Ansichten eines Informatikers

Onsen – Extreme Einweiching

Hadmut
16.5.2025 17:12

Nie war ich so sauber wie heute.

Nachdem mich gestern abend die Müdigkeit so sehr gepackt hatte und mir gestern auch die Beine vom vielen Laufen schwer wurden, dachte ich mir, man muss ja im Urlaub auch nicht immer Stress haben und lasse den Tag heute mal ruhiger angehen. Zumal Regen angesagt kam (aber nur abends ein paar Tropfen fielen). Ausschlafen – Frühstücken – vorsorglich nochmal ausschlafen, man weiß ja nie – Kleinkram im Hotelzimmer.

Ich dachte, ein Tag, an dem ich eigentlich Lust habe, mal gar nichts zu tun, wäre doch der ideale Tag, auf der Bucket-List einen weiteren Punkt abzuhaken: Onsen.

Japanisches Baden.

Also los, auf zur Spa World. Fotografieren und Video nicht erlaubt. Also aus dem Gedächtnis erzählen, und das wird anstrengend, denn da wurde ich mit vielen Details überhäuft. Das muss man erst einmal lernen, in Japan baden zu gehen. Da ist alles ganz anders.

Dass man in Japan da nackt hingeht, wusste ich. Dass es da aber auch einen Pool zum Schwimmen geht, für den man die Badehose braucht, wusste ich auch, also Badehose eingepackt. Reisehandtuch. Und ich Blödel gehe vorher noch zu Daiso und kaufe mir für 300 Yen Gummischlappen, wie man sie in Deutschland trägt, weil ich dachte, die muss man da mitbringen. Außer Geld und Zeit braucht man gar nichts, es wird wirklich alles gestellt. Dazu unten mehr.

Heute aber war alles komplett anders, als es meine Lebenserfahrung hergibt.

Diese Spa-World ist, zusammen mit einem Spaßbad und einigen Saunen, in den oberen Etagen eines Hotels. Sie haben da neben einer Sauna-Etage und eben der Spaßbad-Etage zwei Onsen-Etagen, eine asiatische und eine europäische, in denen es nach verschiedenen Ländern geht. Diesen Monat ist in der asiatischen Etage „Gentlemen’s month“ und in der europäischen „Ladies’ month“, die trennen da gerade (angeblich immer) nach Geschlechtern und tauschen monatlich die Etagen.

Das Eingangssystem

Ich komme also in dieses Hotel, in die Lobby, und fange schon an zu staunen.

Das Ticket muss man an einem Automaten buchen – und in Osaka gibt es inzwischen verdammt viel, was man über Automaten buchen muss, das breitet sich hier überall aus, hat aber auch den Vorteil, dass man da auf „Englisch“ tippen kann (was einem bei vielen Restaurants gar nichts bringt, weil die Seitenmenüs zwar auf Englisch angezeigt werden, die Speisen aber immer noch auf Japanisch, aber es gibt oft Bildchen, man bestellt also bei einem Restaurant oft außen am Restaurant über den Bildschirm, was man will, zahlt mit Kreditkarte, bekommt ein Ticket und setzt sich dann mit dem Ticket innen rein. Sowas auch da. Das Ding spuckt dann auch einen Armband mit einem QR-Code aus, dass man sich um den Arm kleben muss, um sein Ticket zu belegen und Ausgaben am Ende abzurechnen.

Und damit geht man durch ein Eingangssystem wie an der U-Bahn – hinhalten und die Durchgangsklappe geht auf. Das frappiert etwas, weil das Hotel auf vornehm macht, und dann hat man mitten in der Lobby solche Zugangsautomaten wie in einer U-Bahn-Station.

Ein Hotel ohne Schuhe

Kaum ist man durch den Eingangsautomaten durch, hat es Warnschilder und einen breiten Warnstreifen auf dem Fußboden: Ab hier ohne Schuhe. Dahinter ein Raum mit vielen Regalreihen voller ganz kleiner Schließfächer, in die gerade so ein Paar Schuhe passt. Man muss seine Schuhe wegschließen, weil im gesamten Hotel auf 8 Etagen keine Schuhe erlaubt sind. Alle laufen in Socken, ein paar Leute auch barfuß herum.

