Über Bloggen bei Müdigkeit, das Gehirn und Kyoto, Ninja und Samurai
So, ausgeschlafen, befrühstückt und wieder wach.
Herrje.
Herrjemine.
Da habe ich im Blogartikel von vergangener Nacht einen erheblichen Fehler gemacht, Leser haben es aber gemerkt: Es sind natürlich die Ninja, über die man praktisch nichts weiß, nicht die Samurai, über die man alles weiß. Das war ja auch das, was mir einer vom Museum im Gespräch erklärt hat, dass sich diese Film-Story vom komplett schwarz eingepackten perfekten Killer, der lautlos über Dächer krabbelt, sogar in Japan in den Köpfen festsetzen konnte, weil die Filmindustrie das so gebastelt hat, obwohl es dafür überhaupt keine Belege gibt und das auch keinen Sinn ergibt, weil Ninja in erster Linie Spione waren und ausgebildet, nicht aufzufallen, in der Menge nicht unterzugehen, sich glaubhaft als eine der sieben oder acht Berufs- und Personengruppen auszugeben, die ohne Passierschein im Land herumreisen konnten (z. B. Händler, Mönche, „Bergasketen“ habe ich in Erinnerung).
Diese Leute hatten effektiv genau das, was wir heute eine Geheimdienstausbildung nennen oder was die Spione in deren Hochzeit in Europa auch ausmachte. Was insofern hochinteressant ist, weil sie eigentlich aus der Bauernschicht kamen und damit nicht sehr gebildet waren, aber irgendwie doch an Bildung gekommen sind. Und deren Gründer und Anführer, Hattori Hanzō, war ein Samurai. Wenn man sich das so zusammenzählt, hat der sich da ein Netzwerk aus Agenten und Spionen herangezogen, und Bauern dazu ausgebildet. Denn die seien im Hauptberuf, bei Tag eben Bauern und damit unauffällig geblieben, und wären bei Nacht aktiv geworden. Es ist wohl also auch nicht so, dass es da irgendwelche Leute gab, die nur darauf dressiert waren, über Dächer zu krabbeln und Leute umzubringen, sondern das waren völlig normale Leute, die einem normalen Hauptberuf nachgingen und deshalb völlig unauffällig waren, aus den unteren Schichten, auf die man nicht geachtet hat, und gerade deshalb einen effizienten Geheimdienst gebildet hatten. So geheim, dass man fast nichts über sie weiß.
Wie konnte ich das beim Schreiben verwechseln?
Ich war früh morgens aufgestanden, um rechtzeitig nach Kyoto zu kommen, und da auch den ganzen Tag auf den Beinen und rumgewetzt, weil mir morgens beim Versuch, den Umzug aufzunehmen, ein Malheur passiert war. Ich wollte kurz vor dem Umzug noch an der GoPro die (Micro-SD) Speicherkarte wechseln, weil nicht mehr genug Platz drauf war. Dabei bin ich mit dem Daumennagel abgerutscht, und die schon gefüllte Speicherkarte ist mir durch die Feder irgendwie rausgeflutscht oder runtergefallen, ich habe die nicht mehr gefunden. Das war an einer Parkbank, unten eine Schotterfläche, ich habe auf einer Umgebung von etwa 5 Metern alles abgesucht, und, soweit das im Sonnenlicht ging, auch die Ritzen der Parkbank, ich habe die Karte ums Verrecken nicht mehr gefunden. Selbst im Baum habe ich gesucht, weil die Bank unter niedrig hängenden Ästen hängt, und falls die Karte so geflutscht ist, wie ich das aus dem Augenwinkel gesehen zu haben meinte, hätte sie auch in einem Ast des Nadelbaums hängen können. Aber nichts. Nicht zu finden.
