Das Bundesverfassungsgericht zum Rundfunkrecht
Ein Zitat, das man sich für längere Zeit griffbereit legen sollte.
Das Bundesverfassungsgericht hat seinen Beschluss vom 23. Juli 2025, – 1 BvR 2578/24 – über die Zurückweisung der Beschwerde des RBB gegen eine Änderung des Rundfunkrechts veröffentlicht.
Man hatte ein neues Rundfunkgesetz für den Rundfunk Berlin-Brandenburg erlassen, und darin passte dem Rundfunk Berlin-Brandenburg einiges nicht, er hat eine Reihe von Bestandteilen angegriffen. Ich greife mal nur die ersten beiden davon heraus:
2. Der Beschwerdeführer greift verschiedene Bestimmungen des rbb‑Staatsvertrags an.
6
a) In § 2 Abs. 3 rbb‑StV werden sowohl die Mindestanzahl als auch die Standorte für Regionalstudios und Regionalbüros des Beschwerdeführers festgelegt. Bei Regionalstudios handelt es sich um Einheiten mit täglichem Redaktionsvollbetrieb und eigener Produktion, während die kleineren Einheiten der Regionalbüros einer Redaktion zugeordnet sind und hauptsächlich die tägliche Produktion von Regionalnachrichten des Hörfunks verantworten. Bereits in § 2 Abs. 2 rbb‑StV a.F. war der Betrieb von Regionalstudios mindestens in Cottbus und Frankfurt (Oder) bestimmt. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 2 Abs. 3 rbb‑StV verfügte der Beschwerdeführer darüber hinaus auch über Regionalbüros in Prenzlau und Perleberg, deren Einrichtung auf § 2 Abs. 2 Satz 2 der Satzung des Rundfunk Berlin-Brandenburg vom 30. Juni 2003 in der Fassung vom 6. Dezember 2018 zurückging. § 2 Abs. 3 rbb‑StV bestimmt nun den Betrieb von mindestens drei Regionalbüros einschließlich eines dritten Standorts in Brandenburg an der Havel.
7
Das mit dieser Bestimmung verbundene Ziel der Landesgesetzgeber ist die regionale Verankerung des Beschwerdeführers im Versorgungsgebiet von Brandenburg, die sich auch im Angebot widerspiegeln soll, ohne die übergeordnete Aufgabe gleichwertiger Versorgung in Berlin und Brandenburg in Frage zu stellen (vgl. LTDrucks Berlin 19/1311, S. 55; LTDrucks Brandenburg 7/8689, Begründung S. 4).
8
b) Nach § 4 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 rbb‑StV hat im Landesfernsehprogramm für Berlin und für Brandenburg die gesonderte Darstellung jedes der beiden Länder durch eine regionale Auseinanderschaltung von mindestens 60 Minuten des täglichen Gesamtprogramms als Landesangebot zu erfolgen. Für diese beiden Landesangebote sieht § 4 Abs. 4 Sätze 3 und 4 rbb‑StV jeweils eine Leitung vor, die der Direktorin oder dem Direktor für den programmlichen Bereich unmittelbar unterstellt ist.
9
Die Landesangebote dienen der regionalen Verwurzelung des Beschwerdeführers in den Ländern Berlin und Brandenburg. Sie seien essentiell und für das gesamte Angebot des Beschwerdeführers identitätsstiftend (vgl. LTDrucks Berlin 19/1311, S. 58; LTDrucks Brandenburg 7/8689, Begründung S. 6).
Weitere betreffen die Ausschreibung der Stelle und die Haftung der Intendantin und so weiter, was erkennbar Reaktionen des Gesetzgebers auf die saumäßigen Zustände beim RBB sind. Offenbar hat man sich dabei nicht nur an deren Korruptionssuppe und Geldverschiebungen gestört, sondern offenbar auch daran, dass das alles zu Berlin-zentrisch war und das Angebot für Brandenburg zu sehr von Berlin gesteuert war. Es gab ja auch unterschiedliche Wahlergebnisse in Berlin und Brandenburg.
Offenbar nun wollte man Brandenburg stärken, indem man vorschrieb, dass es da eine Mindestzahl und gewisse Standorte für Regionalstudios und Regionalbüros geben müsse, damit die auch Regionalnachrichten produzieren können, und man hat verfügt, dass das Regionalprogramm täglich mindestens 60 Minuten „auseinandergeschaltet“ werden muss, also für Berlin und Brandenburg getrennt, damit es eben auch ein Brandenburger und nicht nur ein Berliner Regionalfernsehen gibt.
Denn seien wir ehrlich: Was gibt es schon für Nachrichten aus Brandenburg? Wo ist überhaupt Brandenburg? Und warum? Da musste man dringend einen County-News-Gap durch eine gesetzliche Quote regeln um Gleichstellung zu erreichen.
Jedenfalls war das Bundesverfassungsgericht der Meinung, doch, das kann der Gesetzgeber auch tun.
