Ansichten eines Informatikers

Kritik am Garmin Oregon 300

Hadmut
7.1.2009 2:19

Ich habe für ein paar Stunden einen Garmin Oregon 300 getestet, war damit aber nicht so zufrieden.

Vor fast genau zwei Jahren habe ich mir einen Garmin eTrex Venture Cx gekauft, mit dem ich auch schon nicht so zufrieden war (siehe meinen damaligen Bericht). Den wollte ich jetzt durch was neueres ersetzen.

Es geht übrigens um ein GPS-Handnavigationsgerät für Outdoor-Zwecke. Inzwischen leben wir im Zeitalter der Navigationsgeräte, die man in jedem Supermarkt hinterhergeworfen bekommt. Wozu also noch so ein Spezialteil? Und was ist das überhaupt? Nun, die wesentlichen Unterschiede solch eines Gerätes zu einem Auto- oder Handy-Navi sind:

  • Das Ding steckt in einem Outdoor-tauglichen Gehäuse, schlagfest, wasserdicht, kein Stift zum Verlieren.
  • Das Ding ist von der Stromversorgung her auf Außenbetrieb eingestellt, in der Regel benötigen die Geräte (auch der eTrex und der Oregon) zwei Mignon-Batterien oder -Akkus und kommen damit auf ca. 10-16 Stunden Dauerbetrieb (!). Ein Auto- oder Handy-Navi gibt spätestens nach 2-3 Stunden auf und will dann für Stunden an die Akku-Ladestation, die man auf Reisen nicht griffbereit hat (z. B. wenn man wie ich damals mehrwöchig im Outback oder der Wüste mehrere hundert Kilometer von der nächsten Steckdose weg ist). Mignon-Batterien kann man bündelweise mitnehmen und in fast allen Ländern der Welt an der Tankstelle kaufen. Sogar im australischen Outback gibt es so alle paar hundert Kilometer eine Tankstelle, die Batterien zum Goldpreis hat. Prinzipiell geht es.
  • Die Funktionen sind ganz andere. Straßennavigation können die Dinger (die besseren) zwar nach Einwurf einer teuren Straßenkarte, aber nur rudimentär. Nix mit Ansage, nur ein Piepsen deutet an, man könnte ja mal abbiegen. Ich verwendet mein eTrex aber auch als Fahrrad-Navi, das geht ganz gut und da ist das Piepsen auch angemessen, zugunsten der Wasserdichtheit.
  • Das Display beruht meist auf anderer Technologie, nämlich den Transflexiven, die man bei Sonnenlicht auch ohne Hintergrundbeleuchtung gut ablesen kann. Unbedingt notwendig für die Batterielaufzeit.
  • Jede Menge Darstellungsweisen für Koordinaten, beispielsweise im UTM-Gitter oder in den verschiedenen landesspzeifischen Korordinatensystemen. Beispielsweise gibt es in Deutschland (jedenfalls Sachsen) neuere amtliche topographische Karten mit UTM-Gitter. Mit normalen Kordinaten in Grad kann man da nichts anfangen.
  • Outdoor-Routenführung, abwandern/fahren einer vorgegebenen Route, Outdoor-Peilung mit Kurskorrektur.
  • Navigationsrechnungen: Wie weit ist dieser Punkt von jenem weg und welchen Kurs brauche ich, oder wo komme ich hin, wenn ich nun 5 km nach Nordosten laufe usw. usw.
  • Tracking, das heißt detaillierte laufende Aufzeichnung, wo man war, um hinterher im Plan bzw. auf Google Maps zu gucken, wo man war, oder für Fotos den Ort zu bestimmen.

Also einfach etwas anderes als ein Autonavi.