Nicht so schlimm. Glücklicherweise gleich morgens passiert, und es war zwar die Speicherkarte, auf die auch der Rundgang durch den deutschen Pavillon drauf ist, aber ich hatte die Karte zwei Abende zuvor bei der Anfertigung des Videos auf den Rechner kopiert. Ich versuche ohnehin, Speicherkarten, wenn zeitlich irgendwie möglich, jeden Abend auf den Rechner zu kopieren. Das elfte Gebot: Thou shalt make backups. Abends wäre es schlimmer gewesen, weil die Tagesauffnahmen weg gewesen wären, aber so war es nur eine Speicherkarte, Schaden irgendwo zwischen 20 und 40 Euro. Eigentlich wollte ich nämlich den Umzug aufnehmen. Aber nachdem ich da auf allen Vieren herumgekrochen und mir den Boden aus der Nähe angesehen hatte, wurden Japaner auf mich aufmerksam, erkundigten sich, was ich da mache – und suchten mit. Jetzt kann man die schlecht nach der Karte suchen lassen und selbst zum Umzug gehen, das wäre extrem unhöflich und unangemessen, also habe ich natürlich weiter gesucht und dadurch den einen Platz verloren, den ich mir an einer Begrenzung ausgesucht hatte, um ganz vorne dabei zu sein und die Teilnehmer des Umzugs frei, ohne jemanden vorne dran und aus nächster Nähe fotografiernen zu können, denn da standen nun viele andere Leute. Das hat mich sehr geärgert, dass ich den Termin über Monate geplant hatte und extra früh morgens losgefahren war, und mir das dann wegen so einer Blödheit selbst versaue.
Ich bin deshalb durch die Stadt gewetzt, um den Umzug, der nach dem Verlassen des Parks über eine Hauptstraße Richtung eines Schreins ging, nochmal einzuholen und dann eben in der Stadt zu fotografieren.
Aber, ach.
Es war rappelvoll, die Polizei hatte die Strecke abgesperrt, und dann merkt man das auch, dass es dann, wenn es darum geht, einen solchen Umzug anzuschauen, das Ende der Höflichkeit der Japaner erreicht ist: Da gibt es dann ein Stoßen und Schubsen, halten die einem völlig rücksichtslos ihr Handy vor die Kamera, weil sie auch was aufnehmen wollen und ihr Handy am gestreckten Arm hochhalten.
Dabei war der Umzug gar nicht so ergiebig. Keine Musik, nichts. Ein paar der Leute haben in die großen Kameras gelacht, und einer auf dem Pferd hat ab und zu mal eine Pirouette gedreht, vielleicht aber auch mehr, um das Pferd zu unterhalten, als das Publikum, denn den Pferden schien es auch langweilig. Aufgefallen ist mir aber, und das habe ich noch nie gesehen, dass die Polizeipferde (die hatten da berittene Polizei, die vorausritt, und anscheinend im Umzug auch in alten, traditionellen Gewändern, aber mit modernem Funkgerät mitlaufende Polizisten, die das alles organisierten) ihren im historischen Pulk mitlaufenden und teils geschmückten Pferdekollegen interessiert zusahen und das augenscheinlich schön und interessant fanden. Ich wusste gar nicht, dass Pferde so etwas können.
Jedenfalls war der Tag anstrengend, die Beine auf dem Rückweg im Zug schon müde und schwer, aber ich habe mich eigentlich noch recht fit gefühlt.
Aber kaum war die Hoteltür ins Schloss gefallen, wurde ich dann ziemlich steil müde. Ich wollte noch einen Blogartikel schreiben, damit das Blog nicht verwaist ist und weil mir im Zug einige Aspekte des Tages durch den Kopf gingen, aber dabei kam es zu einem Effekt, den ich noch nie erlebt hatte:
Ich bin während des Schreibens zwei, drei, vier Mal eingenickt, weil ich auf einmal, direkt neben dem Bett, so richtig schwer müde war, und zwei Mal ist mir dabei Folgendes aufgefallen:
Geistersätze
Ist mir zweimal passiert: Ich war eingenickt, bin wieder hochgeschreckt, und im Text stand beim Cursor ein Satz, grammatikalisch, orthographisch, vom Satzbau völlig korrekt, aber inhaltlich unsinnig, weil Worte mit sehr entfernten ähnlichen Begriffen vertauscht, und ich mich nicht erinnern konnte, diesen Satz jemals geschrieben zu haben – mit den Händen noch auf der Tastatur.
