Ansichten eines Informatikers

Lesen Sie Ihre Mails hier auf diesem Rechner!

Hadmut
5.11.2013 0:44

Fragwürdiges Erlebnis auf dem Zollamt.

Ich hab mir Stativzubehör in den USA bestellt. Manche Teile bestell ich bei Really Right Stuff, aber generell sind die mir zu teuer. Es gibt auch günstigere, kleinere Anbieter, die qualitativ fast ebenso gut (jedenfalls gut genug für meine Zwecke) sind, aber einfach ein kleineres Geschäft haben, und die Sache etwas hemdsärmeliger angehen. Das hat auch seine Vorteile, denn wenn man sagt, ich brauch das Teil mal ein Stück länger, bekommt man das einfach so. Deshalb, und weil mein Browser sich mit dem Webshop irgendwie nicht einigen konnte, hatte ich ein paar Teile per E-Mail bestellt. Ich hab’s deshalb auch nicht über die Webseite bezahlt, sondern er hat mir bei Paypal eine Rechnung eingestellt, die ich bezahlt habe. Er schickt’s los, ein paar Tage später kam’s an.

Fast, nicht ganz. Der Zoll hat’s aufgehalten. Weil im Begleitzettel außen auf dem Paket zwar der Wert stand, aber eben nur als Zahl, also nur für Post, Versicherung und so. Dem Zoll reicht das nicht. Der will eine Rechnung sehen.

Nu hatte ich die aber nicht. Ich hatte nur den Kontoauszug von Paypal. Und mir auch nichts dabei gedacht, denn ich hatte erwartet, dass die Rechnung im Päckchen mit drin ist. Also hin zum Zoll, dann auch drangekommen, und die wollten’s wissen. Was es ist, wie es heißt, was es kostet, und die Rechnung sehen. Ich mache also dort beim Zoll vor deren Augen das Päckchen auf, und es ist alles drin, was ich bestellt habe – nur eben keine Rechnung. Und da fing der Ärger an.

Denn dabehalten wollten sie es nicht, zumal es nun auseinandergerupft war. Mitgeben aber auch nicht. Ja, meinten sie, da müsse ich eben mal in meine Mail schauen, ob ich da nicht doch ne Rechnung bekommen hätte.

Nu, sag ich, da geht ja nun schlecht vor Ort. Ich hatte zwar mein Handy dabei, aber momentan über 1000 unbearbeitete Mails in der Box, und das Handy zeigt immer nur die obersten 50. Gibt zwar ne Suchfunktion, aber die ist auch nicht der Brüller. Und ich war mir eigentlich sicher, nichts bekommen zu haben.

Da sagt der zu mir in bestimmendem Ton, so die Art von Obrigskeitston, die keinen Widerspruch vorsieht: „Da vorne steht für sowas ein Rechner! Loggen Sie sich da ein und lesen Sie Ihre E-Mail!”

Jo. Auf einem Rechner des Zolls in meine Mailbox einloggen. Das fehlt mir gerade noch. Zumals nicht ginge, weil meine Mailbox nicht über irgendwelche Web-Frontends zugänglich ist. Ich hab dann versucht, denen zu erklären, dass ich mich von einem fremden Feld-Wald-und-Wiesen-Rechner weder einloggen kann noch will und auch nicht werde.

Quittiert wurde das ganze damit, dass ich wieder in den Wartebereich und dort warten musste, bis die sich das auf der Webseite des Verkäufers zusammengesucht hatten.

Find ich aber schon derb, dass der Zoll einen auffordert, dass man sich auf einem Zoll-Rechner in seine Mailbox einloggt und seine Mails liest. Wow.

22 Kommentare (RSS-Feed)

Marc
5.11.2013 3:58
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Und beim nächsten Mal hast du das Paypal-Ding einfach ausgedruckt dabei.


Hadmut
5.11.2013 10:09
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@marc: das hatte ich dabei. Hat ihnen aber nicht gereicht.


Hank
5.11.2013 5:57
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Fastmail bietet Anmeldung per Yubikey … sicher auf jedem noch so unsicheren Rechner.


_Josh
5.11.2013 6:12
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Kann mir sehr gut vorstellen, dass die Hellgruenen mit dem dort auf dem “Gaeste”-PC sicherlich mitlaufenden Keylogger den einen oder anderen Feld-, Wald und Wiesenhobbyschmuggler abschnorcheln.