Wenn man ein bisschen arg zwischen den Zeilen lesen will, könnte man darin zu finden glauben, dass das Bundesverfassungsgericht auf den RBB gar nicht gut zu sprechen ist, um nicht zu sagen, dass es sich von diesem so ganz klassisch-herb „angepisst“ fühlt, denn der RBB hat das Bundesverfassungsgericht immerhin bis auf die Knochen blamiert: Zur letzten Beitragserhöhung hat das Bundesverfassungsgericht ohne jede Prüfung und hemdsärmelig entschieden, dass die Beiträge erhöht werden müsse, weil der Rundfunk finanziert werden müsse, und dann kam heraus, wie der RBB das Geld verprasst und sich dort die Führungsebene die privaten Taschen voll macht. Wurde nie irgendwo in den Medien thematisiert, ist aber allgemein klar, dass das Bundesverfassungsgericht damals (wieder einmal) richtig dummen Murks entschieden hat. Und das wäre ihnen auch nicht passsiert, wenn sie nicht schlampig und korrupt agieren würden, sondern ihre Arbeit sorgfältig machten. Aber das Bundesverfassungsgericht ist eben eine Art außerdemokratischer Parteienrat, was aber nun aufgrund der Richterkandidatinnen der SPD selbst im Zwielicht stand. Anscheinend nun hat das Bundesverfassungsgericht dies dem RBB quittiert, indem sie eben genau die Maßnahmen des Gesetzgebers, die den Korruptionssumpf beim RBB, der das BVerfG blamiert hat, bestätigt haben.
Beachtlich ist nun, dass das Bundesverfassungsgericht nun frühere Entscheidungen zitiert (wie es das fast immer macht), dies aber hier so betont und herausstellt:
77
Maßgebend für die verfassungsgerichtliche Beurteilung der Bestimmungen des rbb‑Staatsvertrags sind die Gewährleistungsgehalte der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Rundfunkfreiheit.
78
1. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als Grundrechtsträger sind zur Verwirklichung der Rundfunkfreiheit als vom Staat unabhängige Organisationen geschaffen (vgl. BVerfGE 31, 314 <322>; 59, 231 <254>). Die Rundfunkfreiheit ist auf die Gewährleistung freier, individueller und öffentlicher Meinungsbildung in einem umfassenden Sinn ausgerichtet (vgl. BVerfGE 12, 205 <260>; 136, 9 <28 Rn. 29>; 158, 389 <416 Rn. 76> − Staatsvertrag Rundfunkfinanzierung; stRspr). Freie Meinungsbildung als Voraussetzung sowohl der Persönlichkeitsentfaltung als auch der demokratischen Ordnung vollzieht sich in einem Prozess der Kommunikation (vgl. BVerfGE 158, 389 <417 Rn. 77> m.w.N.). Der Rundfunk ist ein Medium und Faktor dieses verfassungsrechtlich geschützten Prozesses (vgl. BVerfGE 12, 205 <260>; 73, 118 <152>; 74, 297 <323 f.>; 83, 238 <296>). Die Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dessen Ordnung ist Aufgabe des Gesetzgebers, der dabei einen weiten Gestaltungsspielraum hat (vgl. BVerfGE 158, 389 <417 Rn. 76> m.w.N.; siehe auch Thüringer VerfGH, Urteil vom 19. Juni 1998 – 10/96 ‑, Rn. 74: Staat als Gewährsträger von Rundfunk). Er hat für die erforderlichen Vorbedingungen Vorsorge zu treffen (vgl. BVerfGE 136, 9 <34 Rn. 39> m.w.N.).
[…]
80
Die Ausgestaltung der Rundfunkordnung und der Rundfunkanstalten ist am Ziel der Gewährleistung einer freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung zu orientieren (vgl. BVerfGE 121, 30 <59> m.w.N.). Dabei hat der Gesetzgeber den Anforderungen an die Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (a), an die Wahrung der Programmautonomie (b) und an die Einhaltung des aus dem Erfordernis der Vielfaltsicherung folgenden Gebots der Staatsferne (c) zu genügen.
[…]
85
b) Während es dem Gesetzgeber zufällt, den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zur Vielfaltsicherung zu konkretisieren und die entsprechenden medienpolitischen und programmleitenden Entscheidungen unter anderem im Wege der Leitlinien und Programmgrundsätze zu treffen (vgl. BVerfGE 119, 181 <214, 221>; 158, 389 <421 Rn. 84>), gewährleistet die Rundfunkfreiheit in ihrem Kern dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk seine Programmautonomie. Sie umfasst, dass der Rundfunk frei von externer Einflussnahme entscheiden kann, wie er seine publizistische Aufgabe erfüllt (vgl. BVerfGE 87, 181 <201>; 90, 60 <87>; 97, 298 <310>; 114, 371 <389 f.>). Dabei muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinerseits zu inhaltlicher Vielfalt beitragen (vgl. BVerfGE 158, 389 <418 ff. Rn. 79 ff.>).
