Ansichten eines Informatikers

Alle 10-15 Jahre wieder – Neues Spiel, neues Glück

Hadmut
27.9.2010 20:56

Kinderpornosperren, Kryptoverbote, wir sind wieder im Schweinezyklus.

Die Diskussion um die Verfolgung von Kinderpornographie hatten wir vor 10-15 Jahren schon einmal. Nun waren die Politiker einmal durchrotiert, und alles fing von vorne an. Neu waren nur die Argumente, nämlich daß Kinderpornographie jetzt ein Milliardenmarkt sei – und das war auch noch falsch und frei erstunken.

Liest man heute hier und hier über die Geheimverhandlungen zu Acta, hinter denen als Druckmacher vor allem die USA stehen dürften und wonach einem künftig alle Datenträger beim Reisen an der Grenze durchsucht werden sollen (was vermutlich auch bedeutet, daß wir dann alle Windows-Rechner haben müssen, nett ausgedacht), dann kann einem das Gruseln kommen. Der physische, körperliche Transport von Daten über Landesgrenzen wird damit systematisch überwacht. Und was ist, wenn ich eine Datei auf dem Rechner habe, die die da nicht klassifizieren können? Komm ich dann in den Knast? Nur weil ich Linux, oder ein selbstgebautes Dateiformat, oder eben doch eine verschlüsselte Datei dabei habe? False Positive zum Konstruktionsprinzip erhöht?

Auch zum Gegenstück, nämlich der Überwachung im Netz, also der nichtkörperliche Datentransport soll überwacht werden, wie man ebenfalls heute lesen kann. Auch hier dieselbe Problematik.

Es läuft also auf eine volständige Überwachung bewegter Daten hinaus, egal wie sie bewegt werden. Und damit letztlich auf ein Kryptoverbot. Entweder über ein explizites Verbot oder über die Schikane, daß man festgehalten wird, oder – wie sowieso schon bei der US-Einreise möglich – seinen Rechner so schnell nicht wiedersieht. In Großbritannien kann man für Jahre in Beugehaft gesteckt werden, wenn man etwas für die Behörden nicht entschlüsselt, was verschlüsselt ist oder von denen dafür gehalten wird.

Wieder rasen gerade wieder mit Vollgas auf ein Kryptoverbot zu.

Und auch das hatten wir – wie die Kinderpornosperre – vor 10-15 Jahren schon mal in der Diskussion. Clipper-Chip und so’n Zeug.

Und was macht unsere Politik? Sie schläft und beruhigt die Nerven mit einer Internet-Enquete, die sich mit Themen wie Medienkompetenz befasst. Hieße Medienkompetenz nicht, sich andere Politiker zu wählen?

Jedenfalls gab es 1997 schon mal eine Anhörung der damaligen Internet-Enquete des damaligen Bundestags zum Thema Kryptoverbot. Ich war damals als Assistent des „Sachverständigen” Beth mit dabei. Im Ergebnis hat man dann von einem Kryptoverbot abgesehen. Weil alle außer Beth sagten, daß es nicht geht. Und weil Beth damals behauptete, für Geld mache er ihnen alles.

Randbemerkung:

Die peinlichste Stellungnahme bei dieser Anhörung gab damals Thomas Beth ab. Der ist verstorben.

Die beste Stellungnahme, einschließlich umfangreicher nachträglicher Reparaturmaßnahmen für Beths schräge Behauptungen, hatte damals Andreas Pfitzmann abgegeben. Der ist gerade auch verstorben.

Der damals die Sache leitende Politiker mit dem damals besten Überblick war Jörg Tauss. Der ist nicht mehr im Bundestag – wegen Kinderpornographie.

Und so wird die neue Diskussion mal wieder mit komplett neuen Leuten geführt, die alle wieder bei Null anfangen. Neues Spiel, neues Glück.

6 Kommentare (RSS-Feed)

aha
27.9.2010 22:22
Kommentarlink

Betreff “Jörg Tauss” siehe auch
http://www.tauss-gezwitscher.de/?p=1107


stefan
28.9.2010 9:03
Kommentarlink

Und so wird die neue Diskussion mal wieder mit komplett neuen Leuten geführt, die alle wieder bei Null anfangen.

Schön wärs. Aber die fangen nicht bei Null an. Die wissen m.E. ganz genau, was sie tun. Leider.


Hadmut
28.9.2010 9:14
Kommentarlink

Die, die tun, ja.

Die, die diskutieren, eher nein.


Herbert
28.9.2010 13:23
Kommentarlink

Irgendwann dauert es wegen der “Sicherheitsmaßnahmen” dann länger am Flughafen einzuchecken als die Strecke zum Zielort zu Fuß zurückzulegen…

“Zum Einchecken bitte 3 Wochen vorher kommen.”


Hadmut
28.9.2010 14:36
Kommentarlink

Nein, andersrum: Notebook und Fotoausrüstung bitte 3 Wochen nach der Einreise am Flughafen abholen.

Wie, nur eine Woche im Land? Pech gehabt. Wir danken für die Spende.


yasar
29.9.2010 10:00
Kommentarlink

Dann wird man wohl wieder auf altbewährte Methoden zurückgreifen müssen:

Körperöffnungen für Datentransporte. Da die USB-Sticks bei ordentlicher Kapazität inzwischen klein genug sind, dürfte das fast schmerzlos funktionieren.