Ansichten eines Informatikers

Die Frauen von Stepford

Hadmut
14.12.2008 15:59

Den Film gibt es zweimal. Einmal als Remake von 2004 mit Nicole Kidman, Metthew Broderick und Bette Midler. Die kannte ich schon und fand sie eigentlich ganz lustig. Und die ursprüngliche Version von 1974 mit Katherine Ross. Die habe ich eben gesehen. Ein Vergleich.

Obwohl die Version von 2004 eigentlich ein Remake ist bzw. auf demselben Roman basiert, haben die Filme sehr wenig gemeinsam.

Auf den ersten Blick unterscheiden sie sich ganz massiv in der Machart. Man merkt sehr deutlich, daß man in den 70er und 80er Jahren sehr viel langsamer und mit weniger Action und Überraschungen gearbeitet hat. Schaut mal alte Fernsehserien von Bonanza bis Ein Colt für alle Fälle. Was damals hohe Unterhaltung war, läßt einen heute eher gähnen, die Erzählgeschwindigkeit war eine andere. Der Zuschauer hatte noch Geduld, sich einen Film bis zum Ende anzuschauen um die Lösung zu erfahren. Solche Filme werden seltener (gut war noch Sixth Sense). Heute Filme sind mehr eine Aneinanderreihung von Action, Unterhaltung, Gags, die nach einer gewissen Zeit irgendwo zwischen 90 und 120 Minuten einfach aufhört. Die Version von 1974 erzählt eine Story. Die von 2004 zeigt Bilder. Dementsprechend ist die von 1974 auch optisch unspektakulär, keine Tricks, keine Computeranimation, keine Besonderheiten. Bischen Schminke, ein paar nette Kleider, ein paar Tropfen Filmblut und schwarze Kontaktlinsen. Mehr ist nicht, der Rest ist Schauspielerei und Story.

Der Film von 2004 ist eine Kommödie, gespickt mit Handlungs- und Situationskomik und überdrehter Bildwirkung. An keiner Stelle wirklich kritisch oder böse. Ein komisches Duo aus Kidman und Broderick erlebt seltsame Dinge.

Der von 1974 ist ein Horrorfilm ohne den geringsten Witz und Humor. Der Film ist von vornherein auf bedrohlich und böse ausgelegt – und ein Happy End hat er auch nicht. Lange Zeit sieht man eine Idylle, in der irgendetwas nicht stimmt, ohne erahnen zu können, worauf es hinausläuft (wenn man die Story nicht kennt). Man merkt, daß da immer mehr falsch läuft und es steigt ständig die Bedrohung für die Hauptdarstellerin, was eigentlich die klassische Vorgehensweise für Horrorfilme ist.

Böse daran ist vor allem, daß die Hauptdarstellerin – anders als im Film von 2004 – niemanden hat, auf den sie sich verlassen kann. Im neuen Film steht ihr Mann ihr zur Seite. Im alten Film ist er ihr Gegner, sie ist wirklich ganz allein auf sich gestellt.

Wenn man aber noch etwas tiefer schaut, dann gibt es hier noch zwei ganz wesentliche gesellschaftliche Unterschiede:

Der erste Unterschied ist die Stellung der Frau.

Im Film von 1974 ist die Frau dem Manne noch Untertan. Der Gatte ist gut verdienender Rechtsanwalt, der alleine bestimmt, wo man hinzieht und das Haus selbst kauft. Schon von vornherein ist die Frau in der niedrigeren schwächeren Stellung, wie das in den Siebzigern eben so war. Der Mann sagt, wo es lang geht und die Frau kümmert sich um Haushalt, Kinder und hat vielleicht nebenbei noch so eine Pseudobeschäftigung. Hier fotographiert sie etwas und versucht halt mal, ein paar Bilder loszuwerden. Nichts, was man in damals ernstgenommen hätte. Und aus dieser schon schwachen Grundsituation heraus steht sie einer Überspitzung der Situation gegenüber. Ihr Mann ist böse, und der Bösewicht am Ende ist auch ein Mann. Die Frau ist nur noch die Konstruktionsvorlage, die als wertlos ermordet und ersetzt wird. Ganz steif in das damalige Rollenverhältnis eingefügt.

2004 funktionierte das so nicht mehr. Die Frau ist nicht mehr von vornherein in der Rolle der unterdrückten Küchenfee. Hier ist die Hauptdarstellerin (Kidman) die eigentlich Starke und Geldverdienerin, die toughe Geschäftfrau, die sagt wo es lang geht. Der Gatte (Broderick) ist ein Waschlappen, lieb und harmlos. Wurde sie 1974 noch getrieben, treibt sie hier selbst die Handlung voran. Auch bei der Auflösung am Schluß stellt sich der Bösewicht als Frau heraus. Es war hier eigentlich eine Situation Frau gegen Frau, in der die Männer nur das lächerliche Beiwerk abgeben und eigentlich alle doof sind. Dagegen wäre an sich nichts einzuwenden, warum sollte man nicht in dieser Weise Kritik an der Gesellschaft üben? Zumal es ja unsere heutige Gesellschaft gar nicht so schlecht wiedergibt. Aber es paßt halt nicht richtig zu diesem Thema. Deshalb mußten sie für die 2004-Version die Story auch rumdrehen. Während in der 1974-Version die Männer die Frauen versklaven, ist es in der 2004-Version die Frau, die sich nach der alten Ordnung zurücksehnt, Frauen umprogrammiert und dabei aber eher die Männer als Vehikel mitverwendet und als Nebendarsteller mit einfachen Freizeitvergnügen ruhigstellt. Die alte Story läuft halt einfach heute nicht mehr so. Vielleicht wäre es sogar besser gewesen, in der neuen Variante die Männer durch Roboter zu ersetzen – dann hätte das eine aktuelle gesellschaftliche Aussage gehabt und nicht nur tragikomischen Klamauk abgegeben.

Es gibt aber noch einen anderen gesellschaftlich-technologischen Hintergrund. Anfang der Siebziger war das Thema der bösen Roboter, die über die Menschen gebieten, gerade aktuell. Kurz zuvor wurde Westworld gedreht, in dem die Roboter durchdrehen und morden. Roboter gegen Mensch war schon als Situation horrortauglich. Heute geht das nicht mehr. Böse Roboter haben wir bisher nicht hinbekommen, dafür lassen wir uns von Robotern die Autos zusammenschweißen. Ab und zu geistern mal ein Roboterhund durch die Presse, der einen Ball anschubsen und mit dem Schwanz wedeln kann und nach einer Stunde wieder an die Steckdose muß. Oder irgendein Männlein, was gerade mal den aufrechten Gang erlernt hat. Sie haben ihre Bedrohlichkeit verloren, wenn sie nicht gerade als Terminator aus der Zukunft kamen – und selbst das ist schon wieder abgedroschen (im zweiten Teil brauchte es schon einen Bösewicht aus Flüssigmetall und im dritten Teil – schlimmer noch, aber inzwischen ziemlich erfolglos – einen in Gestalt einer Frau).

Auch diese zweite bedrohliche Komponente ist dem Film von 2004 abhanden gekommen. Deshalb werden auch keine echten Roboter mehr gebaut, sondern echte Menschen technisch umprogrammiert und ferngesteuert. Wenigstens so ein bischen gruselig. Den Rest machen die heute unvermeidlichen Computertricks.

Unterhaltsamer, schöner anzusehen und lustiger ist der von 2004.

Inhaltlich besser und gesellschaftskritischer ist der von 1974.