Dass man im Schwimmbad keine Schuhe trägt, ist klar, aber in der Hotel-Lobby? Alles mit Matten und Teppichboden ausgelegt, alle in Socken oder barfuß unterwegs.

Ich etwas ratlos. Ticket gekauft, durch dein Eingangsautomaten, die Schuhe weggeschlossen – und nu? Nu stehe ich barfuß in einer Hotel-Lobby und weiß nicht weiter. Frage an der Rezeption. Den Aufzug müsse ich benutzen und hoch in den sechsten Stock. Ich fahre also zum ersten Mal in meinem Leben (soweit ich mich erinnern kann) barfuß Fahrstuhl. Und komme dort in eine typische vornehme Hoteletage, auf der gegenüberliegenden Seite offenbar der Eingang in den asiatischen Spa-Bereich, nur für Männer.

Und dann fängt das Rätselraten schon an. Nackte Männer unterwegs, aber auch welche mit Klamotten. Was ist richtig?

Ich erkundige mich, was nicht einfach ist, weil sie kein Englisch können. Doch, so wird mir bedeutet, nackig sei richtig, und es hängen auch Schilder da, dass Badehosen verboten sind. Also mache ich das mal so. Zeug ins Schließfach, und gehe dann, mit nichts als meinem Zahlungsarmband am linken und dem Schließfachschlüssel am rechten Handgelenk weiter in den Spa-Bereich.

Zuerst mal in den Vorbereich, wo es jede Menge Tische mit Spiegel und Waschbecken und so für die Nachbearbeitung gibt, Getränkeautomaten, und – ich staune – Leihhosen und Leihshirts in zwei Größen auf großen Stapeln, die man sich nehmen und anziehen kann und soll – wenn man den Spa-Bereich verlässt und im Hotel rumlaufen will. Dann zieht man nicht seine eigenen Klamotten an, sondern – ohne Unterwäsche – eine Leihhose und ein Leihhemd. Für die gibt es große Sammelkörbe, in die man sie wirft, wenn man sie getragen hat, ebenso wie es Körbe für Handtücher gibt. Handtücher werden auch gestellt, große Mengen kleiner gelber Handtücher. Als ich später mal in ein Restaurant gehe um etwas zu essen, ziehe ich mir auch solche Leihkleidung über, und sehe im Restaurant auch Frauen in solcher Leihkleidung – aber anderer Schnitt, andere Farbe. Das trennen sie dann schon.

Ich gehe also nackig und barfuß weiter in den Badebereich – huuuuh, lauter nackte Männer, ganz viele nackte Männer – und bin ratlos. Ich stehe zwar vor dem Becken, in das man sich reinsetzt, hatte aber – glücklicherweise – vorher gelesen, dass man auf gar keinen Fall sich derart danebenbenehmen soll, sich verschwitzt und ungewaschen da reinzusetzen. Man muss sich da erst initialreinigen.

Ich suche und finde auf einem Plan so einen Waschraum. Und komme dort aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.

Ein großer Raum, am Eingang auch drei Duschen, für die, die sich im Stehen waschen wollen, aber ganz viele, ganz kleine Abteile, solche Cubicles, in jeder Gangreihe auf jeder Seite sechs, je drei auf beiden Gangseiten, mit seltsamen Dingen, die ich nicht verstehe. Ein Plastikhocker, auf den man sich mit dem nackten Hintern draufsetzt. Man hockt da so (später sehe ich auch noch einen Raum, wo sie das alles nochmal aus klassischem Holz haben). Dazu eine große Waschschüssel (aus Plastik, im anderen Raum aus Holz, wie ein Fass gemacht). Eine Art Wasserhahn, bei dem bei einmal Drücken etwas mehr als eine Schüssel voll heißes Wasser rauskommt, außerdem eine Handbrause mit Schlauch. Und drei große Flaschen mit Shampoo, Körperseife und Conditioner oder sowas.

Und am Eingang ein Tisch, auf dem so weiße, ganz rauhe plastiktücher gereicht werden, so das Zeug, aus dem man früher die Schwämme gemacht hat, um Insekten von den Autoscheinwerfern zu kratzen. Und Einwegrasierer und Zahnbürsten, hygienisch einzeln verpackt. Und ein Behälter, der sich als kleiner Mülleimer für die Rasierer, Zahnbürsten und Verpackungen herausstellt.

