Ansichten eines Informatikers

Fake-News: Der falsche Bulgare

Hadmut
19.12.2016 0:53

Ach, ein schöner Fall von Fake-News. [Korrektur]

Ihr habt doch sicherlich mitbekommen, dass letzte Woche hier einer in einer U-Bahn-Station auf der Treppe nach unten einer zierlichen Frau von hinten einfach so in den Rücken getreten hat, worauf sie in hohem Bogen die Treppe runterflog und sich den Arm brach. Womit sie noch Glück hatte, es hieß, der Sturz sei potentiell lebensgefährlich gewesen.

[Korrektur: Ein Leser hat mich daran erinnert, dass das nicht letzte Woche passiert ist, sondern schon länger her ist und das erst letzte Woche an die BILD „durchgestochen” wurde, wir sonst von der Sache gar nichts erfahren hätten. Stimmt. War mir beim Schreiben aus dem Sinn gekommen. ]

Riesen-Bohay in Berlin, Belohnung ausgesetzt, alles sucht. Gestern haben sie den Typ am zentralen Busbahnhof dann festnehmen können.

Und Fake-News: In diversen migrantischen Foren und Kommentaren (siehe beispielsweise hier) hieß es, die Frau (die man nur von hinten in schwarzem Mantel mit Kapuze sieht) sei eine Syrerin, die von Nazis die Treppe runtergetreten worden sei. Beides falsch. Man weiß zwar bisher nicht, wer sie ist (und so sollte es zu ihren Gunsten auch bleiben), aber die Polizei sagte, nein, sie sei keine Migrantin und keine Muslima. Und die Täter waren eben auch keine Deutschen. Aber von Fake-News und Verhetzung redet da niemand.

Sehr gut zu beobachten war aber, wie die Presse damit mal wieder umgeht. Wieder mal das Problem der Täterherkunft. Dass das jetzt keine „Bio-Deutschen” waren, ist auf dem Video eigentlich sehr offensichtlich. (Warum man dann in syrischen Foren trotzdem behauptet, es wären deutsche Nazis gewesen, wäre eine interessante Frage.)

Es war immer die Rede von Bulgaren.

Nur wenn man genau las, fand man hier und da einen verschämten Hinweis am Rande, dass sich der Täter wohl nach Bulgarien abgesetzt hätte und dort sicherlich bei seinen Eltern oder Schwiegereltern Unterschlupf gefunden habe. Die wohnten in einem Roma-Viertel. Der Wink mit dem Wattestäbchen. Nur nichts gegen Roma sagen, die sind pressetechnisch und politisch sakrosankt.

Also schreibt man einfach Bulgaren, denn Bulgaren sind kaum in der politischen Diskussion, der Begriff nicht sehr negativ belegt, damit schien die Sache möglichst entschärft.

Nun ist es aber so, dass den Bulgaren das nicht passt:

Der Fall des Berliner U-Bahn-Treters Svetoslav S. hat in seinem Herkunftsland Bulgarien heftige Emotionen ausgelöst. Viele Bulgaren fürchten jetzt, dass das Image ihres Landes darunter leiden wird. Dabei, so die Medien, sei der Täter gar kein „echter Bulgare“– sondern Roma. Damit werden tief sitzende Vorurteile geschürt.

„Alle diskutieren darüber, weil der Fall so ekelhaft ist“, sagt Borislav Denchev, ein junger Psychologe. Er steht in einer Straße in Varna und spricht aus, was viele hier über den U-Bahn-Treter von Berlin denken. „Das Problem, das wir damit haben, ist dies: Wir sind nicht so, unsere Gesellschaft und Kultur sind nicht so, aber wir fürchten, dass man uns jetzt im Ausland so sehen wird, als seien wir wie die.“ Also wie „die Roma“.

Weil man also den Begriff der Roma aus der Diskussion raushalten wollte, schob man es den Bulgaren in die Schuhe, indem man ihn als Bulgaren verkaufte.

Man möge den Text weiterlesen. Das Thema „Roma” ist in der Tat sehr problematisch und aufgeladen. Man könnte jetzt allerdings auch nicht gerade sagen, dass die sich große Mühe geben, sich beliebt zu machen. Und die Bulgaren selbst gehen anscheinend auch nicht sauber mit denen um.

Aber: Gerade deshalb ist es hoch brisant, und in der Wirkung, wie man am Artikel sieht, viel, viel übler, wenn man einen Roma der Öffentlichkeit als Bulgaren verkauft, und damit die Aggressionen und Ressentiments gerade erst besonders hochkocht.

Die Frage wäre also, ob es Fake News und Hetze ist, einen Roma der Öffentlichkeit als Bulgaren hinzustellen, und ob die Bulgaren das Recht haben, darüber beleidigt zu sein.

Sollte man in einer so in die Öffentlichkeit gedrückten Medienkampagne zum Thema Fake News durchaus bedenken.