Ansichten eines Informatikers

Die Sache mit dem Durchschnitt

Hadmut
31.8.2009 23:54

Alltagsmathematik.

Irgendwo hab ich mal gelesen, daß sich Umfragen zufolge mindestens 90% der Deutschen für überdurchschnittlich halten, was der Autor wegen offensichtlicher Unmöglichkeit für einen Beleg absoluter Selbstüberschätzung erachtete. Vermutlich hat er mit der Selbstüberschätzung durchaus Recht, aber nicht mit dem Beleg. Denn durchaus können 90% einer Stichprobe überdurchschnittlich sein. Das ist eben der Unterschied zwischen Durchschnitt und Median. Bei der Bundeswehr hab ich Leute kennengelernt die so doof waren, daß sie den Durchschnitt so weit runterzogen, daß in deren schierer Anwesenheit der Rest der Kompanie automatisch überdurchschnittlich war – einschließlich derer, die nicht lesen konnten. Also möglich ist sowas schon. Aber sehr, sehr selten und unwahrscheinlich.

Ich interessiere mich für Fotografie (und permutiere deren Schreibweisen mit F und Ph lustig durcheinander). Und für Technik.

Das bringt es mit sich, daß ich mich für Kameras interessiere. Schon immer. Aber besonders für Digitalkameras. Wobei man das „besonders“ streichen kann, denn es gibt ja nur noch die.

Deshalb schaue ich gerne auf die beste internationale Testseite für Digitalkameras, nämlich DPReview. Wobei ich mir gerade überlege, das „beste“ zu streichen.

Anfangs war das eine reine Amateur-Seite. Ich glaub, der ist Fotohändler oder sowas und hat das einfach mal so angefangen. Seit der aber bekannt ist, bekommt der von den Herstellern die Kameras vorab zugeschickt, Werbeanzeigen und vermutlich auch Geld. Deshalb kann der oft am ersten Tag der Pressekonferenz gleich einen Preview anbieten, häufig einer so genannten “preproduction” camera. Und an die kommt man ja auch nicht einfach so. Es könnte sein, daß das sein Urteilsvermögen, na wie soll ich sagen, zum Guten hin verschoben hat. Es gibt nämlich eine Seite, in der die verschiedenen Kamera-Reviews nach Ergebnis aufgelistet sind. Trotz über hundert Tests gibt es nur 6 Kameras, die unterdurchschnittlich sind, alle von 2002 oder früher. Und nur 10 Kameras die durchschnittlich sind, alle von 2003 oder früher.

Das heißt, daß laut DPReview seit 2004 sämtliche gesteten Digitalkameras mindestens überdurchschnittlich sind. Da hilft auch das Bundeswehr-Beispiel nicht mehr, denn um den Durchschnitt nach unten zu ziehen braucht man mindestens einen. Gut, nun könnte man sagen, daß die paar Kameras von 2002 so schlecht waren, daß sie bis heute den Durchschnitt versauen. Ob man aber seriöserweise Digitalkameras von heute nach den Maßstäben von 2002 beurteilen kann?

Irgendwo hab ich mal gelesen (ich glaub, es war sogar auf DPReview), daß es trotz verschiedener Marken nur eine Handvoll Kamerahersteller gibt, und die das Bauen von Digitalkameras seit ein paar Jahren eben so gut im Griff haben, daß man eigentlich keinen Mist mehr kaufen kann, die produzieren nur noch ordentlich und aufwärts. Mag ja sein, aber deshalb können trotzdem nicht sämtliche Kameras seit 2004 überdurchschnittlich sein. Freilich könnte man noch einwenden, daß die Mehrzahl der Kameras ja recommended sei, und das deshalb nicht mehr überdurchschnittlich sei. Naja, also wenn man sich die Reihenfolge der Bewertungen ansieht, steht das schon über überdurchschnittlich.

Was soll man davon also noch halten?

(Man soll die Tests im Volltext lesen und sich nicht nur auf die Endbewertung beschränken.)

Erinnert mich aber an die Promotionsnoten an manchen Fakultäten, die dann auch nur noch “sehr gut” vergeben und sich damit brüsten, daß sämtliche ihrer Doktoranden weit überdurchschnittlich seien. Vermutlich vor allem in Mathematik.

Ein Kommentar (RSS-Feed)

yasar
1.9.2009 10:24
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Das erinnert mich an die Vorgaben der BA^WDualen Hochschule Mannheim.

Da sind auch viele Diplomarbeiten meist zwischen 1 und 2 und selten schlechter benotet, so daß der Durchschnitt ungefähr bei 2 liegt. Es wird immer daran erinnert, daß man die ganze Notenskala von 1-6 nutzen soll.

Allerdings ist es etwas schwierig, wenn man wie in einer (schriftlichen) Klausur nicht einfach eine Punkteliste hat, die dann bei Erreichen einer bestimmten Punktzahl eine bestimmte Note impliziert.

Auch ist es nicht eindeutig, nach welchem Maßstab, besser gesagt im Vergleich zu welchen Arbeiten man bewerten soll:

Alle Studenten, die bei einem selbst eine Arbeit abgegeben haben? => sehr kleiner Vergleichsmaßstab.

Alle Studenten, die WI in der DH-Mannheim studieren? => Man hat nicht die Zeit jedesmal mehre Dutzend Arbeiten zum Vergleich heranzuziehen.

Alle Studenten in Baden-Württemberg, die an dualen Hochschulen WI Studieren?studieren? => Wie kommt man an deren Arbeiten?

Solange keine einheitlichen Maßstäbe festgelegt werden, die man im Prinzip mit abhaken udn Punkte vergeben bewerten kann, die dann zu einer Note führen, ist das ein nicht leicht lösbares Problem.

PS: Ein zu guter Durchschnitt an der BA/DH führt dazu, daß “Strafpunkte” für die jeweilige BA vergeben werden, so daß dann später beim Vergleich von Bewerbern (Bachelor oder Master) verschiedener Hochschulen dem jeweligen diese Strafpunkte (meist eingie zehntelnoten) von seinen Noten abgezogen werden.

PPS: Sofern keine korruption im Spiel ist, ist das zustandekommen von guten Noten in Diplomarbeiten i.d.R. dadurch erkärbar, daß normalerweise die Studenten diejenigen Gebiete sich für eine Diplomarbeit suchen, in denen sie gut sind. Was aber natürlich wieder zu dem Dilemma führt, daß man, welchen Durchscnitt man als Grundlage der Bewertung wählt.