Ansichten eines Informatikers

Sieht aus wie ein Polizist, ist aber keiner…

Hadmut
7.7.2008 22:05

Ich weiß nicht warum, aber irgendwie stoße immer wieder ich auf die komischen Fälle und die faulen Früchte.

Um es auch hier vorweg zu sagen: Ich halte auch von der deutschen Polizei ne ganze Menge und habe sie bisher nahezu immer als sehr freundlich und hilfsbereit erlebt. Die machen einen harten Job und werden dafür so schlecht bezahlt, daß viele davon noch einen Zweitjob in der Nacht oder am Wochenende brauchen.

Vor ein paar Tagen war ich in Berlin. Ich hatte Feierabend und bin bei schönem abendlichem Wetter einfach mal mit der Kamera losgezockelt. Mit der U-Bahn zum Postdamer Platz, am Mahnmal vorbei zum Brandenburger Tor, mitten durch und dann Unter den Linden entlang nach Osten bis zum Alexanderplatz und zurück. Gleich nach dem Brandenburger Tor, der neuen US-Botschaft, dem Pariser Platz und dem Hotel Adlon kommt die Querstraße Wilhelmstraße, in der rechts die britische Botschaft liegt. Aus naheliegenden Gründen sind die amerikanische und die britische Botschaft sehr stark bewacht und werden zu den Straßen hin durch Poller geschützt, die heranrasende Autos (beispielsweise mit Bomben drin) abhalten sollen. Deshalb ist diese Wilhelmstraße nach oben und unten mit solchen Pollern abgesperrt. Nach Süden hin sind sie wohl fest montiert, nach Norden zu “Unter den Linden” hin sind drei der Poller versenkbar und bilden mit einer zweiten Pollerreihe eine Schleuse, durch die Botschaftsangehörige nach einer Polizeikontrolle in die Straße und damit in die Botschaft fahren können. Ansonsten können nur Fußgänger und Radfahrer durch. Es stehen ein paar Polizisten herum, die meist nichts zu tun haben. So einen Bürocontainer haben sie auch. Auf Satellitenbildern von Google Maps kann man die Pollerreihen ganz gut erkennen. Weil die vordere Poller-Reihe bündig mit dem Fußweg abschließt, wird aus der ursprünglichen Kreuzung mit vier Straßen eigentlich nur eine T-Kreuzung, also eine Mündung.

Es war so einer der Abende mit angenehmem Wetter und beginnender Dämmerung, an denen in Berlin alle irgendwie gut gelaunt sind und sich ins Straßencafé setzen oder einfach wie in der guten alten Zeit flanieren gehen. Ich komme also so von Westen vom Brandenburger Tor her und sehe in der Dämmerung die Poller leuchten. Die haben nämlich oben rundherum einen Schlitz, durch den rotes Licht böse funkelt. Soll dafür sorgen, daß man nicht dagegen fährt. Die Reihe dieser Rotlichter wollte ich fotographieren. Alle möglichen Leute gingen dabei an den Poller-Reihen ohne zu gucken und in aller Ruhe an den Dingern vorbei, als wäre es normaler Gehweg. Ich blieb so ungefähr am Bordstein stehen, holte die Kamera raus und ging in die Hocke, bewegte mich auch etwas nach vorne. So aus dem Augenwinkel fiel mir noch auf, daß da drei Polizisten standen und sich mit einem Mann im Anzug unterhielten, hab mir aber nichts bei gedacht. Sie kannten den offensichtlich und unterhielten sich angeregt. Ich dachte an nichts Böses.

Wie ich gerade so am Zielen bin, spricht mich einer der Polizisten an. So einer in einer normalen Polizeiuniform eben. Ob ich noch Platz auf der Kamera hätte, fragt er. So, wie jemand fragt, ob man noch Fotos machen könnte. Es hörte sich an, als wolle er mich bitten, ein Foto von ihnen zusammen mit dem Mann im Anzug zu machen. Mir kam in den Sinn, daß das vielleicht irgendein Promi sein müßte und sie ein Erinnerungsfoto bräuchten, aber irgendwie kam mir das komisch vor und der Typ war mir völlig unbekannt, und ich fragte zurück, wie er das jetzt meine. Ob ich noch Platz hätte um noch ein paar Fotos zu machen, fragt er zurück. Nun bin ich in solchen Fällen ja eigentlich hilfsbereit und für jede Situation zu haben. Also sagte ich, daß das kein Problem sei, was ich denn fotographieren soll. Ich dachte, die stellen sich jetzt da hin, ich rufe “Cheese!” und dann gibt’s das übliche dämliche Touristenfoto. Da, meint er, und zeigt auf die Ampel, sei eine rote Ampel, die solle ich mal fotographieren damit ich mir besser merken könnte, daß die Ampel rot sei.

