Ansichten eines Informatikers

Ist die katholische Kirche der Gottes-Gegenbeweis?

Hadmut
22.4.2010 22:47

Lästerliche Überlegungen eines Atheisten.

Die katholische Kirche lehrt, daß es einen allmächtigen, zwar ständig unerbittlich und für alle Ewigkeit durch Höllenfeuer strafenden, drohenden Gott gibt, der aber andererseits ein lächerliches Ablaßwesen akzeptiert, alle liebt und sich von der katholischen Kirche auf Erden vertreten läßt, die – Allmächtigkeit hin oder her – ständig Geld braucht. (Dazu gab es auf Youtube mal ein herrliches Video eines englischen Komikers, der das so richtig durch den Kakao zog, ist aber leider gelöscht.)

Nehmen wir mal zum Zwecke des Disputs an,
a) es gäbe einen Gott,
b) er würde durch die katholische Kirche vertreten.

Was müßte man von einem Gott halten, der sich von solchen Leuten vertreten läßt? Ist der nicht allmächtig? Kann der sich nicht wehren und das unterbinden, was da in seinem Namen läuft? Was ist ein Gott wert, der sich von jedem dahergelaufenen Mönch oder Pfaffen so mißbrauchen läßt? Oder, noch schlimmer, billigt er sowas? Hält er das für richtig? Warum sollte man sowas anbeten?

Ich bin durchaus der Überzeugung, daß Atheismus nicht einfach nur eine weitere Form des Glaubens ist. Ich bin überzeugt, daß das Konzept eines solchen Gottes in sich so unlogisch und widersprüchlich ist, daß es schon per se ausgeschlossen ist. Wer beispielsweise argumentiert, daß der Mensch ein viel zu komplexes Wesen ist, um durch Evolution entstanden zu sein und deshalb geschaffen worden sein muß, der müßte mal erklären, wie ein solcher – mindestens gleich komplexer und laut Bibel ja ebenbildmäßiger – Schöpfer selbst existieren könnte ohne von einem Dritten geschaffen worden zu sein, wenn doch die Komplexität eine schöpfungslose Existenz kategorisch ausschließen soll. Selbst wenn man unterstellt, daß es einen Schöpfer gibt, dann ist noch lange nicht gesagt, daß es nicht irgendein pickeliger Laborassistent ist und wir im Mülleimer der fehlgeschlagenen Experimente liegen. Und falls die Gentechniker es schaffen, künstliche Lebensformen zu basteln, was nach meiner Einschätzung noch in diesem oder spätestens nächstem Jahrhundert möglich werden wird, dann müßte man die Frage aufwerfen, ob laut Bibel- und Kirchenlogik nicht wir die Götter sind und in der Konsequenz wir dem Glibber in der Petri-Schale nicht 10 Gebote vorgeben und unsere Anbetung verlangen können, unter der Drohung, anderenfalls auf ewig im Feuer zu schmoren. Ich finde, daß schon das die Absurdität der kirchlichen Sichtweise darlegt. Selbst wenn es einen Gott gäbe, dann könnte die Konsequenz daraus ganz sicher nicht Katholizismus lauten.

Ich glaube, daß Erscheinungen wie die katholische Kirche der beste Beweis sind, daß es keinen allmächtigen anbetungswürdigen Gott geben kann, denn sowas ist nicht anbetungswürdig.

20 Kommentare (RSS-Feed)

Usul
23.4.2010 8:42
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> – ständig Geld braucht. (Dazu gab es auf
> Youtube mal ein herrliches Video eines
> englischen Komikers, der das so richtig
> durch den Kakao zog, ist aber leider gelöscht.)

Glaub ich nicht, hab ich letztens erst wieder gesehen. Einfach mal bei YouTube nach “George Carlin Religion” suchen – falls das gemeint war. Der ist Amerikaner, deswegen bin ich unsicher.


yasar
23.4.2010 9:38
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Vielleicht ging es ja Gott so ähnlich wie Bender/Gott in “Godfellas” (siehe auch http://www.gotfuturama.com/Information/EpisodeGuide/Season4/):

Nachdem er einige Fehlschläge hinnehmen mußte, kommt er auf den Trichter, nur noch so zu wirken, daß man gar nicht mitbekommt, daß es ihn gibt.

