Zwei deutsche Tugenden
Mir ist aufgefallen, dass zwei alte deutsche Verhaltensweisen in Japan sehr gut ankommen.
Wisst Ihr, mit welcher ganz einfachen Verhaltensweise man die hier dazu bekommt, dass die sich vor XXL-Bedanken fast überschlagen?
Ich habe die Angewohnheit, anerzogen, dass wenn ich irgendwo reinkomme, Laden, Restaurant oder sowas, und da liegt eine Fußmatte, mir die Schuhe abzuputzen. So dreimal kurze Minischritte, ohne voranzukommen. Nichts, worüber ich noch nachdenke. Ist mir jetzt mehrfach passiert, dass dann einige dastanden, als hätte sie der Blitz getroffen, die Augen weit aufreißen und dann so in dem Stil reagieren, was zur Hölle macht denn der da? Ach, das ist ja wunderbar! Großes Bedanken, tiefe Verbeugung, kommen Sie rein, seien Sie willkommen.
In einigen Restaurants, Museen, sogar Hotels ist es ja üblich und Pflicht, am Eingang die Schuhe auszuziehen und in ein Regal zu stellen. Das ist natürlich nicht praktikabel, das machen nur noch wenige. Schon gar nicht bei Geschäften, denn die wollen ja, dass man reinkommt. Es scheint aber zwischen Schuhe ausziehen und einfach reinlatschen nichts zu geben. Und dann kommt einer daher und putzt sich die Schuhe ab. Sie schauen, als hätten sie das noch nie gesehen (unklar, ob sie das überhaupt nicht kennen oder nicht von einem Fremden, aber ich habe mal darauf geachtet und niemanden gesehen, der sich die Schuhe abputzt). Jedenfalls kommt es sehr gut an, man wird sofort sehr freudig gegrüßt und hereingebeten, weil es offenbar als Geste des Respekts und der Achtung wahrgenommen wird.
Das andere ist die Verbeugung zur Begrüßung. Ehrlich gesagt, geht es, obwohl sie das gar nicht mehr überall machen, aber manchmal halt doch sehr (ich bin einmal im Fahrstuhl dem Putzpersonal des Hotels begegnet, wollte eigentlich nur Guten Tag sagen und dazusteigen, und die großes Theater, alle raus, um mir den Fahrstuhl alleine zu überlassen, alle verbeugt vor mir im 90°-Winkel, was mir dann wirklich unangenehm ist, weil ich diese Pascha-Gefühl nun gar nicht mag), und mir das auch son ein kleines bisschen auf die Nerven geht, und das mit Ruckack und Kamera um den Hals auch nicht so angenehm ist, vor allem, wenn man durchgeschwitzt ist und das schon reibt.
Also habe ich, ohne groß darüber nachzudenken und auch mehr aus Gewohnheit, oder auch um es auszprobieren, ob der Effekt wiederholbar ist, mich nicht verbeugt, sondern nur den Kopf so leicht schräg auf die Seite geneigt und dabei mit einer Hand in einer 180°-Halbkreisbewegung nach vorne die Kappe gezogen. Ich trage nämlich, müsst Ihr wissen, draußen fast immer eine Kappe, weil ich am nördlichen Ende nicht mehr so viele Haare habe und zu leicht Sonnenbrand bekomme. Deshalb habe ich fast immer eine Kappe auf, wenn ich irgendwo rein komme, und ich habe noch gelernt dass Männer (Frauen nicht) beim Betreten eines geschlossenen Gebäudes die Kopfbedeckung abnehmen. Deshalb habe ich an meinen Umhängetaschen und auch am Rucksack ganz leichte Plastik-Karabinerhaken anbracht, um in Gebäuden meine Kappe dranzuhängen. Ich nehme die Kappe also sowieso ab, wenn ich reinkomme, aber habe das in einigen Fällen nicht einfach nur so gemacht, sondern an Stelle eines Grußes vor denen, die ich normalerweise (zurück- oder initial-)begrüßt hätte, mit einer vornehmen gekippten Neigung des Kopfes mit der rechten Hand vorne am Schild die Kappe abzunehmen und das zu tun, was man früher „Den Hut ziehen“ nannte.
Die flippen schier aus.
Vor ihnen explizit und ausladend die Kopfbedeckung zu ziehen scheint die mindestens dreifache Wirkung einer Verbeugung bis zu den eigenen Kniescheiben zu haben.
Freut mich, dass ich zwei Verhaltensweisen habe, die, und bemerkt habe, dass die hier gut ankommen.