Ansichten eines Informatikers

Rosenholz

Hadmut
8.5.2016 11:51

Ich hatte doch gerade zur SPD geschrieben, dass an deren Niedergang so seltsam ist, dass er sich in der Vorgehensweise nach DDR anfühlt, inhaltlich aber auf US-Ideologie beruht, was ja zunächst ein diametraler Widerspruch zu sein scheint. Einige Leser haben mir dazu geschrieben.

Manche der Leser beschrieben die Situation nach dem Zusammenbruch der DDR. Die Westdeutsche Linke sei ziemlich überrascht worden, denn sie hatten den Sozialismus und die DDR völlig anders eingeschätzt. Gleichzeitig seien Leute aus Politik und Stasi, denen der kommende Zusammenbruch klar wurde oder eben kurz nach dem Zusammenbruch sehr aggressiv und notfallmäßig vorgeprescht, um sich ihr persönliches und politisches weiteres Leben zu sichern.

Dazu kam, dass im Westen ziemlich viele Leute plötzlich sehr erpressbar wurden. Die Stasi und SED-Bonzen wussten, wer im Westen für die gearbeitet hat, und die Amerikaner waren an die Rosenholz-Dateien gekommen, womit die westlichen Kontaktpersonen der Stasi und des KGB doppelt in Bedrängnis kamen. Die Wikipediaseite behauptet, es wären noch rund 1000 Agenten bis heute nicht enttarnt worden. Das heißt aber nur, dass die Öffentlichkeit nicht weiß, wer sie sind. Stasi und KGB kannten ihre Kontaktpersonen natürlich, und die Amerikaner womöglich auch. Die Amerikaner hätten dabei viele Leute – mal mehr, mal weniger sanft – „umgedreht”. So geht das Gerücht, dass ein in Deutschland prägender und maßgeblicher Journalist (ich lasse den Namen mal weg, weil ich dafür überhaupt keinen Beleg und keine Quelle gefunden habe) KGB-Agent gewesen wäre, und damals so ganz plötzlich auf sehr pro-amerikanischen Stil gewechselt habe, obwohl er als Voll-Linker damals stark gegen den US-Imperialismus gewesen war.

Im Zuge dieser Neuausrichtung hätten sich die Themen vieler Linker völlig gedreht. Vorher sei man gegen Kapitalismus, Globalisierung, Entrechtung von Arbeitern gewesen. Danach sei man für Schwulenrechte, Frauenrechte, Genderkram und gegen „Rassismus” gewesen. Sei also von US-feindlichen auf US-freundliche „linke” Themen gewechselt.

Was für mich übrigens ein neues Licht auf den Genderkram wirft: Denn bisher wurde mir ja öfters mal vorgehalten, dass es unsinnig sei zu unterstellen, dass ausgerechnet die USA solche linkslastigen Themen fördere. Man könnte darin aber auch einfach eine Substitutionstherapie sehen: Vorher beschäftigten sich die Linken mit linken Themen, die die USA störten. Jetzt beschäftigen sie sich mit anderen, immer noch so richtig schön links schmeckenden Themen, für die man Linke begeistern kann, die die USA aber nicht mehr stören. Vielleicht geht es den Geheimdiensten da gar nicht mal um Feminismus an sich, sondern nur darum, Linke mit irgendwas zu beschäftigen und thematisch neu auszurichten.

Jedenfalls treiben SPD, Grüne, Linkspartei seither fast nichts anderes mehr, als in diesem Hamsterrad zu rennen.

Schröder hätte es gemerkt und gewusst, und sich deshalb von dem „Gedöns” distanziert. Aber der hat ja auch exzellente Kontakte zur Gegenseite.

Ein anderer Leser wies mich in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es ein Buch von Regine Igel gäbe, dass die Unterwanderung des Westens durch die DDR beschreibt, konnte mir jetzt aber den konkreten Titel nicht nennen. Da werde ich aber mal nachschauen. Man findet auf Amazon eines, ich weiß aber nicht, ob er das meinte. Außerdem gäbe es das Buch „Kreide für den Wolf” von Roland Baader (PDF-Download). Ich kenne beide Bücher nicht, also schlagt mich nicht, wenn sie schlecht sind.

Wiederum ein anderer Leser meint aber, das könne alles so nicht sein, ich hätte den Zeitverlauf nicht bedacht. Das Berliner Programm der SPD sei Ende Dezember 1989 beschlossen worden, und das sei für die DDR-Strukturen einfach zu früh gewesen. Da seien neben Brandt noch die damals jungen Lafontaine, Scharping und Schröder beteiligt gewesen. Und damit – berücksichtigt man die Parteikarriere-Dauer von typisch 20 Jahren – genau die 68er. Deren Grundlage sei aber die „Frankfurter Schule” gewesen, die wiederum von den USA und nicht vom Osten bezahlt worden sei.

