Ansichten eines Informatikers

Hexerei

Hadmut
10.10.2016 20:26

Auch auf meiner zweiten Afrika-Reise hatte ich wieder mit Hexerei und Witch Doctors zu tun. [Update: Ich fass es nicht, es gibt ein Video dazu ]

Schon bei der ersten Reise (Kapstadt und Rundreise Namibia) war mir mehrfach begegnet, dass die Hexerei, Zauberei, Magie, dass die Witch Doctors in Afrika enorm große Bedeutung haben.

Damals bekam ich in der Fußgängerzone von Kapstadt immer wieder Werbeflyer im A6-Format von Witch Doctors zugesteckt, die allerlei Dienstleistungen anboten:

Glück in Liebesfragen, Liebeszauber, selbstverständlich auch mit zusätzlichem Potenzzauber, Geld- und Karrierezauber (warum müssen die eigentlich noch Werbung in der Fußgängerzone verteilen, wenn sie doch Geld herbeizaubern können?), den Chef verzaubern, und sogar Hochschulprüfungen bestehen und Universitätsgrade kann der Witch Doctor beschaffen.

Freilich auch negatives, man kann ungeliebten Personen Unglück, Pech, Krach mit der Gattin, enormes Siechtum bis hin zum langsamen oder gar schnellen Tod anhexen lassen. Was mich noch heute grübeln lässt, ob das eigentlich strafbar ist. Denn nach deutschem Strafrecht sind Mordversuche auch im Ausland strafbar, und zudem ist auch der untaugliche Versuch strafbar. Aber ist auch die Anstiftung zum untauglichen Versuch strafbar? Wenn man also dort aus Spaß einem Witch Doctor 3 Euro dafür gibt, dass er dort zum Nachteil irgendeines Widersachers irgendeinen Hokus Pokus aufführt und mit Büffelhoden um sich wirft, könnte man dann hier dafür wegen versuchten Mordes in den Knast wandern?

Man hatte uns in der Reisegruppe auch gewarnt.

Denn in vielen Gegenden Südafrikas und Namibias haben die Leute flächendeckend HIV. (Auch auf dieser Reise wurde uns über Lesotho gesagt, dass dort jeder entweder selbst HIV-positiv ist oder HIV in der unmittelbaren Familie hat.) Die Witch Doctors erzählen den Männern aber, es sei ganz einfach, HIV wieder loszuwerden: Man müsse nur eine Jungfrau oder eine weiße Frau vergewaltigen, dann würde die Krankheit einfach auf die überspringen, weil es der Krankheit bei so einer hübschen Frau viel besser gefällt. Schwupp, wäre man sie los. Deshalb seien dort viele HIV-positive Männer darauf aus, weiße Frauen zu vergewaltigen. Nicht wegen Sexualtriebs oder weil sie die so begehrlich fänden, sondern weil der Witch Doctor gesagt hat, dass sie das tun sollten.

Auch auf dieser Reise ist mir die Witch Doctorei immer wieder begegnet, obwohl man ja inzwischen versucht, das hinter den Kulissen zu halten und sich als modern und gebildet darzustellen. Man hat mir aber immer wieder erzählt, dass es schier hoffnungslos sei, das loszuwerden. Man könne die Leute in die Schule schicken und sie noch so lange und ausgiebig schulen und wissenschaftlich unterrichten. Sobald der Witch Doctor kommt und irgendeinen absurden Scheiß erzählt, glauben die das sofort.

Wir waren sogar mal bei einem Township-Besuch in einer gruselig armen Gegend, wo die Leute wirklich gar nichts außer einem Stück Wellblech und gesammelten Mülls als Haus haben, dort auch beim Witch Doctor. So arm die Leute sind, bei dem brummt der Laden. Hatte zwar auch nur so einen Wellblechverschlag, aber draußen hing gleich der präparierte Hintern eines Warzenschweins, mit besonderer Betonung der unten hängenden Klöten. Offenbar ganz wichtig. Reinzugehen habe ich nicht geschafft, obwohl eingeladen, weil der da drin irgendwelche Räucherstäbchen oder anderes Duftzeugs verbrannte, für das hier die Feuerwehr großräumig durchsagen würde, man müsse Fenster und Türen geschlossen halten.

Übrigens regte man sich in anderem Zusammenhang, nämlich Natur und Tiere, immer wieder auf, dass so viele Elefanten und Nashörner wegen ihrer Zähne und Hörner getötet würden. Wie könne man so dämlich sein, an die potenzsteigernde Wirkung von Nashhornhörnern zu glauben, die chemisch ja auch nur wie Fingernägel seien. Ich habe mal gefragt, warum man glaubt, dass chinesische Witch Doctors irgendwie schlimmer als afrikanische wären. Aber keine Antwort bekommen.

Als wir in Durban waren, einer eigentlich sehr modernen Stadt (auch das Stadion der Fußball-WM besichtigt), hatten wir einen Nachmittag frei und dafür mehrere Alternativen zur Auswahl, was man machen könnte, aber die Zeit reichte halt immer nur für eine.

Ich hatte mich entschieden, erst im Meer zu baden, und war dann dort als der wirklich weit und breit einzige Weiße in einem großen Haufen (200 bis 300) Einheimischer, die mir gegenüber da völlig freundlich und offen waren, und mich da mittendrin haben mitplanschen lassen. Ein paar Kinder haben mich erstaunt bis amüsiert, aber freundlich angeguckt. Danach bin ich die Strandpromenande rauf und runter spaziert.