An meinem alten eTrex gehen mir folgende Eigenschaften auf den Wecker:

  • Die Empfangsempfindlichkeit ist lausig. Oftmals bricht der Empfang weg. Das war zwar in Australien kein Problem (wie man an den Aufzeichnungen hier sehen kann. Sorry, bin immer noch nicht dazu gekommen, die Flecken vom Sensor rauszuretuschieren.), weil Australien trocken und flach ist, und man fast immer freien Blick auf den gesamten Himmel hat. Auch im Reisefahrzeug hat das funktioniert, solange ich den Empfänger auf die Fensterbank gelegt hatte. Das Ding hat aber schon bei einem Spaziergang in der sächsischen Schweiz durch die Schluchten fast nichts mehr empfangen. Und auch in London hat das Gerät fast nie die Position bestimmen können, zu viele Gebäude, Dächer usw. Grundsätzlich ist das aber kein Problem, denn mein auch schon 1 1/2 Jahre altes Navihandy Nokia 6110 Navigator hatte damit überhaupt keine Probleme, das bestimmte in London sofort und schnell, wo man ist und sogar im fahrenden Zug. Nur eben mit fast ständig leerem Akku, nicht wasserdicht und nicht mit den sonstigen Funktionen wie Tracking. Es geht also.
  • Das Display ist für manche Zwecke etwas mickrig.
  • Die Bedienung über die Tasten ist zwar manchmal gut und schnell, manchmal aber auch quälend umständlich und langatmig, etwa wenn man Koordinaten oder eine Adresse eingeben will. Man tippt sich die Finger wund und es dauert ewig, bis man losfahren kann. Das dumme Ding will nämlich jedesmal von neuem, daß man die komplette Adresse eingibt. Es kann sich nicht merken, daß man das letzte Mal schon als Stadt “Karlsruhe” eingegeben hat – oder in Karlsruhe ist.
  • Die Datenverwaltung ist veraltet. Man kann den Points of Interests nur verkürzt-verkrüppelte Namen geben und keine ordentlichen Daten und Notizen verwalten. Der Datenaustausch geht zwar prinzipiell über gpsbabel, ist aber weit hinter dem Stand der Technik zurück. Einfach bessere, moderne Funktionen.
  • Insgesamt ist die Firmware auf dem Stand von “früher”. Jedes popelige 20-Euro-Handy hat heute eine modernere Benutzeroberfläche.

Und da schien nun der Garmin Oregon 300 ein passender Nachfolger. Weil ich gerade unterwegs bin und den eTrex nicht dabei hatte (aber gut kenne), mußte für die tatsächlichen Versuche mein Nokia 6110 Navigator zum Vergleich herhalten. Eigentlich ein sehr unfairer Versuch, denn man kann von einem Handy mit UMTS usw., das GPS und Navigation nur als Nebenfunktion mitbringt, kaum erwarten, mit einem spezialisierten Outdoor-Navi auch nur ansatzweise mithalten zu können. Um es gleich zu sagen: Das Nokia-Handy hat gewonnen.

Was mir an dem Oregon 300 aufgefallen ist bzw. nicht gefallen hat:

