Von Politik und Journalisten, Klimafakten und -leugnern, und vom völlig misslungenen Versuch, in Hessen einen Witz zu machen
Wie Politik funktioniert und gemacht wird.
Ich war heute bei einer Veranstaltung. Auf der Softwareprodukte zum Kontakt mit Politikern vorgestellt wurden.
In der hessischen Landesvertretung in Berlin. Deshalb war ich auch dort. Nicht, weil ich mir als kleiner 1-Mann-Blogger solche Software kaufen würde oder ständig in Kontakt mit Politikern träte, sondern weil ich wissen wollte, wieso kommerzielle Unternehmen und der Tagesspiegel in einer Landesvertretung auftreten können. Das kam mir irgendwie schon komisch vor.
Erster Vortrag: Die Datenbank
Der erste Vortrag drehte sich um das Datenbankangebot eines Verlages, der einem – stets aktuell – auflistet, welche Politiker auf allen Politikebenen, Bund, Länder, Kommunen, es wo gibt, wie sie heißen, welche Posten und Titel sie haben, Geschlecht, Telefonnummer, Adresse und sowas alles. Auch Diplomaten und so weiter, alles. Das Who is Who der Politik mit Kontaktadressen, Funktionen, alles, was der wackere Lobbyist wissen muss – und dafür zahlt.
Selbstverständlich, wird betont, nur die Daten solcher Politiker, die damit auch einverstanden sind. Es scheinen aber alle einverstanden zu sein, und gegenüber Industrie, Lobbyisten usw. grundsätzlich sehr, sehr offen zu sein. Und dass eine Landesvertretung ihre Räume zur Verfügung stellt (Häppchen und Getränke gab’s auch), fand ich da schon sehr bemerkenswert. Und es war immerhin eine deutliche Zahl von Leuten da.
Also dachte ich, ich mache einen Witz. Informatiker halten sich nämlich für wirklich witzig. Sie sind es ja auch. Leider verstehen den Humor oft nur andere Informatiker.
Als es im ersten Vortrag also darum ging, dass man über Politiker alle erforderlichen Daten bei ihnen finde, natürlich auch die Angabe zum Geschlecht und fertige Anreden wie „Sehr geehrter Herr X“, aber eben auch „Sehr geehrter Herr Bundeskanzler“ und sowas, meldete ich mich und fragte, wie oft sie die Geschlechtsangaben aktualisieren.
Ich dachte, ich hätte einen Prachtwitz gemacht, und erwartete, dass das Publikum losgackert. Informatiker hätten das getan.
Aber, ach.
Nicht einmal die Reaktionen auf einen schlechten Witz. Sondern gar keine Reaktionen. Totenstille. Keinerlei Bewegung. Ernst wie auf dem Friedhof.
Kennt Ihr das Gefühl, wenn Ihr einen Witz zu erzählen versucht, die Pointe bringt, und die Leute nicht einmal negativ, sondern gar nicht reagieren, einfach gar nichts passiert, als warteten sie, wie der Witz weiter geht?
Nach einer Weile fing die vorne an, die Frage völlig ernst zu beantworten. Sie fragen nicht regelmäßig nach, sondern bekommen die Geschlechter-Updates aktiv von der Politik.
Ich habe mir nichts anmerken lassen und eben auch so geguckt, als hätte ich die Frage todernst gemeint. Und dachte mir, in was für einem Land, in was für einer Zeit bin ich gelandet.
Wer weiß, vielleicht fanden es auch welche witzig, aber haben sich nicht getraut.
Aktennotiz: Keine Witze mehr in Hessen. Zumindest keine spontanen, unerprobten Witze.
Zweiter Vortrag: Das CRM
Der zweite Vortrag drehte sich um ein CRM.
Entweder habe ich es nicht mitbekommen, oder sie sagten wirklich nicht, was CRM bedeutet. Irgendwo in einer verstaubten Ecke der Dachkammer meines altersschwachen Gedächtnisses fand ich eine vergilbte Notiz, dass CRM so irgendwas wie Customer Relation Management war. Gerade nochmal nachgeguckt, stimmt fast. Customer Relationship Management. Das ist normalerweise Software, mit der Firmen ihren Kunden verwalten und nerven, bis sie endlich wieder was kaufen. Mit dem man Werbung schickt und sowas.