🙂


“pickeliger Laborassistent” — Frechheit!

ein Zitat:
“Ich bin Agnostiker und glaube, daß vier Kilo Rindfleisch eine gute Suppe ergeben.”
gerd unverfehrt in d.s.p

Wir wissen, daß wir nix wissen. Warum dann Atheist?

Carsten

http://ruthe.de/cartoons/strip_0404.jpg


Stefan W.
23.4.2010 11:37
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Das war für mich der Hauptgrund an Gott zu zweifeln, und schließlich auszutreten: Was würden wir von jmd. halten, der Tiere hält, und sich von denen anbeten läßt? Das ist doch eitel wie es schlimmer nicht geht.

Und wenn dieser Gott allmächtig ist, dann ist Lebenschaffen ja auch von winzigster Schwierigkeit für ihn – wofür würde er Dankbarkeit einfordern wollen?

Würde ich mich von Ameisen anbeten lassen?

Naja – und dann seinen Sohn opfern, und dieser nimmt die Sünden der Welt auf sich – inklusive der Sünden der Babies, die von Gott eine Erbsünde verpaßt bekommen haben, damit niemand auf die Idee kommt, diese ungetauft groß werden zu lassen.

Perfider kann man doch kaum kaschieren wie korrupt und moralisch verkommen man im Grunde seines Herzens ist.

Der Missbrauch der Hirne ist das verbreitetere Übel – wird aber leider zu selten frontal angegangen.


nullplan
23.4.2010 13:41
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Vom protestantischen Standpunkt aus stellt sich die Sache zwar ein klein wenig anders dar, aber gut…

Die Geschichte mit der Erbsünde wird immer gerne von den Katholiken erzählt (bzw. wurde, früher, um die Frauen klein zu halten), um uns darauf aufmerksam zu machen, dass wir Sünder sind und dafür büßen müssen (bei denen ist das Sündenbekenntnis Teil des Gottesdienstes). Diversen Philosophen zufolge war der Sündenfall übrigens das größte, was dem Menschen überhaupt passieren konnte (vorher war der Mensch dumm: Er hat nicht mal gemerkt, dass er nackt war. Danach war der Mensch plötzlich klug und konnte sich entwickeln)

Stellt sich natürlich ganz anders dar, wenn man sich Luthers Standpunkt ansieht: Es hat schon jemand vor uns, _für_uns_ , gebüßt, und dessen Name war Jesus Christus. Warum sollte also ich büßen?

Übrigens glaube ich nicht an den Deus Ex Machina: Uns gehts dreckig, also mach was, Gott! Nee, so nicht!

Genauer stehts in Genesis 1 (noch vor der Geschichte mit Adam und Eva): Gott hat den Menschen geschaffen, ihm aber anschließend gesagt,dass er frei schalten und walten können soll. Jesus hat es später so ausgeführt, dass wir Bedienstete in Gottes Anwesen sind, und Gott ist auf Reisen gegangen, also sind wir vorübergehend Hausherren.

Und genau darum kann es in dieser Welt auch einen Holocaust und eine katholische Überwachungskirche geben: Weil wir Menschen frei sind, zu tun, was wir wollen. Gott hat uns versprochen, dass er nicht eingreift.

Ach ja, und komm mir jetzt bitte nicht mit Logik. Logik funktioniert hier nicht, weil die Bibel nunmal ein verdammt mystisches Buch ist. Das ist mit Logik nicht zu erklären. Logik und Mystik sind Gegensätze.


Hadmut
23.4.2010 13:49
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Das ist doch genau der Denkfehler: “Es ist mit Logik nicht zu erklären, also muß es wahr sein, weil es mystisch ist.”

Mit dieser Denkweise wäre alles falsche als wahr hinzunehmen. Mystik als Codewort für den Verzicht auf die Unterscheidung wahr/unwahr.

Der Punkt ist ja nicht, daß die ganze Konstruktion mit Logik nicht zu erklären ist oder es sein müßte, sondern daß sie mit Logik zu widerlegen ist. Das ist der Knackpunkt.

Mir geht so diese Denkweise gegen den Strich, daß man die Bibel an Logik oder Verstand mißt und wenn es nicht paßt, die Schlußfolgerung zieht, daß dann eben Logik und Verstand unzureichend sein müßten. Warum steht man dann überhaupt morgens noch auf, wenn man dem eigenen Hirn und Verstand systematisch nicht mehr traut bzw. es als fehlerhaft ansieht?

