Ansichten eines Informatikers

Zutiefst verunsicherte Journalisten

Hadmut
9.12.2016 0:07

Von einer Podiumsdiskussion und viel Mediengejammer.

Ich war gestern abend beim „Mainzer Medien Disput” in Berlin in der Landesvertretung von Rheinland-Pfalz.

Thema: Symbiose, Mainstream oder Vierte Gewalt – Wie hat sich die politische Kommunikation im „Raumschiff Berlin“ verändert?

Ein paar Notizen habe ich mir gemacht, das aber schnell aufgegeben. Eigentlich war’s belanglos. Im Prinzip nichts anderes anderthalb Stunden Gejammer über den Niedergang des Pressewesens. Ich habe ein paar Stichworte, aber weiß nicht mehr genau, wer sie gesagt hat. Ich fand’s aber dann doch interessant, dass sie so langsam mitbekommen, dass was schief läuft (sag ich ja schon lang).

Keiner will sie mehr, keiner braucht sie mehr, keiner achtet sie mehr, die Journalisten.

Man erkennt und hat erfasst, dass der Journalismus wegen seines Einheits-Mainstream-Geblubbers seine Funktioniert mehr erfüllt und auch nicht mehr gekauft wird, aber man weiß nicht, wie man da wieder rauskommt und warum man überhaupt darin steckt. Man fragt sich, warum man nichts anderes schreibt.

Es gab aber auch eine Antwort darauf: Journalisten von heute seien zutiefst verunsichert und verängstigt. Sie könnten es nicht mehr gut machen (da stimme ich zu, sehen die Schuld aber nicht beim Publikum) und bekämen für alles Haue, und würden sich deshalb in ihrer Not an Mainstream und Einheitlichkeit halten. Halte ich für Blödsinn und wieder mal den Versuch, die Schuld auf andere abzuladen. Sie versuchen Politik zu machen und nicht Journalismus.

Es wurde sogar kurz angesprochen, dass es wohl einige wenige gibt, die zu doof, zu blöd sind. Das sei aber nicht die Regel, es gehe eher um ein „Problemvermeidungsverhalten”.

Tatsächlich sei es aber so, dass die Journalisten in doppeltes Selbstwertproblem hätten: Das erste sei monetär, denn sie bekämen ja immer weniger Geld, es würde immer weniger verdient. Das nage am Selbstwertgefühl. Das zweite sei qualitativ, denn sie würden ja immer geringer geschätzt und immer stärker gesellschaftlich geächtet.

Schuld sind natürlich wieder die anderen und das Internet. Auf die Idee, dass ihre Qualität unter Null ist, kommen sie nicht.

Ein Problem sei nämlich auch, dass sie sich als vierte Gewalt, als ein Bindeglied zwischen Politik und Bürgern verstünden, beide sie aber eigentlich nicht mehr bräuchten. Social Media und so. Politiker könnten inzwischen publizieren und Aussagen unters Volk bringen, ohne dafür noch Journalisten zu brauchen. Deshalb nähmen sie sie nicht mehr ernst und verachteten sie. Die „zunehmende Respektlosigkeit der Politik gegenüber den Medien” wurde beklagt.

Bürger brauchen sie aber auch nicht mehr, eben wegen der Social Media und so. Heißt so im Klartext: Politiker und Bürger kommunizieren – wenn überhaupt noch – eher direkt miteinander. Journalisten bräuchte man nicht mehr. Webseiten wie Telepolis oder Nachdenkseiten machten ihnen zunehmend Konkurrenz.

Dann natürlich auch das zeitgeistige Geschimpfe auf „Falschmeldungen”. Falschberichterstattung würde heute nicht sanktioniert und käme deshalb immer häufiger vor.

Dann kam dann doch noch etwas Selbstkritik, die Medien hätten eine Art „Kommunikationsinfarkt” mit Teilen der Gesellschaft erlitten. Es sei da die Verbindung zwischen Presse und Lesern abgerissen. (Irgendwann hatte jemand noch erwähnt, dass es diese Verbindung eh nicht so intensiv gab, wie man es hingestellt hätte, weil ohnehin nie mehr als 2 Millionen Leute die „Qualitätsmedien” gelesen hätte.) Das läge auch daran, dass die Lebenswelt von Journalisten eine völlig andere als die des Restes der Bevölkerung sei. Ihre Selbstwahrnehmung sei das Problem.

In Frankreich sei das anders, dort nämlich herrsche ein Zustand, den irgendein Autor, dessen Namen ich mich nicht schnell genug notiert hatte, mit der Aussage beschrieben habe, dass in Frankreich die Medien Opposition verkauften und existierten, indem sie Widerstand leisteten. (Das ist in Deutschland halt genau andersherum, hier sind sie Mainstream und bekämpfen jede Opposition.) Man müsse deshalb einen Rollenwechsel von Journalisten zur Bevölkerung vornehmen. Einer erläuterte dies anhand der Sichtweise von Leuten auf dem Land. Journalisten hockten alle in den Städten und kämen nur mal kurz vorbei, wenn wieder ein Flüchtlingsheim brennt. Ansonsten sähe man sie nicht, und dann kämen sie und wollten den Leuten erzählen, wie die Welt ist.

Und – und das fand ich dann doch bemerkenswert – Journalisten müssten wieder Achtung vor dem Argument entwickeln.

Das ist der Brüller. Journalisten müssten wieder Achtung vor dem Argument entwickeln.

Bisher haben die ja alles plattgewalzt, was nicht ihrer Wunschmeinung entsprach, alle für dumm, rechts, ungebildet erklärt.

