Ansichten eines Informatikers

Der Islam und die Algebra

Hadmut
13.11.2025 15:08

Ein Tweet und meine Antwort darauf.

Was ich darauf geantwortet habe:

So ein hanebüchener, eingebildeter Blödsinn.

„Ohne den Islam gäbe es keine Algebra.“

Die exakte Algebra wurde von Griechen und Indern erfunden, und zwar Jahrhunderte vor dem Islam, und die Babylonier und die Ägypter waren da schon ungefähr 2000 v. Chr. dran.

al-Chwarizmi, nach dem die Algorithmen benannt sind, hat diese vor allem übersetzt und zusammengeschrieben, das sind Sammlungen von Werken von vor allem Brahmagupta und Diophant.

Als Erfinder der modernen Algebra und der Geometrie gelten die Griechen, weil die den Zusammenhang zwischen Algebra und Geometrie herstellten. Auch alles lange vor dem Islam.

Zwar gibt es Hinweise, dass al-Chwarizmi (Perser, nicht Araber) Muslim gewesen sein könnte. Aber erstens war er das wohl nicht freiwillig, weil er sonst nicht hätte Mitglied im „Haus der Weisheit“ des Kalifen al-Maʾmūn in Bagdad hätte werden können. Und zweitens gibt es keinerlei Hinweis darauf, dass der Islam in irgendeiner Weise zu dessen Mathematik-Studien beigetragen hätte. Im Gegenteil, er ist ja nach Bagdad gegangen, weil er sich für Mathematik interessierte und nicht umgekehrt.

Es ist auch reichlich absurd, die Algebra als Produkt des Islam hinzustellen, weil eine Handvoll Leute im 9. Jahrhundert dazu etwas gemacht haben, die halt gerade Muslime waren. Eine Koinzidenz ist noch lange keine Kausalität und schon gar kein Nachweis, dass sie das ohne den Islam nicht auch oder sogar besser getan hätten.

Als Informatiker habe ich im Grund- und Hauptstudium auch Algebra studiert. Mir wäre dabei nicht ein einziger Beitrag oder ein einziger Algebraiker aus dem Islam in Erinnerung. Das war alles westlichen Ursprungs.

Es ist überhaupt nicht ersichtlich, was der Islam mit der Algebra zu tun oder dazu beigetragen haben sollte.

Noch vermessener und noch absurder ist die Behauptung, dass es die Algebra (oder Medizin) ohne den Islam nicht gäbe. Wieso denn hätte ohne den Islam da niemals jemand hätte drauf kommen können sollen?

Warum ist die – soweit ich mich an die Ausbildung und deren Quellen erinnern kann – gesamte moderne Algebra im Westen entstanden, und das zu Zeiten, als der Islam da überhaupt keine Rolle spielte?

Es ist eher das Gegenteil der Fall, nämlich dass der Islam zu geistigem Stillstand geführt und die arabische Welt für über tausend Jahre von Fortschritt und Wissenschaft abgeschnitten und im 8. Jahrhundert festgenagelt hat. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts und bis zum Ölboom waren ja arabische Gesellschaften auch nicht viel mehr als Beduinen, und manche Gegenden wie Pakistan und Afghanistan unterscheiden sich von der Steinzeit kaum mehr als durch Kalaschnikows.

Und jetzt kommen sie daher und tun so, als hätten sie die Algebra erfunden, als gäbe es ohne den Islam keine Algebra.

Und ich würde darauf wetten, dass Mediziner ähnliche Antworten auf die Behauptung geben würden, dass es die moderne Medizin ohne den Islam nicht gäbe.

Ich sage es mal direkt:

Hätte der Islam irgendwelche Erfindungen hervorgebracht, würde man lautstark damit angeben und müsste sich nicht sowas zusammenphantasieren.

Ich war mal im islamischen Museum in Sharja. Da gibt es auch eine (sehr kleine) Abteilung für islamische Wissenschaft. Abgesehen davon, dass sie zu keiner der Erfindungen sagen können, inwieweit der Islam dazu beigetragen haben sollte, nur weil die Erfinder zufällig auch Muslime waren, fällt eben auch sehr stark auf, dass das meiste oder fast alles (genau weiß ich es nicht mehr) aus der Zeit bis zum 9. Jahrhundert stammt und dann tausend Jahre lang eigentlich fast gar nichts mehr kam. Und nicht wenige Imame und Islam-Gelehrte sind ja der Auffassung, dass man außer dem Koran kein anderes Buch zu lesen braucht, da stehe eben alles drin.

Und wer weiß, vielleicht hätten Leute wie al-Chwarizmi ohne den Islam ja auch viel mehr geleistet, vielleicht hat er sie ja behindert.

Aber ich bin da nicht stur und lasse mich da immer auch gerne vom Gegenteil überzeugen, lerne gerne dazu.

Jeder, der mir stichhaltig und kausal begründet erklären kann, wann wie wo der Islam zur Wissenschaft beigetragen hat und wie (und nicht nur, dass irgendwelche Wissenschaftler zufällig Muslime waren), ist bei mir jederzeit hoch willkommen. Ich interessiere mich sehr für Wissenschaftsgeschichte, und es würde mich brennend interessieren, wo der Islam da irgendwelche Beiträge geleistet oder Nutzen gehabt hat. Bisher sehe ich da nämlich nur Nachteile.

Ich lehne das nicht ab. Ich bin da sehr offen und neugierig. Ich sehe da nur bisher eben nichts.

Und ich habe den Verdacht, dass das vielen Muslimen durchaus klar und bewusst ist, und sie versuchen, da die Geschichte oder die Wahrnehmung durch großspuriges Auftreten zu ändern.