Ansichten eines Informatikers

Die 110-Notruf-Taste im Webbrowser

Hadmut
21.8.2009 17:16

Ein Leser hat mich auf einen Artikel in der BILD-Zeitung aufmerksam gemacht.

(Muß ich denn ausgerechnet die BILD hier zitieren?)

Man fordert, in den Web-Browser eine “Notruftaste” einzubauen, mit der der Benutzer, sollte ihm beim Websurfen Unbill ereilen, per Mausklick um Hilfe rufen wird.

Uiuiui. Die Kripo-Taste im Browser, die volle Überwachung. Das gibt Ärger, da werden sich wieder alle das Mail zerreissen und drüber aufregen. Ich lese schon die Schlagzeilen, weil sie den Bundestrojaner nicht hinkriegen, sollen die Bürger ihn jetzt selbst installieren und auslösen, und so. Die Politik wird schreien, daß das Internet kein rechtsfreier Raum sein dürfe, die anderen werden schreihen, daß die Überwachung immer weiter geht.

Nur: So doof ist die Idee gar nicht.

Eigentlich ist die Idee sogar gut.

Warum?

Es gibt viele Fälle, in denen Internetbenutzern seltsame, fragwürdige Dinge passieren. Und Fälle, in denen normale Dinge passieren, die sie aber für seltsam halten. Weil vieles oft nicht durchschaubar ist. Und weil das Internet und seine Anwendungen immer komplexer werden und längst nicht mehr zu durchschauen sind. Ein forensischer Snapshot, den der Benutzer im Zweifelsfall auslösen und selbstbestimmt übermitteln kann, ist sicher hilfreich. Schließlich haben Ubuntu und Debian sowas in der Art inzwischen auch für Fehlerberichte. Da sammeln die Skripte auch gleich zusammen, was man braucht.

Ich bin in der Konzernsicherheit eines Unternehmens mit vielen Kunden, und ich bekomme wirklich kuriose und seltsame Fälle von Kunden auf den Tisch. Die Hauptarbeit besteht meist aber darin, das, was der Laie da beschreibt, zu verstehen. Denn meistens steckt ein wahrer Kern dahinter, der nur aus Laiensicht völlig falsch interpretiert wird, und meistens kann man nachträglich die nötigen Daten nicht mehr sammeln. Es wäre also durchaus sinnvoll, so eine forensische Snapshot-Taste zu haben.

Gefahren sehen ich allerdings auch:

  • Notrufmißbrauch, weil es Leute gibt, die bei jeder Kleinigkeit hundertmal auf das Ding drücken.
  • Verleumdung, weil es früher oder später Schadcode geben wird, der das Ding unterwandert und falsche Reports erzeugt.
  • Die Frage, ob sich das wirklich lohnt, denn so viele Fälle, wo das was bringt, gibt’s dann auch wieder nicht.

Aber im Prinzip eigentlich gar nicht so doof, daß es in die BILD gehören würde.

Ein Kommentar (RSS-Feed)

Was bedeutet eigentlich “Never check for an error condition you don’t know how to handle”…

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