Uebrigens, eine solche “Einladung” ist mir ebenfalls schon passiert, im August 2011 in Frankfurt am Main. Es ging um zwei in Thailand gefertigten Massanzuege und beinahe identische Begleitumstaende.

Duerfte klar sein, dass heutzutage aus Uebersee Zugestelltes erstmal terrorverdaechtig ist. Welcome to the future.

Das Adjektiv “derb” faellt mir bei solchen Aktionen allerdings nicht als erstes ein, eher Dinge, die ziemlich genau 80 Jahre zurueckliegen und laengst ueberwunden schienen.


mathias
5.11.2013 7:16
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Ging mir auch mal so bei Lautsprecher Ersatzteilen aus den Staaten. Wäre da eine Rechnung außen drangepappt gewesen, kein Problem. Aber stell dir mal vor wie sich die Leute aufregend würden, hätten die da keinen Rechner mit dem man schnell den entsprechenden Wisch ausdrucken könnte … Ich hatte die Rechnung zwar mobil dabei, aber der Zoll wollte doch lieber Papier abheften. Hatte jetzt aber auch nicht das Gefühl, dass die mein Handy abschnorcheln wollten.


Jim
5.11.2013 9:52
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Wieso? Du hast doch nichts zu verbergen, oder???


wolle pelz
5.11.2013 12:20
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Herr Danisch…

…man möchte nicht bei paypal sein.

Paypal ist ein Schweineladen. Mir wurde gerade durch ein Amtsgericht von Paypal über einen bekannten Abmahnanwalt ein Mahnbescheid zugeschickt.

Außerdem möchte der Laden deutschen Geschäften vorschreiben, welches Sortiment sie führen sollen. Dinge, die gegen US-amerikanische Boykotts verstoßen, sollen aus dem Programm.

Paypal ist böse.


yasar
5.11.2013 12:51
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@hank

Warum sollte man seine EMail einem Dienstleister anvertrauen wollen? Ich lasse meine Post ja auch nicht vom Briefträger aufbewahren und vorlesen.

Und der Yubikey bringt Dir auch nichts, wenn der Zoll damit Zugriff auf Deine Mails hat.


Glasreiniger
5.11.2013 15:55
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Man sollte dagegen vorgehen. Aber wie? Ich würde es mal mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde versuchen (der Jurist sagt dazu: formlos, fristlos, zwecklos), vielleicht gibt die Abweisung etwas her.


pjüsel
5.11.2013 19:19
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Was hatten die denn da für einen Rechner rum stehen? So ein altes klappriges Ding mit Röhre, vergilbter Tastatur, Windows 98 und Internet Explorer 5?


Hadmut
5.11.2013 21:12
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@pjüsel: Hab das Ding nicht gesehen…


Thomas Bliesener
5.11.2013 23:11
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Mittels PAM kann man SSH dazu überreden, falls der Login mit Paßwort nicht klappt, ein OTP zu akzeptieren.


Hadmut
5.11.2013 23:13
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ssh spielt hier keine Rolle, und auf einem ranzigen Behörden-Rechner ist sicher auch kein ssh, sondern Windows-XY installiert.


brak
6.11.2013 15:06
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ich find Paypal auch böse, sogar sehr, die wollen alle nur, daß wir sie benutzen….


Thomas Bliesener
6.11.2013 17:27
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@Hadmut: Da Du kein Webmailgedöns nutzt, hatte ich scharfsinnig geschlossen, daß Du von draußen Deine Mail per SSH liest (so wie ich es mache). Natürlich gibt es noch mehr Möglichkeiten.

Für Windows-XY gibt es auch SSH-Clients, zum Beispiel PuTTY.


Stefan S.
6.11.2013 21:42
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Hmm, also mir wurde da immer gesagt: wenn Sie’s auf dem Handy finden (und ich finde es immer, da GMail), bitte an diese E-Mail-Adresse weiterleiten (irgendeine von dem Zollamt eben). Dann haben die’s sich selbst ausgedruckt. Fand ich sehr ok.


