Ansichten eines Informatikers

Mein Elektronik-Experimentierkasten Philips EE 2003

Hadmut
27.12.2008 21:13

Gerade beim Aufräumen gefunden: Die Anleitungsbücher für meinen Elektronik-Experimentierkasten Philips EE 2003. Mehr als die Bücher ist davon nicht übriggeblieben. Aber durchaus ein Grund für einen Rückblick.

Damals, was heißt damals, wann war das eigentlich? Da muß ich irgendwie so 11 oder 12 gewesen sein, es war jedenfalls noch deutlich in den Siebziger Jahren, habe ich mal einen Philips Experimentierbaukasten EE 2003 und die Erweiterung EE 2004 bekommen.

Hach, war das herrlich. Da habe ich viel über Elektronik gelernt, Transistorschaltungen, Verstärker, Sensorik und sowas alles. Ich kann mich noch gut erinnern, daß ich damals als Kind so einen ziemlich plumpen Plattenspieler hatte und Musik und irgendwelche Krimi- und Erzählungsschallplatten hatte. Zwar gab es schon Kassetten, aber die waren furchtbar schlecht und haben fürchterlich geklungen, weil man sie mit zehnfacher Geschwindigkeit aufgenommen hatte. Viel besser war es, die Sachen auf Schallplatte zu kaufen und dann selbst auf Kassette zu überspielen. Das Dumme daran: Der Plattenspieler hatte keinen Lautsprecher. Der mußte noch mit Bananensteckern an ein altes Röhrenradio angeschlossen werden. Grausam schlecht. Es war eine Offenbarung, als ich mir mit dem Elektronikbaukasten mal selbst einen Verstärker gebaut und an den Plattenspieler angeschlossen habe. Ging richtig gut. Mußte ich nur jedesmal aufs Neue auf- und abbauen.

Das ging nämlich auch. Denn außer den logischen Schaltplänen gab es da auch ausgedruckte Verdrahtungspläne, die man auf ein Steckbrett legte, mit einer Stanze Löcher reinstieß, durch die Löcher so seltsame Klemmfedern steckte und dann die Bauteile wie auf dem Plan verzeichnet in die Klemmfedern steckte. Um das Löten zu vermeiden. Und dann zwei 4,5 Volt Flachbatterien anschloß (die hab ich auch schon seit mindestens 10 Jahren nicht mehr gesehen…). Damit konnte man die Schaltung auch aufbauen ohne zu verstehen, was da vor sich ging. Funktioniert erst einmal. Und im Buch stand dann, was da eigentlich so passiert und warum es funktioniert. Mit richtigem Schaltplan. Wunderbar für Kinder, um sich da selbst reinzuarbeiten. Ich habe dabei richtig was gelernt. Heute kann man dafür niemanden mehr interessieren, diese Experimentierbaukästen gibt es nur noch in lieblosen Einfach-Varianten ohne nennenswerten Lehrwert. Insofern war der Kasten damals viel wert.

Allerdings muß man auch sagen, daß Philips die Kunden damit heftig beschissen hat, denn der Kasten war völlig überteuert. Ich weiß noch, daß der Grundkasten sowas um die 220 DM kostete. Ich habe das Ding als Kind gehütet wie einen Schatz. Jeden einzelnen Widerstand fein säuberlich aufbewahrt, ständig durchgezählt, jeden Knick im Draht wieder sorgfältig geradegezogen.

Irgendwann war mal ein Kondensator kaputt. Es war der mit 125 Mikro-Farad. Und einen Widerstand hatte ich doch irgendwie verloren. Eine Welt brach zusammen. Der teure Elektronikbaukasten. Und zwei der wichtigsten Teile futsch. Oh je. Ob man die Teile bei Philips nachbestellen kann? Wird sicher teurer.

Irgendwann bekam ich dann heraus, daß man die Teile auch einzeln im normalen Elektronik-Laden kaufen kann. Sowas gabs damals nämlich noch. So richtig Geschäfte für Widerstände, Kondensatoren und so Zeugs. Länden mit ganzen Wänden aus kleinen Schubladen, die das ganze Zeugs vorrätig hatten. Ich dachte, das wird richtig teuer, aber was muß, das muß. Also ging ich mal in den Laden und fragte nach einem Widerstand. Die lachten mich aus. Die gäb’s nicht einzeln, die gäbs nur im 10er Päckchen. So ne kleine Plastiktüte zum Zudrücken mit zehn Widerständen am laufenden Band. Ach Du liebe Zeit. Kann ich mir das leisten? Was kosten die denn? Überraschung! Die kosten nur 70 Pfennig. Wie, nur 70 Pfennig? Ist ja toll, dann kann ich mir die ja doch leisten. 7 DM für so ein Tütchen, das gab das Taschengeld gerade so her. Nächste Überraschung: Das ganze Tütchen mit 10 Widerständen kostet 70 Pfennig. Im ersten Augenblick war ich sowas von happy, weil ich damit meinen Baukasten nicht nur vervollständigen, sondern richtig aufmöbeln konnte, ohne die Taschengeldkasse zu überfordern. Endlich wieder frische Widerstände mit schönen geraden Drähten.

Aber warum will Philips für den Kasten 220 DM, wenn die Bauteile doch nur Pfennigartikel sind? Ich war so stolz auf meine drei Transistoren und die Diode gewesen, und tief erschüttert zu hören, daß die auch nur 20 bis 30 Pfennig wert seien.

Insgesamt war der ganze Kasten billigst aufgebaut. Als Gehäuse diente ein ganz billiges Plastikstück. Auch die Einbauteile waren von unterstmöglicher Qualität. Da hatten sie wirklich jeden Pfennig gespart. Und weil man natürlich vermeiden wollte, daß die Kinder löten müssen, alles mit irgendwelchen bescheuerten Klemmfedern festgemacht. Die natürlich nichts hielten und ständig zu Wackelkontakten oder abgelösten Drähten führten. Eigentlich eine Frechheit, was die Kindern da an mieser Qualität zumuteten. Nur die Bücher waren gut.

Deutlich besser wurde das erst, als ich mir dann mal einen Lötkolben gekauft und Löten geübt hatte. Die ersten separaten Elektronikbausätze wurden auf Platinchen zusammengelötet (auch die von Lindy in den blauen Dosen 🙂 )
und dann natürlich mal diese blöden Klemmfedern auch durch ordentliche Lötstellen ersetzt und bei der Gelegenheit auch gleich ein ordentlicher Poti eingebaut. Dann ging alles viel besser. Irgendwann bin ich dann mal auf Steckbretter im DIL-Raster und Experimentieraufbauplatinen zum Löten umgestiegen.

Aber Spaß hat es trotzdem gemacht und ich habe so viel dabei gelernt. Macht heute keiner mehr, oder? Plattenspieler und Röhrenradios, die man mit Bananensteckern anschließt, sind auch nicht mehr üblich. Heute hat jeder einen MP3-Spieler mit Ohrhörer, an dem man gar nichts mehr selbst machen kann, sondern nur noch konsumieren.

Was man eben beim Aufräumen so findet…