Ansichten eines Informatikers

Der NDR und die Ärztinnen

Hadmut
14.2.2019 23:17

Ein Leser berichtet mir über einen seltsamen Vorgang.

Keine Ahnung, ob es stimmt, ich kann es nicht nachprüfen, auch wenn der Leser die Wahrheit nachdrücklich beteuert:

> Mein Vater war Landarzt in Niedersachsen, in Gemeinschaftspraxis mit seiner Frau, meiner Mutter.

Als er seine Praxis vor ca. 5 Jahren aufgeben wollte, fand sich über Jahre kein geeigneter Nachfolger. Es ergab sich, dass der NDR, der immer wieder Berichte über Ärztemangel im ländlichen Raum dreht, eines Tages meinen Eltern in einer 5-Minuten-Doku bei der Ausübung ihres Berufsalltages folgte. Die ungestellten, authentischen Bilder gebrechlicher Alter, die bei Hausbesuchen tapfer umsorgt werden und den baldigen Weggang ihrer Hausärzte verzweifelt bedauerten, ließen den Beitrag genau so herrlich menscheln, wie es der NDR erhofft hatte.

Wenige Zeit später wollte der NDR eine politische Talkshow zum gleichen Thema besetzen. Dazu suchten sie auch einen Publikumsgast als Stimme der betroffenen Praktiker, dessen Tatsachenbericht sich die anwesenden Politiker stellen sollten. Die Redaktion erinnerte sich an meinen Vater. Er schien ideal zu sein: Nicht nur war er ein von den Patienten geschätzter erfahrener Landarzt mit Nachfolgeproblem, sondern sie hatten praktischerweise bereits aktuelle Bilder bei der Berufsausübung im Archiv hatten. Er war außerdem als Kreisstellenleiter der Ärzteschaft und ehrenamtlicher Sozialrichter eloquent, geistig behende und debattenstark. Ein idealer Publikumsgast. Mein Vater sagte zu, seine liebende Ehefrau wollte ihn begleiten.

Im Vorfeld der Sendung sollte besprochen werden, was er in etwa sagen würde. Die Frage, die an ihn gerichtet werden würde, wäre die nach den Gründen, weshalb es so schwer sei, Jungärzte für den ländlichen Raum zu gewinnen. Er antwortete, er würde etwa sagen, ein großer Faktor sei nach seiner Erfahrung die Tatsache, dass es heutzutage zu viele Frauen unter den jungen Ärzten gebe. Disee scheuten in ihrer großen Mehrheit die Risiken der Selbständigkeit, wollten attraktivere Work-Life-Balance (vulgo: weniger arbeiten) und lieber in Städten praktizieren, in denen es ein attraktiveres kulturelles Umfeld zur Zerstreuung gäbe. Mit anderen Worten: Bei gleichbleibendem Ressourceninput in die Universitäten und gleichbleibenden Output an Jungärzten sinkt dennoch die Gesamtperformance der Ärzteschaft und damit das Niveau ärztlicher Versorgung, schlicht weil mehr Frauen als früher diesen Beruf ergreifen.

Diesen Blickpunkt wollte man beim NDR dann aber doch lieber nicht in die Diskussion einspeisen. Den ideale Publikumsgast lud der NDR lieber zügig aus, und dabei blieb es.

Heute sind mein Vater und meine Mutter berentet.

Die ehemalige Gemeinschaftspraxis ist an eine junge Ärztin allein übergeben.

Sie pendelt mit dem Auto von der Kreisstadt hinüber, arbeitet alleine deutlich weniger Stunden als das alte Ärztepaar es tat und bietet daher auch deutlich weniger Arbeitsplätze für Arzthelferinnen im Dorfe als früher.

Landauf, landab herrscht der Glaube, man bräuchte mehr Frauen im Berufsleben, während die Zeit des alten weißen Mannes abgelaufen sei. Der NDR dreht noch heute Dokumentationen über den dramatischen Ärztemangel auf dem Land.

Ich kann es, wie gesagt, nicht nachprüfen, was er über den NDR sagt, aber es ist bezüglich der Ärztinnen völlig deckungsgleich mit dem, was mir mehrere Ärzte in der letzten Zeit geschrieben haben.

Zeigt, wie uns das Fernsehen täuscht und belügt.

Die Frage, warum wir eine im wesentlichen konstante Zahl von medizinischen Universitätsausbildungen haben und trotzdem einen ansteigenden Ärztemangel, wäre eine interessante Frage. Aber nichts für die Faktenchecker vom NDR.

Wer glaubt denen noch etwas?