Gerd REINHOLD
6.11.2013 21:54
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“Du hast doch nichts zu verbergen – oder?!” Das hört man immer wieder. Also, ich z. B. habe wirklich nichts zu verbergen (siehe meine Texte im Netz unter http://www.Deutschlandagenda.de), aber darum geht es doch gar nicht, sondern etwa um die Machenschaften von NSA & globale Konsorten. Frage: Lesen Sie keine Nachrichten? Gerd REINHOLD, Prof. Dr. phil., D-81377 M


yasar
7.11.2013 0:20
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@Thomas Bliesener

putty nützt aber nichts, wenn Du kein vertrauenswürdiges gerät hast, auf dem Du das ausführen kannst.

Sobald Du keine vertrauenswürdiges Gerät für Deine Eingaben hast, gibst Du mit Putty dem lokalen System die Kontrolle über Deine eigenen Maschinen.


kade
11.11.2013 2:39
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Das ein kleines Zollamt einen Keylogger auf einem “Gast-Rechner” im Zollamt installiert um an Eure wahnsinnig wichtigen Emailpasswörter heranzukommen ist eine alberne Klein-paranoia – unwüürdig des doch angeblich so gebildeten Publikums hier.

Was der Zoll ist, was er so den ganzen Tag macht und das die Zöllner im Zollamt keine Fahnder, sondern Finanzbeamte sind, die gegen nichts und niemanden ermitteln, finde ich müßig zu erklären.

Ich stehe öfter mal beim Zoll und hole meine Päckchen ab. Gerade bei diesem “Kleinkram” stehen regelmäßig völlig überforderte Abholer, die keine Sekunde nachgedacht haben, bevor sie sich auf dem Weg zum Zollamt gemacht haben. Die haben keine Rechungen oder sonst irgendwelche Papiere mit. Höchstens mal den Personalausweis – wenn es gut läuft.

Natürlich wollen die Zöllner aufgerissene Pakete möglichst schnell loswerden und auf gar keinen Fall wieder versiegeln und zurück ins Lager schleppen.

Also wird da jemand die Idee gehabt haben, einfach einen ausgedienten Rechner als Service für die Nachtkappen aufzustellen.
Nun sind Zöllner aber auch nicht zwangsläufig IT-Experten und wie meist im Leben ist gutgemeint eben nicht immer gut gemacht.

Die Kommentare hier sind an Schwachsinnigkeit zum Teil nicht zu überbieten und toppen den Fehler des Amtsleiters deutlich: “Dienstaufsichtsbeschwerde”, “Keylogger”, “terrorverdächtig”.
Peinlich, peinlich.

Den ursprünglichen Fehler hat der Händler begangen, sogar zwei Fehler. Rechnung nicht außen angebracht und keine Rechnung reingelegt. Den dritten Fehler hat Hadmut selbst begangen: Er hat keine Rechnung mitgebracht – dabei steht das groß und breit auf dem Abholzettel.

Besteht eine Behörde auf den Formal-Kram: Großes Geschrei, wie unflexibel die doch sind. Bietet sie eine unbürokratische Lösung: Großes Geschrei, dass sie was böses wollen.


Hadmut
11.11.2013 10:51
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@kade: Es kam durchaus schon vor, dass der Zoll Spyware installiert hat. Außerdem ist das Ding sicher nicht gepflegt und jeder Vorbenutzer könnte was hinterlassen haben.


yasar
11.11.2013 20:34
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@kade

Wenn da jemand einen alten ausgedienten rechner da hinstellt, ist der sicher nut allzugut gewartet. Und wenn da einer “schnell mal ein programm installiert un seine Emails zu lesen”, wird da sicher auch keiner was merken.


kade
14.11.2013 2:10
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Ich schrieb ja, dass die Idee Schwachsinn ist. Letztendlich gehört der Rechner da weg und Leute ohne Rechnung/Quittung wieder nach Hause geschickt.

Aber das der Zoll bei Hinz&Kunz einen Keylogger installiert oder die Emails liest ist auch Schwachsinn. Der Zoll ermittelt bei Finanzvergehen und einigen anderen äußerst unapppetlichen Vergehen, wie z.B. Menschenhandel. An normalen Leuten haben die garantiert kein Interesse. Da würde ich mir eher um andere Behörden Sorgen machen.

Zum Teil existieren hier schon einige sehr schräge Verschwörungstheorien.