Ich probiere es erst einmal mit einer Dusche. Duschen kommt mir bekannter vor. Auch da die drei Flaschen Seife und eine Duschanlage, die manche Autowaschanlage in den Schatten stellt: Von oben Wasserschwall. In Brusthöhe drei Düsen, die drei hin- und herwackelnde Strahlen schicken, wohl für die Achseln und so weiter. Und noch eine Handbrause am Schlauch, zweifellos für den Südpol. Ich wasche und dusche mich also gründlichst, an jeder Stelle eingeseift, aber es erscheint mir nicht ausreichend im Vergleich zu dem, was die anderen Leute da veranstalten.

Die sitzen da auf diesen Platikhockern und veranstalten exzessive Wascharien. Die brausen sich und seifen sich, dass kann man sich nicht vorstellen, das ganze Wasser fließt über den Boden ab, lauter nackte Männer auf Platikhockern, die sich unfassbar gründlich abseifen.

Ich dachte, ich falle da negativ auf, wenn ich das nicht auch mache, und habe meine Eigenreinigung intensiviert und wiederholt. Zahnbürste, nochmal rasiert, und gib ihm, Seife überall, und wiederholt und auf jeder erdenkliche Weise abgespült, unter besonderer Berücksichtigung des Südpols, Dödel, Klöten, Ritze, alles gründlichst gereinigt, damit mir keiner einen Vorwurf machen kann. Und weder mit Seife, noch mit heißem Wasser gespart, es soll ja jeder sehen, dass ich mich nicht weniger wasche als die Japaner. Mittlerweile war so eine gefühlte Dreiviertelstunde um. Uhren haben sie da nicht. Und ich noch immer damit beschäftigt, ostentativ jeden Quadratzentimeter mindestens dreimal zu waschen, und das so extrovertiert, dass die Leute auch mitbekommen, dass ich alles gewaschen habe. Die machen das ja auch so.

Ich habe mich noch nie so sauber und gewaschen gefühlt, wie nach dieser Seifungsorgie.

Überall barfuß. Nur nicht auf der Toilette. Da stehen Gummischuhe bereit, weil an natürlich nicht barfuß an einem schmutzigen Ort wie einer Toilette geht.

Doppelt (Dusche und Plastikhocker) gründlichst gereinigt, keine Stelle am Körper ungeseift, rasiert, gezähneputzt, ins Becken. Man kübelt sich da erst (kenne ich aus Malaysia) mit einem Handkübel etwas Wasser aus dem Becken oder einem sDaseparaten Heißwasserbecken über, um den Körper auf Heißwasser einzustellen.

Dann war es gar nicht so heiß. 38 Grad, in einem anderen 41. Ich dachte immer, das sei so heiß, dass man als Europäer kaum reinkommt. War es aber nicht. Sehr warm, aber angenehm.

Ich habe dann die verschiedenen Bäder alle ausprobiert.

Ich dachte immer, in japanischen Bädern sei Ruhe-Gebot. Aber owohl die da alle auf vornehm machen, vor manchen Bädern hängen Fernseher mit Werbung oder Sportnachrichten.

Nachdem ich einmal rundum durch bin, wollte ich mal den Pool ausprobieren, habe ja shließlich Aufpreis gezahlt.

Man fährt da mit einem Fahrstuhl hin, aber erst muss ich blamagevermeidend klären, ob mit oder ohne Badehose. Ich komme also im Nacktbereich an einer Art Massage-Rezeption vorbei, wo ein Mann und eine Frau sitzen, beide kaum Englisch können, und wenn ich sie richtig verstanden habe, brauche ich dafür die Badehose. Ich hole sie aus dem Schließfach. Gehe nochmal zu den beiden, immer noch nackt, ist ja der Nacktbereich, in einer Hand die Badehose und frage, so gestikulierend, nackig oder Badehose. Man bestätigt mir, dass die Badehose die richtige Wahl sei, und bittet mich in die Umkleidekabine. Alle laufen da nackig rum, es ist noch der Nacktbereich, aber um mir die Badehosen anzuziehen soll ich in die Umkleide? Ach, was, zack, habe ich sie an, gehe in den Fahrstuhl. 8. Stock, Spaßbad.

