Ansichten eines Informatikers

Wenn mal Sprüche so richtig danebengehen…

Hadmut
3.4.2010 22:31

Noch einen aus der Reisenachlese. Kann ja auch nicht immer alles so klappen wie ich mir das vorstelle.

Da war ich doch neulich in Whakatane in Neuseeland auf einer Bootstour zu einem aktiven Vulkan auf White Island. Da geht es an manchen Stellen ziemlich heftig zu, man braucht Helm und ne leichte Gasmaske und bekommt trotzdem an manchen Stellen wegen der heißen und sauren Schwefeldämpfe kaum Luft. Und hinterher geht man noch im offenen Meer schwimmen, und immerhin ist man ja auch in einem eher überschaubaren Boot zwei Stunden unterwegs, weshalb man eigentlich annehmen sollte, daß die Leute, die da mitgehen (und das auch überstanden haben) nicht so ganz labil und dünn besaitet sind. War ein toller Tag, und alles schien bestens, gute Reisegruppe.

Auf dem Rückweg passierte es dann: Es war an diesem Tag ungewöhnlich starke Ebbe und das Boot lief in der engen Hafeneinfahrt auf Grund. Nicht schlimm, nur auf Sand, man hat nicht einmal etwas davon gemerkt, das Boot hat einfach nur irgendwann aufgehört zu schaukeln und hat sich trotz laufender Motoren nicht mehr bewegt. Der Kapitän hat geflucht. Die Passagiere wurden unruhig, einige bekamen regelrecht Panik. Seltsam, vorher auf dem offenen Meer fanden die das ganz normal, selbst bei starkem Seegang und Wetter, und jetzt bei bestem Wetter und völlig stillen Bedingungen in der Hafeneinfahrt bekommen die die Krise. Als ob ein auf Grund gelaufenes Boot sofort sinken würde. Das Ufer war kaum 10 Meter entfernt, und vermutlich hätte man in dem wegen Ebbe flachen Wasser sogar stehen können. Manchmal spielen dort sogar die Kinder im Wasser mit einem wilden Delphin, der da seit einigen Tagen immer in die Bucht zum Spielen kommt. Gefahrenpotential gleich Null. Dann hatte der Kapitän die Tür zu seinem Fahrstand offen gelassen und das Funkgerät auf volle Lautstärke gedreht. Er teilte der Hafenverwaltung mit, daß er gerade mitten in der Einfahrt auf Grund gelaufen wäre und deshalb niemand mehr rein oder raus könne. Der Typ von der Hafenverwaltung war ganz cool und entspannt, und meinte in aller Ruhe und Gelassenheit, daß man da jetzt auch nichts machen könne, und das eben jetzt so wäre, und wir da halt noch ne Stunde warten sollen, bis sich das Problem von selbst erledigt. Wär gerade sowieso nichts los. Jo, das hört sich doch gut an. Bestes Wetter, noch ein bischen auf dem Boot rumhocken und den Vögeln zugucken, vielleicht den Delphin sehen, im Urlaub nur keinen Streß, keine Hektik oder Arbeit aufkommen lassen. Zurücklehnen und den Tag genießen.

Die anderen sahen das anders. Die hatten da Lust auf Aufregung und Panik.

Das lag vielleicht auch daran, daß die keinen Proviant dabei hatten. Zwar gibt es auf der Bootstour ein kleines, teils warmes Mittagessen, aber das war alles schon weggefressen. Die meinten jetzt, weil sie noch ne Stunde in Sichtweise des Ufers zu warten hätten, da verhungern zu müssen oder so. Jetzt hatte ich aber in weiser Voraussicht noch ein paar Bananen im Rucksack. Und fing an, die genüßlich, breit und langsam kauend zu verspeisen. Naja, bevor sie schlecht oder zerdrückt werden. Bananen zu fressen kann provozieren.

Sofort tadelnde Blicke der anderen, vornehmlich älteren Passagiere. Offene Vorwürfe wurden geäußert, wie ich in einer solchen Situation ans Essen denken könnte, noch dazu, wo die anderen nichts zu essen dabei hätten. Als ob wir mit dem Flugzeug auf einer einsamen Insel abgestürzt wären und ich gerade allein die Vorräte der ganzen Gruppe wegfressen würde. (Hatte die Titanic eigentlich Bananen an Bord?)

