Ansichten eines Informatikers

Was ist Gerechtigkeit?

Hadmut
13.6.2022 13:03

Eine Hypothese.

Alle reden sie von „Gerechtigkeit“, von „Gerechtigkeitslücken schließen“ und solchem Quatsch.

Aber keiner sagt je, was „Gerechtigkeit“ überhaupt sein soll, wonach sich das bemisst. Es ist nur ein rhetorischer Hebel, um das, was man selbst will und für richtig hält, massentauglich durchsetzt, ohne darin in Zweifel gezogen oder in Frage gestellt zu werden, denn wer wollte schon „ungerecht“ sein?

So etwas wie eine objektive, universelle Gerechtigkeit gibt es jedoch nicht. Es gibt keine Gerechtigkeit in der Art wie ein physikalisches Naturgesetz. Wenn es auf irgendeinem Planeten hinter Alpha Zentauri so ist, dass es ein Stein in der Sonne kuschelig warm hat und der andere im Schatten frieren muss, oder einer schon zum dritten Mal von einem Meteoriten getroffen wird und der andere nicht, ist es trotzdem nicht „ungerecht“, schlicht weil keiner da ist, der es ungerecht finden könnte. Die Physik gilt da trotzdem.

Gerechtigkeit ist eine subjektive Bewertung eines Vorgangs, einer Handlung, anhand eines subjektiven Maßstabes.

Oder, wie schon so oft als Moral beschrieben: Das Maß der Übereinstimmung der Ist-Welt, des Ist-Handelns, mit einem unterbewusst vorgegebenen Soll-Wert. Und dieser Soll-Wert ist einfach nur eine genetisch und epigenetisch determinierte (und dann durch „Sozialisierung“, Erziehung, Lebenserfahrung angepasste) evolutionär erworbene Rudelverhaltensstrategie. Irgendwas, was sich vor Jahrmillionen mal so bewährt hat, dass es sich bei der Fortpflanzung als Vorteil erwiesen hat. Deshalb legt einer Vorräte an, der nächste gibt den Schwächsten im Rudel, der dritte klaut einfach nur.

Wie lässt sich das nun einordnen?

Könnte es sein, dass „Gerechtigkeit“ eine Art Rudiment eines Nahrungsverteilungsprogrammes ist?

Und dass deshalb die Leute völlig unterschiedliche Ziele darunter verstehen?

Ich hatte schon erwähnt, dass man herausgefunden hat, dass Testosteron „gerechter“ macht. Ist das dann die Rolle, wie man wie von Raubkatzen kennt, dass das Männchen von der Beute frisst und dann die anderen dranlässt?

Oder das von Vögeln, die ihre Jungen füttern? Da haben sich unterschiedliche Strategien herausentwickelt. Manche geben denen am meisten, die am weitesten das Maul aufreißen. Weil die am meisten Hunger und heute noch nichts bekommen haben, oder weil die anderen sowieso schwach und Verreckerle sind. Und dann gibt es welche (weiß nicht mehr, ich glaube aber, es waren die Sittiche), die zuerst das Junge füttern, das gar nichts sagt. Den Schwächsten päppeln. Unterschiedliche Überlebensstrategien, an verschiedene Lebensumstände angepasst.

Ist „Gebergerechtigkeit“ also nur das evolutionär erworbene Verhalten, Nahrung so an Nehmer zu verteilen, dass daraus der größtmögliche Fortpflanzungserfolg erwächst, was, je nach Umständen, ganz unterschiedliche Strategien umfassen kann? Also den Fortpflanzungserfolg zu optimieren?

Und ist „Nehmergerechtigkeit“ dann das genaue Gegenteil davon, nämlich der egoistische Ansatz, zuerst mal selbst genug zu bekommen und satt zu werden? Also beispielsweise bei der Futtervergabe lauter zu schreien als die anderen? Eine Durchsetzungsstrategie gegenüber den Konkurrenten? Also zunächst mal das eigene Überleben zu sichern?

Und macht Testosteron deshalb gerechter, weil es von der egoistischen Nehmergerechtigkeit zur Gebergerechtigkeit umschaltet?

Oder ist „Gerechtigkeit“ eine Optimierung der – in der Kälte und in dunklen Wintern erforderlichen – Kooperation, die in manchen Gegenden statt der Konkurrenz erforderlich ist?

Ist „Gerechtigkeit“ dann einfach eine spieltheoretische Programmoptiemierung?

Aus der Spieltheorie wissen wir, dass die beste Strategie „tit for tat“ ist. Man fängt ehrlich und kooperativ an, und macht dann immer das, was der Spielpartner zuvor getan hat. War er ehrlich, sind wir auch ehrlich. Hat er betrogen, betrügen wir auch.

Paradoxerweise kann man damit kein einziges Spiel gewinnen, weil man nie einen Vorteil haben kann, gewinnt aber auf lange Sicht optimal.

Ist „Gerechtigkeit“ also eine Verhaltensweise, die dem Ziel dient, das Ergebnis der Kooperation zu optimieren?

Oder beides?