Sie verwalten damit – auch – Politiker. Und holen sich dazu die Politikerdaten aus der Datenbank aus dem ersten Vortrag.
Man kann also automatisiert Einladungen an Politiker verschicken, und die kommen sogar, weil sich Politiker total freuen, wenn sie irgendwo eingeladen werden.
Da ging mir so durch den Kopf, dass die beim Fernsehen sowas haben müssen und per Mausklick dafür sorgen, dass sie immer dieselben Politiker in Talkshows einladen – oder alle, und immer dieselben die sind, die am schnellsten „Hier!“ rufen.
Beeindruckend: Das Ding beherrscht es, die verschiedenen Funktionen und Ämter, die einer haben kann, zu verwalten und automatisch immer – protokollarisch richtig – die Anrede nach dem höchsten Amt zu richten. Friedrich Merz, zum Beispiel, habe drei Ämter. (Wieso, zur Hölle, hat ein Bundeskanzler in Krisenzeiten noch Zeit für andere Ämter?) Und auch, wenn man ihn in einer seiner anderen Funktionen zu irgendwas einlädt, weiß die Software, dass sie ihn mit „Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,“ anreden muss, um ihn zu irgendwas einzuladen.
Dritter Vortrag: Das Tracking
Auch das dritte Produkt baute auf dem ersten auf, sie tracken alle Politiker danach, was sie publizieren und in Vorträgen sagen. Die große Datenbank, wer mit welchem Thema zu tun hat.
Möchte ich also Kontakt zur Politik zu irgendeinem Thema X, dann sagt mir diese dritte Produkt, welche Politiker sich schon einmal zu dem Thema X geäußert haben oder irgendwas damit machen. Das erste Produkt sagt mir, wie ich diese Politiker erreiche. Und mit dem zweiten Produkt schicke ich ihnen dann die Einladungen zur meiner Veranstaltung zum Thema X.
Und das alles in Räumen des Landes Hessen.
So ganz entfernt hatte ich so ein bisschen so ein wenig von einem Aroma in der Nase, als ob die Mafia gerade Werbung für ihre neue App macht, mit der man das Schutzgeld online zahlen kann und automatisch daran erinnert wird.
Und nach Mafia ging mir dann wieder der Rundfunk durch den Kopf: Als ob die genau damit ihre Talkshows besetzten. Machen wir eine Talkshow über Tulpen, schicken wir eine Einladung an jeweils den Politiker (fast) jeder Partei, der am meisten zu Tulpen gesagt hat.
Sagt umgekehrt die Partei dem Rundfunk, dass Politikerin Y wieder ins Fernsehen will, könnten sie damit in der Datenbank nachschauen, was die denn in letzter Zeit so gesagt hat, und dann aus einer anderen Partei jemanden mit der Gegenmeinung einladen, damit es fetzt.
Und fällt einem nicht, ein, wozu man eine Talkshow machen könnte: Das Produkt zeigt einem schöne Statistiken und Trends, welche Themen gerade angesagt sind.
Nur zur Klarstellung: Von Rundfunk war da nirgends die Rede, aber es drängte sich mir brachial auf, dass der Rundfunk („Adressbuchjournalismus“) genau so funktionieren muss. Ich hatte doch schon erzählt, dass ich schon so drei-, viermal von irgendwelchen Fernsehteams als „Männerrechtler“ oder „Maskulist“ angefragt wurde – und sie jedesmal in die Wüste schickte ob dieses Schwachsinns, weil sie mich und mein Blog überhaupt nicht kannten und gar nicht wussten, was ich mache. Und mir nie eine Antwort auf die Frage geben konnten, wie sie eigentlich darauf kommen, dass wenn ich Feminismus kritisiere, trotzdem selbst denselben Blödsinn treiben würde, nur mit anderem Vorzeichen. Ob ich mir da nicht selbst widerspräche, und wie sie dazu kämen, mir solches zu unterstellen. Hat die immer überfordert. Ich habe mich immer gefragt, wie die eigentlich darauf kommen, jemanden für einen Männerrechtler zu halten, den sie als Person und dessen Publikationen sie überhaupt nicht kennen. Wie sie darauf kommen. Da muss es ja irgendwo eine Datenbank geben. Anscheinend ist das genau so etwas. Gib Thema X ein und das Ding listet Dir auf, wer dem Thema X positiv und negativ gegenüberstehe, einschließlich e-Mail und Telefonnummer. So eine Art Meinungs- und Themen-Schufa.
