Ansichten eines Informatikers

Ladehemmung beim Kinderpornosperrgesetz

Hadmut
1.8.2009 0:25

Die Probleme verdichten sich, das Gesetz ist nicht wie erwartet fertig geworden (siehe Heise und Beck).

Obwohl – oder gerade weil – ich tieferen Einblick in die Vorgänge habe, kann ich die tatsächlichen Gründe für die Verzögerung des Gesetzes nicht eindeutig erkennen.

  1. Es gab einen sehr “sportlichen” Zeitplan für die technische Implementierung der Anlieferung der Sperrlisten an die Provider. Details darf ich hier nicht verraten, aber da es ja überall steht, daß das Gesetz ursprünglich zum 1.8. in Kraft treten sollte, kann sich jeder denken, daß der Zeitplan vorsah, daß Tests und Wirkbetrieb vorher erreicht werden. Und wer den Heise-Newsticker liest, der kommt auch von selbst darauf, daß der Zeitplan nicht eingehalten wurde. Es wäre freilich peinlich, wenn das Gesetz wie geplant am 1.8. in Kraft getreten wäre, und das BKA die Listen nicht hätten anliefern können. Zwar sind noch nicht alle Provider einsatzbereit, aber zumindest ein Provider hat die unbedingte Einsatzbereitschaft längst gemeldet (behauptet). Es wäre also sofort die Situation eingetreten, daß das BKA zunächst vehement die Sperren fordert, und dann selbst nicht schnell genug einsatzbereit wird.
  2. Die ganze Zeit über wurde behauptet, daß es ach so viele Kinderpornoseiten gibt. Ursprünglich ging man von etwa 1.100 bis 1.300 Einträgen aus, später von deutlich höheren Zahlen. Dabei wollte das BKA die Seiten nicht bzw. nicht ausschließlich selbst finden, sondern zu einem wesentlichen Teil die Sperrlisten anderer Länder von deren Polizeibehörden beziehen und weiterbearbeiten. Dann aber kam durch in die Öffentlichkeit geleakte Listen heraus, daß zumindest in einigen Ländern viele Einträge auf der Liste jedenfalls nicht unter Kinderpornographie fielen. Die Zahl der Kinderpornoseiten auf diesen Listen liegt erheblich unter der Länge dieser Listen. Und von denen sind viele nicht mehr aktuell, längst geschlossen oder inhaltlich “gereinigt”. Dazu kommt, daß aufgrund der Erkenntnis, daß im Ausland viele Einträge nicht mehr auf der Liste sein dürften, der deutsche Gesetzentwurf so abgeändert wurde, daß es erstens ein Kontrollgremium gibt, das die Listen überprüft, und zweitens einen Rechtsweg. Um den Skandal/die Blamage unhaltbarer Listeneinträge zu vermeiden, wird man die Listen besonders gut prüfen. Das braucht nicht nur Zeit, es könnte auch zu einem erheblichen Zusammenschmelzen der Liste führen. Wird die Liste dadurch aber zu kurz (im Vergleich zur Ankündigung und dem Geschrei um das Milliardengeschäft), könnte sich die ganze Nummer als heiße Luft und unverhältnismäßig herausstellen. Und weil ja inzwischen nicht nur die paar Provider im Boot sind, die auch die Verträge unterschrieben haben, sondern mittlerweile nach neuester Auffassung und Gesetzentwurf sehr viel mehr Provider bis hin zum Hochschulbereich mit der Liste versorgt werden müßten, kann man sich von der Hoffnung verabschieden, daß die Liste geheim zu halten wäre. Sie wird an irgendeiner Stelle durchsickern. Dabei braucht sie das nicht einmal, denn man muß sich eigentlich nur von Spammern die Listen der Domains für .com und die typischen Ländern besorgen und die DNS-Server beteiligter Provider abfragen. Bekommt man da die IP-Adresse eines Stopp-Servers zur Antwort, weiß man, daß man eine Kinderpornoseite gefunden hat, ohne auch nur einmal darauf zugegriffen zu haben. Muß man aber damit rechnen, daß die Liste an die Öffentlichkeit gelangt, muß man in deren Qualität umsomehr Sorgfalt legen – was deren weiteres Schrumpfen begünstigt.

    Man würde also Zeit brauchen um entweder eine ordentliche Liste zusammenzubringen, einen Rechtsgrund zu finden, das Ding ohne allzugroßen Gesichtsverlust wieder zu erden oder das Problem zumindest auf nach der Wahl zu verschieben.