Sie hätten aber bemerkt, dass sich der Kontakt zur Mitte nicht mehr aktivieren ließe, die hat man erst mal irreparabel verloren. (Man könnte auch sagen, die haben sich selbst erledigt.)

Und dann kam was, da hab ich dann echten Groll entwickelt. Man müsse die Medien vom Erwerbszwang befreien.

Sei ja ganz schrecklich, dass Journalisten heute manchmal nach Klickzahlen bezahlt würden und sie dafür sorgen müssten, ihr Einkommen zu erwirtschaften. Sei ja fürchterlich, wenn man schreiben müsse, was die Masse lesen wolle, und nicht, was man gerne schreiben würde.

Einer verlangte dann ganz direkt, dass die Presse öffentlich-rechtlich finanziert werden müsse. Es gebe ja schon eine Kooperation zwischen Fernsehen und irgendeiner Zeitung, die offenbar der Querfinanzierung diene (heißt: Dass wir mit den Fernsehgebühren was mitbezahlen, was wir gar nicht bezahlen müssten.) Diese Querfinanzierung sei der richtige Weg und müsse sein.

Heißt für mich: Ist denen völlig egal, ob sie noch für irgendwen schreiben oder irgendwelche Qualitätsanforderungen erfüllen, die wollen einfach für ihr Hobby aus Steuergeldern bezahlt werden, sich nicht mehr selbst ernähren müssen. Widerlich. Und dann beschimpfen sie auch noch permanent die, die hier noch Steuern zahlen.

Sie wissen, dass sie Mist schreiben, (es wurde sogar die Frage gestellt, warum man daran nichts ändern, wenn man sich im Befund doch einig sei…), dass Politiker sie nicht mehr brauchen, Bürger sie nicht mehr brauchen, sie vor lauter Angst nur noch Mainstream abschreiben, auf Argumente nicht mehr eingehen, den Kontakt zum Bürger verloren haben, in einer Scheinwelt leben, eigentlich in jeder erdenklichen Hinsicht nutzlos und überflüssig geworden sind, und ihnen auch keiner mehr zuhört, aber sie wollen gerne dabei bleiben und dafür öffentlich-rechtlich querfinanziert werden.

So sieht’s aus.

Mir ging dabei so richtig auf den Wecker, dass die dabei auch noch ständig betonten und darauf herumritten, dass sie Qualitätsjournalismus herstellten und ach so intellektuell und gebildet seien, und das Problem sei, mit einem immer dümmeren Publikum umzugehen. Wieder mal: Publikum ist schuld weil zu blöd für den heilig-genialen Qualitätsjournalismus.

Was bilden die sich ein? Wofür halten die sich?

Ich habe mir dann nach Freigabe der Publikumsfragen das Mikro geben lassen und ihnen schön langsam und im Slow-Burn-Stil erklärt, dass mir das jetzt leid täte, dass sie es ausgerechnet hier und von mir erfahren müssten, aber sie seien nicht intellektuell und auch nicht gebildet. Im Gegenteil hätte ich die dümmsten Leute meiner letzten 20 Jahre in Politik und Medien gesehen. Sie kämen ja alle aus diesem Geisteswissenschaftsumfeld, das nicht nur unter einem grotesken Qualitätssturz leide, sondern im Zuge der Akademisierung auch mit Leuten geflutet werde, die an einer Universität eigentlich nichts verloren hätten und aus denen sie sich dann rekrutierten. Sie hielten sich für intelligent und ihr Publikum für dumm, es sei aber umgekehrt. Ihr Bildungssturz sei viel größer als der des Publikums, weshalb das Publikum ihren Produkten keinen Informationsgewinn mehr entnehmen könne.

Kurz gesagt: Ich habe ihnen so ganz direkt, frontal und geradeaus, aber schön langsam, gesagt, dass sie alle zu doof sind.

Und hatte – slow burn comedy – so aufschaukelnd die Lacher aus dem Publikum. Da haut mal einer drauf. Fanden allerdings nicht alle lustig, einige waren davon ganz schwer in ihrem Stolz angegriffen (hähä, das war ja der Zweck…) und einige Gesichter waren dann doch derangiert.

Irgendwelche neuen Erkenntnisse?

Ja.

Ich habe zum ersten Mal Laura Himmelreich gesehen.

Ich habe sie auch gehört, aber das ist keiner Erwähnung wert. Die hat nichts gesagt, dem ich jetzt aus meiner Sicht auch nur irgendeinen Wert zugemessen hätte. Und da scheine ich nicht der einzige zu sein, denn sie sagte ja selbst, dass sie bis ans Lebensende primär wegen dieser einen Sache gegoogelt wird.

Die eine Sache? Wisst Ihr nicht, wer Laura Himmelreich ist? Das war die im Dirndl, über das sich damals Rainer Brüderle geäußert hatte, und woraus dieser #Aufschrei wurde. Diese Schmiereninszenierung ist das einzige, womit sie offenbar herausgetreten ist.

Was so erkenntnisreich daran ist, sie auch zu sehen? Etwas, das nicht nur mir aufgefallen ist, sondern auch andere, mir fremde Leute in einer Unterhaltung sagten, als ich mit der Suppe zufällig am selben Tisch stand.

Brüderle hatte doch gesagt „Sie können ein Dirndl auch ausfüllen.“

Kann sie nach meiner und der Einschätzung meiner Tischnachbarn eben gerade nicht.

Brüderle muss das wohl ironisch gemeint haben. Vielleicht war das der Auslöser.

Bleibt der Eindruck, dass so ziemlich die ganze Branche fertig und am Ende ist. Und das auch schon vor #Aufschrei war, und #Aufschrei eigentlich schon intellektuelle Insolvenzverschleppung war.