Bildung, wie emanzipiert oder nicht emanzipiert, egal wie sie aussieht. Und wer pflanzt sich statistisch mehr fort? Wohl eher die traditionelle Frau oder?
Müssten wir nicht eigentlich eher befürchten, dass uns gerade diese von dir beschriebenen selbstbewussten erfolgreichen Frauen genetisch aussterben?
Bin ich jetzt bei Sarrazin? 😉

P.S. Die Sache mit dem Gebiss, hast du da einen Link oder sowas? Also dass das Gebiss tatsächlich beim Sprechen eine entscheidende Rolle spielt.


ralf
29.9.2010 1:53
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Alle Theorien, die dazu erdacht werden, ein abgelaufenes Geschehen zu erklären, sind wenig überzeugend. Das kann man z.B. erkennen, wenn man die relative Leichtigkeit, sich irgendwelche Gründe für das Wettergeschehen der vergangenen Tage auszudenken, mit der sehr viel schwierigeren Aufgabe vergleicht, das Wetter der nächsten Tage zutreffend vorauszusagen. Die hier angeführten Theorien über die menschliche Entwicklung sind alle von der Art, Geschehenes zu erklären, und m.E. versagen sie völlig.

Nur als einzelnes Beispiel (aber für nahezu alle anderen Einzelbehauptungen in den von Hadmut wie von Manuel referierten Theorien gilt analoges): “Die Rückbildung des Gebisses hat sehr viel mit Intelligenz zu tun, denn das ermöglichte das Sprechen. Ohne Sprache hätte es diesen Intelligenzsprung nicht gegeben und umgekehrt.”
Das setzt voraus, daß die Entwicklung eines Stimmapparates mit einem Großgebiß unvereinbar sei, und von einem Nachweis eines solchen Zusammenhangs kann ja wohl nicht ansatzweise die Rede sein. Was physiologisch an Geräuschbildungsverfahren möglich ist, ist weitgehend offen; es ist m.E. nicht einmal bekannt, wie die Katze ihre Schnurrgeräusche erzeugt. Und eine an Differenziertheit der Lautsprache ebenbürtige Sprache ist durch Gebärden möglich, so daß ein hochdifferenziertes Stimmbildungssystem keineswegs unumgänglich notwendig ist oder war. Welche praktischen Auswirkungen in verschiedenen Lebenslagen es gehabt hätte, wenn der Mensch statt der Laut- eine Gebärdensprache entwickelt hätte (für die komplizierteren Dinge, für einfache Hinweise und Befehle wäre schon deshalb eine Lautsprache nötig, weil es manchmnal dunkel ist) kann ich nicht abschätzen. Eine Erklärung muß aber nicht nur erklären, weshalb das, was geschehen ist, geschehen ist, sondern auch, weshalb alles andere, was ebenfalls möglich gewesen wäre, nicht geschehen ist. Und dafür liefert der Hinweis, daß das jetzige menschliche Stimmbildungssystem meinetwegen sogar tatsächlich physiologisch mit einem Großgebiß unvereinbar ist, keinen Beitrag. Daß die Sprachentwicklung Hand in Hand mit der Intelligenzentwicklung ablief, glaube ich hingegen gerne; allerdings erscheint mir das eher banal.


Chris
29.9.2010 23:26
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Du schreibst:
>Und das mit der Genetik in 50 Jahren, die sich durch geänderte >Umweltbedingungen nicht geändert haben soll, ist schon deshalb falsch, >weil durch die Reisemöglichkeiten eine viel stärkere Durchmischung des >Genpools und damit eine höhere Mutationsrate einhergeht. Schon aus

Veränderungen entstehen. Aber sie müssen sich auch durchsetzen. Was bei aktuell über 6 Mrd Lebewesen recht schwierig ist, solange kein Selektionsdruck einsetzt.

>diesem Grund hat es in den letzten 50 Jahren enorme Änderungen im >menschlichen Genpool gegeben, die vorher nie möglich waren. Bei

Nicht besonders viele. Dazu ist die gewählte Zeitspanne zu kurz, bzw. die Generationsfolge zu lange.

>irgendwelchen Viechern (ich glaub, es waren Vögel) hat man kürzlich >festgestellt, daß die sich in nur 3 Generationen an veränderte >Temperaturen angepasst haben.

Da herrscht aber auch extremer Selektionsdruck. Zudem halte ich es für nicht unwahrscheinlich, das bereits eine gewisse Mutation vorhanden war, die in diesem Fall positiv war.


hanna
2.10.2010 16:46
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Und wie sagte die grosse Tamara Danz
( respekt!)der Rockgruppe “Silly”?

… Und wenn wir hinten sind, ist hinten “vorn “! …

hanna. ;-P