Ansichten eines Informatikers

Sind “Gott” und die Hölle Vorläufer der Überwachungskameraattrappe?

Hadmut
9.11.2008 1:58

Au weia. Da hat mich Stefan in einem Kommentar zu meinem Blog-Eintrag von vorhin aber gerade auf einen ganz, ganz bösen Gedanken gebracht. Der Gedanke ist so böse, daß er mir richtig gut gefällt.

Einige Religionen, insbesondere die katholische Kirche, unterstellen ja einen bösartigen, strafenden Gott, der alles sieht und den Sünder – so er nicht Ablaßbriefe kauft oder anderweitig etwas für die Vergebung der Sünden tut – auf ewig in der Hölle schmoren läßt. Es heißt ja so schön “Der liebe Gott sieht alles”, sagt(e) man besonders gern zu Kindern.
Letztlich wird damit das unterschwellige Gefühl erzeugt, niemals unbeobachtet zu sein und daß jede Verfehlung schwer bestraft wird.

Dasselbe Gefühl erzeugen Überwachungskameras, sogar dann, wenn es sich letztlich nur um Attrappen handelt. Der ganze Anti-Terror-Hokuspokus sagt einem, was immer Du tust, wo immer Du bist, Du wirst dabei beobachtet und später bestraft. Das selbe perfide Bedrohungsmuster.

Zwar habe ich schon öfters mal im Rahmen von Kritik an der Kirche geäußert, daß das Konzept des Gottes, der alles sieht, ja eine ziemlich böse Konstruktion ist, die einen niemals unbeobachtet und in Ruhe läßt. Die ziemliche exakte Übereinstimmung mit dem Konzept der omnipräsenten Überwachungskameras (und damit generell des Big Brother) ist aber ein herrlich teuflischer Gedanke.

Verfolgt die beobachtend-strafende Gott-Komponente der mittelalterlichen katholischen Kirche dasselbe Big-Brother-Konzept wie die britischen Überwachungskamera-Bäume? Der Unterschied nur in der Technologie?

Sind Überwachung und das vom Bürger erwartete Wohlverhalten am Ende eine neue Variante des alten Kirchenmusters? Hat die staatliche Überwachung Ähnlichkeit mit der heiligen Inquisition?

Mmmh, da muß ich erst mal drüber nachdenken und mir eine Meinung dazu bilden. Nettes Denk-Thema. Böse, böse.

3 Kommentare (RSS-Feed)

Stefan
9.11.2008 4:43
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Auf den ersten Blick vielleicht böse, aber als gemeinsames Muster liegt beidem Pädagogik zugrunde.

Es ist doch historisch eher so, daß man den eigenen Wunsch erzieherisch tätig zu sein in einer Gottesidee objektiviert hat, und die eigene, kindliche Ohnmacht den Eltern gegenüber, die einem bis zu einem gewissen Alter gar Lügen von der Nasenspitze ablesen können ebenfalls nach außen projiziert.

Diesen allwissenden Eltern ist Gott als auch die Kamera nachempfunden.

Aber suhlen wir uns nicht in selbstgefälliger Eitelkeit – wer überwacht die Überwacher? Der kritische Bürger, also Du und ich. Unsere Technik ist eine andere, und wir wenden unser Mißtrauen mehr nach oben als nach unten.

Wenn wir jemanden überführen stehen wir recht zahnlos da, aber mit Forderungen, wer zurücktreten soll sind wir selten sparsam. Immer schön den Finger in die Wunde, und die grundlegende Idee ist die gleiche – wir wollen den anderen bessern. 🙂 Und die großen Ideale sind mit uns, Halleluja! 😉

Vielleicht findest Du aber noch ein paar attraktive, gedankliche Umwege zum gleichen Ziel, oder ein besseres Ziel, oder einen netten Ort um unterwegs ein Picknick zu machen.

Den eigenen Weg mit Stil, Anstand und Humor zu absolvieren scheint mir dabei mehr die Kunst des Lebens, als ein gutes Ziel zu finden.

Auf Bösartigkeiten – um den Bogen zu schlagen – kann man aber unterwegs nicht ganz verzichten, wenn der Humor nicht zu kurz kommen soll.


Stefan
10.11.2008 0:34
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P.S.: Ich habe vergessen nachzufragen, wie es bei den anderen Religionen mit dem alles-sehenden-Gott aussieht. Ich kann nur sagen, daß es im westeuropäisch-katholischen Milieu, dem ich entflohen bin, gängig ist.
Wie aber sieht es bei Protestanten, griechisch-orthodoxen aus? Bei Muslimen und Juden, bei Hindus und Buddhisten, Scientologen und Zeugen Jehovas?

Wer ein jüngstes Gericht mit angeschlossenem Belohnungssystem hat, der braucht doch einen gerechten, allwissenden Richter.

Da die USA das allsehende Auge auf ihre Geldscheine gedruckt haben, vermute ich, daß die evangelikale/protestantisch/evangelische Spielart des Christentums auf dem katholischen in dieser Hinsicht entsprechen.

Auf welche Bibelstelle die Vorstellung überhaupt zurückgeht ist mir leider auch unklar.


yasar
10.11.2008 15:22
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Jehova/Gott/Allah folgen im Prinzip alle demselben Konzept. Sie sind, um im Informatikerjargon zu bleiben, jeweils durch Vererbung und “Überladen” von Methoden voneinander abgeleitet.

Allen gemeinsam ist der allwissende, allmächige Schöpfer, der am Ende jeden richtet (mal mehr, mal weniger streng). Die verschiedenen Unterfraktionen (evangelische, katholische, schiitische, sunitische, etc. Varianten) unterscheiden sich praktisch nur im Detail davon. Von daher gehe ich davon aus, daß es keine großen Unterschiede zwischen den Religionen in dieser Hinsicht gibt.