[…]
88
88
c) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter müssen so organisiert werden, dass alle gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Wort kommen und die Freiheit der Berichterstattung unangetastet bleibt (vgl. BVerfGE 12, 205 <262>). Ausfluss dieses Gebots der Vielfalt ist das Gebot der Staatsferne (vgl. BVerfGE 12, 205 <261 ff.>; 57, 295 <320>; 83, 238 <296>; 136, 9 <28 Rn. 28, 33 Rn. 38>). Es mindert nicht die staatliche Gewährleistungs-verantwortung, sondern bestimmt nur die Art und Weise ihrer Ausübung. Der Staat darf nicht bestimmenden Einfluss auf das Programm gewinnen (vgl. BVerfGE 83, 238 <330>). Die Organisation der Gremien einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt ist aus dem Prozess staatlich-repräsentativer Willensbildung herauszulösen (vgl. BVerfGE 136, 9 <35 Rn. 40 f.>). Denn der Rundfunk ist Sache der Allgemeinheit und muss in voller Unabhängigkeit überparteilich betrieben und von jeder Beeinflussung freigehalten werden (vgl. BVerfGE 31, 314 <327>).
Im Prinzip sagen sie damit, dass Georg Restle verfassungswidrig ist und es den WDR gar nicht geben dürfte.
Ob ein von Parteien durchseuchter korrupter Parteienrat wie das Bundesverfassungsgericht so etwas wirklich meint und will, oder nur sagen muss, ist fraglich, denn sie haben drei Gründe, dies unfreiwillig zu tun:
- Sie begründen ja genau damit die rechtlich sehr schwierige Beitragspflicht. Im Prinzip nämlich haben wir keine Beitragspflicht, weil der Rundfunk faktisch die vom Bundesverfassungsgericht zur Rechtfertigung der Beitragspflicht angeführten Gründe, die Aufgaben und Voraussetzungen, nicht erfüllt. Wir unterliegen zwar systematisch schon einer Beitragspflicht, aber keiner Beitragspflicht für diesen Rundfunk, den wir tatsächlich haben. Man kann nicht die Beitragspflicht an Anforderungen und Aufgaben knüpfen, um sie zu begründen, und sie dann erheben, obwohl siese Anforderungen und Aufgaben nicht erfüllt werden.
- Es könnte irgendwann EU-rechtsproblematisch werden.
- Sie haben eine Heiden-Angst, dass die AfD irgendwo an die Regierung kommt, und dann ähnlichen Einfluss nimmt wie CDU/CSU, SPD und Grüne.
Ich erinnere mal wieder an mein Erlebnis beim NDR, wo im Hinterzimmer die „Neuen Deutschen Medienmacher“, bezahlt von der Bundesregierung, Journalisten diktierten, was eine Meinung ist und der Meinungsfreiheit unterliege, und was eben nicht. Genauer gesagt, haben sie ihnen nicht diktiert, was das ist, sondern ihnen gesagt, dass sich das täglich ändern kann, weil es täglich neu diktiert wird, und sie zu folgen und alle unerwünschten Meinungen auszufiltern sind.
Aussage damals: „Hass ist keine Meinung. Hass unterliegt deshalb nicht der Meinungsfreiheit!“
Ich: „Was genau ist »Hass«?“
Antwort: „Das regelt jeweils der Diskurs.“
Dagegen das Bundesverfassungsgericht:
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter müssen so organisiert werden, dass alle gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Wort kommen und die Freiheit der Berichterstattung unangetastet bleibt.
Nochmal: „dass alle gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Wort kommen“.
Da steht nicht „dass alle der Regierung genehmen Kräfte zu Wort kommen.“ Und da steht auch nicht „Das Nähere regelt die SPD.“ Oder die Grünen.
Eigentlich ist der Beschluss nicht so wahnsinnig wichtig. Kleinkram.
Aber: Er ist kurz und griff und enthält die obigen Aussagen. Man sollte ihn deshalb griffbereit ablegen, damit man immer dann, wenn wieder mal irgendwer damit ankommt, dass man irgendwen in irgendeiner Sendung nicht einladen dürfe, es ein Fehler sei, jemanden zu Wort kommen zu lassen, ihm eine „Plattform zu bieten“, weil er politisch nicht passt.
Es müssen alle gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Wort kommen.
Und nach den Wahlergebnissen und Umfragen ist die AfD nun einmal so gesellschaftlich relevant wie SPD und Grüne zusammen.
Und dazu könnte man leicht sagen, dass es dann egal ist, wie man die findet. Aber genau das ist es nicht, es ist nicht egal. Dieser Rundfunkauftrag wirkt nämlich genau dann, wenn man die schlecht findet, und nicht dann, wenn es egal ist.
Leute wie Georg Restle dürfte es – meiner wiederholt geäußerten Meinung nach – im öffentlich-rechtlichen beitragsfinanzierten Rundfunk aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geben. Privatfernsehen ist schon zweifelhaft. Der Mann gehört eindeutig in die Presse. Da darf er das, und da hat der Käufer die Wahl, ob er will oder nicht.
Verstehen wird er Rundfunkrecht freilich nicht. Der Mann ist Journalist und studierter Jurist.
Die AfD liegt bei Umfragen oft in Bereichen zwischen 20 und 30%. Man wird also die Frage stellen müssen, wo denn nun eigentlich die nicht-linken Talkshows, Politmagazine und Krimiautoren bleiben.