Daß da eine Fußgängerampel stand und die auch noch rot war, war beim besten Willen nicht zu leugnen und von der Hand zu weisen. Es war mir aber nicht aufgefallen.

Ich gebe zu, daß ich diese Ampel nicht bemerkt habe und tatsächlich bei Rot auf die Straße gegangen bin. Weil da ein ganzer Menschenstrom über die Straße ging und diese Poller einem unwillkürlich suggerieren, daß da rechts keine Straße mehr ist, hatte ich einfach nicht den Eindruck, durch den Straßenverkehr zu gehen. Und auch sonst hatte das niemand beachtet. Aber ausgerechnet mich sucht der sich aus. Wohl wegen der Kamera. (Nur wenn die Polizei hier nicht reinguckt und es keiner weitersagt, gebe ich auch zu, daß ich schon mal ganz bewußt bei Rot über die Straße gegangen bin. Aber da war mir die Ampel einfach nicht als aktive Verkehrskreuzung aufgefallen, ich dachte an den Pollern normal entlanggehen zu können wie alle anderen auch.)

Ähm, da war ich nun in einer Verteidigungssituation. Also erklärte ich, daß es mir leid tut, und daß ich annahm, daß das hier keine reguläre Straße mehr sei. Da wurde er ziemlich pampig. Das sei eine rote Ampel, und die habe man grundsätzlich immer und auf jeden Fall zu beachten, ob ich das nicht wüßte. Na ja, also so einfach ist es nicht, halte ich ihm entgegen, wenn ein Verkehrszeichen objektiv unsinnig oder erkennbar defekt ist, muß man es auch nicht beachten. Und schließlich und letztendlich seien diese Poller ja nun unbestreitbar eine bauliche Maßnahme im Sinne eines Verkehrszeichens, die ebenfalls zu beachten sei, genauso wie die roten Lichter darauf. Das sei zumindest irreführend, dafür möge er Verständnis aufbringen. Komisch kam mir dabei vor, daß er das Gespräch mit mir mitten auf der Straße führte. Wenn es so wichtig ist, daß man die Ampel beachtet und nicht den Verkehr behindert, warum gehen wir dann nicht auf die Seite sondern diskutieren hier rum?

Er hält mir einen Vortrag. Wenn mich ein Radfahrer über den Haufen führe, würde ich von keiner Versicherung etwas bekommen. Was an sich Quatsch ist, weil wenn mich ein Radfahrer hier über den Haufen führe, wo alles beleuchtet ist und es jede Menge roter Lichter hat, wäre das mindestens bedingter Vorsatz. Aber seit wann bestimmen sich Ordnungswidrigkeiten danach, ob Versicherungen zahlen wollen? Und was ist für die Versicherung anders, wenn statt mir drei Polizisten und ein Mann im Anzug im Weg stehen und genauso über den Haufen gefahren werden? Er gestikulierte heftig und erklärte auch noch, daß er und seine Kollegen gegen mich aussagen werden, dann hätte ich drei Polizisten als Zeugen gegen mich. Ich habe noch keinen Unfall, aber schon drei Polizisten als Unfallzeugen gegen mich. Autsch. Jetzt wird’s gefährlich.