  3. Zudem mehren sich die beachtlichen Meinungen, daß dem Bund die Zuständigkeit fehlt. Dabei ist der Einwand nicht neu. Anfangs hat man sich über den – schon frühzeitig sehr deutlich vorgetragenen – Einwand hinweggesetzt. Nun aber könnte man da doch Bedenken bekommen haben, daß sich das Gesetz sehr schnell in eine Blamage verwandeln könnte.

Bedenkt man, mit welcher rigorosen Entschlossenheit die Sache bisher durchgeprügelt wurde und wie man sich über alle – auch von sehr maßgeblicher Seite vorgebrachten – Einwände hinwegsetzte, erscheint es sehr unglaubwürdig, daß die CDU ihr massiv vorangeprügeltes Gesetz nun einfach so aus dem Zeitplan und der Umsetzung vor der Wahl fallen lassen würde, nur weil ein kaum oder nicht beteiligter Professor europarechtliche Bedenken äußerte. Mag sein, daß er damit Recht hat. Aber was spielt das für eine Rolle? In diesem ganzen Verfahren hat es noch nie jemanden interessiert, ob Einwände berechtigt sind oder nicht. Man hat sich über so viele Einwände und Meinungen selbst von beachtlichen Seiten hinweggesetzt, warum sollte es bei dem dann anders sein? Die Europa-Prüfungsschleife dürfte daher nur ein Vorwand sein um nun doch noch Zeit zu schinden.

13 Kommentare (RSS-Feed)

Stefan
1.8.2009 4:55
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Angenommen das BKA hat 500 Urls aus dem Ausland, aber erst 50 geprüft, und davon 10 für sperrenswert gefunden. Wieso sollen sie nicht mit diesen 10 anfangen? Und da die Provider zum Stillschweigen verpflichtet sind, dürfte das auch nicht gleich kritisiert werden. Im Laufe der Zeit würde die Liste dann erweitert, aber das ist ja ohnehin geplant.

Ich habe nicht mehr im Kopf welche Zahlen da von den Marktschreiern der Zensur genannt wurden, aber die waren recht üppig. Mehr als 100 die Woche? Oh – ich habe keine Lust all die Quellen nochmal zu lesen.

Ich glaube das Gesetz ist tot. Nach der Wahl braucht es niemand mehr.


yasar
1.8.2009 11:10
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Es wäre zu hoffen, daß es nach der Wahl sang und klanglos beerdigt wird, aber ich glaube nicht daran. Ich denke eher, das wird erstmal so lange auf die lange Bank geschoben, bis kaum noch einer dran denkt, daß es so ein Gestz gibt, um dann im richtigen Moment “knüppel aus dem Sack” zu rufen, um damit auf jemanden einzudreschen.


[…] und konnte somit auch nicht im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Woran es hakt erklärt Hadmut Danisch in seinem sehr lesenswerten Artikel “Ladehemmung beim Kinderpornosperrgesetz&#8…. Grob zusammengefasst wird vermutet, dass das von von zwei Seiten unter Druck […]



[…] 01.08.2009 – Danisch Blog – Ladehemmung beim Kinderpornosperrgesetz […]


[…] das eine EU-Richtlinie vorsieht, ein Hindernis darstellen? Weil das unwahrscheinlich klingt, werden Stimmen laut, die andere Ursachen vermuten und unterstellen, das BKA hätte es bislang nicht geschafft, eine […]


[…] hervorragenden Kommentaren dazu. Darüber bin ich dann auch auf diesen klasse Artikel von Hadmut bei Danisch.de gestoßen der sich ebenso wie Thomas in seinem Internet-Law-Blog damit beschäftigt, warum […]


[…] […]


[…] werden nun auch immer wieder Stimmen laut, die über Probleme bei der Einführung des Gesetzes spekulieren. So heißt es, das BKA hätte Probleme eine Liste mit genügend Einträgen zusammen zu stellen da […]


kopfueber
2.8.2009 15:22
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das Puzzle fügt sich zusammen……

Mehrfach bin ich jetzt schon über diesen Artikel gestolpert, der die Verschiebung des Zensurgesetzes zum Inhalt hat.
Ich hab füg da grad mein eigenes Puzzle zusammen:
1. Teil: im letzten BlueMoon auf Fritz mit Holger Klein, die Sendung vom 27.07.09 (…


[…] hier noch etwas zu dem Ladehemmungen beim Kinderpornosperrgesetz. Sollte ja schon vorgestern in Kraft […]



[…] danisch.de: Ladehemmung beim Kinderpornosperrgesetz […]