  • Das Ding ist teuer. Kostenpunkt (in Deutschland) etwa 380 Euro. Und da ist nur eine ganz rudimentäre Weltkarte drauf, auf der Städte wie Berlin, München oder auch Peking nur mal so als Punkt auftauchen und nur einige wenige ganz wichtige Autobahnen oder Flüße drauf sind. Man muß also nochmal die sündhaft teuren Garmin-Karten dazukaufen. Zwar gibt es auch ein paar kostenlose Alternativen, etwa das Herunterladen der Karten von OpenStreetMap, Tracks4Africa oder Tracks4Australia, aber die sind erstens alle noch sehr löchrig und unvollständig, und sie sind nicht routing-fähig, nur graphische Overlays. Es bleibt einem kaum etwas anderes übrig, als die teuren Garmin-Karten dazuzukaufen, womit man insgesamt mindestens etwa in der Größenordnung von 500 Euro landet. Was eine Unverschämtheit ist. Man bekommt schon für 100 Euro Navis mit Karten von Deutschland, Östereich, Schweiz oder für 130 Euro mit ganz Europa. Allein die Straßenkarten von Garmin kosten mehr als bei Aldi das ganze Navi mitsamt der Karten. Und dabei haben die Straßennavis eine gehaltvollere Informationsdichte. Bei meinem Nokia war eine detaillierte Deutschlandkarte zum Route66 dabei, und der Nokia-Navigator kann mir sogar kostenlos Karten von Europa und vielen Gegenden der ganzen Welt anzeigen. Die Karten im nokia zeigen übrigens viel mehr als die Straßenkarten des Garmin. Im Nokia sehe ich Gebäudeumrisse usw., was gerade im Stadtdschungel hilfreich ist.
  • Das Ding ist klobig und relativ schwer.
  • Die Empfangsqualitäten – Hauptgrund meiner Suche nach einem neuen Gerät – haben mich enttäuscht. Ich habe das Ding gestern abend aus der Originalverpackung geholt, erstmalig in Europa eingeschaltet und bin damit ca. 4 km in der Kälte rumgedappt, bis mir die Pfoten abgefroren sind. Auf den ersten 2,5 km war das Ding – unter freiem Himmel, aber in der Stadt (Berlin) – nicht in der Lage festzustellen, daß es nicht mehr in Amerika ist. Nokia braucht nach dem Kaltstart ein paar Sekunden und gut is (wohlgemerkt: ich habe die Ortungsbeschleunigung über Funkzelle und Internet abgeschaltet). Ich dachte erst, der Garmin wäre defekt, weil er mehrfach Fehlermeldungen angezeigt hat, daß er Probleme hat, Satelliten zu finden. Schließlich ging es, dazu mußte ich aber sehr lange bewegungslos (in der Kälte) stehen bleiben. Das war beim eTrex schon so, daß der Probleme hat, wenn man sich in der Startphase bewegt, da mußte man auch immer stehen bleiben. Aber genau das wollte ich loswerden. Zwar weiß ich, daß auch das Nokia und mein Aldi-Auto-Navi in Bewegung länger brauchen, aber trotzdem geht es, spätestens auf der nächsten geraden Strecke oder an der Ampel. Das Gamin hat mich da schon ziemlich verärgert. Auch im Zimmer durch das Fenster war das Nokia viel schneller und hat mehr Satelliten detektiert. Das Garmin hat die Position entweder gar nicht gefunden oder es hat sehr lange gedauert. Zugegeben, es waren sehr schwere Bedingungen, Hotelzimmer mit nur einem, noch dazu kleinen, aber erhöhten zum Himmel gerichteten Fenster und damit einem kleinen Winkelausschnitt des Himmels. Immerhin: Nokia gab dabei Genauigkeit von 70 Metern an, Garmin kam auf 30. Trotzdem, ziemlich schwaches Ergebnis.
  • Das Display hat mich enttäuscht. Bei einem Outdoor-Handy ist es für mich wichtig, bei normalem Tageslicht das Ding kontinuierlich und ohne Hintergrundbeleuchtung ablesen zu können. Manchmal muß man das Ding ziemlich lange in der Hand halten um zu gucken, wo man hinläuft. Dauerbeleuchtung halten die Batterien nicht, um in grellem Sonnenlicht würde die auch nichts bringen. Aber: Das Display ist zwar größer als beim eTrex und beleuchtet sehr schön, aber ohne Beleuchtung viel kontrastärmer und damit deutlich schlechter bis gar nicht ohne Hinterleuchtung abzulesen. Ganz klarer Minus-Punkt.
  • Viel eingefallen ist ihnen nicht. Zwar ist jetzt alles mit graphisch schöner Oberfläche, mit Touchscreen und schönen Symbolen. Aber: Davon abgesehen hat es praktisch die gleichen Funktionen wie das alte eTrex. So gut wie kein Fortschritt. Nur die Eingabe von Adressen und Koordinaten ist mit dem Touchscreen natürlich viel leichter und schneller möglich als mit dem Gummijoystick des eTrex. Die Vorteile gehen aber wieder verloren, weil sie an anderer Stelle gemurkst haben: Während man am eTrex über die Funktionstasten vieles sofort einstellen kann, muß man beim Oregan erst mühsam im Menü ganz nach oben, dann in irgendein Setup durch mindestens drei Ebenen ganz runter, ändern, und dann alles wieder zurück. Das ist Murks.
  • Einige Sachen sind grausig und schlampig eingedeutscht. Ab und zu tauchen zwischendrin wieder englische Bezeichnungen auf. Und eine automatische Kalibrierung macht man auch nicht “auf” sondern schaltet sie ein. An sich wäre mir das wurscht, ich komme auch mit den englischen Bezeichnungen klar, eher noch besser als mit den deutschen. Aber wenn ich bei einem Gerät zu dem Preis solche Schlampereien bemerke, wundere ich mich doch.
  • Die Kartendarstellung ist oft schnarchlangsam. Manchmal dauert es eine ganze Weile, bis nach dem Verschieben der Rest der Karte nachkommt.
  • Mit ein Grund, warum ich den Oregon anschaffen wollte, war, daß ich irgendwo gelesen habe, daß die Datenübertragung deutlich vereinfacht worden sei. Man könnte Orientierungspunkte und Tracks einfach als GPX-Datei auf die Speicherkarte legen und los geht’s. Keine lästige Konversion und Übertragung mit proprietären Protokollen mehr. Wäre schön. Konnte ich aber nicht testen. Ich hatte mir extra bei MediaMarkt noch schnell eine MikroSDHC-Karte geholt. Nachdem die 2GB-MikroSD-Karten 5 Euro und die 4GB-SDHC-Karten 10 Euro kosten, dachte ich, ich könnte ja in die Vollen gehen und habe die 4GB-SDHC-Karte gekauft. Pustekuchen, hat das Ding nicht erkannt. Eine mikroSD-Karte hatte ich dann nicht mehr griffbereit. Wie kann man heute noch ein neues Gerät herausbringen, das nur SD, aber nicht SDHC kann?
  • Ob ein Touchscreen dafür wirklich geeignet ist, wage ich mal zu bezeifeln. Erstens ist es beschädigungsempfindlich. Zweitens schmutzanfällig, zumal es vertieft liegt. Wenn ich überlege, wie oft ich in Australien den eTrex abwischen mußte, obwohl der keinen Touchscreen hat (was aber leicht an der Kleidung ging, weil bei dem das Display plan an der Oberfläche und nicht vertieft wie beim Oregon leigt), könnte der Touchscreen schnell unlesbar werden. Zur Erläuterung: Wenn ich im australischen Outback unterwegs bin, dann triefe ich von einer Emulsion aus Schweiß, Dreck, Staub, Sonnencreme und Insektenschutzmittel. Was man da anfaßt, ist dreckig. Für die Kamera hat sich dabei übrigens ein Mikrofaser-Haushaltswischtuch von Aldi seeeehr bewährt. Damit ging der ganze Dreck bestens und sofort wieder weg, wochenlang. Das vertiefte Display des Oregon ständig wischen zu müssen, zumal es ja so schon kontrastarm ist, stelle ich mir als nicht lustig vor.