Da ich an dem Abend eigentlich Besseres zu tun hatte, gab ich nach und erklärte ihm, daß ich es verstanden habe und es zu Hause noch mal intensiv nachlesen werde. Ich hatte überhaupt keine Lust, mich mit dem Mann da weiter abzugeben. Der ließ aber nicht locker. Und man kann in so einer Situation auch nicht einfach so einen Polizisten stehen lassen und weitergehen. Zumal da in der Gegend ziemlich viel Polizei herumsteht, da wäre ich nicht weit gekommen. Er fing also von vorne an, die rote Ampel, die man auf jeden Fall zu beachten haben, und man nicht über die Straße gegen dürfe, und überhaupt. Man merkte zunehmend am Ton, daß der Streit suchte und brauchte. Ich bestätigte ihm noch einmal, daß ich es verstanden habe, und versicherte ihm, daß ich dazu sorgfältig und ausgiebig meine Hausaufgaben machen werde, um mich über mein eventuelles Fehlverhalten und die Vermeidung künftiger Irrtümer und Fehler zu informieren, und mich künftig größter Sorgfalt bei der Einhaltung der Straßenverkehrsordnung befleißigen werde. Aber auch daß man keine Ordnungswidrigkeit begeht, wenn man irrtümlich ohne grobe Fahrlässigkeit handelt, ich mich zur Sache selbst aber nicht weiter äußern wolle. Da wurde der richtig ausfällig und brüllte herum. “Sie wollen es nicht verstehen! Sie sehen es einfach nicht ein!” Stellt mich da auf der Straße als Doofkopp hin, in durchaus herablassendem und beleidigendem Ton. Und redete sich immer mehr in Rage. Ich versuchte das diplomatisch und sagte noch einmal, daß ich ihm nicht widerspreche und ihn verstanden habe, aber daß ich das auch nicht einfach so fresse, sondern mir im Detail anschaue, damit ich es mir besser merken kann. Und wieder “Sie wollen es nicht einsehen!”

Das wurde mir dann irgendwann zu bunt und ich habs dann mal mit der Zurückhaltung gelassen. Ich habe in ziemlich deutlichem Ton gesagt, daß mir das jetzt über die Hutschnur geht und ich keine weiteren Diskussionen mehr mit ihm zu führen gedenke, und er jetzt mal konkret sagen soll, was er noch von mir will. Ja, ich soll hier verschwinden, wenn er mich hier nochmal erwische, nehme er mir 5 Euro ab. Ich mußte mir eigentlich das Lachen verkneifen. Bevor der aber durchdreht und hier noch ne Festnahme inszeniert, und ich dann noch drei Zeugen gegen mich habe, die vielleicht noch behaupten, ich hätte den angegriffen oder mich gewehrt oder sowas. Ich mache, daß ich wegkomme.

Zum Abkühlen und Beruhigen latsche ich wie geplant zum Alex und wieder zurück. Am späteren Abend und in der Dunkelheit komme ich wieder an der Stelle vorbei, andere Straßenseite. Tatsächlich gibt es ein Straßenschild, daß man nicht mehr geradeaus in die Straße fahren darf, daß sie aber für Anlieger und Radfahrer noch frei ist. Also doch noch zum Straßenverkehr gehört. Das kann man nur als Fußgänger nicht sehen. Und wieder stehen die Polizisten da im Haufen herum, diesmal mit einem Radfahrer, den sie offenbar kennen, und quatschen da ne Weile mit dem, ohne auf die Umwelt zu achten. Mitten auf dem Radweg stehen sie. Etwa 10 Minuten habe ich zugesehen und auch ein paar Fotos gemacht.

Was macht man mit sowas? Einfach ablegen und bis morgen vergessen? In sich reinfressen? Sich in der deutschen Mentalität des Wegsehens üben?

Gut, ich hab ein dickes Fell, mich kann der nicht ernsthaft einschüchtern. Aber was ist, wenn der da irgendwelche dünner besaiteten Leute anschnauzt? Und das noch vor der britischen Botschaft? Ausgerechnet die Briten, die doch so großen Wert auf die Höflichkeit der Polizei legen und die Londoner Polizisten extra auf Höflichkeitslehrgänge schickt?

Muß man eigentlich immer bei allem wegsehen und alles ignorieren? Oder kann man als Deutscher auch mal was am Erscheinungsbild in der Hauptstadt machen, und wenn’s nur ne Schneeflocke ist?

Ich hab dann einfach am späten Abend mal zwei andere Polizisten angesprochen, die woanders herumstanden und sehr nett und sehr freundlich waren. Wie die Berliner Polizei es mit der Höflichkeit so halte, ob es da Anweisungen gebe. Sie lachten. Nee, meinten sie, da würde nichts gelehrt. Höflichkeit hat man aus dem Elternhaus. Oder, setzten sie, plötzlich ganz ernst, nach, eben auch nicht. Was denn der Grund meiner Frage sei. Ich erzählte den Vorfall in wenigen Sätzen und sie wußten – ohne jede Personenbeschreibung, nur anhand des Verhaltens – sofort, wer das war, und beschrieben den Mann zutreffend. Ja, der sei schon mehrfach aufgefallen.