Das Unterwandern und Umdrehen linker Parteien durch die Stasi dagegen dauere viel zu lange, das hätte die Stasi unmöglich mehr schaffen können, als ihr ihr Untergang gewahr wurde. Das Argument halte ich für nicht durchgreifend, denn die mussten ja nicht bei Null anfangen. Deshalb hatte ich ja darauf hingewiesen, dass laut Staatsschutz schon zu Zeiten meines Studiums (1986…) westliche linke Gruppen von der DDR unterwandert, finanziert und gesteuert waren, und deshalb hatte ich auf Guillaume (70er Jahre) hingewiesen. Die haben also nicht bei Null angefangen, sondern hatten ein bestehendes Netz, und konnten das kurzfristig „umwidmen”.

Außerdem gibt es noch etwas anderes, was ich im Krypto-Kontext gelegentlich mal erwähnt habe. Als ich Kind war, hatten wir damals (Anfang der 70er) eine richtig gute, schöne Stereoanlage im Wohnzimmer (Hersteller weiß nicht mehr genau, Grundig oder Dual, würde ich aber sofort wiedererkennen, schon ziemlich modern, Radio mit Verstärker, würde man heute Receiver nennen, noch auf Röhrentechnik, geile Tonqualität.) Da standen damals noch die Orte der Sender auf der breiten Skala, an der man den Frequenzzeiger per Seilzug entlangbewegte. Ich habe mich da leidenschaftlich gerne durch die Frequenzbänder gekurbelt und gelauscht, was ich so reinbekomme. Und da kam manchmal eine monotone Stimme, die einfach nur Zahlen vorlas. Stundenlang. Hat mich als Kind sehr neugierig gemacht, was die da treiben. Dass das irgendwas mit Agenten zu tun haben musste, habe ich mir damals schon gedacht. Als dann die Sache mit Guillaume hochkam, und die Zeitungen darüber schrieben, lag das ja auch nahe. Jahre später habe ich dann für Kryptovorlesungen alte Kryptotechniken nachgelesen und aufbereitet, etwa das Knacken der Enigma, und bin dabei auch auf Handchiffren gestoßen, wie sie der Osten verwendet hatte, Würfel, Doppelwürfel und sowas. Und deren Beschreibungen passten ziemlich genau auf das, was da ablief, nur mit dem Unterschied, dass bei den beschriebenen Chiffren das Chiffrat in der Regel aus Buchstaben und nicht Zahlen bestand. Zudem war ich im Grundwehrdienst Truppenfernmelder gewesen und hatte auch da eine der sogenannten „Handchiffren” erlernt und dann in derselben monotonen Weise Buchstabengruppen über Funk vorgelesen. Und später einen hochinteressanten Vortrag gehört, wie der Bundesnachrichtendienst durch Brechen eben jener Handchiffren und per Funk durchgegebener Chiffrate Guillaume enttarnte. Sie konnten Anweisungen an den Spion mitlesen, wussten aber nicht, wer er ist. Die Stasi hatte dann aber zwei Fehler gemacht: Der erste war, ihm zum Geburtstag zu gratulieren. Der zweite war, dass sie für seine Tarnidentität das echte Geburtsdatum genommen hatten (macht die Legende deutlich leichter und fehlerunanfälliger). Sie haben damals die Mitarbeiterlisten der Regierung danach durchsucht, wer an dem Tag alles Geburtstag hatte und an die entsprechenden Informationen kommen konnte, und sind so auf Guillaume gestoßen.

Ich bin mir daher relativ sicher, dass diese Zahlenkolonnen, die sie vorgelesen haben, Agentenanweisungen der DDR oder des KGB waren. Die saßen da am gewöhnlichen Radio, haben die mitgeschrieben und entschlüsselt. Vielleicht war es auch die Gegenseite, wer weiß es schon genau. Siehe dazu auch Zahlensender.

Deshalb glaube ich das Argument, dass die Stasi da schlicht keine Zeit mehr gehabt habe, solche Strukturen aufzubauen, einfach nicht. Die Rosenholz-Dateien sollen immerhin aus 381 CD-ROMs bestanden haben. Das ist keine Kleinigkeit. Und das sie vor allem in linken (Studenten-)Organisationen saßen, weiß ich aus dem Studium. Und wo saßen die, die während meiner Studienzeit in linken Studentenorganisationen saßen, dann später? Na, ratet mal.