Ansichten eines Informatikers

Die Lange Nacht der Münchner Museen

Hadmut
18.10.2009 15:03

Oder: Wo ich mich vergangene Nacht herumgetrieben habe.

Seit Wochen hängen hier die Plakate herum, die für Die Lange Nacht der Münchner Museen geworben haben. Über 80 Museen haben von 19.00 bis 02.00 geöffnet und man kommt überall mit einer Eintrittskarte für 15 Euro rein. Noch dazu gibt es Buslinien, die alle 10 Minuten auf verschiedenen Routen von Museum zu Museum fahren, im Preis mit drin. War ja klar, daß ich da hinmuß.

Eine richtig tolle Sache, das hat so richtig Spaß gemacht. Und offenbar nicht nur mir, denn die Museen und die Busse waren gestopft voll, man mußte sich manchmal regelrecht in den Bus zwängen, um noch reinzukommen. Überall liefen die Leute mit den purpurfarbenen Programmheften in der Hand herum. Über mangelndes Interesse können die sich nicht beklagen und haben so eine prima Werbung für Museen gemacht.

Das beste Indiz dafür, daß mir das gefallen hat, war das Tempo, in dem die Zeit verflogen ist. Mal hier, mal da geguckt, und schon war die Nacht auch wieder rum. Gefühlt etwa 2 Stunden hinter sich gebracht. Laut Uhr aber von 18.20 bis 2.50 unterwegs gewesen, also mehr als einen ganzen Arbeitstag.

Angefangen habe ich im Kartoffelmuseum. Naja, es verdient seinen Namen nicht, es müßte eigentlich Pfanni-Museum heißen, denn es geht um die Entstehung der Marke und ihrer Produkte, was ich vorher nicht wußte. Für den Anfang war es aber ein netter Appetizer, zumal es auf dem Weg lag. Immerhin weiß ich jetzt, daß sie irgendwann ende der Dreißiger Jahre sich ganz stolz ihren ersten großen Lastwagen gekauft haben und der ihnen kurz drauf von der Wehrmacht eingezogen wurde – samt Fahrer.

Weiter ins Siemens-Forum. Tolle Musik, schöne Ausstellung über alte Telekommunikation (alte Telegraphengeräte, Hebdrehwähler usw.). Zum Anfassen und selber ausprobieren. Eine Ausstellung darüber, wie wir die CO2-Emissionen reduzieren können.

Dann ins BMW-Museum. Wow. Sieht man von außen gar nicht, daß das so groß ist. Sehr sehenswert. Nicht nur eine Geschichte des Autos, sondern auch eine Dokumentation des wechselnden Zeitgeschmacks. Zwar haben sie da viele schöne alte und neue Autos stehen. Aber das schönste Ausstellungsstück war der Raum mit den schwebenden Kugeln. Kann man nicht beschreiben. Muß man sehen.

Dann kurz in die BMW-Welt, wohl so eine Art Luxus-Verkaufsraum. Schöne Autos stehen herum. Neben jedem ein moderner Touch-Screen, über den man alles mögliche über das Auto herausfinden kann, egal ob man es wissen will oder nicht. Nur die Preise habe ich nicht gefunden. Ich fühle mich nicht wohl wenn mir jemand was verkaufen will und den Preis versteckt. Ich bevorzuge da schöne, altmodische, auf Papier gedruckte und gut lesbare Preisschilder. Ob mich an einem Auto sonst noch was interessiert, kommt später.

Dann in das Rock-Museum. Eigentlich interessierte mich das Museum selbst nicht, sie haben eh nur ein paar Gitarren, ein paar Devotionalien und ein verspiegeltes Klavier, auf dem Elton John mal in den Siebzigern was geklimpert hat. Das interessante ist die Lage: Oben im Olympia-(Fernseh-)Turm. Eintritt im Museums-Nacht-Preis mit drin. Also hoch auf den Turm, gleich raus auf die offene Aussichtsplattform. Wohl so ca. 200 Meter hoch. München von oben um Mitternacht. Könnte soooo romantisch sein. Isses aber nicht. München ist ein Dorf. Und das können sie nicht einmal bei Dunkelheit verbergen. Sieht man von oben ganz gut. Meine Nase meldet, daß es um Mitternacht in 200 Metern Höhe komisch riecht.

Weiter in eine Privatgalerie. Moderne Kunst chinesischer Künstler. Nun war ich gerade eine Woche zuvor schon in einer Münchner Aufführung moderner chinesischer Tanzkunst der Guangdong Modern Dance Company China. Das Schauspiel hinterließ mich ratlos. Die hervorstechendste Eigenschaft war gewesen, daß es mindestens als gewöhnungsbedürftig eingestuft werden mußte. Außer anfänglich etwas chinesischer Geigenmusik und einer Kiste an der Decke, aus der zwei Stunden lang Reis rieselte, hatte das nichts mit China zu tun und bot wenig greifbares, wenig betörendes – jedenfalls mir als bekennendem Banausen. Nicht anders wirkte nun diese Ausstellung auf mich. Seltsames Glas auf seltsame Weise in seltsame Formen geschmolzen. Seltsam. Ich bitte hierbei, den subtilen Unterschied zwischen seltsam und merkwürdig zu beachten.

