Der Shitennō-ji Tempel und die nackten neckischen Nordkoreanerinnen
Heute mal eher Schongang.
Nachdem die letzten Tage recht anstrengend waren und für heute nachmittag Regen angesagt war (der nicht kam, oder zumindest habe ich es nicht gemerkt, denn heute Nachmittag habe ich dann auch nicht mehr viel mehr gemacht, als mich – völlig durchgeschwitzt und klebrig, weil der Tag heute zwar sonnig, aber sehr schwül und feucht war, man auch den Japanern angemerkt hat, dass sie das Wetter heute sehr belastend fanden und mit Fächern wedelten, Erfrischung brauchten oder auch schlapp machten – ausgiebig zu duschen und dann mal für ein, zwei Stunden aufs Bett zu legen und mal einen Nachmittag zu verpennen und mal in ein bisschen in Ruhe im Web zu browsen.
Ich hatte nämlich beschlossen, dass ich nicht nur mal etwas Pause brauche, sondern mein Plan für heute, den ich für genau diesen Tag schon vor Monaten im Kalender eingetragen hatte, exakt zur Wettervorhersage passe (was dann nicht stimmte, aber egal): Heute muss ich zum Shitennō-ji Tempel.
Ruhe?
Einkehr?
Meditation?
Ommmmmmm?
Gut, zugegeben, genau das gab es da im inneren Tempel auch. Aber deshalb war ich nicht da.
Jeden Monat am 21. ist im ganzen Tempelbereich Flohmarkt.
Japanischer Flohmarkt? Da muss ich hin. (Dachte ich vorher.)
Ich war nämlich der naiven Auffassung, dass man in Japan günstig an gebrauchte ältere Nikon-Objektive und neue Kameras käme. Beides stellte sich als Trugschluss heraus. Neue, auch japanische Kameras sind hier teurer als in Deutschland, und dann zahlt man ja auch nochmal die deutsche Mehrwertsteuer/Einfuhrumsatzsteuer obendrauf, und vergleichbar sind die auch nicht. In den Kamerakaufhäusern und -geschäften hängen Schilder, die Touristen vor dem Kauf von Sony-Kameras warnen, weil man in Japan verkaufte Sony-Kameras nicht in andere Sprachen als Japanisch umstellen könne. Und für Nikon werben einige kleinere Fotohändler damit, dass sie Kameras auf Lager haben, die sie irgendwie auf englisch umgestellt haben. Da weiß man dann nicht, was die daran rumgebastelt haben oder ob es nur darum ging, in einem japanischen Menü die Spracheinstellung zu finden, und die Garantie gilt auch in Deutschland nicht, und so weiter und so fort. Sprich: Es lohnt sich wirklich gar nicht, neue Kameras in Japan kaufen und nach Deutschland bringen zu wollen. Höhere Preise plus technische Probleme.
Es gibt hier aber auch Fotogeschäfte für gebrauchte Kameras, die sogar im großen Stil ankaufen und eigene Prüfbüros haben. Da war ich auch und habe mir angesehen, was sie anbieten. Sie haben zwei Etagen. Auf der einen gibt es nur ranzigen Kameraschrott, den ich nicht geschenkt haben wollte, und auf der anderen Etage gibt es ordentliche Sachen, aber maßlos überteuert. Vielleicht sind das – wir sind in Asien – nur die Anfangspreise zum Feilschen, aber da spricht mich überhaupt nichts an. Eigentlich sollte man vermeiden, Kamerazeugs in Japan zu kaufen, wenn man nicht irgendwas vergessen hat und dringend unterwegs nachkaufen muss oder Verbrauchsmaterial wie Reinigungsgerät braucht.
Ich hatte aber in einem Forum gelesen, dass es auf diesem Flohmarkt auch gebrauchten Kamerakram gebe.
Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Kann man komplett vergessen. Es gibt zwar Händler, die alten Kameraschrott anbieten, aber eben wirklichen Schrott. Kisten, in denen die Kameras einfach so rumfliegen, ungeschützt, keine Bajonett-Deckel, die Spiegel deshalb verstaubt, verdreckt, verkratzt (und die bekommt man auch nie wieder einsatzfähig sauber, weil die metallbedampfte halbdurchlässige Spiegel sind, die schon verkratzen, wenn man eine schräge Bemerkung fallen lässt). Und Objektive, die da schon länger offen und ohne Deckel in der Sonne stehen und gnadenlos zudrecken. Vorne bekäme man die vielleicht wieder sauber oder könnte hoffen, dass noch ein Filter drauf ist, aber wenn die hinten erst einmal versifft und verdreckt sind, dann ist das Ding tot.
Das ist ein Kamerafriedhof, ein Haufen Kameraleichen, aber wirklich gar nichts brauchbar. Elektronikschrott der 80er und 90er und 2000er Jahre. Und selbst die paar historischen alten Kameras, die ich entdeckt habe, war in entsetzlichem Zustand.
Oh ja, versteht mich nicht falsch. Es gibt tolle, alte Objektive in Japan, in Top-Zustand und manchmal zu gutem Preis. Aber die einzige Quelle, die ich da bisher kenne, ist: e-Bay. Mit Versand nach Deutschland.
Es gibt in Japan ein paar hauptberufliche Kamerahändler außerhalb der Großstädte, die damit ein Geschäft machen, altes Zeug anzukaufen, zu reinigen, zu bewerten, zu testen und wieder zu verkaufen. Aber die stehen nicht auf Flohmärkten, sondern stellen das Zeug auf e-Bay ein. Warnung: Trotzdem genau lesen und die Produktfotos anschauen. Die nennen gerne alles „near mint“ (zu deutsch: nahezu fabrikfrisch), obwohl die Objektive dann durchaus deutliche Gebrauchsspuren am Gehäuse haben können, meinen dann aber die Optik. Aber was ich heute und in dem Fachgeschäft für gebrauchte Kameras gesehen habe, war echt übel.
Überhaupt bin ich überrascht, dass es ausgerechnet im Land der Kamerahersteller so wenig Achtung für Fotografie gibt. Es scheint auch in Japan ein Kult einiger weniger Leute zu sein und die Mehrheit überhaupt nicht zu interessieren. Hin und wieder sieht man noch Leute mit der dicken Kamera, aber viele fotografieren nur noch Handy und Osmo Pocket 3.
Nachdem ich gelesen hatte, dass der Flohmarkt um 07:00 Uhr öffnet, bin ich also heute morgen um 6 aufgestanden (naja, 6:30) um pünktlich um 7 dort zu sein (es war dann 08:15, man muss ja auch noch zur U-Bahn, U-Bahn fahren, und den Tempel dort erst einmal finden), und zu meinem Erstaunen war da noch fast nichts, denn die meisten Händler kamen erst so gegen 9 um aufzubauen, und richtig Betrieb und Besucheraandrang war auch erst etwa gegen 11 Uhr.
Gebracht hat es aber eigentlich nichts. Viele Fressstände, weit mehr als auf deutschen Flohmärkten, aber ansonsten nichts besonderes, Leute bieten halt irgendeinen alten Krempel an, der meisten meines Erachtens auch nichts mehr wert ist. Sie haben noch ganze Kleiderstangenreihen mit hässlichsten Klamotten ab 100 Yen, anscheinend second hand.
Jede Menge Samuraischwerter, aber nur billige Deko-Waffen. Die sehen zwar echt und eindrucksvoll aus, sind aber stumpf (die „Schneide“ etwa 2mm breit und flach) und auch nicht wie eine Waffe geschmiedet, würden wohl nicht viel aushalten. Im Samurai- und Ninja-Museum in Kyoto hatte ich mit einer Verkäuferin gesprochen, weil sie da auch solchen billigen Deko-Waffen anbieten. Sie sagte, die sähen schon sehr authentisch aus, aber mehr als sie an die Wand zu hängen, sollte man damit keinesfalls tun, insbesondere keine Zieh- und Schwingübungen machen, weil bei den billigen Dekowaffen die Griffe nicht zuverlässig befestig sind und es schon Unfälle gab, wenn sich beim Ziehen oder Herumschwingen nach Kendo-Art die Klinge löst und durch die Gegend fliegt. Sowas kann leicht ins Auge gehen.