Und was sollte sich ein Gott dabei gedacht haben, von Menschen zu erwarten, an diesen Kram zu glauben, ihn aber gleichzeitig so zu bauen, daß sich das alles seiner Logik widersetzt? Hat der vielleicht Spaß an solchen perfiden Konstruktionen?


Mephane
23.4.2010 18:59
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Ich sage dazu nur: Alleine das Amt des Papstes (“Stellvertreter Gottes auf Erden”, “unfehlbar”) ist eigentlich die größte Blasphemie in der Geschichte, wenn man es genau nimmt. Die Kirche widerlegt sich und ihre Lehre ununterbrochen selbst durch ihre Handlungen und Anmaßungen, nur sind eben sehr viele Mitglieder, insbesondere aber die Pfaffen (ich wähle diesen Begriff bewusst), entweder nicht willens oder nicht fähig auch nur einen Funken logischen Denkens anzuwenden, um ihren Glauben zu hinterfragen, ganz speziell den Glauben an die Kirche.

Denn an einen ‘allmächtigen Schöpfer’ zu glauben ist eine Sache, aber erntshaft zu glauben so einer hätte es auch nur nötig, sich durch irgendeine Person oder Organisation vertreten zu lassen, ist einfach nur bescheuert.

Zu dem Thema kann ich den Film “Dogma” jedem wärmstens ans Herz legen. Er spielt sehr schön mit den Absurditäten und logischen Fehlern, die die Kirchenlehre mit sich bringt.


Hadmut
23.4.2010 19:16
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@Mephane:

Das erinnert mich an diese Anekdote aus einer jiddischen Talmud-Schule, wo die Allmächtigkeit Gottes gelehrt wurde. Ein naseweiser Schüler fragt extra nochmal nach, ob Gott auch wirklich allmächtig sei. Aber ja doch, bestätigt der Lehrer.

Nun, fragt der Schüler, ob Gott auch so allmächtig wäre, daß er einen Felsen erschaffen könnte, so groß und so schwer, daß er ihn selbst nicht hochheben kann.

🙂


quarc
23.4.2010 19:21
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Eine Gottesgegenbeweis kann natürlich auch die katholische Kirche
nicht liefern, sondern allenfalls eine Widerlegung Deiner Annahme (b).
Aber selbst da kann ein Gläubiger sich darauf zurückziehen, dass
Gottes Wille eben für uns nicht ersichtlich ist, weil wir nur
einen räumlich und zeitlich begrenzten Ausschnitt der Welt erfassen.

Die Bibel und andere Märchenbücher kann man natürlich nicht nur
nach logischen Gesichtspunkten beurteilen, obwohl auch eine erfundene
Geschichte besser wirkt, wenn sie wenigstens in sich stimmig ist.
Deren Funktion ist ja nicht eine wirklichkeitsgetreue Darstellung
der Welt, sondern der Transport von Vorstellungen.
Das mythische ist als deren eigentliche Funktion.

P.S.: wieso eigentlich “der Gott” und nicht “das Gott”?
Durch die Zuschreibung eines Geschlechts wäre Gott doch
automatisch unvollkommen, nicht wahr? Eigentlich sollte
es eine unendlichdimensionale Sphäre sein.


nadar
23.4.2010 19:22
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Wenn deine “Menschen als Schöpfer”-Theorie in Realität gestalt annimmt, werden sich etliche Fragen klären:

z.B.: (da der Mensch so widersprüchlich, krude un in sich verschoben ist:)
> Und was sollte sich ein Gott dabei gedacht haben, von Menschen zu
> erwarten, an diesen Kram zu glauben, ihn aber gleichzeitig so zu bauen,
> daß sich das alles seiner Logik widersetzt? Hat der vielleicht Spaß an
> solchen perfiden Konstruktionen?”

und

dass die Menschen durchaus Geschöpfe sein, mithin einen Schöpfer haben können, da sie selbst bewiesen haben, dass man Leben erschaffen kann.

my2c


Könnte der Papst Gott exkommunizieren?

Ja, die Götter, die vorher auf dem Vatikanhügel regierten wurden auch rausgeschmissen.

Carsten

Gott sei Dank bin ich Atheist


Stefan W.
24.4.2010 12:53
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quarc: “Aber selbst da kann ein Gläubiger sich darauf zurückziehen, dass Gottes Wille eben für uns nicht ersichtlich ist, weil wir nur
einen räumlich und zeitlich begrenzten Ausschnitt der Welt erfassen.”

