Frau, Schönheit, Rudelmechanik
Kleines Fundstück. [Update]
Geht gerade in den Social Media herum. Es gibt wohl irgendwo einen Wettbewerb der hässlichsten Leute, den „Buttaface Contest“, wohl von 2005. Die hässlichsten Leute der Welt treten auf, haben eine Papiertüte auf dem Kopf, ziehen die dann runter, unter das Publikum johlt über deren Hässlichkeit wie im alten Rom, und die Jury sitzt dabei und besäuft sich.
Und da gibt es nun eine Aufnahme:
Bruh pic.twitter.com/g4GGIfgDTz
— Wild content (@NoCapMediaa) August 13, 2025
Das Publikum – anscheinend vor allem Frauen – johlt, spottet, lacht:
Insane because she’s out mugs all of them pic.twitter.com/DE6fVQ2II3
— (@periwinklhaze) August 13, 2025
Dabei sieht die Frau doch eigentlich ganz gut aus, sowohl vom Gesicht, als auch von der Figur her. Die ist halt nur nicht geschminkt und schwitzt etwas, das ist alles. Gut, eine 10 ist sie sicherlich nicht, aber ich würde sie für in den meisten Städten deutlich überdurchschnittlich halten, in Berlin allemal, und die Frau auf jeden Fall für voll bikini- und strandtauglich halten. Ich hätte keine Probleme, mit der unterwegs zu sein, ich finde, die sieht gut aus. Die hängt 99% der Feministinnen voll ab, und die allermeisten Berlinerinnen ebenso. Und unsere letzten Miss Germanys ja auch.
Trotzdem johlt das Publikum.
„Framing“? Erwartungshaltung? Rudeltrieb? Jeder johlt, weil alle johlen, und man will ja auch nicht der sein, der die Lächerlichkeit nicht versteht.
Den Effekt kenne ich übrigens. Mir passiert das manchmal auf Veranstaltungen, dass alle plötzlich loslachen und ich sitze da, und habe den Witz nicht verstanden. Und denke mir, warum lachen die jetzt, das war doch gar nicht witzig. Ich bin aber mal dahintergekommen, dass viele immer mitlachen, wenn andere lachen, weil sie nicht so dastehen wollen, als ob sie den Witz nicht verstanden haben.
Das ist übrigens auch der Grund, warum so viele Witze ohne Pointe auskommen: Sie haben keine. Man muss sie nur erzählen, als wären sie ein Witz, und so betonen, als käme jetzt die Pointe, dann lachen die Leute automatisch, weil sie nicht so wirken wollen, als hätten sie den Witz nicht kapiert, oder den Erzähler auch nicht blamieren wollen.
Ich habe das auch schon ein paarmal ausprobiert und bei irgendwelche Vorträgen oder Veranstaltungen dann, wenn das Publikum sehr still war, man damit also auffallen konnte, an völlig unpassenden Stellen laut losgelacht oder begeistert losgeklatscht. Funktioniert. Meistens machen die mit, wenn man es überzeugt vorträgt. Vor allem, wenn man Kollaborateure hat, denn irgendwo habe ich gerade ein Video gesehen, wonach der Nachhahmungsdrang unabwendbar wird, sobald drei etwas machen. Einer allein ist ein Spinner und Einzelgänger. Zwei sind zwei komische Vögel. Aber drei sind eine Gruppe, ein Rudel, und dann greift die Rudelmechanik.
Ist mir übrigens auch in den Talkshows schon aufgefallen. Manche Politiker und Stars haben ihre Claqueure dabei, und wenn die dann losklatschen und loslachen, und dabei über das Publikum verteilt sitzen, reißen die das Publikum mit, und dann klatschen oder lachen die alle einfach aus Gruppenzwang.
Achtet mal darauf, wenn die Leute klatschen. Oder probiert es mal selbst, nicht zu klatschen. Es fühlt sich ganz komisch an, wenn alle klatschen oder lachen, und man selbst nicht. Es gibt ja auch ein Foto von irgendeiner NSDAP-Veranstaltung, wo alle einheitlich den rechten Arm heben, aber mittendrin einer steht, der nicht mitmacht und die Arme verschränkt hat. Der fällt sofort auf, obwohl er ansonsten aussieht wie alle anderen.
Dabei geht es kurioserweise ja gar nicht mal um Schönheit als „soziales Konstrukt“. Die lernen da ja nicht, dass Frauen, die so aussehen, hässlich wären, um dann drei Wochen später so eine auf der Straße hässlich zu finden. Die lernen kein Schönheitsideal. Die lernen, gar nicht mehr selbst zu urteilen und nachzudenken, und einfach das Urteil der Menge zu übernehmen, gleich welchen Inhalts.
Update: Ein Leser klärt mich gerade auf, was es mit dem Begriff „Buttaface“ auf sich hat. Ich hatte gedacht, das hat was mit butt und face zu tun, also sowas wie Arschgesicht. Der Leser meint aber, das seine eine Verballhornung von „but her face…“ und beziehe sich auf Frauen mit guter Figur und hässlichem Gesicht.