Und nachdem auf jedem Berliner Polizeiauto eine Bürgertelefonnummer klebt und sie extra eine zentrale Beschwerdestelle eingerichtet haben, habe ich mich des Nachts im Hotelzimmer doch noch hingesetzt, eine Beschwerde zusammengeklimpert und hingefaxt. Mal darauf hingewiesen, daß wir hier (noch) ein Rechtsstaat sind und jeder Beschuldigte das Recht hat zu schweigen. Man muß sich nicht von einem Polizisten nötigen lassen, noch an Ort und Stelle ein Schuldeingeständnis abzugeben. Jeder hat das Recht, sich erst mal kundig zu machen, einen Anwalt zu befragen, oder einfach auch zu schweigen. Man hat ein Schweigerecht. Außerdem müßte jeder Polizist eigentlich wissen, daß man keine Ordnungswidrigkeit begeht, wenn man irrtümlich handelt. Und wieso eigentlich die rote Ampel für den nicht gelten solle, was der da auf der Straße so wichtiges zu tun hat, wenn die da dauernd quatschen könnten. Und daß ich es für mißbräuchlich halte, wenn dessen Freunde herumstehen können, er sich aber vor Langeweile dann willkürlich Leute aussucht, die er polizeilich einschüchtert. Vor allem kann es aber nicht angehen, daß man da angepöbelt wird bis man durch Tat- und Schuldgeständnis “Einsicht” signalisiert hat.

Dauerte dann etwas.

Volltreffer und große Überraschung.

Wie ich inzwischen erfahren habe, ist der Mann schon einschlägig dafür bekannt und mehrfach dienstlich verwarnt worden, daß er Leute auf eine Art und Weise anredet, die für andere nicht nachvollziehbar ist, um es vorsichtig auszudrücken.

Der eigentliche Hammer ist aber: Der ist gar kein Polizist.

In Berlin hat man für solche Wachdienste Wachleute angestellt (die genaue Bezeichnung fällt mir nicht mehr ein), die keine polizeilichen Rechte haben und eben keine Polizisten und Beamte sind. Die werden zwar in eine Uniform gesteckt (bin jetzt nicht mehr ganz sicher, ob der eine Waffe hatte, Wachleute haben sowas aber normalweise), damit sie ordentlich aussehen, das bedeutet aber gar nichts. Sie haben im Prinzip nicht mehr Rechte als jede andere Privatperson. Sie haben zwar schon die Aufgabe, darauf zu achten, daß die Straße frei bleibt, falls mal jemand vom Botschaftspersonal durchfahren will. Letztlich aber können sie nichts anderes tun als jeder andere Bürger auch, nämlich zu einem echten Polizisten zu gehen und zu sagen, daß da vorne eine bei Rot über die Straße läuft. Der darf mir nicht mehr als ich ihm. Äußerlich unterscheiden kann man die aber nur anhand anderer Schulterklappen und eines Stoffbandes um den Hut herum. Wenn man das nicht weiß, muß man sie für Polizisten halten. Sie dürften sich aber keinesfalls als Polizisten ausgeben. Hat aber hier den Molly gemacht und die Obrigkeit herausgehängt wie zu besten DDR-Zeiten.

Weiter, so erfuhr ich, haben die auch keine Polizeiausbildung. Die bekommen einen kurzen Einführungskurs über ein paar Wochen und dann geht’s los. Von Straßenverkehrsrecht oder Ordnungswidrigkeiten haben die kaum Ahnung, weil sie nicht eingewiesen werden, denn dafür sind sie nicht zuständig. Deshalb habe der auch nicht auf meine Einwände reagieren und sich nicht vernünftig ausdrücken können. Der wußte nicht mehr als “Die Ampel ist rot”. Deshalb ist der auch so ausgetickt als ich seine Belehrung nicht unterwürfig gefressen habe. Schon war der auf dünnem Eis.

Und das mit den 5 Euro usw. das hätte der natürlich überhaupt nicht dürfen. Das ist Amtsanmaßung. Das wäre mir echt mal 5 Euro wert gewesen es drauf ankommen zu lassen, ob er das durchzieht. Dann wäre er richtig dran gewesen.