Wenn kein Mensch Gott erfassen kann – wie kommt er dann ins menschliche Bewußtsein? Wenn Du ihn nicht erschaffen hast, dann müssen die Vorväter ihn erfasst haben, was sie aber auch nicht konnten – aber wo sonst soll er herkommen?

nullplan: “Ach ja, und komm mir jetzt bitte nicht mit Logik. Logik funktioniert hier nicht, weil die Bibel nunmal ein verdammt mystisches Buch ist. Das ist mit Logik nicht zu erklären. Logik und Mystik sind Gegensätze.”

Auch wenn Du Dir Mühe gegeben hast, ist letztlich nichts dabei rausgekommen, als ein Apell an unsere Logik und unsere Vernunft. Lies Deine Argumente nochmal, und Du stellst fest, daß Du nur ganz partiell die Logik und Vernunft ausgeschaltet wissen willst – noch bevor der Satz zuende ist, ist sie wieder da, die Vernunft und die Logik.

Man soll an Gott glauben, weil man davon einen Vorteil hat – ewige Leben, Erleuchtung, Finden des inneren Selbst, Erlösung – such Dir was aus. Großes Palaver um dann auf ein ökonomisches Nutzenkalkül zurückzufallen. Gäbe es einen echten Glauben ans ewige Leben, die Leute würden nicht so verbissen am wahren Leben hängen. Die Welt ist voller Atheisten – die einen geben es auch freimütig zu, und die anderen versuchen noch sich und den anderen was vorzumachen.

Selbst die Selbstmordattentäter geben ihr Leben nicht leichtfertig dahin, sondern opfern es mit dem Gestus dessen, der etwas wirklich kostbares opfert, und damit dementieren sie, was sie zu behaupten vorgeben, und weisen sich selbst als die Spinner aus, die sie befürchten zu sein.

Nein, nullplan, es ist kein originär protestantischer Glaube, daß Jesus für die Sünden aller Menschen, also auch der Sünden Mixas ans Kreuz genagelt wurde – das denken auch die Katholiken.

Eine furchtbare Idee, daß man mit einem Menschenopfer die Verantwortung für einen anderen übernehmen kann – ein barbarischer Schwachsinn, der anders nicht bezeichnet werden kann.


quarc
24.4.2010 21:46
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@Stefan: Man kann durchaus Dinge im Bewusstsein haben, die man
nicht vollständig versteht. Dafür spielt der ontologische Status
der betreffenden Sache erst einmal keine Rolle, es betrifft
gleichermaßen reale Lebewesen (Katze, Ehefrau, Chef), Märchenfiguren
(Gott, Osterhase, Frau Holle) oder abstrakte Konzepte.


yasar
27.4.2010 19:12
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Hier ein Artikel, der über die “hypnotische/psychedelische” Wirkung von Religion berichtet:

http://www.inklingmagazine.com/articles/if-i-may-be-so-bold-how-charisma-inhibits-the-brain/

Gefunden bei fefe.


Stefan W.
28.4.2010 16:45
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@quarc: Mit welchem Recht spricht man denn von Gottes Wille, wenn man nichts wirklich verstehst? Man möchte haben, es gäbe einen Gott, und unterstellt dann einfach, es gäbe einen, dem man dann verschiedenes andichtet – dass man Fleisch nicht im Topf braten darf, in dem man Milch gekocht hat, weil — weil — weil – weil Gott das nicht will. So.

Je undeutlicher dieser Gott ist, umso deutlicher ist sein Wille. Richte Dich hin, und nimm paar Ungläubige mit, und 72 Busenwunder werden Dich im Jenseits verwöhnen. Auch mit Peitsche, wenn Du darauf stehst. 🙂


anna
28.4.2010 17:30
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Unsere physische Existenz ist an die Gesetze von Raum und Zeit gebunden. Der Ursprung der Schöpfung liegt jedoch jenseits von Zeit und Raum. Die Existenz wurde sozusagen aus dem Nichts erschaffen oder zutreffender: Das Nichts und das Etwas existieren gleichzeitig. Unser begrenzter, weil polarer Verstand kann sich diesen Zustand aber nicht vorzustellen. Deshalb gibt’s in den meisten Religionen Metaphern, die diesen Zustand beschreiben.