Plastikpistolen hatten sie, Soft Air, die erst ab einer Entfernung unterhalb eines Meters als Plastikwaffen zu erkennen sind, ansonsten täuschend echt aussehen (P38, Walther PPK,..).
Und dann fand ich doch etwas, was mich interessiert hätte:
Es gab einen Stand, an dem Krempel aus Nordkorea angeboten wurde, beispielsweise nordkoreanisches Geld. Einer fragte gleich auf englisch (der Verkäufer dort konnte sogar etwas Englisch), wie er denn daran gekommen sei, die Ausfuhr der Landeswährung aus Nordkorea sei doch streng verboten. Die Antwort habe ich inhaltlich nicht verstanden. Aber der ganze Stand bestand wohl aus Schmuggelware aus Nordkorea.
Darunter: Ein gammeliges kleines Plastikfotoalbum mit (wie sich beim späteren Zählen herausstellte, 72) Fotos, Abzügen im Format 10×15, nackter Frauen. Dem Aussehen nach Koreanerinnen, seiner Behauptung nach Nordkoreanerinnen, technische Qualität sehr gut (scharf, richtig belichtet und so weiter), bisschen albern, bisschen neckisch, die meisten harmlos, zwei, drei davon bisschen Porno. Oh, dachte ich, das wäre doch was für meine Schweinkramsamm… Kollektion zeitgenössischer Kunstobjekte und wissenschaftlicher Kunstliteratur.
Denn: Aktfotografie haben viele. Aber Nordkorea hatte ich noch nicht. Nordkorea hat nicht jeder.
Preis geguckt: Innen stand was von 1000. Vorne drauf etwas Japanisch und die Zahl 500.
500 Yen? 3,50 Euro? Nehme ich. Will ich kaufen.
Äh, nee, meinte der, 500 Yen pro Bild. Dann hat er sie gezählt, kam auf 72 (ich habe nicht mitgezählt, denn er hat japanisch gezählt, kann stimmen, kann auch nicht stimmen), dann im Taschenrechner herumgetippt, kam auf 72*500= 36.000 Yen und bot mir das ganze Album für 34.000 Yen (ungefähr 220 Euro) an.
Der spinnt wohl, habe ich mir gedacht.
Als sie den Preis hörten, haben ihn selbst die Japaner um mich herum, die da auch nach Sachen guckten, laut gelacht. Absurd.
20 Euro wäre mir das wert gewesen, aber nicht 220. Drei- oder viertausend Yen hätte ich hingelegt, mit gutem Willen auch fünftausend. Aber mehr nicht. Auf keinen Fall.
Nee, kann er behalten.
Er versucht es mit 28.000 (ca. 180 Euro)
Ich habe dann aber auch keine Lust mehr gehabt. Der dachte, er hat einen Dummen gefunden. Und bin gegangen.
Aus irgendwelchen Gründen war der der Auffassung, dass Schmuggelware aus Nordkorea irgendwie sehr wertvoll sei.
Interessant wäre das schon gewesen, weil man so locker-alberne Aktfotografie Nordkorea gar nicht zutrauen würde. Vielleicht ist das da auch streng verboten. Aber ich weiß ja nicht einmal, ob das überhaupt echt ist und ob man in Nordkorea Farbfotos auf Printerabzügen einfach so entwickeln lassen kann oder ob das rausgeschmuggelte Negative waren und der da für jeden Flohmarkt mit neuen Abzügen kommt.
Ich habe sogar ein Foto von dem Mini-Album gemacht, als es aufgeschlagen auf der Decke am Boden lag, habe also zwei der Fotos abfotografiert. Ich zeige sie hier aber bewusst nicht, weil das zu drakonischen Konsequenzen für Nordkoreaner führen könnte.
Ich muss aber zugeben, dass ich nie zuvor über nordkoreanische Aktfotografie nachgedacht habe.
Man lernt halt doch immer was dazu.