Ansichten eines Informatikers

Mehr zur Spionagehure Schweiz

Hadmut
10.11.2020 13:22

Weil wir gerade so schön beim Thema sind, die nächste Quelle.

Republik.ch bringt heute (!) einen Artikel zum Thema Schweiz und CIA: Der Schattenmann der CIA

Der ehemalige Geheimdienstchef Peter Regli war eng mit der CIA verbandelt, seine Macht unkontrolliert. Ein Sittengemälde der Schweizer Geheimdienste in den 90er-Jahren, als nur ein kleiner Kreis in die Spionage der Crypto AG eingeweiht war.

Oh, ja. Die Sitten in Sachen Crypto in den 90er Jahren. Genau mein Thema.

Recherchen, die wir seither angestellt haben, zeigen jedoch: Die Crypto AG ist nur die Spitze des Eisbergs. Der gesamte Schweizer Nachrichten­dienst war in den 1990er-Jahren geprägt von Dünkel, Intrigen und informellen Beziehungen zu den westlichen Geheimdiensten. Es gab einen kleinen Zirkel von Insidern an der Spitze, der unbeaufsichtigt von Bundesrat und Parlament den persönlichen Austausch mit amerikanischen, südafrikanischen oder israelischen Spionen pflegte. Stets mit mündlichen Abmachungen, grosser Verschwiegenheit und, nach eigener Ansicht, nur «zum Wohl der Schweiz».

Ah, ja. Passt genau. Intrigen zum Wohle der Schweiz. Beziehungen zu westlichen Geheimdiensten.

Genau der dreckige Sumpf, aus dem damals das Gutachten der ETH Zürich, Ueli Maurer, kam, mit dem die mir die Promotion abgesägt haben.

Viele Spuren unserer Recherche führen zu einer Person: Peter Regli.

Regli war in den 90er-Jahren Chef des Nachrichten­diensts – in jener Zeit also, als die Gerüchte rund um die Besitz­verhältnisse der Crypto AG zu brodeln begannen.

Jo. Und hier in Deutschland war der für Kryptographie zuständige Direktor Otto Leiberich. Der, der bei uns am Institut herumscharwenzelte und bei dem dann auch meine Arbeiten landeten.

Unsere Recherchen zeigen, dass Regli enge Beziehungen zu ausländischen Geheimdiensten wie der CIA pflegte und nahezu unkontrollierte Macht innerhalb der Schweizer Geheimdienste besessen hat.

Das würde mich jetzt mal interessieren, ob das die Querverbindung war, über die man an Maurer gekommen ist. Denn man ruft ja nicht einfach mal irgendeinen Kryptologen im Ausland an und sagt „Grüß Gott, wir sind die Uni Karlsruhe und bräuchten mal ein Fake-Gutachten. Wären Sie vielleicht einer der für die CIA tätigen Profilügner?” Das muss ja irgendwie anders eingefädelt worden sein.

Und jetzt wird es sehr interessant:

Bereits die Cryptoleaks-Enthüllung im Februar deutete darauf hin, dass der Schweizer Geheimdienst involviert war: «Hohe Beamte der Organisation hatten generell Kenntnis von der Rolle Deutschlands und der USA im Zusammenhang mit der Crypto AG und trugen dazu bei, diese Beziehung zu schützen», heisst es dort.

Das heißt, dass die Schweizer Geheimdienste auch den Deutschen zudiensten waren, um die Operation Minerva/Rubikon zu schützen. Offenbar auch mit faulen Prüfungsgutachten.

Und dann gibt es die Verbindung zwischen dem Schweizer Geheimdienst und der ETH Zürich:

Peter Regli wurde 1944 in Airolo im Tessin geboren und schloss 1969 sein Studium an der ETH Zürich ab. Im selben Jahr trat er als Projekt­ingenieur in die Armaments Services Group ein. Von 1974 bis 1977 war Regli Militärattaché an der Schweizer Botschaft in Stockholm. Als neutrales Land ist Schweden, wie auch die Schweiz, ein wichtiger strategischer Standort für Nachrichten­dienste wie den CIA und den Mossad.

Zurück in der Schweiz, wurde Regli 1981 Chef des Nachrichten­diensts der Luftwaffe und der Luftverteidigungs­kräfte. 1991 machte ihn Bundesrat Kaspar Villiger zum Stabschef des Schweizerischen Nachrichten­diensts und zum Divisions­kommandeur.