Auch da Zugangskontrollen wie in der U-Bahn, davor aber eine Beregnungsanlage. Trocken und ungewaschen kommt auch da keiner rein.

Beim Reingehen sehe ich noch drei Gäste, die aber gleich gehen. Ich bin völlig allein im Spaßbad, das, so völlig verlassen und teils dunkel, auch keinerlei Spaß macht, zumal sie kein Becken zum Schwimmen, sondern nur eine lange Bahn im Kreis herum haben, in der mir das Wasser kaum bis zur Brust geht, in der man aber schwimmen muss, weil alles zu glatt ist um zu gehen. Es gibt imposante Rutschen, in die ich aber weder will noch gehe, weil das Rutschen einzeln abgerechnet wird (es gibt auch Tageskarten) und das geschlossene Röhren sind. Wenn mir darin was passiert, findet man mich nicht vor Juli. Es gibt noch ein Kinderplanschbecken, da sind noch Leute.

Das Spaßbad war ein völliger Reinfall, das war nichts.

Ich also wieder zurück in den sechsten Stock zur Männeretage. Sie haben für die beiden Etagen getrennte Fahrstühle und bewegliche Schilder, die „Men only“ und „Women only“ zeigen und wohl jeden Monat getauscht werden.

Ich komme wieder runter, vor mir noch ein anderer, der mir zeigt, wie es geht. An der Stelle, an der man sich der Badehose wieder zu entledigen hat, stehen kleine Maschinen, deren Sinn und Funktion sich mir im ersten Augenblick noch nicht erschließt.

Es sind Hochgeschwindigkeitszentrifugen. Wäscheschleudern im Bierglasformat, wenn man so will. Da stopft man die Badehose rein, Deckel zu, Knopf drücken – ssssst – 10 Sekunden später ist die Hose nahezu trocken. Zumindest deutlich weniger nass also noch 10 Sekunden zuvor.

Ich nehme mir ein Leihhose (ein einfaches Teil vorne mit Bändel) und ein Leihhemd (ähnlich wie Poloshirt, beide mit Werbedaufruck und aus hochwertigem, dicken Synthetikmaterial, die werden ja ständig wieder gewaschen), um in die dritte Etage zu fahren und ein Restaurant aufzusuchen.

Danach wieder hoch. Weil ich im Fahrstuhl feststelle, dass ich nach dem Spaßbadbesuch nach Chlor rieche, wiederhole ich den Spa-Besuch samt Einseif- und Waschorgie.

Hinterher dann raus, am Automaten die Rechnunung bezahlt, damit mein Armband als bezahlt freigeschaltet wird und ich wieder rauskomme. Die Schuhe noch aus dem Schließfach geholt und raus.

Ein überaus seltsames Erlebnis.

Aber interessant. Und blitzesauber eingeweicht. Man fühlt sich auch gut.

Aber eines, nein, drei Dinge, muss ich da schon sagen:

  • Das Spaßbad war ein Reinfall.
  • Der Steinboden ist so glatt und rutschig, dass man ständig Gefahr läuft, aufs Maul zu fallen.
  • Es war zwar sehr angenehm, aber die fünf, sechs Becken gleich als „Spa World“ zu verkaufen ist reichlich hochgegriffen. Zwischen diesem Spa und der Therme in Erding liegen Welten.

Haken dran, wieder ein Punkt auf der Bucket List erledigt.

Die Reinlichkeit, mit der sie sich exzessiv waschen und wirklich jede Stelle reinigen und abschrubben, ist überaus beeindruckend. Das ist weit mehr, als ich mir vorgestellt habe. Und vor allem: Man bekommt alles gestellt, muss gar nichts dabei haben.

Aber: Das Rumliegen in warmem Wasser erscheint mir dann doch etwas überbewertet. Vor allem, wenn man die Therme in Erding kennt.

Ich hatte den Eindruck, es geht gar nicht so um das Rumliegen und Rumsitzen in heißem Wasser, sondern um das exzessive Waschen, Seifen, Schrubben vorher.

Was ich allerdings nicht erwartet hätte: So viele junge Männer. Ich hätte gedacht, dass das etwas für alte Japaner ist. Von denen gab es auch welche, aber es ist bei jungen Männern offenbar sehr beliebt.