Weiter ins Landesamt für Vermessung und Geoinformation. (Ja, das ist richtig, ich bringe es fertig, mich nachts um halb zwei in einem Landesamt herumzutreiben.) Hochinteressant. Die machen richtig tolle Sachen da. Beispielsweise haben sie ganz alte Druckerpressen, und einen riesigen Keller voller über 100 Jahre alter großer schwerer Steinplatten, in die man früher die Landkarten im Vermessungswesen spiegelverkehrt eingraviert und nach dem Lithographie-Druckverfahren auf Papier gedruckt hat. Sie führen das nach alter Technik live vor. Ich bin verblüfft, wie gut die Karten sind, die man mit den alten Vermessungs-, Kartographier- und Druckmethoden hinbekommen hat. Erstaunlicherweise hat man dieses Uraltverfahren bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts eingesetzt und dann zunächst durch Offset-Druck mit dünnen Zinkblechen ersetzt. Erst seit ein paar Jahren ist das alles digitalisiert und vercomputerisiert. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß in 150 Jahren mal jemand in einem Museum steht und den Leuten vorführt, wie man damals zu unserer Zeit mit Computern Landkarten erzeugt hat. Die gravierten Steinplatten könnten locker noch 150 Jahre und mehr halten. Unsere Computer ganz sicher nicht.

Weiter geht es zu Luftbildaufnahmen nach dem Anaglyphenverfahren (mit Rot-Grün-Brille) im Posterformat. Geil. Affengeil. Man sieht Fotos von oben, beispielsweise von der Allianz-Arena und nicht nur die Arena steht hoch, sondern alles dreidimensional erfassbar, selbst die Form und Neigung der Straßen und die Bäume. Nun wäre das per se noch nicht so wahnsinnig, Anaglyphenbilder macht heute jeder. Aber sie haben auch Bilder von 1945 mit Blick von oben auf das zerbombte München. Der dreidimensionale Blick auf die Ruinen, wenn man so richtig die einzelnen Mauerrest stehen und die dach- und etagenlosen ausgebrannten Häuserreste wie verfaulte Zähne herumstehen sieht, bekommt man ein viel besseres Gefühl für die Zerstörung. Ich bin erstaunt. Ich wußte gar nicht, daß man nach dem zweiten Weltkrieg Luftbilder mit Stereokammern aufgenommen hätte. Hat man auch nicht, erfahre ich. Ganz normale Schwarzweißbilder haben sie gemacht. Aber davon so viele, daß sich darin auch Bilder-Paare (Zweimal draufgedrückt und das Flugzeug war ein Stück weiter) gefunden haben, aus denen man 3D-Bilder machen konnte.

Die größte Reprokamera der Welt. Funktioniert ganz genauso wie eine alte Balgenkamera von 1890. Nur größer. Statt des schwarzen Tuches über dem Kopf hat man ein separates geräumiges Zimmer, an das die Kamera angeschraubt ist. Und der Balgen ist 7 Meter lang. Die Bilder über einen Meter breit. Und stellt Abzüge und Vergrößerungen einfacher und schneller her als jede heutige Digitaltechnik. Dumm nur, daß nicht mehr alle Filmsorten, die sie brauchen, noch hergestellt werden.

Und dann in die vermessungshistorische Ausstellung. Ich wollte mir ja sowieso mal die verschiedenen Kartenprojektionen ansehen. Jetzt fällt mir der Name des Menschen nicht mehr ein, nachdem das alte bayerische Koordinatensystem benannt war. Zentraler Bezugs-/Nullpunkt war die Spitze des Nordturms der Frauenkirche, der königlich-bayerische Nullmeridian sozusagen, das Weißwurst-Greenwhich. Hat sich verblüffend lange gehalten, wurde erst ziemlich spät (Ich hab sowas von 80er Jahre in Erinnerung, bin mir aber nicht mehr sicher) auf Gauß-Krüger umgestellt.

Jedenfalls eine sehr interessante Nacht.

Ein Kommentar (RSS-Feed)

Werner
19.10.2009 23:37
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Das Landesamt für Vermessung und Geoinformation ist ein stiller Traum. Ich war vor einigen Jahren (noch zu DM-Zeiten) in einer Museumsnacht dort drin. Ein Besuch lohnt unbedingt und die Mitarbeiter sind sehr auskunftsfreudig. – Übrigens sind Kirchturmspitzen als geodätische Bezugspunkte denkbar ungeeignet, sie verbiegen sich bei Sturm und Sonneneinstrahlung nicht unerheblich. Das wird man damals auch gewußt haben und insgeheim sich einen festeren Bezugspunkt gesucht haben.