Ansichten eines Informatikers

Google und die WLAN-Erfassung – bei uns kommen die Daten aus der Steckdose

Hadmut
22.4.2010 21:25

Gesellschaftliches Gruppen-Pumpen.

Wie in diesem Blog schon öfters erwähnt, können mein iPod und mein Android auch ohne GPS verblüffend genau feststellen, wo ich bin.

Beim Android kann man das GPS abschalten (funktioniert in Gebäuden ohnehin nicht). Als nächste Variante kann das Ding anhand der Mobilfunkzelle feststellen, wo man ist, liegt dabei aber gerne auch mal mehrere hundert Meter daneben. Und dann eben über WLAN verblüffend gut. Und der iPod hat gar nichts anderes als WLAN, und trotzdem weiß das Ding, wo es ist. Anhand der WLAN-Daten.

Woher die wissen, welches WLAN wo ist, war mir bisher nicht klar, darüber habe ich schon mit verschiedenen Bekannten aus meinem Informatiker-Dunstkreis diskutiert. Die Vermutung lag bei irgendwelchen Wardrivern, Hackern, Amateure. Das Google das aber irgendwoher wissen muß, war klar, sonst würden Google Maps und Android das ja nicht wissen. Neu ist die Erkenntnis nun wirklich nicht. Und der iPod ist ja auch nicht erst seit gestern in Mode.

Heute kam raus, daß Google mit seinen Street View Autos auch WLANs erfaßt.

Schockschwerenot. In allen Medien herrscht Empörung, die Datenschützer auf 180. Und das nicht unbegründet. WLANs sind personenbezogen, denn irgendwem gehört die Basisstation, und das ziemlich oft Privatpersonen. Damit kann man durchaus Unfug treiben. Wer als Detektiv beispielsweise herausfinden will, wohin einer umgezogen ist (dürfte in den USA sicherlich ein häufiges Thema sein, wo es kein Melderecht gibt und Leute sich beliebig umbenennen können), dann schaut er mal nach, welche Basisstationen kürzlich noch am alten Wohnort standen und jetzt woanders sind.

Ich persönlich fühle mich davon eher wenig betroffen. Nicht weniger als 9 verschiedene WLANs finde ich selbst mit Stummelantenne in meiner Wohnung. Daß ich hier wohne, steht übrigens am Briefkasten und Klingelschild. Zwar sind die zu klein und zu unzugänglich angebracht, als daß Google die lesen könnte. Die wissen aber sowieso wo ich wohne, denn Google frißt auch mein Impressum (könnte ich eigentlich bei der Gelegenheit mal ins robots.txt packen…). Im Ripe-Eintrag meiner Domain steht’s aber auch. Also entsteht mir nicht so wirklich ein erkennbarer Schaden durch solche Erhebungen. Da ich aber sehr gerne Google Maps verwende und mich freue, wenn mein Handy auch in einem Gebäude relativ ordentlich bestimmen kann, wo ich bin, muß ich sagen, daß ich trotz meiner berufbedingten Security-Neurose und meiner – wie mir wohl kaum jemand absprechen kann – nicht ganz unkritischen Sichtweise derzeit eher Vor- als Nachteile für mich persönlich sehe.

Obwohl – die Sache ist vertrackt. Manchmal sieht man die Gefahren erst, wenn es zu spät ist. Oder man kommt nicht immer drauf. Kürzlich schrieb hier mal ein Kommentator, daß kriminelle Banden Google Maps nutzen, um Raubmöglichkeiten für Metall auszukundschaften. Ich bin mir (noch) nicht sicher, was ich davon halten soll. Daher ist es auf jeden Fall richtig und vertretbar, auf den Umstand zumindest mal hinzuweisen und drüber nachzudenken.

Fragwürdig erscheint mir jedoch, wie das jetzt passiert. Bisher hat es doch auch keinen gestört. Noch nie hat jemand danach gefragt, ob War-Driving ein Datenschutzproblem ist, und niemand hat es gestört, daß Google dieselben WLAN-Daten bisher schon de facto hatte, nur eben aus unterschiedlichen Quellen aufgekauft. Jetzt plötzlich, wo man sich beobachtet fühlt, ventiliert man Dampf und Geschrei, es wird wieder einmal eine Sau durchs Dorf getrieben. Würde mich interessieren, wieviele der Leute selbst gerne Google Maps auf iPod & Co verwenden, oder demnächst auf iPad. Wozu Daten sammeln? Bei uns kommen die Daten aus der Steckdose.
Es besteht eine gewisse Verwandtschaft zur Kernkraftdebatte. Konsumieren ja gerne, aber produzieren bitte nicht bei uns.

Manchmal habe ich auch den Eindruck, daß Datensammeln nur dann wirklich böse ist, wenn Google drauf steht. In der freien Wildbahn beobachte ich inzwischen über 20 Crawler, die Webseiten abklappern. Die anderen werden in der Presse und der Datenschutzdiskussion aber nie erwähnt.