In diversen jüdischen Schriften wird der Ursprung der Existenz als Ain Soph Or bezeichnet, frei übersetzt: als unendliches ewiges göttliches Licht. Soph Or ging aus Ain hervor, dem unendlichen göttlichen Nichts, im Buddhismus spricht man von Nirvana. Der Begriff Ain oder Nirwana bezeichnet einen Zustand unbeschreiblichen transzendentalen Friedens, vergleichbar einem Meer bei Windstille. In der Genesis ist insoweit vom Geist Gottes die Rede, der vor Beginn der Schöpfung über den Wassern schwebt.

In den indischen Schriften wird die transzendentale Quelle der Schöpfung als Bhagavan bezeichnet: als erhabenes transzendentales Licht, siehe Ain Soph Or. Andere indische Bezeichnungen für Gott sind Paramatman und Parabrahman, was dem christlichen heiligen Geist, bzw. der jüdischen Shekinah entsprechen dürfte.

Paramatman bezeichnet den persönlichen, d.h. den geistigen und seelischen Aspekt Gottes, während Parabrahman sich auf die göttliche Energie bezieht, die alles durchdringt und aus der die Schöpfung hervorgeht. Bhagavan, Paramatman und Parabrahmen sind gleichzeitig vorhanden, ebenso wie die Sonne gleichzeitig Licht und Wärme spendet. In seiner gestalthaften Form wird Gott in Indien als Vishnu verehrt, der in einem Zustand von neverending blissfullness auf dem Ozean der Ursachen ruht und in immer neuen Inkarnationen auf der Erde erscheint, um die spirituelle Entwicklung der Wesen zu fördern.

Traditionell zählt es zu den Aufgaben eines indischen spirituellen Meisters, dass dieser das negative Karma seiner Schüler auf sich zieht, um diesen zu einem raschen spirituellen Fortschritt zu verhelfen. Das Prinzip ist ungefähr so, als wenn der ältere Bruder sich die Mathe-Aufgabe vom kleinen Bruder oder von der Schwester auf seinen Rechner holt und diese erledigt, damit der Bruder endlich mit den Hausaufgaben fertig wird und man zusammen noch Ball spielen kann.

Aus dieser Sicht der vedischen Schriften könnte man Jesus Christus als Maha-Guru, als höchsten Meister bezeichnen, da Christus nach der Überlieferung die Sünden der ganzen Welt auf sich genommen hat

Aus Sicht der vedischen Schriften bezieht sich der Begriff der Evolution nicht alleine auf biologische Aspekte, sondern insbesondere auf die spirituelle Entwicklung der Lebewesen. Solange diese nicht abgeschlossen ist, muss die Seele nach vedischer Auffassung immer wieder neu in den leidvollen Kreislauf der Geburten eintreten. Die vedischen Schriften beschreiben, nach welchen Gesetzmässigkeiten die spirituelle Entwicklung der Lebewesen erfolgt. Die Vorstellung von Tod und Wiedergeburt existiert übrigens auch in der jüdischen Philosophie und wird dort als Gilgul bezeichnet.

Auch im alten Griechenland war das Prinzip der Reinkarnation bekannt: Nach dem Tod wurde die Seele von Charon über den Styx gebracht und verbrachte ihre Zeit im Hades, entsprechend ihren Taten entweder im Tartarus oder auf den Inseln der Seligen. Nach Ablauf der von Hades zugemessenen Zeit wurde die Seele auf der Erde neu geboren. Hierzu musste die Seele den Fluss Lethe durchqueren. Das Wasser der Lethe war das Wasser des Vergessens was bewirkte, dass die Seele sich nach der Geburt nicht mehr an die vorangegangenen Erfahrungen erinnern konnte. Im Buddhismus wird der Zustand zwischen Tod und Wiedergeburt als Bardo bezeichnet.

