Ansichten eines Informatikers

Alarm, Alarm: Die Verschlüsselung sei in Gefahr…

Hadmut
12.8.2017 0:53

…warne eine „regierungsnahe Stiftung“.

Ach.

Manchmal komme ich mir von dieser Regierung so richtig verarscht vor.

Worauf weise ich seit 20 Jahren hin? (Natürlich nicht nur ich, sondern noch ganz viele andere Leute!)

Wofür haben die mich vor 20 Jahren abgesägt?

Wollte nie jemand wissen.

Jetzt kommt plötzlich eine „Regierungsnahe Stiftung“ daher, die „Berater der Bundesregierung von der Stiftung Wissenschaft und Politik“, wie Heise schreibt, und schreiben in ihrem Memo eines gewissen Matthias Schulze:

Weltweit schwächen Staaten die Cyber-Sicherheit – Deutschland sollte dagegenhalten

Staaten schwächen die Cyber-Sicherheit. Nein! – Doch! – Ooooh! Wer hätte das gedacht. Und Deutschland mittendrin. Habe ich 1997 schon dem Bundestag vorgetragen.

Neben autoritären Regimen setzen auch immer mehr westliche Demokratien darauf, die Kommunikationsverschlüsselung zu schwächen …

Hallo? Das war spätestens 1996 schon Stand des Wissens. Bei Leuten, die sich damit auskannten. Nur dass man damals für solche Aussagen noch tatsächlich oder zumindest beruflich umgelegt wurde.

Verschlüsselungstechnologien sind ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist Verschlüsselung im digitalen Zeitalter unabdingbar, etwa für Online-Banking (SSL/TLS), zum sicheren Websurfen (HTTPS) oder beim Umgang mit sensiblen Daten. Sie bietet einen wesentlichen Schutz sowohl vor Cyber-Kriminellen als auch vor fremden Nachrichtendiensten. Andererseits kann Verschlüsselung auch Kriminellen dazu dienen, Kommunikation vor Strafverfolgungsbehörden zu verschleiern.

Jessas! Heieiei. Haben wir praktisch wortwörtlich vor über 20 Jahren schon gesagt. Und jetzt, 20 Jahre später, kriegt eine „regierungsnahe Stiftung“ das auch mit. Oder vielleicht wissen sie es schon länger, aber schreibt es so, dass unsere „Neuland-Regierung“ das auch merkt. (Naja, vor 10 Jahren waren wir bei der Kinderpornosperre an dem Punkt, an dem unsere Regierung DNS von Webseiten und Internet nicht von Web unterscheiden konnte.)

Und jetzt *Tusch* der Brüller aus dem Text:

Dieses Dilemma ist seit mehr als zwei Dekaden immer wieder Gegenstand politischer Debatten.

Ooaaahhhhh!

Die US-Regierung erwog in den 1990er Jahren ein Verbot der Verschlüsselung und forderte den Einbau staatlicher Hintertüren in Computerchips, um verschlüsselte Kommunikation mitlesen zu können (»Crypto Wars«).

Jaaaa. Uaaah! Das war mein Promotionsthema, und dafür hat mich (und wohl noch andere) der BND umgelegt, jener BND, der so eng mit dem Amerikanern und der NSA zusammenarbeitet. Seit 20 Jahren blogge ich darüber, und jetzt, 20 Jahre später, kommen „Regierungsberater“ damit daher.

Haben die eine lange Leitung.

Zivilgesellschaftlicher Widerstand – zusammen mit technischen Hürden – führte schließlich zu dem allgemeinen Konsens, dass mehr Verschlüsselung eine digitalisierte Welt sicherer macht.

Oh, ja, und Piggeldy ging mit Frederick nach Hause. Märchenstunde. Der allgemeine Konsens, dass mehr Verschlüsselung die Welt besser macht.

Deutschland

Die Position Deutschlands ist widersprüchlich. In ihrer Cyber-Sicherheitsstrategie von 2016 betonte die Bundesregierung den Nutzen von Verschlüsselung etwa bei digitalen Behördengängen und E-Commerce (»Sicherheit durch Verschlüsselung«), wies aber zugleich auf Gefahren hin (»Sicherheit trotz Verschlüsselung«). Die Digitale Agenda von 2014 will Deutschland gar zum Verschlüsselungsstandort Nummer eins machen. Behörden wie das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) wenden sich seit langem gegen staatliche Hintertüren oder eine Schwächung von Verschlüsselung für Strafverfolgungszwecke.

Das BSI. Huahahahaaa.

Die Bundesregierung betont, kann sich aber selbst nicht gegen den eigenen Geheimdienst BND durchsetzen und aufklären, was beim BND läuft und was die für die Amerikaner alles treiben. Jahrelang hat man die Kryptoforschung systematisch sabotiert, und die kommen daher mit „Verschlüsselungsstandort Nummer eins“.

Meine Güte. Da zieht’s einem die Socken aus.

Was ist das für ein Laden? Auf der Webseite heißt es:

Volker Perthes, Direktor:

Nur unabhängige Forscherinnen und Forscher können seriös beraten

Deshalb hat die CDU- und SPD-Regierungen, auch Merkel, ja auch alle abhängig gemacht und erpresst. Wer das Maul aufmacht und offen und ehrlich spricht, wird sofort umgelegt.

Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) berät politische Entscheidungsträger/innen zu Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik bzw. der internationalen Politik. Dabei richten sich ihre Angebote in erster Linie an Bundestag und Bundesregierung sowie für Deutschland wichtige internationale Organisationen wie EU, NATO und Vereinte Nationen.

Die SWP greift, und das macht das Institut im Vergleich mit anderen Akteuren der Politikberatung so besonders, auf die fundierte wissenschaftliche Forschung ihrer eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurück.

Na, das würde mich mal interessieren, was die in Kryptographie geforscht haben wollen.

So bietet die Stiftung nicht nur die Vermittlung aktueller Informationen und ihre am Bedarf orientierte Beratung an, sondern ist auch ein Ort des gründlichen wissenschaftlichen Arbeitens selbst.

Hähä. Und deshalb kommen sie jetzt mit so einem Oberflächen-Blabla daher, Gutes Deutschland, böse andere Staaten.

Die SWP hat derzeit rund 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Darüber hinaus arbeiten jährlich bis zu 70 weitere Personen als z.B. Gastwissenschaftler/innen, Stipendiat/innen, Projektmitarbeiter/innen und Praktikant/innen im Institut. […]

Das Stiftungsvermögen (Grundstockvermögen) der SWP beträgt EUR 53.000,00 (Stand: 2015).

Äh, wie bitte!?

53 Millionen wäre ja was. Aber 53 Tausend Euro als Stiftungsvermögen? Und davon 140 Mitarbeiter plus 70?

Das heißt, dass die von stetigem Geldzufluss abhängig sind. Und sagen, dass nur wer unabhängig ist, seriös beraten kann?

Naja, passt ja zusammen.