Ansichten eines Informatikers

Menschenquoten

Hadmut
4.4.2017 22:44

Soso.

Ein Leser weist mich gerade auf Fefes Blog mit Link auf einen Artikel hin, wonach die Roboterära dazu führen werde, dass man Menschenquoten für Jobs einführen werde.

Hä!? Das soll eine neue Studie herausgefunden haben? Das gab’s hier doch schon vor 20 Jahren oder so. Ich habe gegen Ende meiner Studien- oder kurz-nach-Studiums-Zeit mit Leuten von der Uni eine Autofabrik besichtigt, in der sie uns (Rudel Informatiker) die Roboter zeigten, die die Autos zusammenbauten, und dann dazwischen immer die Menschen.

Besonders erinnern kann ich mich an das Einsetzen der Windschutzscheiben. Das hat ein Roboter gemacht, und sie erklärten, dass das für Menschen auf Dauer zu schwer und gesundheitsschädlich wäre und der Roboter das auch viel genauer und besser kann, weil da halt der Kleber sehr präzise und heiß aufgetragen werden muss (es waren nicht mehr wie früher die Gummidichtungen) und dann relativ schnell die Scheibe exakt reingedrückt werden muss. Wenn das nicht genau, schnell und auf Anhieb ohne Nachkorrigieren klappt, gibt’s Sauerei und es sieht nicht gut aus. Man hat uns gezeigt, wie der Roboter bei jedem Fahrzeug zunächst mit kleinen Tastfühlern die exakte Lage des Fahrzeuges bestimmt, weil die Fließbänder gewisse Toleranzen haben und nicht jedes Fahrzeug millimetergenau gleich steht.

Komisch war jedoch, dass neben dem Roboter einer stand und sehr wenig machte, außer dem Roboter zuzugucken. Da stand ein Behälter mit neuen Scheiben, und da stand halt einer und hat die Abstandshalter rausgenommen und da irgendwie einen Knopf gedrückt, damit der Roboter die nächste Scheibe aufnimmt.

Das käme uns aber reichlich überflüssig vor, ob das der Roboter nicht selbst machen könnte, haben wir gefragt.

„Das ist überflüssig“, wurde uns gesagt. Das sei ein Pseudo-Job. Es sei von irgendwem vorgegeben (ich weiß nicht mehr, ob es Gewerkschaften oder Regierung war), dass sie eine gewisse Mindestquote von Jobs mit Menschen besetzen müssen und es keine reine Roboterproduktion geben müsse. Meistens schaffen sie das, dass man da ein Miteinander organisiert, der Mensch etwa das Radio einbaut, das der Roboter ihm hereinreicht oder sowas, aber es gäbe Bereiche, in denen man das einfach besser und gesünder allein den Roboter erledigen lässt. Besonders die Lackiererei, das Schweißen, aber eben auch das Einsetzen der großen Scheiben. Wenn sie wollten und dürften, könnten sie noch viel mehr mit Robotern machen. Aber wegen der Quote und den Arbeitsplätzen machen sie körperlich und gesundheitlich risikoarme Arbeiten von Menschen und die harten mit Robotern. Früher musste man hart heben, heute wird der Arbeiter selbst auf einem automatisierten Sitz in das Auto reingehoben, ohne dazu noch aufstehen zu müssen. Früher musste man mühsam über Kopf arbeiten, um unter dem Auto was zu installieren, heute steht der Arbeiter bequem da und ein Roboter dreht das ganze Auto herum und hält es ihm so hin, dass er bequem und ohne Bücken dran kommt. (Ich war auch als Kind schon einige Male in Autofabriken, weil wir jährlich Papis Jahreswagen abholten und es da die Möglichkeit gab, und habe natürlich riesige Unterschiede gesehen, denn als ich Kind war, gab’s die Roboter noch nicht und da war’s noch eine Knochenarbeit. Später habe ich in Dresden mal die „gläserne Fabrik“ von VW besichtigt, wo andächtig edel gekleidete Snobs deren Edel-Karossen zu montieren schienen, die da lässig standen, während magische Teile-Schränke zu ihnen fuhren und ihnen brachten, was man gerade brauchte. Alles vom Feinsten, edles Parkett in der Fabrik, wir hatten damals eine Firmenweihnachtsfeier im Edel-Restaurant mitten in der Fabrik. )

Und weil sie ihre Menschenquote anders nicht erfüllen konnten, stand da halt einer neben dem Roboter und machte irgendeinen überflüssigen Pseudo-Job. Der Roboter hätte das auch völlig problemlos und zuverlässiger alleine machen können, im Prinzip hätte der auch in der Kantine oder zuhause bleiben können.

Seither war mir klar, dass Quotenjobs darauf hinauslaufen, dass man Leuten Geld gibt, die nichts wirklich arbeiten.

Manchmal weiß man einfach mehr, wenn man älter ist und schon was erlebt hat.

(Apropos erlebt: Als ich noch in Karlsruhe unterwegs war, war ich mal bei einem Konzert in einer Mercedes-Fabrik in Rastatt. Sie hatten die Bühne für die Musiker direkt vor den Montagebändern aufgebaut, die sonst voll unbemannt und nur mit Robotern die Fahrzeuge bauten, und das so richtig geil illuminiert, so dass man die hinter den Musikern sehen konnte. Als die Musik anging, hörten die Roboter plötzlich auf, Autos zu bauen, und fingen an, zur Musik so richtig abgefahren zu tanzen. Sie haben den Musikern echt die Show gestohlen.)