Immerhin hat man Facebook kürzlich ja mal so ein bischen angerügt. Die bauen jetzt gerade so die ganz großen Datenschweinereien auf. Nur: Was schert eine US-Firma wie Facebook unser Datenschutzrecht? Ungefähr so viel, wie wir das amerikanische Datenschutzrecht als für uns maßgeblich ansehen. Facebook beruht darauf, daß die Leute denen in Scharen ihre Daten hinterherwerfen. Und würde man darauf kommen, die Leute mal fundiert zu warnen? Nöh.

Käme die Bundesregierung – oder dieses inzwischen neu eingerichtete Operetten-Gremium des Bundestags namens Internet-Enquette-Kommission – mal auf die Idee vorzuschreiben, daß man ordentlich erkennen kann, ob ein Webseitenanbieter/-shop überhaupt deutschem Recht entspricht? Ich hatte kürzlich mit einem beruflich zu tun. Der wollte was von mir. Dienstlich. Beschwerte sich über einen Vorgang mit seiner Webseite. Daraufhin habe ich ihn zurückgefragt, wer oder was er denn überhaupt so genau sei. Denn auf seiner Webseite hätte ich keinerlei Impressum gefunden. Seine Antwort: Seine Firma sitzt in Griechenland, und da gibt es keine Impressumspflicht. Und was die Griechen ansonsten von EU-Recht halten, sehen wir gerade in den Nachrichten. Da läuft ohne Korruption gar nichts mehr, und von Datenschutz halten die da sicherlich auch nicht mehr.

Bevor man also ein solches Geschrei wegen des WLAN-Scans macht, könnte man sich zunächst mal wichtigeren Punkten zuwenden. Oft habe ich aber den Eindruck, daß es gar nicht um Datenschutz geht, sondern darum, sich wichtig zu tun und mal die Position zu markieren. Datensammlung ist erst dann publizitätsfähig schlecht, wenn da auch einer mit gruselig-bedrohlichen Kamera-Autos rumfährt, damit man sich so richtig subjektiv überwacht fühlt. Da wird viel mit Angst gearbeitet. Das übliche Schema der Demagogie: Fear, Uncertainty, Doubt.

Schaun wir mal, ob dieser Enquete-Kommission irgendwas halbwegs seriöses dazu einfällt.

4 Kommentare (RSS-Feed)

buliwyf
22.4.2010 22:00
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Das eigentlich witzige an der Sache ist, dass schon seit 1-2 Jahren bekannt ist, dass Google auch Wlans scannt. Neu ist das nicht. Weiterhin gibt es jede Menge andere Unternehmen die so etwas tun, aber da regt sich niemand auf.
Nur beim ach so bösen Google.


Hadmut
22.4.2010 22:20
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Siehe dazu auch diesen SPIEGEL-Artikel.


yasar
23.4.2010 8:43
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Also ich sehe das mit dem WLAn pragmatisch:

Wenn man nicht will, daß andere Leute wissen, wie mein WLAN heißt und welche MAC meine geräte haben, darf ich das auch nicht herausposaunen und sollte dann einfach meinen AP abschalten.

In
http://mp4-download.swr3.de/latenight/sonstiges/20100421/facebook_trifft_realitaet.m.mp4 ist sehr schön bildlich dargestellt, was die Leute im Prinzip mit Ihren Daten anstellen.

Datenbanken mit WLANs gibt es, wie die meisten von uns wissen, ja schon länger und die Bösen(TM) haben diese schon früher genutzt als Apple mit Ihrem iPhone.

Vieles kommt auch daher, daß die Leute auch abenteuerliche Vorstellungen haben, was google kann und was nicht (siehe z.B. das heise-Forum zu dem Thema). Da glauben die Leute z.B. doch tatsächlich, daß google die MAC Ihres Routers mitbekommt, wenn die sich beim Provider einwählen. Keine Frage, wenn google in google-analytics entsprechende Skripten/Add-Ons einbauen würde, die per arp die lokalen MACs ausspähen, könnten die das schon, aber das wäre deutlich auffälliger.

Natürlich kann man mit einer genügend großen Datenbank von WLANs und MAC Adressen auch Blödsinn anstellen, aber dazu benötigt man google nicht. Von daher ist das alles nur künstliche Aufregung, im Gegensatz zu der Diskussion um Streetview, bei dem man genau abwägen muß, wie weit man die persönlichen Freiheiten beschränken darf.


Mach doch ein Bildchen aus Deinem Impressum — oder verlaß Deutschland. Ein Bildchen wirkt besser als robots.txt.

Wer etwas veröffentlicht muß damit leben, daß es öffentlich ist. Genauso könnte man sich über archive.org aufregen. Über das Internet wollen heute Leute entscheiden, die gestern noch Stolperschutz für WLAN-Kabel forderten — das ist das Problem. Es ist auch ein ideologisches Problem, das sich einfach mit Freiheit oder keine Freiheit benennen läßt. Auch an der Panoramafreiheit sieht man das. Es gibt nur eine einzige klare Entscheidung, die für die Freiheit. Dann muß man eben alle Sauereien aushalten. Der andere Fall ist wesentlich schlimmer.

Gruß
Carsten

http://ruthe.de/cartoons/strip_0608.jpg