Also war ich insgesamt sehr enttäuscht. Den Mehrwehrt gegenüber meinem alten eTrex oder überhaupt den Wert für die Ausgabe kann ich da nicht erkennen. Die Software erscheint mir als lustlos auf das wesentliche reduziert, aber da ist nicht viel Neues zu erkennen, nur Kleinkram und Klickibunti. Und warum das Kartenmaterial so teuer ist, habe ich auch nicht verstanden. Warum verkauft Garmin das Auto-Navi Nüvi mitsamt den Straßenkarten teilweise billiger als die Straßenkarten alleine? Und warum geben sie sich mit der Software nur noch so wenig Mühe?

Nein, ganz klar nein. Das kaufe ich nicht, jedenfalls nicht zu diesem Preis. Das ist es nicht wert.

Dummerweise gibt es auch keine Alternativen. Jedenfalls keine, die ich kenne. Alles von anderen Herstellern ist zu wenig verbreitet und auch so proprietär, daß es nicht mal mit openstreetmap oder maps4australia funktioniert.

Die kommende Alternative sehe ich derzeit vor allem in den Android-Handys. Zwar werden die nicht über Outdoor-Navigation verfügen, aber früher oder später wird die OpenSource-Szene oder irgendein kommerzieller Anbieter das nachholen, beispielsweise als Plugin oder separates Programm. Fragt sich dann nur noch, wo man ein Outdoor-taugliches, wasserdichtes und batteriegetriebenes Gerät herbekommt. Wenn man da gleich selbst noch dran rumprogrammieren kann, umso besser.

2 Kommentare (RSS-Feed)

SKald
7.1.2009 15:32
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Ich würde empfehlen das Garmin 60CSx genauer anzusehen. Abgesehen vom langsamen Erfassen der Satelliten und den teuren Karten, sollte das bei deinen Kritikpunkten besser abschneiden.


[…] einzuschalten geht zu sehr auf Kosten der Batterien. Ebenso ist der Effekt bei grellem Sonnenlicht gleich Null.     Was ich zurzeit am meisten beim Oregon Vermisse, ist eine Start/Stop […]