Vierter Vortrag: Tagesspiegel Background
Da waren zwei von „Tagesspiegel Background“ da, eine von der Sales-Abteilung und eine Redakteurin, und machen Werbung für ihr Produkt, so eine Art Polit- und Wissensnewsletter. Von deren Webseite:
Das Fachmedium für Entscheider aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Politiknewsletter. Mit Vorsprung in den Tag. Tägliche Top-Insights. Morgens um 6 Uhr. Glaubwürdig & unabhängig.
[…]
Briefings und Monitorings.
So ganz klar war mir der Zusammenhang mit den ersten drei Vorträgen und ihren Produkten nicht, aber anscheinend verwenden sie das oder kooperieren damit, benutzen es, beliefern sie oder irgendwas in der Art.
Jedenfalls erzählte die zwei Damen da von der Qualität und der Nützlichkeit ihres Produktes, und ich döste halt so vor mich hin.
Als sie etwas sagten, von dem mir sofort der Kamm schwoll. Folgendes nur sinngemäß aus der Erinnerung, kein Wortprotokoll, auch etwas gekürzt.
Fakten. Sie lieferten Fakten. Irgendwie Beispiel Klimafakten gegen die Klimaleugner oder so ähnlich. Fakten und Leugner.
Als es dann etwas später zum Fragenteil kam, fragte ich, was sie da unter Fakten verstünden, wie man das in ihrer Redaktion definiere.
Sie fing dann irgendwas mit dem Klima an, und ich unterbrach sie.
Nee, vom Klima will ich nichts wissen, von Impfungen auch nicht. Ich will wissen, was sie unter dem Begriff Fakten verstünden. Was denn das bei ihnen sei, so dass jeder, der anderer Meinung ist, zum Leugner werde. Ob es da eine redaktionsweite verbindliche Definition gäbe, oder ob sich da einfach jeder selbst irgendwas ausdenkt, was Fakten sein sollen, und jede Abweichung dann Leugnung sei.
Ja, also irgendwas mit transparent machen und journalistische Standards und dass man seine Quellen angibt, und wenn es da eine Studie gibt, dass man da auch zwei angibt …
Aha, sagte ich, Fakten sind also, wenn man schreibt, dass jemand anderes etwas behauptet. Und wenn man zwei kennt, die etwas behauptet, dann ist jeder Dritte, der etwas anderes behauptet, automatisch ein Leugner, weil zweie immer recht haben?
Kommt gewaltig ins Schwimmen, noch irgendwas von journalistischen Standards, und was ich denn meine.
Nun, sagte ich, ich bin Informatiker, Naturwissenschaftler, und hätte in der Schule Latein und Griechisch gehabt, und ich verstünde unter Fakten und Leugnen etwas völlig anderes als sie. Aber es gehe ja um ihr Produkt. Und ich wunderte mich, wie leichtfertig sie etwas als Fakten und Leute als Leugner hinstellten. Da sei ja überhaupt nichts dahinter, einfach nur Behauptungen. Wenn ich einen Physiker nach Fakten fragte, dann sagt der, hier, dieses Experiment, kannst Du selbst ausprobieren. Aber von ihnen käme einfach gar nichts außer, dass sie zwei kennen, die das behaupten. Und das stellten sie als „Fakten“ hin.
Es kam noch irgendeine Antwort, an die ich mich nicht mehr genau erinnere, irgendwie inhaltslos, der Versuch, den Ball zurückzuspielen und die Diskussion auf später zu verschieben.