Nach der vedischen Überlieferung liess Vishnu aus seinem Nabel eine Lotusblume entstehen. Aus dieser wurde Brahma geboren. Brahma erhielt von Vishnu den Auftrag, das Universum und die Lebewesen zu erschaffen. Darüberhinaus wurde Shiva erschaffen, der die physischen Formen in periodischen Zeitabständen zerstört, um Raum für immer neue Formen zu schaffen. In Indien beten die Menschen zu Shiva, dass er ihr negatives Karma und ihr falsches Ego zerstören möge, damit die transzendentale Natur sich entfalten kann, die im Menschen vorhanden ist. In Indien wird die Schöpfung unter anderem als lila, als Spiel Gottes bezeichnet. Ein Beiname von Gott lautet Ranganatha – Theaterdirektor. Wir sind sozusagen die Schauspieler. Und bei der Geburt finden wir das vor, was wir in früheren Inkarnationen hinterlassen haben. Und was wir mit der aktuellen Inkarnation anfangen, dürfen wir selbst mitentscheiden, ein himmlisches Improvisationstheater sozusagen.

Und wer intelligent ist, bemüht sich um spirituelles Wachstum, denn aller Besitz und alle Macht, die ein Mensch in seinem Leben erlangen kann, werden hinter ihm zu Staub zerfallen. Natürlich ist Wohlstand nichts Schlechtes – ich schlaf auch besser, wenn das Konto schwarze Zahlen schreibt – die Frage ist nur wie er erworben wird. Denn das einzige, was der Mensch nach seinem physischen Tod mit sich nimmt, sind seine Gedanken, seine Handlungen und sein spirituelles Bewusstsein, das er sich erworben hat – die Seele als transzendentaler Microchip sozusagen.

Aurobindo bezeichnete Gott einmal als ewiges Kind, das in einem ewigen Garten ein ewiges Spiel spielt. Und das Kind sind wir in letzter Konsequenz selbst. Die vedischen Schriften besagen insoweit, dass alle Lebewesen aus derselben transzendentalen Quelle kommen. Und es gibt nur ein Bewusstsein, es gibt keinen Plural. Zwar nehmen wir uns als individuelle Wesen war. Die vedischen Schriften bezeichnen diesen Zustand jedoch als maya, als Täuschung. Denn hinter dem individuellen Bewusstsein liegt das kollektive Bewusstsein, in welches alle Gedanken und Empfindungen aller Wesen einfliessen. Wer einem Wesen schadet, schadet allen Wesen und damit in letzter Konsequenz sich selbst. Und wer einem Wesen hilft, hilft allen Wesen, und damit in letzter Konsequenz ebenfalls sich selbst. Alles sehr einfach. Wir überblicken den Zusammenhang aber oft nicht, weil dieser erst im Verlauf von mehreren Inkarnationen zum Ausdruck kommt.

In den vedischen Schriften wird die menschliche Geburt als überaus kostbares Geschenk beschrieben, welches erst nach zahllosen Inkarnationen als Pflanze und Tier erreicht wird. Aus dieser Sicht bietet nur die Inkarnation als Mensch als einzige irdische Form die Möglichkeit, sich aus dem Kreislauf von Geburt und Tod zu lösen. Nach Auffassung der vedischen Schriften sollte der Mensch die kurze Lebenszeit deshalb nicht mehr als nötig mit den notwenigen Handlungen zur Erhaltung des Körpers verschwenden, sondern mithilfe der in den heiligen Schriften empfohlenen Lebensweise die im Menschen angelegte transzendentale Natur zur Entfaltung bringen. Denn nach vedischer Sichtweise führen alle anderen Handlungen dazu, dass wir uns immer tiefer in den Kreislauf von Tod und Wiedergeburt verstricken und im schlimmsten Fall wieder als Tier geboren werden. Aus dieser Sicht sind Tiere sozusagen unsere jüngeren Geschwister, die irgendwann selbst die Geburt als Mensch erlangen werden. Aus diesem und aus anderen Gründen wird den Menschen vegetarische Ernährung empfohlen.

Was andererseits natürlich nicht heisst, dass man sich des Lebens nicht erfreuen soll, es geht nur drum, dass man das Wesentliche nicht verpasst.

Als Basis-Meditation wird in Indien das Singen von Mantren empfohlen, da diese das Bewusstsein reinigen und eine direkte Verbindung zur transzendentalen Quelle herbeiführen können. In Indien fällt es den Menschen anscheinend auch nicht schwer, modernes und spirituelles Leben miteinander zu verbinden.

