Ansichten eines Informatikers

„Digital abgehängt“ – das ZDF, 37° und das Scheitern am Thema

Hadmut
26.8.2025 23:06

Am eigenen Fernsehprogramm verhoben.

Normalerweise schalte ich um, wenn im ZDF die Sendung „37°“ kommt, weil mir das Emotional- und Alles-so-schlimm-Geseier auf die Nerven geht. Heute habe ich es mal angelassen, weil im anderen Sportschau kommt (mag ich nicht) und es um Computer geht.

Eigentlich haben sie ein interessantes und wichtiges Thema – scheitern aber total daran. Es geht darum, dass viele behinderte oder alte Menschen mit der heutigen Digitalwelt nicht mehr mitkommen und an all den Screens und Buttons und Handys scheitern, weil das alles zu schwierig ist.

Stimmt.

Ich bin Informatiker, und sogar ich könnte manchmal „Scheiße!“ schreien und die Webseiten zum Fenster rauswerfen. Beispielsweise wenn man jeden Monat irgendwelche Rechnungen und Kontoauszüge von Webseiten pflücken soll, und jede Webseite jedes Anbieters total anders aussieht und man jedesmal durch ein Labyrinth aus Menüs muss, um zu finden, was man will.

Nur: Sie sind komplett am Thema vorbeigesegelt. Sie jammern, wie immer, darüber, dass es so ist, denken aber nicht darüber nach, warum es so ist.

Die Frage, warum wir in der IT so viele Pfeifen und Murkser haben, die gar nicht in der Lage sind, ordentliche Benutzerschnittstellen zu produzieren, dass wir da zu viele „Quereinsteiger“, Bullshit-Ausgebildete und „Anzuerkennende“ haben, die da irgendwas vor sich hinmurksen, wird nicht angesprochen. Könnte ja politisch unkorrekt sein.

Und dass wir von Digital-Laien regiert werden, die nicht einmal verstehen, wovon man redet, wenn man sagt, dass man das glattziehen müsste, wird auch nicht erwähnt.

Sicher, Digitalisierung setzt schon voraus, dass sich die Anwender so ein bisschen drum kümmern. Aber:

  • Sehbehinderte können nun einmal nicht besser sehen.
  • Alte können nun einmal nicht auf jung machen.

Und deshalb ist das eben keine Anwendersache, sondern – zumindest dann, wenn man sich an die breite Bevölkerung wendet – eine Aufgabe des Anbieters und derer, die die Webseite bauen. Eigentlich hätte man höchstens die Hälfte der Zeit den Sehbehinderten und die Oma zeigen dürfen, die am IT-Krampf scheitern, und dann mal die Entwickler der Seiten fragen müssen: Warum ist das so? Warum machst Du das nicht besser? Was machst Du da für einen Mist? Hast Du das nicht gelernt?

Apropos gelernt:

Das wäre mal eine sehr interessante Frage, wo man das eigentlich „lernt“. Oder auch nur nachlesen kann.

Alle wollen sie „barrierefrei“. Aber wo genau steht denn das, wann eine Webseite „barrierefrei“ ist?

Wie mache ich beispielsweise ein Menü für Spenden, Suchfunktion, Impressum so, dass auch ein Blinder mit seiner Braille-Zeile damit klarkommt? Kann eine Braillezeile per Javascript Menüs herunterklappen?

Wo steht das, was geht, was nicht geht? Was genau ist das überhaupt „barrierefrei“, wenn nicht wieder eine von diesen inhaltsleeren Wunderworthülsen, bei der Politiker etwas fordern, und die Realität es dann zu erfüllen hat?

Das ZDF hat, wie so oft, das Problem nicht verstanden. Die tun so, als wäre das nun einmal so bei der unumgänglichen Digitalisierung. Dass vieles davon aber nicht an der Digitalisierung liegt, sondern daran, dass wir soviel Murks produzieren, sagen sie nicht.