In so gespieltem Ernst erkläre ich in dozierendem Ton, daß das wichtigste in so einer Situation wäre, Ruhe zu bewahren und Gewicht zu reduzieren. Survival-Erfahrungen eines langjährigen Globetrotters. Und dazu würde ich eben die Bananen essen müssen. So in Anspielung an einen blöden Witz von Leuten im Heißluftballon, die zuviel Ballast dabei haben und deshalb ihren ganzen Proviant aufessen. Ich hatte erwartet, daß jemand lacht.

Lachte aber keiner. In vorwurfsvollem und gereiztem Ton wurde ich getadelt, ich möge mich doch nicht lächerlich machen, so ein paar Bananen hätten doch im Vergleich zum Boot viel zu wenig Gewicht um einen Unterschied zu bewirken. Den vermeintlichen Gag, daß die Banane in meinem Magen immer noch dasselbe Gewicht hat und nicht einfach weg ist, haben die nicht mitbekommen. Die dachten echt, wenn man sie ißt, ist die Banane weg, aber einfach zu leicht um etwas zu bewirken. Deshalb sei es in keiner Weise gerechtfertigt, vor den Augen anderer bananenloser Menschen in Angst Bananen zu verspeisen. So als würde ich mit solchen sinnlosen Rettungsversuchen ihr aller Leben gefährden.

Liebe Güte.

Ich versuchte die Situation zu retten. Im Te Papa Museum hatte ich ein paar Tage zuvor eine alte rostige Kanone gesehen. Auf einem Schild stand, was es mit dieser Kanone auf sich hat: Einer der Entdecker von Neuseeland, der berühmte James Cook, war mit seinem Schiff Endeavour 1770 vor Australien am Great Barrier Reef auf Grund gelaufen. Um das Schiff wieder flottzukriegen (die waren ja damals völlig auf sich selbst gestellt und konnten nicht einfach Hilfe rufen) haben sie Ballast über Bord geworfen, darunter 6 der Kanonen. Da lag sie dann 200 Jahre im Meer herum, bis die Australier sie wieder herausgeholt und den Neuseeländern zum zweihundertjährigen Jubiläum der Landung James Cooks geschenkt haben.

Also versuchte ich, das Thema von den Bananen weg zu James Cook und der Entdeckung Neuseelands zu lenken, und erzählte daß James Cook in derselben Situation ja die Kanonen über Bord geworfen habe. Auf englisch eben “cannons”.

Nächster Fettnapf.

Schräg gegenüber saß einer, der sofort energisch protestierte. Bevor wir die Canons über Bord schmeißen, müßten erst mal die Nikons dran glauben. Er hatte nämlich eine Canon und ich eine Nikon. Der war etwas heller, ich glaube, der hat’s kapiert und nur seinerseits ein Späßle gemacht. Den aber wiederum die anderen nicht verstanden haben. Ich möge doch erst einmal meine eigenen Sachen über Bord werfen bevor ich das von anderen Passagieren verlange. Mißtrauische Blicke. Als ob James Cook 1770 Digitalkameras versenkt hätte.

Irgendwie nicht mein Tag heute.

Inzwischen hatte die Besatzung das Boot doch wieder flottgekriegt. Ähnlich wie James Cook. Sie hatten das Beiboot einfach zu Wasser gelassen und hinter sich hergezogen, und noch etwas aus dem Frischwassertank abgelassen, was gereicht hat, um zum Kai zu fahren.

Nachtrag: Ist das nicht gruselig? Obwohl die Sache schon rund vier Wochen her ist, mußte ich gestern abend spontan an die Sache mit James Cook und daß er am Great Barrier Reef auf Grund gelaufen ist, denken, und habe den Artikel geschrieben. Heute morgen kam im Radio, daß ein Chinesischer Kohlefrachter am Great Barrier Reef auf Grund gelaufen ist. Oder um es mit der australischen Dame Edna zu sagen: Isn’t it spooky?

Nachtrag 2: Das war am übernächsten Tag nach dem Erdbeben in Chile und der Tsumani-Warnung für Neuseeland und Australien. Laut den Leuten vor Ort hätte man von dem Tsunami außer einer etwas stärkeren Flut und damit mehr aus den Flußläufen ausgespülten „Debris” nichts davon gemerkt. Könnte also durchaus sein, daß der Pazifik insgesamt noch etwas am hin- und herschwappen war und deshalb die Ebbe so niedrig ausgefallen ist. Der Veranstalter ist übrigens dieser hier (Pee Jay). Da sieht man auch das Schiff.