Andere Leute aus der Reisegruppe hatten sich entschieden, den Markt zu besuchen, zu dem sie mit dem Taxi fuhren, weil etwas entfernt. Sie berichteten, dass ihnen zunächst ähnliches widerfahren war. Solange sie sich auf dem Kunstmarkt tummelten, auf dem man versucht, Touristen Tand und Tünnef anzudrehen, waren sie gerne gesehen und wurden freundlich behandelt und geachtet.

Dann aber waren sie falsch abgebogen.

Uh oh.

Sie waren nämlich in einem versteckten Teil des Marktes gelandet, in dem es den ganzen Zubehör-Kram für die Hexerei gab. Alle möglichen Tier-Teile, und es war nicht immer so offensichtlich klar, ob alle Teile wirklich nur von Tieren stammten. Sonstiger Hokus-Pokus-Kram. Und plötzlich fühlten sie sich bedroht und bekamen ein sehr ungutes Gefühl, denn man gab ihnen irgendwie sehr deutlich zu verstehen, dass sie als weiße Touristen hier nicht willkommen seien und nichts verloren, zu verschwinden hätten.

Es zeigt aber, wie omnipräsent die Hexerei dort ist.

Mir ist auch etwas seltsames passiert.

Wir waren nicht nur in den Nationalparks, sondern auch in einigen kleineren Tierparks, in denen Tiere wie in normalen Zoos gehalten werden. Zunächst nichts besonderes, so ein Zoo eben, und die Leute, die einen dort herumführen und alles erklären, sehr fachkompetent. Kennen sich prima mit den Tieren aus. Als ich mich so mit dem unterhalte, fragt er mich, wo ich herkomme. Aus Deutschland.

Ach, meint er, aus Deutschland?

Ja, sie hätten auch ein Tier aus Deutschland bekommen (irgendeine männliche Raubkatze, ich glaube, es war ein Leopard, könnte aber auch ein Panther oder Jaguar gewesen sein, aber ich glaube, es war ein Leopard, weil ich mich erinnern kann, mich amüsiert zu haben, dass sie Tiere nach Afrika re-importieren). Hieß Diablo. Wäre in Deutschland in drei Zoos gewesen und immer weitergereicht worden, weil niemand mit dem klargekommen sei. Hochaggressiv, ständig auf Angriff, griff einfach alles und jeden an, Menschen, Pfleger, Artgenossen, selbst tote Gegenstände. Niemand hätte es geschafft, den zu halten.

Auch dort angekommen ging das Theater wieder los. Sie aber hätten Abhilfe gewusst.

Sie hätten nämlich einen Animal Whisperer gerufen, der sich mit dem Tier einfach mal unterhalten habe um zu fragen, was es stört. Und der habe festgestellt, dass es am Namen liege, Diablo bedeute schließlich Devil, und das Tier ertrage den Namen nicht. Wenn man das Tier ständig „Teufel” nenne, dann wäre es eben zwangsläufig so, dass es zu einem Teufel werde. Man müsse das Tier umbenennen.

Also habe man dem Tier einen anderen Namen gegeben, und alles war gut.

Aha. So, so. Animal Whisperer.

Ich habe ihn gefragt, ob so ein Animal Whisperer vielleicht zur Familie der Witch Doctors gehöre.

Die Frage war ihm unangenehm, er wollte sie partout nicht beantworten, lächelte nur verlegen.

Also ein „ja”.

Und wisst Ihr, was mir da so durch den Kopf ging?

Es mag denen peinlich sein. Es mag auf uns lächerlich wirken. Alberner Aberglaube. Der Hokus Pokus der Dummen, die man durch noch so viel Unterricht und Wissenschaft nicht von dem Aberglauben abbringen kann.

Aber letztlich besteht kein Anlass zur Häme oder Überheblichkeit, denn unsere „Gender Studies” sind letztlich auch nichts anderes. Da wird auch einfach behauptet, dass alles das wird, wie man es nennt, und eine Umbenennung und ein paar absurde Rituale und das Aufhängen von Hoden die Probleme löst. Und auch da hilft alle Wissenschaft nicht, wenn die Witch um die Ecke kommt und irgendeinen Blödsinn erzählt, dann glauben die das alle sofort.

Der einzige Unterschied: Wir halten es für Wissenschaft. Die wissen, dass es unwissenschaftlich ist.

Update: Ich fall vom Hocker. Ein Leser hat mir geschrieben, dass es dazu ein Youtube-Video gibt. Genau das ist der Fall, es war nämlich genau im Jukani Wildlife Sanctuary, und der neue Name war „Spirit” (der ist mir nicht mehr eingefallen). Sie hatten aber nicht gesagt, wer der „animal whisperer” ist, ich hatte gedacht, dass das irgendeiner der schwarzen Witch Doctors wäre. Ich hätte nicht gedacht, dass das dann eine Weiße war, weil man ja – siehe die Sache mit dem Markt – Weiße in diese Thematik nicht reinlässt. Anna Breytenbach und die Webseite Animal Spirit. Was es nicht alles gibt. Ich bin immer wieder erstaunt. Danke für den Hinweis.

Schön auch, dass die dort im Park von „Animal Whisperer” sprachen, sie hier aber „Communicator” heißt. Wie gesagt: Dem, der uns da rumgeführt und das erzählt hat, und wir sind an einem schwarzen Leoparden vorbeigekommen, das muss der wohl gewesen sein, war das selbst nicht geheuer und der wollte sich auf die Frage „witch doctor” nicht einlassen. Das wird im Video deutlich anders dargestellt, als der uns das erzählt hat.

The incredible story of how leopard Diabolo became Spirit – Anna Breytenbach, “animal communicator”.