Hier noch zwei, drei Youtub-Sequenzen, die mich grad vor dem Aktenkoller und anderen unerfreulichen Zuständen bewahren:

http://www.youtube.com/watch?v=e9H4YbGttMs

http://www.youtube.com/watch?v=B4V4hhlUeAM

http://www.youtube.com/watch?v=ZwxoxMmuqMs


Hadmut
28.4.2010 18:10
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Hare Krishna hat mir gerade noch gefehlt. Immerhin machen sie bessere Musik und bessere Tänze als die europäischen Katholiken.

Und diese Hilfskonstruktion, daß Gott außerhalb der Erkenntnisfähigkeit des Menschen liegt und man ihn deshalb nicht sehen, beweisen, begreifen kann und man sich deshalb einfach wider den Verstand einbilden möge, daß da einer wäre, geht mir völlig gegen den Strich. Damit kann man in grenzenloser Beliebigkeit und Willkürlichkeit alles behaupten und nichts widerlegen. Gott soll mich so gebaut haben, daß ich ihn nicht sehen kann, und trotzdem will er, daß ich ihn anbete? Sind wir hier beim Versteckspielen?

Je mehr mir die Leute von ihrem Gottbild erzählen, desto mehr bin ich der Auffassung, daß dieser Gott, wenn es ihn gäbe, nicht anbetungsfähig sondern absurd wäre.

Näme man an, daß es diesen Gott so, wie ihn die Religionen beschreiben, tatsächlich gäbe, müßte er ein extremer Spaßvogel oder böser Zyniker sein.


quarc
28.4.2010 19:19
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@Stefan (oder auch @Hadmuth wegen Hilfskonstrukt?):
Verständnis ist kein “alles oder nichts” Spiel.
Man kann von “Gottes Wille” genauso sprechen, wie man auch vom
“Willen des Osterhasen” sprechen kann, auch dann wenn man den
Willen der betreffenden Figur nicht _vollständig_ versteht.
Für mich sind beide Figuren, Gott und der Osterhase, Phantasieprodukte.
Ein Gläubiger (oder ein kleines Kind, das den Osterhasen noch für real
hält) mag das anders sehen, wird aber dennoch in der Lage sein, mit
mir darüber zu diskutieren, was z.B. der Osterhase denn eigentlich mit
diesem Eierverstecken bezweckt.


Thomas
15.5.2010 22:13
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Wenn du Atheist bist, muss ich mir dann jetzt überlegen, wie ich mich nenne, wo ich der auffassung bin, gott ist, wenn es ihn je gegeben hat, unwichtig und insgesamt: irrelevant?
Für mich bedeutet Atheismus im Grunde die Idee von Gott selbst zu zerstören, sowie ein absolut gleichgültiger Mensch “die Idee der Gleichgültigkeit selbst zerstören müsste.” (E.M. Cioran)

Wobei ich gerade nicht weiß, wie legitim es wohl ist, Gleichgültigkeit und Gott so zu analogisieren… aber wen sollte das auch stören? Die Gleichgültigkeit ja wohl nicht und das andere ist eben belanglos…


Hadmut
16.5.2010 12:13
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Hab ich jetzt ehrlich gesagt nicht so ganz verstanden. Der eine sagt, Gott gibt es gar nicht, der andere sagt, Gott existiert nicht als übergeordnete und anbetungswürdige Existenz, also nicht als das, was viele als Gott bezeichnen. Ob man da nun einzelne Teildisziplinen draus machen sollte, halte ich für fraglich, denn dann wäre man wieder bei religiösen Feinheiten, als ob man eine Art katholischen und evanglischen Atheismus gründen wolle. Ich halte es für den Atheismus für wesentlich, daß man sich mit solchen – ja selbst wieder einem Glauben unterliegenden – nicht abgibt, solange es nicht überhaupt irgendwelche nicht einmal ansatzweise greifbaren Hinweise auf irgendetwas übergeordnetes gibt (und sich das nicht, wie bei vielen religiösen Menschen in der Unsinnigkeit erschöpft, da die Überordnung ja gerade darin liege, daß wir sie nicht sehen und begreifen können und die Unsichtbarkeit die Existenz erzwingt).

In den letzten Tagen kam ja viel Kirchenkram im Fernsehen. In einer Talkshow hat irgendein Katholischer Funktionär (Pfarrer oder Bischof oder sowas) einem Atheisten vorgehalten, daß sein Atheismus ja auch nur eine Form einer Religion wäre. Worauf der Atheist sagte, daß Atheismus so sehr eine Religion sei wie Briefmarken nicht zu sammeln ein Hobby.