7 Kommentare (RSS-Feed)

pepe
4.4.2010 13:32
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Hehehe…die Kameras ueber Bord werfen, koestlich…

In so einer ernsten Situation haettest du vielleicht die Bananenschale ueber Bord werfen koennen. Aber vorher sicher stellen dass kein Deutscher darunter ist, sonst eskaliert die Lage vollends…(Bananenschalen sind gespritzt!)


Hadmut
4.4.2010 14:10
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Ganz schlechte Idee. In Australien und Neuseeland ist es äußerst verpönt, Müll irgendwohin zu werfen. (Was ich übrigens sehr gut und als sehr angenehm empfinde.)


nadar
4.4.2010 15:07
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Danke für die schöne Geschichte.
Ich dachte bisher, Deutsche wären Weltmaßstab in den Spießer-Top-Ten weit vorn…
😉


pepe
4.4.2010 16:25
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Ja das stimmt wohl. Aber sauberer als in Deutschland ist es hier auch nicht, das sieht man sehr gut wenn man mal den Cleanup Australia Day mitmacht.

“Green” und “Sustainability” sind hier zwar acuh ganz gross im Gespraech. Aber noch mehr als in Deutschland scheint es sich dabei vor allem um oberflaechlichen Schwachsinn zu handeln um den Kunden noch etwas mehr Kohle aus der Tasche zu ziehen. Viel weniger als in Deutschland wird es damit in Verbindung gebracht, seine Lebensgewohnheiten umzustellen. Das schliesst auch so einfach Sachen wie den Standby-Betrieb von Geraeten ein. In Tasmanien wird seit Jahren massiv Druck gemacht und das Abholzen geht munter weiter. Im Kakadu-Nationalpark gibts schonmal gelegentlichen Fallout von einer der groessten Uranmienen der Welt. Korallenbleiche tritt am Great Barrier Reef auch immer haeufiger auf und der Massentourismus hat sowieso grosse Teile des Riffs zerstoert, von daher sollte man sich sowieso beeilen wenn man hier noch was mitnehmen will.


Hadmut
4.4.2010 16:29
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Ja, von dieser Korallenbleiche habe ich gelesen. Was bin ich froh, daß ich da mal schon schnorcheln und tauchen war, bevor es kaputt ist. (Oder hab ich damit selbst an der Zerstörung mitgewirkt?)


pepe
4.4.2010 17:13
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Nee, das ist offenbar ein Vorbote der Klimaerwaermung und tritt weltweit immer haeufiger und laenger auf. Das Problem mit dem Massentourismus ist, dass die Leute sich vielfach nicht kontrolliert unter Wasser bewegen koennen, den Boden geradezu umpfluegen und halt Schaden anrichten.

Bin aber vorhin zufaellig noch auf ein Update gestossen:
http://www.coralcoe.org.au/news_stories/acidocean.html

Scheinbar werden selbst unter besten Vorraussetzungen die Meere so saeurehaltig werden, dass sich keine Korallen mehr bilden koennen und auch diverses andere kalkbildene Getier ab/ausstirbt, mit extremen Folgen fuer ganze Nahrungsketten.

Es wird auch wieder darauf hingewiesen, dass wir in den naechsten 50 Jahren mehrere Krisen auf einmal zu bewaeltigen haben die sich gegenseitig verstaerken. Klimawandel, Wasserknappheit und Hungersnot und das verschwinden von fruchtbarem Boden weltweit wirken nicht gut zusammen. Zugleich haben wir anscheinend die schlimmsten Erwartungen der IPCC uebertroffen. Es werden spannende Zeiten. Besonders spannend in dem Zusammenhang finde ich auch das hier:
http://pcast.sr-online.de/play/fragen/2008-12-01_gen301108.mp3

(Laengerer Podcast ueber aktuelle Erkenntnisse zur Evolution. Im Grunde wird gesagt, dass sich neue Arten vor allem bei hohem Umweltdruck ausbilden und nicht wie bisher gedacht kontinuierlich.)


quarc
6.4.2010 18:47
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Köstlich. Du hattest ja vor einiger Zeit schon einmal von Erlebnissen
im feststeckenden Aufzug berichtet. Vermutlich empfinden manche Personen
das Gefühl, selbst nichts an einer unangenehmen Situation ändern zu können,
als weitaus erschreckender als eine reale Gefahr. Gerade dann, wenn sie
aus Gesellschaften mit eingebautem Machbarkeitswahn kommen.