Ansichten eines Informatikers

Drei Filmempfehlungen

Hadmut
7.11.2025 15:58

Jedem, der einen Amazon Prime-Account hat, möchte ich gerne drei Filme empfehlen, die es da gerade kostenlos gibt.

Eigentlich wollte ich diesen Artikel schon vor Monaten schreiben, ist irgendwie untergegangen. Macht aber nichts, weil wir ja auf dem Weg in die finstere Jahreszeit sind, wo man zuhause rumsitzt. Ich hoffe nur, dass die Filme noch lange genug kostenlos zu sehen sind.

M – Eine Stadt sucht einen Mörder

Ein Film von Fritz Lang von 1931, mit Peter Lorre in der Hauptrolle als Mörder, und Gustaf Gründgens als Schränker, Theo Lingen als Betrüger. Leider nicht unbedingt voll authentisch, weil es von diesem Film verschiedene, veränderte Versionen gab und jeder meinte, an dem Film irgendwie herumschnippeln und Szenen nachdrehen zu müssen, der Film wohl auch verschollen war und die restaurierte Version wohl aus verschiedenen Fundstücken zusammengesetzt wurde.

Obwohl aus der Frühzeit des Filmes, ein großartig gedrehter Film, dem man vor allem anmerkt, dass er noch das langsamere Erzähltempo früherer Zeiten hat, Leute noch zeigt, sie noch ganze Sätze sprechen.

Und man merkt ihm in vielen Szenen an, dass die Schauspieler ihren Beruf noch als Theaterschauspieler gelernt hatten, agieren und sprechen, wie auf einer Theaterbühne, vor allem beim Schlusstribunal. Ich hatte das ja auch schon oft zur NS-Zeit angesprochen, dass nicht Nazi-typisch war, überartikuliert zu sprechen, sondern damals Stand der Rhetorik auf Bühnen ohne oder mit schlechten Lautsprechern.

Und man sieht, und vor allem hört, wie es damals in Berlin so war. Wie sich diese Stadt so anfühlte, wie die Leute aussahen und sich benahmen. Es ist ein wunderbares Zeitdokument über eine Stadt, die es so schon lange nicht mehr gibt. Und es zeigt, dass Berlin einst eine Stadt von Ganoven war, aber solchen mit einer Ganovenehre.

Besonders eindrucksvoll finde ich aber, wie kritisch die Presse von damals dargestellt wird, und wie sehr sich die Presse von 1930 und die Schundpresse von heute und die Social Media in ihrer Charakterlosigkeit ähneln.

Worum geht es? (Auch wenn ich jetzt spoilere, die Geschichte hält das locker aus, und es gibt ja keine Auflösung, die man „verraten“ könnte.)

In Berlin passieren Kindermorde.

Wie man im Laufe des Filmes erfährt, ist ein gestörter, zwanghafter Kindermörder (Peter Lorre) unterwegs.

Die Aufregung ist groß, die Presse macht mit der Skandalisierung Geschäft, und der öffentliche und politische Druck auf die Polizei wächst enorm. Weil man aber keinen Ermittlungsansatz hat, täuscht man Aktionismus vor, kontrolliert willkürlich Kneipen und so weiter, zeigt überall Präsenz, um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, die Polizei bliebe untätig.

Das nun wieder stinkt der Unterwelt doppelt. Einmal, weil sie auch kein Verständnis für Kindermorde haben und sich sogar die Ganoven darüber aufregen, dass man auf der Straße nicht mehr sicher ist, man doch etwas unternehmen müsse, die Polizei versage und zu untätig sei. Und zum anderen, weil die hohe Polizeipräsenz ihre Geschäfte stört. Also beschließt die Unterwelt, angeführt vom Oberganoven, dem „Schränker“ (=Tresorknacker, Gustaf Gründgens), auf eigene Faust nach dem Mörder zu suchen und ihn dingfest zu machen.

Und daraus entsteht jetzt die Spannung im Film: Polizei und Unterwelt suchen konkurrierend nach dem Mörder, es geht darum, wer ihn zuerst kriegt. Jeder mit seinen Methoden. Während die Polizei klassische Fahndungsmethoden anwendet, bei den Irrenhäusern ermittelt, ob die was dazu wissen, und über Beweismittel und einen Zufallsfund dem Täter auf die Spur kommen, verfolgt die Unterwelt den Ansatz, dass all die Bettler und Betrüger unauffälliger Teil des Stadtbildes sind und umbeachtet überall hinkommen, bauen also ihr eigenes unsichtbares Fahndungsnetz aus Bettlern und Betrügern auf, die vorgeben zu betteln, in Wirklichkeit aber alles untersuchen.