Ich habe weiter erfahren, daß der Mann eindeutig festgestellt werden konnte und den äußeren Vorgang einräumt, alle Details aber bestreitet. Was ihm nicht allzu viel nutzen wird, weil es ja nicht das erste Mal ist. Und ich habe erfahren, daß der Mann sich sofort einen Anwalt genommen hat und sich auf sein Schweigerecht beruft. Gerade auf das Recht, daß er mir nicht zugestehen wollte.

Manchmal sind es die Kleinigkeiten. Oder 5 Euro.

Ein Kommentar (RSS-Feed)

Stefan
8.7.2008 2:22
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Oho.
Dazu fallen mir 3 Dinge ein.

Erstens, wie ich kürzlich einen Polizisten in Ausbildung auf dem Radweg erwischt habe – v.a. sein Handy.

Zweitens, wie mir ein guter Freund, Beruf: Psychologe, erklärt hat, wie man um Ärger herum kommt – allerdings zum Preis der Ehre.

Und drittens die DDR.
Keine Gnade mit der DDR, aber die gute Tradition die hier zum Ausdruck kommt ist wohl die preußische – die aber wohl in der DDR auch Staatsreligion war. Befehl, Gehorsam, Uniform – Der Klöckner von Köpenick wollte ich schon schreiben.

Der Rat des Psychologen:
Es kommt eben drauf an, ob man die Priorität setzt sein Recht durchzusetzen, und zur Not einen Rechtsstreit oder andere akute Nachteile in Kauf nimmt, oder ob man sich lieber den Ärger spart, um ein Strafmandat herumkommt, aber dafür klein beigibt.

Wenn man beide Optionen hat kann man ja immer noch frei entscheiden welche Strategie man wählt.

Hättest Du die Appeasementstrategie gewählt, so hättest Du zweifelsfrei darstellen müssen, daß er, das uniformierte Recht, Recht hat.
Auf der Verhaltensebene ist Unterwerfung gefordert, nicht Widerspruch und Diskussion.
“Sie haben Recht” ist schon ziemlich gut, darf aber nicht durch ein “aber” getrübt werden.
“Aber” ist ganz schlecht – “aber eigentlich habe ich recht” steckt dahinter.
“Ich habe mich blind auf die anderen verlassen, die auch bei Rot gegangen sind – das war falsch!”
Was ich mache ist falsch – da schwingt das “Sie haben Recht” mit – da können nur wenige Würdenträger widerstehen.

Die Hauptsache ist es dieses Schauspiel halbwegs glaubwürdig vorzuführen – der Uniformierte darf nicht merken, daß man heuchelt.
Und die Königsdisziplin ist es, an seine Kompetenz zu apellieren, und ihn aufzufordern einen Rat zu erteilen.
Stärker kann man seine Kompetenz nicht bestätigen, aber man muß natürlich etwas finden, was man zumindest ansatzweise vertreten kann.
Vielleicht wäre es möglich gewesen zu fragen, ob er das Ensemble Ampel + Poller + Radweg optimal findet, oder wie er die Kreuzung gestaltet hätte.

Es erfordert aber ein gewisses schauspielerisches Talent und ein Mindestmaß an Leidensfähigkeit – man sollte das sicher nicht zu oft machen, und sich vielleicht für einen Chinabesuch aufsparen.

Ich habe als fernöstliche Weisheit “Stolz ist das Gift des Geistes” im Kopf, aber zu Google hat sich das noch nicht rumgesprochen – mit dem ‘Geist’ bin ich mir nicht mehr ganz sicher.

Das könnte man so auffassen, daß ein kleiner Beamter, der in Wirklichkeit sogar nur ein Angestellter ist – daß es eine Leistung ist diesem gegenüber seinen Stolz zurückstellen, daß das schwieriger sein kann, als auf dem eigenen Recht zu beharren.

Du hast mehr Bildung.
Du hast mehr Ahnung.
Du bist ihm rhetorisch überlegen.
Du hast womöglich eine als teuer erkennbare Kamera in der Hand.

Er hat nur sein kleines Revier, in dem er etwas gilt.

Die wahre Kunst ist es wohl, einen Weg zu finden solchen Typen zu begegnen, und ohne Gesichtsverlust für beide der Situation zu entkommen.

Ein etwas anderer Weg ist der Radweg.
Punkt 1.
Es war Nachts um 0 Uhr, und eine Gruppe junger Erwachsener, etwa 8 Leute, lümmelte auf Höhe einer Bushalte auf dem Radweg rum (Zeichen 237 http://de.wikipedia.org/wiki/Radweg).