Und:

Ein hochrangiger Schweizer Nachrichten­offizier, der nicht namentlich genannt werden will – nennen wir ihn Noah Bruchez – und der ein Jahrzehnt lang mit Regli gearbeitet hat, sagt bei einem Treffen mit uns, er sei in dieser Zeit Zeuge «der umstrittenen Freiheiten» Reglis geworden. Dieser sei ein begnadeter Redner, sehr gewinnend für seine Anliegen, sagt Bruchez. «Aber in Wirklichkeit, und innerhalb der Abteilung, ist Regli eine Figur, die eindeutig von seinen ausländischen Partnern beeinflusst wurde. Konkret: als Partner des Direktors des BND, also des deutschen Geheimdiensts, und des Direktors des CIA.»

Direktor des BND.

Oder meinen die nur Direktor der Zentralstelle für das Chiffrierwesen des BND? Denn die war ja von BND-Seite die, die die Operation Rubikon durchführte. Und deren Direktor war eben jener Otto Leiberich, der mir die Promotion absägte. Auch wenn er nicht gemeint war, dürfte es wohl sehr sicher sein, dass die sich gut kannten.

Wenn aber jener Schweizer Peter Regli da so ein skrupelloser und rechtsuntreuer Täter war, wie er in diesem Text beschrieben wird, der alles tat, was aus seiner Sicht „im Wohle der Schweiz” lag, und der auch die Verbindung zwischen dem BND/Otto Leiberich und der ETH Zürich ist, dann dürfte auch klar liegen, wie die Uni Karlsruhe damals auf Ueli Maurer gekommen ist, und warum umgekehrt Ueli Maurer so bereitwillig ein Falschgutachten erstellt hat (gleichzeitig aber sagte, dass er nicht nach Deutschland kommen werde, um sein Gutachten zu vertreten).

Der informelle Club

Wie kam Regli zu diesen hochrangigen ausländischen Kontakten? Und was war daran problematisch?

Bruchez und andere Quellen aus dem NDB-Umfeld bezeugen, dass der ehemalige Geheimdienst­chef stets an den geheimen Sitzungen des Club de Berne teilnahm. Diese informelle Organisation wurde während des Kalten Kriegs 1971 in Bern gegründet. Sie vereinigt die Chefs aller Geheimdienste und der Bundespolizeien aus etwa zehn Ländern wie Deutschland, den USA, Grossbritannien und der Schweiz. Die WOZ enthüllte im März dieses Jahres, dass dieser informelle Club bis heute noch operiert. Ziel ist der regelmässige Informations­austausch zwischen den westlichen Geheim­diensten und den jeweiligen Bundespolizei­korps über aktuelle Bedrohungen.

Die Schweiz spielte dabei eine wesentliche Rolle. Ein Archivar, der nicht namentlich genannt werden will, weiss: Die Schweiz verfasste 1982 etwa einen Bericht namens «Groupe de Travail» mit, der Spionage­aktivitäten der Ostblock­staaten und den heimlichen Transfer von westlicher Technologie in den Osten dokumentiert. Die Mitgliedschaft im Club de Berne war vorteilhaft: Ohne EU-Mitglied sein zu müssen, erhielt die Schweiz direkten Zugang zu einzelnen europäischen Geheimdiensten, wie die Bundeshaus-Journalistin Eva Novak 2004 in einem Artikel schrieb.

Aha. Die befassten sich also mit dem Problem, dass wesetliche Technologie in den Osten transferiert wurde – oder damit, dass das eben nicht passierte.

Hochinteressant.

Und wer ist Autor dieses Artikels?

Eine Recherche von Mehdi Atmani, Adrienne Fichter, Sylke Gruhnwald (Text) und Andrea Ventura (Illustration), 10.11.2020 […]

Mehdi Atmani arbeitet als freier Journalist. Für seine Videoserie «La Suisse sous couverture» auf RTS erhielt er beim Swiss Press Award die Auszeichnung «Journalist of the Year». Sylke Gruhnwald ist freie Journalistin und hat zuletzt für das dokumentarische Theaterstück «Whistleblowerin Elektra» recherchiert. Adrienne Fichter ist Redaktorin der Republik.

Derselbe, der die Dokumentationsreihe gemacht hat, die ich vergangene Nacht im Blog beschrieben habe.