Ich hätte die Sätze eigentlich aufheben sollen, weil das jetzt, aus dem Wachzustand betrachtet, sehr interessant gewesen wäre.
Denn offenbar schalten beim Einschlafen nicht alle Teile des Gehirns gleichzeitig ab, das tun sie ja auch bei einer Narkose nicht.
Anscheinend ist mir der Teil, der die Gedanken bildet, das Bewusstsein, eingeschlafen, während irgendein anderer Teil des Gehirns von sich aus noch einen ganzen kompletten Satz mit Satzzeichen und allem drum und dran, nur eben sinnhaften Fehlern, weitergeschrieben hat, ohne das dann ins Gedächtnis zu übertragen. Den Effekt habe ich noch nie beobachtet, das scheint eine Auswirkung aus einer bestimmten Weise des Einschlafens bei großer Müdigkeit zu sein. Die Sätze waren nämlich auch nicht völlig sinnfremd, sondern hatten schon irgendwas mit dem Blogartikel zu tun, grammatikalisch korrekt, Satzzeichen, Satzbau, alles richtig, nur irgendwie die Wörter vom Sinn weit entfernt, aber auch nicht gänzlich willkürlich.
Ich hatte beschrieben, dass ich gelegentlich Schreibfehler mache, weil durch das viele Schreiben über die Jahre nicht mehr Buchstaben, sondern ganze Silben und Wörter als Bewegungsabläufe gespeichert sind, und das Hirn manchmal Silben durch andere ersetzt, die ähnlich oder gleich klingen, aber ganz anders geschrieben werden.
Also ob das Gehirn nicht zentral, sondern in einer Art Pipelining arbeitet, in die vorne Gedanken reingehen, und dann jede Station den Satz irgendwie umbaut, und letztlich in Handbewegungen auf der Tastatur umwandelt, um beim Einschlafen einige Teile der Pipeline noch lange genug weiter dudeln, um noch einen ganzen Satz rauszuhauen, bei dem sich das Großhirn später fragt, was für einen Mist „ich“ denn da geschrieben habe und warum ich mich nicht erinnern kann, diesen Satz jemals geschrieben zu haben. Eigentlich nur dadurch zu erklären, dass beim Einschlafen nicht alle Teile des Gehirns exakt gleichzeitig in Schlaf fallen.
Und anscheinend ist mir dabei auch durchgerutscht, dass über die Samurai nichts bekannt sei, obwohl gerade das Gegenteil gemeint war, mir der Mann im Museum das Gegenteil erzählt hatte, nämlich dass sie in der Schule alles über die Samurai lernen, rauf und runter, vor und zurück, aber gar nichts über Ninja. Da war wohl im Einschlafen das Wort Samurai schon fest gesetzt. Man könnte auch sagen, die Ninja waren so geheim, dass sie einem das Wort im Hirn rumdrehen, bevor man etwas über sie sagen könnte.
Jedenfalls gibt es hier das Bild der Ninja als geduckte, schwarz gekleidete Mörder mit Shuriken. Auf der Expo stellten sich im Kansai-Pavillon verschiedene Regionen mit dem vor, wofür sie am bekanntesten sind, etwa kulinarische Spezialitäten, aber eine Region eben mit dem typischen Ninja-Bild, geduckter, schwarz vermummter Kämpfer mit Shurike in Angriffshaltung. Und auch im Museum selbst hatten sie Puppen und Bilder genau davon – sagen aber im Text und wenn man fragt, dass das eigentlich gar nicht stimmt und die Ninja niemals schwarz, sondern entweder Navy-Blau, oder ganz gewöhnliche Alltagskleidung getragen haben, weil ihr Ziel war, in der Menge unterzugehen und nicht erkannt zu werden. Es ist etwas widersprüchlich, denn auf einer Tafel erklären sie auch den „Ninja-Gang“, denn Ninja hätten trainiert, sich lautlos zu bewegen, lautlos zu atmen, lange die Luft anzuhalten, weil sie oft stundenlang versteckt hätten ausharren müssen. Und sie gebückt gegangen seien, um schwerer zu sehen zu sein. Die haben schon in und an Häusern aufgelauert. Und damit ergäbe die schwarze Kleidung durchaus einen Sinn.