Ich sagte noch, dass mir das genau so schrecklich vorkäme, wie ich es mir vorgestellt hätte.
Das Publikum so regungs-, geräusch- und teilnahmslos wie bei meinem Witzversuch.
Es kamen andere Fragen dran.
Am Ende bedankte sich der Moderator für die Fragen und – mit Blick zu mir – dass sogar eine Diskussion aufgekommen sei.
Nach Ende der Veranstaltung kam ein Mann zu mir. Um mir zuzustimmen. Er sei auch Naturwissenschaftler und sehe das ganz genauso wie ich.
Ich sagte, dass ich mich damit befasst habe, und dass die Politik die Studien ja gegen Geld bestelle und da drin stehe, was Politiker verlangten.
Er meinte, es sei ja noch viel schlimmer, denn es seien ja nicht einmal gefälschte naturwissenschaftliche, sondern alles geisteswissenschaftliche Studien.
Fazit
Ich finde das alles schrecklich.
Das war mal ein Blick in die Verstrickungs- und Lobbyisten-Mechanik, wie da die Politik funktioniert. Wie sehr Presse, Politik, Lobbyisten miteinander verstrickt und verwoben sind.
Demokratie, Volk, Wähler kommen darin gar nicht vor. Die machen das alles auf direktem Wege unter sich aus. (Gut, zugegeben, das weiß ich schon lange. Aber jetzt weiß ich, welche Software sie dafür verwenden.) Große Korruptionsmechanik.
Und so läuft das dann:
- Die Politik bestellt sich auf dem geldabhängigen und gefrauenquoteten akademischen Straßenstrich die gewünschten Studien mit dem vorgegeben Inhalt.
- Wer an der Uni nicht singt, wie er soll, wird dort sofort kaltgestellt oder gleich ganz abgesägt. Damit die Studien unison klingen.
- Dann plärren die Politiker irgendwo zum Thema X, etwa Klima.
- Dann landen sie in der Datenbank, Politiker Y hat dreimal was zum Thema Klima gesagt.
- Will nun irgendwer was zum Thema Klima machen, kommt er über die Datenbank auf Politiker Y und ruft den an oder lädt ihn ein.
- Dann kommt der Politiker Y und sagt: Guck mal, ich habe da zwei Studien.
- Dann kommen die „Journalisten“ und schreiben von „Fakten“, weil sie doch zwei Studien kennen und als Quelle angeben.
- Und jeder, der dann noch etwas anderes meint, ist „Klimaleugner“.
Demokratie oder auch Wissenschaft, Realität, Nachprüfung kommen darin überhaupt nicht vor.
Dieses ganze Politik- und Mediending ist eine einzige, riesige Sozialmaschine, in der Wissenschaft und Nachprüfung gar keine Rolle spielen, es aber total wichtig ist, jeden entsprechend seiner Rolle und Rangordnung protokollarisch korrekt anzureden. Rudelmechanik par excellence.
Und: Es ist eine gewaltige Echokammer. Eine confirmation bias Maschine.
Wenn von 1000 Politikern nur drei vom Thema X überzeugt sind, kommen die nicht etwas zu dem Ergebnis, dass nur 0,3% daran glauben, sondern diese Tracking-Software sorgt dafür, dass die Medien gezielt mit diesen drei Politikern in Kontakt kommen und nicht mit den anderen. Und dann kommt der journalistische Schwachsinn dazu und sagt: Ich kenne schon drei Politiker mit drei Studien, die X behaupten. Und ab zwei ist es schon „Fakt“. Und alle anderen sind „Leugner“.
So werden in Deutschland Politik, Presse, Talkshows und Schwachsinn produziert.
So hat man vermutlich auch Feminismus und Migration durchgesetzt.
Das ganze Ding ist eine riesige Denkfehlermaschine, implementiert durch drei Softwareprodukte.
Und das nennt man dann „Qualitätsjournalismus“.
Und sie merken es nicht einmal. Sie glauben wirklich, sie würden gute Arbeit machen.