Ich klingelte von Ferne, aber sie reagierten nicht.
Schreiend und bremsend kam ich näher, und auf mein Rufen reagierten sie, und verließen den Radweg – ich löste die Bremse – bis auf einen, der schaute mich groß an, und blieb dann doch stehen, und zack – hatte ich ihn.
Er setzte sich auf den Boden, und ich mich drauf, und dadrauf das Rad.

Es war ersichtlich, daß keine Erste Hilfe notwendig war – ich kümmerte mich also zuerst ums Rad: Vorderleuchte verrutscht – kein Thema; zwotens um mich: ich hatte eine kleine Fleischwunde in der rechten Hand, die sich über Gebühr blutend wichtig zu machen suchte, und Prellungen, Schürfungen an den Beinen.

Der Unfallgegner rappelte sich auf – ich sehe eine Bierdose vor mir, und allgemein ging von der Gruppe eine Alkoholfahne aus. Der war nicht mehr klar.
Ich fragte – nicht ehrlich besorgt – ob ihm was passiert sei.

Einer seiner Kumpel übernahm die Verhandlung.
Ich sagte, bei Personenschaden müssen wir die Polizei rufen.
Der Kumpel sagte “Wir sind die Polizei”. Das kam mir mehr wie ein Spruch aus dem Kino vor.
Konnte auch ein Einschüchterungsversuch sein.
Mit 6 jungen, besoffenen Männern und 2 Frauen wollte ich mich nicht anlegen, aber das Recht schien mir auf meiner Seite.
Wer zu besoffen ist am Verkehr teilzunehmen, der soll sein Kindermädchen mitnehmen, das auf ihn aufpaßt.

Andererseits hätte ich zur Sicherheit auch anhalten können, wenn ich geahnt hätte, daß der Typ nochmal stehenbleibt – darauf hätte ich kommen können, weil ja nachts viele alkoholisierte Leute unterwegs sind. Gut – habe ich nicht in den wenigen Sekunden – aber wer weiß was ein Richter entschieden hätte.

Jedenfalls schien die Aussicht gegen 8 mehr oder weniger Besoffene zu argumentieren unangenehm – ich drängte dem halbwegs Klaren meine Visitenkarte auf, und bereite meinen Abgang vor.

Der jedoch behauptete, daß jeder das Recht hätte den Radweg zu benutzen, auch Fußgänger, und als Schwächerer sei der Fußgänger ohnehin im Recht.

Nun ist der Fußgänger nicht schwächer – allenfalls langsamer.
So ein ‘per se im Recht’ klang für mich so, daß wenn sie Polizisten sind, dann gewiß keine Verkehrspolizisten.
Wie man an der Einschätzung zu Radwegen auch sehen konnte.

Sein Kollege jedenfalls suchte nun sein Mobiltelefon, was mir aufrichtig leid tat. 🙂

Der Umgefahrene schickte sich nun an mir auf die Pelle zu rücken – ob mehr aggressiv, oder im Versuch eine alkoholische Umarmung zu verteilen, war nicht zu erkennen – wie oft bei Betrunkenen.

Ich wies darauf hin, daß sie ja nun meine Karte hätten, wenn noch etwas wäre, und entfernte mich ohne Hektik, aber war doch froh als die ersten 20m zwischen uns lagen.

Später rief der Geschädigte nochmal bei mir an und jammerte ein wenig über ein zerkratztes Händidisplay (telefonieren im Straßenverkehr, besoffen, auf dem Radweg, mit Unfallfolge).
Wollte aber wohl hauptsächlich abchecken, ob ich nicht Anzeige erstattet habe.

Hatte ich nicht.
Womöglich trifft mich eine Mitschuld, und die Wunden sind rasch verheilt – das Fahrrad unbeschadet.
Außerdem war ich auch mal jung. 🙂

Jedenfalls hat er nochmal betont, sie seien wirklich von der Polizei – noch in Ausbildung – da wäre der Unfall sicher nicht so gut rübergekommen.
Deswegen war wohl auch die Rufnummerunterdrückung aktiv, als er angerufen hat.

Aber einen hab’ ich erwischt, kann ich sagen.
Stellvertretend für viele, die es verdient hätten.