Ansichten eines Informatikers

Von wegen Videoüberwachung gegen Terrorismus

Hadmut
7.12.2008 17:16

Hieß das nicht immer, man bräuchte die Videoüberwachung zur Eindämmung von Terrorismus und Extremismus?

Jetzt zeigt sich dann doch, daß da mehr Sittenwächter als Terrorbekämpfer drauf zugreifen. Man schaue sich mal den Video bei SPIEGEL Online an. In Stuttgart bekommt man jetzt schon böse Briefe vom Ordnungsamt für

  • Im Vorbeifahren Blickkontakt zu der/n anwesenden Prostituierten aufgenommen.
  • zu Fuß unterwegs – offensichtlich Ausschau nach (einer) Prostituierten gehalten.

Und schicken das dann gleich nach Hause in Spekulation darauf, daß der dann zuhause viel Ärger bekommt.

Wenn ich richtig informiert bin, ist Prostitution bzw. deren Konsum in Deutschland (von Sonderfällen im Zusammenhang mit Minderjährigen oder Zwang abgesehen) keine Straftat (mehr), oder? Wie kommen die dann dazu, Leute zu überwachen und denen böse Briefe nach Hause zu schicken? Und wofür gibt es da die im Video erwähnten Strafen bis zu 1000 Euro?

Gibt es da jetzt Menschen, die man nicht mal anschauen darf? Schon das einfache Anschauen von Leuten gilt als Ordnungswidrigkeit? Sind die noch ganz dicht?

(Persönliche Anmerkung: Ich hab meinen Grundwehrdienst in Koblenz abgeleistet und dabei einen LKW-Führerschein gemacht. In der dortigen Bundeswehrfahrschule war es – beim Bund geht’s halt derb zu – üblich und wurde vom Fahrlehrer ohne Gestattung der Widerrede durchgesetzt, eine der vorgeschriebenen vielen Nachtfahrten durch den Koblenzer Straßenstrich zu treiben und dabei Nutten und schaukelnde Wohnwägen zu besichtigen, freilich ohne den LKW zu verlassen. Hat sogar Spaß gemacht. Ich habe keine Lust, mir vom Staat sowas als Ordnungswidrigkeit anhängen zu lassen.

An der Uni Karlsruhe gibt’s direkt gegenüber die Ladenzeile mit den Pornokinos und nebendran die berüchtigte Brunnenstraße, die – zumindest früher – mal die örtliche Bordellstraße war. In Karlsruhe hat es Wohnungsnot, und eine Menge meiner Kommilitonen (auch weibliche) haben keine andere Wohnung gefunden als in den Wohnungen über dem Bordellbereich und den Stripschuppen. Einer war sogar in einer WG mit Stripperinnen. Die wöchentlichen O-Phasen-Treffen zur Besprechung von Übungsaufgaben in Algebra und Analysis, und übrigens auch der kürzeste Fußweg zum Studentenzentrum Z10 führten daher nicht selten mitten durch den Bordellbereich, wo man als Mann auch ständig von den Damen angequatscht wird, was man sich als Studi schon rein finanziell nicht leisten kann. Wenn ich überlege, daß ich mich damit – Algebra und Analysis – schon in das Blickfeld staatlicher Sittenwächter begeben und Ordnungswidrigkeiten begangen hätte…).

Noch weiter geht es angeblich in Tschechien, wo die Polizei unsittliches Verhalten aufzeichnet und öffentlich auf Webseiten mit deutscher Beschriftung packt, damit die deutsche Ehefrau weiß, wen sie dann mit dem Nudelholz vertrimmen darf. Nichts mehr mit Persönlichkeitsrecht und Selbstbestimmung.

Sind die alle verrückt geworden?

Ich glaub der Überwachungsstaat fängt gerade an durchzudrehen. Werd ich demnächst dabei gefilmt wie ich am Sonntag morgen lang ausschlafe statt in die Kirche zu gehen?

Kommt früher oder später dann noch die Zwangskamera in jeder Wohnung die aufnimmt, ob ich auch hübsch brav dasitze und keine Pornos gucke?

3 Kommentare (RSS-Feed)

Stefan
7.12.2008 18:35
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Unklar ist mir auch, wie sie an die Adresse der ‘zu Fuß unterwegs’-Kunden kommen. Wurden die doch verfolgt, bis sie in ein Auto stiegen?

Die Strafe ist wohl eine Ordnungswidrigkeitenanzeige, wenn ich das recht verstanden habe: Weil Sperrbezirk ist Prostitution dort verboten. Wahrscheinlich wäre es nicht so schwer sich erfolgreich vor Gericht zu wehren, aber nicht, ohne daß das private Umfeld Wind bekommt, und so zahlen die Beschuldigten lieber, als einen Prozeß zu gewinnen, aber den Familienfrieden zu verlieren.


yasar
9.12.2008 14:36
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Wie Stefan schon bemerkt hat: Es geht um den Sperrbezirk, d.h. nicht erlaubte Prostitution. Von daher ist es durchaus angebracht, beim Verstoss gegen die verordnungen Geldstrafen zu verhängen. Der brief wegen falshcparkens wird ja auch nach Hause zugestellt.

Das Problem liegt eher darin begründet, daß

1. die Kameras “zweckentfremdet” werden.

2. die Tatsache daß man dort vorbeikommt und dabei unweigerlich auch die Damen anblickt schon als vergehen angesehen wird. Hier wäre es angebrachter, erst dann das Ticket zu vergeben, wenn es zu einer Kontaktaufnahme gekommen ist Mitnehmen im Auto o.ä.

PS: Zu Studentenzeiten in war man leider auch öfters gezwungen durch die Brunnensraße (Schnellster Weg zwischen Pfannenstiel/Wolfbräu) und Durlacher Tor/Oststadt oder durch die Kreuzung Weinweg/Gerwigstraße (schnellster Weg von Haltestelle Weinweg zu Haltestelle Ostring, statt außenrum zu fahren, damals Straßenstrich) zu laufen. Wenn allein dies reichen würde (die Damen anzuschauen ließ sich nicht umgehen, wenn man sie nicht umrennen wollte) wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt zu werden, hätte man das (geringe) Einkommen das man als HiWi erwirtschaftet hat, auch gleich für die Damen ausgeben können und hätte mehr davon gehabt. 😉


Hadmut
9.12.2008 15:54
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Ich kann mich erinnern, im MAD-Heft bei den Bildwitzen von Don Martin (Sissafizz – Falapp – Balonk) einen dazu passenden gesehen zu haben. Strassenhure in typischer Bordsteinschwalbenaufmachung lehnt an der Straßenlaterne und wartet. Kommt einer an, fragt “Wieviel?”. Sie sagt “50 Mark” und er sagt “abgemacht”.

Auf dem nächsten Bild geht die Nutte mit dem 50-Markschein nach rechts weg und der Mann nach links, freudestrahlend die Straßenlaterne unter dem Arm, die er ihr gerade abgekauft hat…