Aber haben sie gelauert, um zu belauschen, oder um zu morden?
Samurai
Ich hatte auch gefragt, wie man die Samurai aus heutiger Sicht sieht, ob gut oder böse.
Antwort: Weder noch.
Man sieht sie als Leute, die ihren Job gemacht haben, wie eine Art Polizist.
Viele der heutigen Verhaltens-, Benehmensregeln, vieles von dem, was heute Japan ausmache und für das Land so typisch sei, zu seiner Identität beitrage, sei ein Produkt der Samurai, weil diese auch auf Ordnung, Regeln, Sauberkeit geachtet hätten. Man verdanke denen schon viel.
Andererseits vermutet man, man weiß es aber nicht genau, dass die japanische Mafia, die Yakuza, aus den Ronin, den herrenlosen, umherstreunenden Samurai, entstanden ist.
Der Regionalzug
Ich bin nicht mit dem Shinkansen gefahren, obwohl ich das noch vor habe, der aber, ich habe irgendwo ein offizielles Video gesehen, in dem das Interieur vorgestellt wird, finde es aber nicht mehr auf Anhieb, zumindest in der zweiten Klasse auch nur ein vollgestopfter Zug mit 5 Plätzen pro Sitzreihe ist (3-Gang-2), dazu teuer und das Problem mit sich bringt, dass man zu Abfahrt und Ankunft noch mit der U-Bahn fahren muss, was die Sache noch teurer macht und den Geschwindigkeitsvorteil (Osaka-Kyoto angeblich in 15 Minuten) wieder zunichte macht.
Es gibt hier aber eine Keihan Line zwischen Osaka und Kyoto, spottbillig (ca. 400 Yen), die in verschiedenen Varianten fährt, vom Bimmelzug, der überall hält, in mehreren Stufen bis zum Express, der nur an wenigen Stationen hält, und innen wie eine gewöhnliche U-Bahn gemacht ist, und die eben auch von der nächsten U-Bahn-Station aus (vom Hotel gesehen) bis nahezu an den Kaiserpark fährt, also kein Umsteigen erforderlich macht.
Der Brüller am Shinkansen ist wohl nicht der Zug an sich, sondern die erste Klasse.
Mir sind aber gestern abend bei der Abfahrt in Kyoto fast die Augen rausgefallen, weil da auch so ein Luxus-Zug ankam, „Premium Car“, für den man ein erster Klasse Ticket und eine Sitzplatzreservierung braucht, der ganz vornehm und altmodisch aussah, extra so auf retro getrimmt, und in dem man sich vorkommt wie in Agatha Christies Orient Express. Sogar mit Schaffner, der dann in der Weste aussah wie ein Butler. Dafür steht ein Ticketautomat am Bahnsteig, kostet abends wohl so um die 500 Yen Aufpreis. Muss ich unbedingt mal ausprobieren.
Der Brüller ist hier also wohl nicht der Shinkansen, sondern das Fahren erster Klasse, weil sich das hier mehr unterscheidet als in Deutschland, wo die Sitze nur etwas breiter sind.
Regentag
Jetzt muss ich mal überlegen, was ich mit dem Tag heute mache. Es ist Regen angesagt, noch regnet es aber nicht.
Vielleicht gehe ich heute mal in ein japanisches Bad.