Dabei findet ausgerechnet ein blinder Bettler den Mörder: Er war schon dabei, als ein anderes Kind verschwand, mit dem der Film aufmacht, und hatte den Mörder zwar nicht gesehen, aber gehört, wie er immer dann, wenn er hinter Kindern her ist, vor Aufregung sehr eigentümlich pfeift (Edvard Grieg: In the Hall of the Mountain King), und hört ihn in der Stadt wieder pfeifen.

Alle verfolgen ihn, und der Mörder flieht in ein Haus, die Unterwelt hinterher und bricht alles auf, um ihn zu finden. Die Polizei kommt auch, aber zu spät, und wundert sich, dass in einem Bankgebäude alle Türen aufgebrochen wurden und in Tresorräume eingebrochen – aber nichts geklaut wurde. Man war nicht hinter Geld, sondern hinter dem Mörder her.

Es kommt zum Show Down, als die Unterwelt ihn vor ein Tribunal stellt, dabei einen auf „ordentliches Gerichtsverfahren“ mit „Verteidiger“ macht. Man beratschlagt, ihn zu lynchen. Die Situation eskaliert und in diesem Augenblick stürmt die Polizei den Laden, weil sie ihn auch gefunden haben, ihm damit – zunächst – das Leben rettet. Es kommt zur regulären Gerichtsverhandlung, deren Ausgang man nicht mehr erfährt, nur den Kommentar der Mütter „Davon werden unsere Kinder auch nicht wieder lebendig.“ (also vermutlich auch das Gericht auf Hinrichtung erkannte, die es damals ja noch gab.)

Sehr spannend gedreht, Frühzeit des Films. Man merkt richtig, wie die sich damals Mühe gegeben haben und versuchten, ihre Charaktere darzustellen und herauszuarbeiten, was es in heutigen Produktionen ja gar nicht mehr gibt.

Und: Großartige Medienkritik, die heute noch genau passt.

Rashomon – Das Lustwäldchen

Großartiger japanischer Film von 1950, Urvater einer Reihe von Filmen, die den Plot wieder aufgriffen. Er spielt im feudalen Japan, laut Wikipedia im 12. Jahrhundert, in der Nähe von Kyoto (also da, wo ich neulich war).

Die Grundstory ist, dass ein Samurai mit einer Dame auf einem Weg durch den Wald unterwegs ist, auf einen Räuber trifft, der Räuber den Samurai überwältigt und fesselt, die Frau vergewaltigt, und den Samurai ersticht. Beobachtet von einem Holzfäller.

Die „Polizei“ nimmt den Räuber kurz darauf fest und es kommt zu einer Gerichtsverhandlung, die den Mord aufklären soll, in der man das Gericht aber nicht sieht und nicht hört, sondern nur die Zeugenaussagen der vier vernommenen Personen – der Räuber, die Frau, der Holzfäller und der tote Samurai über ein Geistermedium – die aber jeweils die Sache völlig anderes und entgegengesetzt, aber glaubwürdig und konsistent darstellen, jeweils so, dass ihre Ehre möglichst gut rauskommt, weil es damals eben nicht um Wahrheit, sondern um Schande und Ehre ging, und die Wahrheit ist, dass eigentlich keiner von denen Ehre hat.

Am ehesten noch der Holzfäller, aber der tut so, als hätte er die Sache nicht gesehen und damit kaum etwas zu tun, erzählt erst nach dem Gerichtsverfahren jemand anderem, was eigenlich passiert ist, und wie unwürdig das alles war.

Das Gericht steht vor dem Problem, aus vier jeweils plausiblen und folgerichtigen, aber völlig unterschiedlichen und sich widersprechenden Zeugenaussagen die Wahrheit zu destillieren.

Tampopo – magische Nudeln

Japanischer Kultfilm rund um das Essen. Wer den nicht gesehen hat, weiß nicht, was Nudelsuppe bedeutet.

Ein Trucker bleibt zufällig in der Suppenküche der jungen Witwe Tampopo hängen, gerät dort noch in eine Schlägerei, kann deshalb nicht weiterfahren. Das Problem daran: Tampopo ist eine lausige Köchin. Die Suppe taugt nichts, die von ihrem Mann geerbte Nudelbude ist grausig, und sie kann sich damit auch finanziell kaum über Wasser halten.

Also hilft er ihr, mit allerlei Tricks und Schlichten, Bekannten und Spionage, die perfekte Nudelsuppe zu kochen und die Suppenküche auf Vordermann zu bringen. Natürlich endet der Film damit, dass sie die wirklich perfekte Nudelsuppe kocht.

Eingelagert in die Hauptgeschichte sind viele kleine Ministories, die mit der Hauptgeschichte eigentlich gar nichts zu tun haben, aber eben so „am Nachbartisch“ und im Hintergrund passieren und sich alle ums Essen drehen.

Wenn man diesen Film gesehen hat, wird man die Nudelsuppe nie wieder so betrachten wie vorher.